Karriere lässt sich nicht planen
Sie haben brav studiert, waren im Ausland und haben attraktive Praktika absolviert – und jetzt stehen Sie da und suchen den Traumjob. Doch der ist keineswegs garantiert. Was wir heute erleben, sind Hochschulabsolventen als Hartz-IV-Empfänger, hervorragend ausgebildete Berufseinsteiger, die mit monatlich 1600 € brutto abgespeist werden, und auf der anderen Seite Konzerne, die mit Spitzengehältern um Spezialisten buhlen. Alles scheint möglich, eine Garantie gibt es für nichts. Karriereversprechungen für die Zukunft sind heute so wertvoll wie Kartenlegen.
„Ihr Wert auf dem Arbeitsmarkt steigt und fällt wie der Kurs von Aktien: heute top, morgen flop.“
Dabei ist Planen in. Man dümpelt nicht vor sich hin, man weiß genau, was man will, und geht zielstrebig drauf zu. Wenn es der Karriere dient, wird der Lebenslauf mit angesagten sportlichen Aktivitäten und Ehrenämtern aufgemotzt. Statt auf Spontaneität und Kreativität setzen viele auf Lernvideos zur Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch. In Wahrheit klappt es mit der durchgestylten Karriere aber nur selten.
„Wer sich mit Planungswut, Zukunftsangst und Unsicherheit selbst einschränkt, kann nicht erfolgreich sein.“
Ebenso wenig lässt sich der Traumjob planen, selbst wenn man dafür Tests und Coachs einspannt. Komischerweise endet diese Art Berufsfindung fast immer bei der Vorstellung von einem „schönen“ Job – Bestatter möchte niemand werden, obwohl das ziemlich krisenfest ist. Vergessen wird, dass das, was man so wahnsinnig gerne machen würde, vielleicht gar nicht das ist, was man wirklich kann. Superstar- oder Top-Model-Castings sind auch deshalb so erfrischend.
Karriereleitern mit brüchigen Sprossen
Es ist eine traurige Realität: Leute mit Einser-Abitur, ehrgeizig und leistungsorientiert, die sich mit Enthusiasmus in den ersten Job werfen – und nach ein paar Jahren als psychische Wracks zu sich kommen. Vielleicht weil sie das Falsche studiert haben oder weil sie viel zu hohe Erwartungen an den Job hatten. Dann gucken sie neidisch auf die Kollegen, die es mit Berufserfahrung, Beziehungen und Persönlichkeit schneller weiter bringen als die anderen mit ihren guten Noten und ihrem Fleiß. Früher gab es noch Karriereleitern und den vom Konzern geregelten Aufstieg. Doch die Wirtschaftskrise und die Globalisierung bringen das gehörig ins Wanken. Wer sich an Sicherheiten klammert, stürzt ab.
„Vielleicht wäscht die Wirtschaftskrise ja jenen die Kopf, die denken, mit ihrem Studienabschluss nur für höchste Aufgaben prädestiniert zu sein.“
Wenn der sichere Job Ihr Dogma ist, müssen Sie umdenken. Gemütlicher wird Ihr Leben, wenn Sie statt der Risiken immer die Chancen sehen, die sich Ihnen bieten. Die alten Karrieregesetze können Sie dabei vergessen: Eine Kündigung betrifft heute nicht nur schlechte Mitarbeiter, sie ist auch kein Makel, und Sie sind kein „Loser“, wenn Sie es bis 40 nicht ins Topmanagement geschafft haben. Die Zeiten, in denen ein Jobwechsel mindestens 10 % mehr Gehalt bringen musste, sind auch vorbei. Die Reallöhne sinken, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nimmt ab und die Unternehmen schleichen sich aus den Tarifverträgen.
Die Bedingungen der Wissensgesellschaft
Dass heute alles anders ist, daran ist Toyota schuld. Der Automobilkonzern erfand in den 1980er Jahren das sogenannte Lean Management, setzte auf Teams bei den einzelnen Arbeitsschritten und schuf Projekte zur Prozessoptimierung. Das hierarchiereduzierte Unternehmen war derart erfolgreich, dass das Toyota-Prinzip sich wie ein Lauffeuer um den Globus verbreitete. In allen Unternehmen schossen Projektteams aus dem Boden, während sich draußen die freiberufliche Projektarbeit etablierte. Mitarbeiter, die ihre Firma als lebenslänglichen Ankerplatz sahen, waren nicht mehr gefragt. Es ging und geht um Effizienz. In Konzernen, aber auch im Verwaltungssektor machen Sie dann Karriere, wenn Sie Durchlaufzeiten verbessern, Personal einsparen oder Lagerbestände senken. Projektmanager sind dazu da, alles effizienter zu machen– ganz vorneweg ihre eigene Projektarbeit.
„Besonders wichtig wird die Kombination von Prozess- und Soft-Skill-Wissen sein.“
Die Arbeitnehmer der Zukunft sitzen also praktisch immer auf einem gepackten Koffer. Ist ein Projekt beendet, müssen sie sich ein neues suchen. Oder einen neuen Arbeitgeber oder einen neuen Job. Ein Lebenslauf wird künftig eher wie ein bunter Wiesenblumenstrauß aussehen und nicht mehr wie eine brave Grünpflanze. Auch Jobpausen gehören dazu, weil auf ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht unbedingt gleich das nächste folgt. Vielleicht mischen Sie sich ja noch mal unter die Studenten oder nehmen nach einem lukrativen Job eine kreative Auszeit. Es ist in jedem Fall ratsam, sich nicht an ein Unternehmen zu ketten. Erstens ersparen Sie es sich, wegrationalisiert zu werden, zweitens bleiben Sie unabhängig und drittens zwingen Sie die Firma dadurch, sich ihren Mitarbeitern gegenüber ordentlich aufzuführen. Nur Abhängige lassen sich schlecht behandeln.
„Die Chance des Spezialisten ist, dass er, je spezieller und gefragter sein Wissen ist, auf der Höhe der Nachfrage nach seinem Know-how nahezu jedes Gehalt und Honorar verlangen kann.“
Ihr großer Trumpf aber ist Wissen. Wir leben im Zeitalter des digitalen Kapitalismus, im dem Wissen die Schlüsseleigenschaft darstellt. Ihre Teamfähigkeit in Ehren, aber den Job bekommen Sie, weil Sie etwas wissen, möglichst etwas Besonderes. Fachwissen ist hier aber nur eine Möglichkeit und wird erst im Zusammenspiel mit Soft-Skill-Wissen wirklich brauchbar. Erst wenn Sie wissen, wie Sie Konflikte lösen, erfolgreich verhandeln, andere überzeugen oder Veränderungen durchsetzen, und das mit Ihrer Erfahrung kombinieren, machen Sie Karriere.
Die vier neuen Berufsprofile
Es gibt jede Menge Jobs und exotische Bezeichnungen, aber bezogen auf die Aufgaben kristallisieren sich vier Profile heraus:
- Der Organisator: Das ist der Manager von morgen. Es geht nicht mehr um Macht, sondern darum, mit Expertenteams Projekte durchzuziehen, die zugeordneten Mitarbeiter einzubinden, Unternehmensbereiche zu organisieren und zu leiten und dabei auch flexibel innerhalb eines Bereichs mal diese, mal jene Aufgabe zu erledigen. Fachwissen brauchen Sie dabei nur, damit Ihre Experten Sie auch akzeptieren.
- Der Spezialist: Damit stehen Sie in der Wissensgesellschaft ganz oben, denn Sie sind derjenige, der auf seinem Gebiet unschlagbar ist, z. B. als Softwareentwickler, Prozessanalytiker, im Risikomanagement oder Personalcontrolling. Dieses Wissen lassen Sie sich auch bezahlen. Bleiben Sie aber immer am Ball, denn auch Spezialwissen wird schnell zu Schnee von gestern, wenn Ihr Know-how nicht mithält.
- Der Kommunikator: In Stellenausschreibungen werden diese Leute oft als Coach, Moderator oder Prozessentwickler gesucht, ihre Einsatzgebiete sind Vertrieb, Personal und Unternehmenskommunikation. Selbstverständlich ist, dass Sie in dieser Position Sprach- und Soft-Skill-Spezialist sein müssen, egal ob Sie mit Kunden verhandeln, ein Unternehmen im PR-Bereich vertreten oder eine Handvoll spezialisierter Eigenbrötler zu einem erfolgreichen Projektteam zusammenschweißen sollen.
- Der Ideen- und Impulsgeber: Sie wissen, was morgen kommt und sich für übermorgen anbahnt, Sie gehören zur kreativen Klasse, zu den Trendsettern. Als Künstler sind Sie Teil dieser Gemeinschaft, aber auch als Ich-AG oder Patchworkarbeiter mit unterschiedlichen Jobs. Das Lieblingskind großer Unternehmen ist derzeit, wer in der digitalen Welt zu Hause ist und damit als unabhängig Freischaffender sein Geld verdient.
„Mehr Hire & Fire würde uns richtig guttun.“
Suchen Sie sich aus, was am besten zu Ihnen passt: eine Organisatorenkarriere, eine Experten-, Generalisten- oder Kreativkarriere. Kommen Sie aber nicht auf die Idee, Manager zu werden, das ist passé. Moderne Unternehmen brauchen keine gewinnfixierten Funktionäre, sondern echte Führungskräfte mit Weitblick, die kompetente Mitarbeiter motivieren, das Unternehmenswohl im Auge behalten und die Richtung aufzeigen.
„Die kreative Klasse übernimmt die Meinungsführerschaft in der Wissensökonomie.“
Dabei herrscht vielerorts das Clean-Desk-Prinzip, nach dem jederzeit ein Kollege Ihren Arbeitsplatz übernehmen kann, während Sie vorübergehend in einer Filiale, einem anderen Unternehmensbereich oder im Home-Office Ihre Tätigkeit verrichten.
Als Deutscher kriegen Sie jetzt vielleicht eine Gänsehaut, denn sowohl die Unternehmen als auch die Arbeitnehmer hierzulande streben nach Dauerhaftigkeit. In Dänemark, Großbritannien oder den USA dagegen ist kaum jemand mit seinem Job verheiratet. „Hire and fire“ ist dort die Voraussetzung für Flexibilität, und zwar auf beiden Seiten.
„Die allermeisten Jobs werden an Leute vergeben, die man aus dem eigenen Netzwerk kennt.“
Hand in Hand geht in Dänemark damit die Weiterbildung; da investiert das Land immerhin 7 %, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. In Deutschland sind es knapp 5 % und damit weniger als der OECD-Durchschnitt. Doch Weiterbildung muss sein: Wer sich auf seinem Studienabschluss ausruht, verschläft die Zukunft. Lernen ist eine Lebensaufgabe.
Suchen und finden im Netzwerk
Nun reicht es natürlich nicht, sich den eigenen Karrierewunsch klarzumachen und die grauen Zellen mit Wissen anzufüllen. Sie brauchen auch den passenden Job dazu. Lassen Sie sich nicht einreden, dass dazu dicke Bewerbungsmappen oder gewissenhaftes Durchpflügen von Stellenanzeigen nötig wären. Der Geheimtipp lautet: Networking. Schon heute geben Chefs mehr auf die Empfehlung eines Kollegen als auf Noten, Praktika oder Auslandsaufenthalte. Abteilungsleiter gehen bei der Internetplattform Xing selbst auf Talentsuche, und selbstbewusste Jobsucher suchen direkt Kontakt zum Geschäftsführer.
„Für die Realisierung von Träumen brauchen Sie neben Beziehungen noch etwas anderes: die Bereitschaft, sich über das normale Maß hinaus zu engagieren.“
Online-Communitys, virtuelle und echte Netzwerke eröffnen ganz neue Chancen, weil Unternehmer und Bewerber sich hier einfach und unkompliziert austauschen und sich gegenseitig suchen und finden können. Verstaubte Assessment-Center braucht keiner mehr.
Karriere mit Köpfchen
Natürlich brauchen Sie nach wie vor ein Mindestmaß an Intelligenz, aber Ihr Karriere-IQ oder KIQ hat nichts mit dem Lösen mathematischer Formeln zu tun. Es geht einfach darum, ob Sie es schaffen, auf dem Arbeitsmarkt zu überleben. Dazu gehört beispielsweise, ob Sie für sich ein Alleinstellungsmerkmal herausarbeiten und sich erfolgreich positionieren können.
„Der Karriere-IQ beschreibt nichts anderes als die Fähigkeit, sich auf Arbeitsmarktbedingungen so einzustellen, dass man gut überleben kann und dauerhaft gefragt ist.“
Ein hoher KIQ bedeutet, Sie können sich jederzeit selbst vermarkten, Sie reagieren flexibel, wenn Arbeitsbedingungen sich ändern, Sie erweitern Ihre Kompetenzen und knüpfen ständig an Ihrem Netzwerk. Damit Letzteres Erfolg verspricht, setzen Sie ruhig mal die Scheuklappen ab und fischen Sie in fremden Gewässern, sprich: Auch in anderen Branchen und Berufsgruppen können sich für Sie ungeahnte Chancen auftun. Entdecken Sie eine, dann greifen Sie zu. Karriere macht, wer Neues wagt, und nicht, wer den Klammeraffen mimt.
„Zur richtigen Einstellung gehört die Bereitschaft, Alternativen nicht nur zu denken, sondern auch umzusetzen.“
Es macht übrigens nichts, wenn es mit dem Traumjob nicht auf Anhieb klappt. Das tut es eh selten. Gerade für den Berufseinstieg ist manchmal ein Job unter Wert genau richtig. Sie müssen aus dieser Notlösung nur das Beste machen, und wer weiß, welche Kontakte sich gerade daraus ergeben.
Das Schlechteste wäre, jetzt zu resignieren und in der Position hängen zu bleiben. Deshalb immer wieder der Rat: Suchen Sie Alternativen. Auch die Selbstständigkeit ist eine, dafür müssen Sie halt die Ärmel hochkrempeln. Immerhin haben Sie dann die Sicherheit, dass Ihnen keiner mit einer unerwarteten Kündigung die Psyche ruiniert.
„Berufliche Pläne machen unflexibel. Wer blind auf etwas zusteuert, sieht nicht, was es sonst noch gibt und verpasst Chancen.“
Viele Karrieremöglichkeiten werden nicht genutzt, weil die Leute sich nicht trauen. Es gibt aber kein Gesetz, das Ihnen vorschreibt, ein Leben lang Ihrem erlernten Beruf treu zu bleiben. Sie haben so viele Talente, machen Sie was daraus! Öffnen Sie Ihre Denkschranken, lassen Sie sich nicht von einmal gefassten Plänen einengen und vertrauen Sie keinem, der Ihnen einen zukunftssicheren Job verspricht, denn den gibt es nicht.
Was Sie brauchen, ist Mut und Abenteuerlust, um Chancen beim Schopf zu packen und in Ihrem Unternehmen nicht als Inventar zu verstauben. So machen Sie in Zukunft Karriere.