Anwaltsunternehmen führen

Buch Anwaltsunternehmen führen

C. H. Beck,
Erstausgabe:2009


Rezension

Der Anwalt von gestern ist nicht mehr der Anwalt von heute. Zwar gelten die Grundregeln der Vertei­di­gung rechtlicher Interessen nach wie vor, das or­gan­isatorische Umfeld aber verändert sich rasant. Immer mehr Anwälte schließen sich zusammen, und solche An­walt­sun­ternehmen brauchen vor allem eines: gutes Management. Benno Heussen versucht das facetten­re­iche Thema so knapp und übersichtlich wie möglich abzuhandeln. Die kompakte Form auf rund 300 Seiten hat allerdings ihren Preis: So lebhaft Heussen auch aus seiner eigenen Anwaltstätigkeit berichtet, an vielen Stellen wirken seine Ausführungen doch oberflächlich und wie bloße Aneinan­der­rei­hun­gen von Schlagwörtern. Sein Versuch, möglichst umfassend zu informieren, hinterlässt den Leser nicht selten ratlos. Dennoch: Wer Anregungen benötigt, um sein Unternehmen auf Erfolgskurs zu bringen, der findet hier die richtigen Tipps. Für die konkrete Umsetzung ist allerdings weitere Unterstützung notwendig. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Juristen, die wissen wollen, wie An­walt­sun­ternehmen funk­tion­ieren und erfolgreich geführt werden.

Take-aways

  • Immer weniger Anwälte arbeiten allein. Sie bilden zunehmend Netzwerke.
  • Moderne An­walt­sun­ternehmen müssen dem Management Priorität einräumen.
  • An­walt­sun­ternehmen sind von einem Span­nungsverhältnis zwischen Se­nior­part­nern, Gesellschaftern und jungen Anwälten geprägt.
  • Anwälte sind auf ein Firmenklima angewiesen, in dem eine Kultur der offenen Kom­mu­nika­tion und des Vertrauens vorherrscht.
  • Verbindliche Regeln und Kennzahlen bilden die Basis für eine er­fol­gre­iche Zusam­me­nar­beit.
  • Es lohnt sich, möglichst ver­schiedene An­walt­stypen in einem Team zusam­men­zubrin­gen.
  • An­walt­sun­ternehmen können große Potenziale erschließen, indem sie die Chancen von Frauen in Führungse­ta­gen erhöhen.
  • An­walt­sun­ternehmen sollten sich auf bestimmte Rechts­ge­bi­ete spezial­isieren.
  • Die Hon­o­rarstruk­tur muss für Mandanten transparent sein.
  • Ein so genannter Managing Partner garantiert, dass die Ziele des Gesam­tun­ternehmens nicht aus den Augen verloren werden.
 

Zusammenfassung

Von der Kanzlei zum An­walt­sun­ternehmen

Die Vertei­di­gung von rechtlichen Interessen Dritter ist ein Handwerk mit über 2000-jähriger Tradition. Es erfordert Ar­gu­men­ta­tion­s­geschick, Men­schenken­nt­nis, umfassendes Rechtswis­sen und den be­din­gungslosen Willen zum Kampf für fremde Anliegen. Dabei sind die Anwälte genauso vom Rechtssys­tem geschützt wie ihre Mandanten. Allerdings obliegen ihnen auch besondere Pflichten: Sie müssen ver­schwiegen sein, die rechtlichen Interessen ihrer Auf­tragge­ber achten und ihre Unabhängigkeit wahren. Zwar gelten diese Grund­prinzip­ien nach wie vor, doch hat die un­ternehmerische Or­gan­i­sa­tion der Anwälte ins­beson­dere seit dem Zweiten Weltkrieg einen radikalen Wandel erfahren.

„Wir sehen auch dann, wenn es um unsere eigenen Unternehmen geht, die Welt aus der Perspektive des Boxers – wer immer sonst noch in den Ring steigt, kann nur ein Gegner sein!“

Ursprünglich waren Anwälte allein und nicht selten von zu Hause aus tätig. Ihr Arbeitsfeld erstreckte sich meist auf un­ter­schiedlich­ste rechtliche Fragestel­lun­gen und Mandate aus allen gesellschaftlichen Schichten. Als die ju­ris­tis­chen An­forderun­gen mit der Zeit komplexer wurden, begannen sich mehr und mehr Anwälte auf einzelne Gebiete wie Straf-, Arbeits- oder Wirtschaft­srecht zu spezial­isieren. In der Folge schlossen sich Juristen auch zu Büro­ge­mein­schaften, Sozietäten oder Netzwerken zusammen.

„Jeder Anwalt und vor allem jeder Partner muss lernen, dass Man­age­men­tauf­gaben keine streitigen Mandate sind, sondern Aufgaben, die man gemeinsam lösen muss.“

Vorteile dieser Strukturen sind neben niedrigeren Kosten ein regelmäßiger Austausch mit Kollegen, das Abfedern von Risiken, die Arbeit in Teams und eine leichtere Akquisition von Mandaten. Im Zuge der Glob­al­isierung in­ter­na­tion­al­isierten sich die Aufgaben der Rechtsvertreter. Es entstanden Aufträge im Zusam­men­hang mit Fusionen von Konzernen oder Börsengängen, die eine Vielzahl an rechtlichen Themen in ver­schiede­nen Ländern berühren. Um diesen An­forderun­gen gerecht zu werden, en­twick­el­ten sich in­ter­na­tionale An­walt­sun­ternehmen, die bis zu 3500 spezial­isierte Anwälte beschäftigen.

Die Bedeutung des Managements

Auch wenn ju­ris­tis­ches Fachwissen nach wie vor die Grund­vo­raus­set­zung für einen guten Anwalt ist: Über den Erfolg eines An­walt­sun­ternehmens entscheiden heute kon­se­quentes Management und ve­r­ant­wor­tungsvolle Menschenführung. Diese Eigen­schaften braucht es, um Strategien zu entwickeln, notwendige Veränderungen zu realisieren, um­satzs­tarke Mandate zu akquirieren, Risiken zu vermeiden, Gewinne zu erzielen und Stress­si­t­u­a­tio­nen abzubauen. Das gilt für den Einze­lan­walt genauso wie für eine in­ter­na­tionale Sozietät.

„Einzelanwälte tragen in ihrer beruflichen Arbeit die höchsten Risiken.“

Für die meisten An­walt­sun­ternehmen besteht die größte Her­aus­forderung darin, die Interessen dreier un­ter­schiedlicher An­walts­grup­pen in Einklang zu bringen. Die erste Gruppe besteht aus den erfahrenen Se­nior­part­nern ab 55 Jahren. Sie wollen oft kürzertreten und weniger Mandate bearbeiten. Gle­ichzeitig stellen sie ihr Wissen und ihre Kontakte der Firma zur Verfügung. In einer am Umsatz ori­en­tierten Lohn­struk­tur haben diese älteren Anwälte allerdings einen schweren Stand. Die zweite Gruppe umfasst die Sozietätspartner. Sie sind meist ab Mitte 30 und tragen die Hauptarbeit in einem An­walt­sun­ternehmen. Sie verfügen über viel Wissen und Energie, um lukrative Mandate zu akquirieren und erfolgreich abzuschließen. Die Mitglieder stehen allerdings nicht selten unter einer hohen Dop­pel­be­las­tung, etwa wenn sie eine Familie gründen möchten. Lange Ar­beit­szeiten erlebt auch die dritte Gruppe der jungen Anwälte bis Anfang 30. Von ihnen wird nicht nur ein hoher Einsatz verlangt; oft reicht ihr Wissen auch noch nicht aus, um Mandate allein betreuen zu können, und sie müssen sich mit weniger attraktiven Aufgaben begnügen.

Die richtige Strategie

Vo­raus­set­zung für ein um­satzsteigern­des Management ist eine grundle­gende Strategie. Viele Anwälte halten die Au­seinan­der­set­zung damit jedoch noch für überflüssig. Dabei bildet eine Strategie die Basis für alle weiteren Entschei­dun­gen, Ziele und alltäglichen Maßnahmen. In ihr wird das Unternehmen in seiner Gesamtheit betrachtet und darauf aufbauend werden klare Strukturen entwickelt, die eine Richtschnur für jedes einzelne Mandat liefern. Zur Strategie gehört etwa, die eigenen Stärken genau zu kennen und sich nicht in vielen Auf­gabenge­bi­eten, Ländern, Branchen, Man­dan­ten­grup­pen oder Projekten zu verzetteln.

„Nach Erfahrungssätzen kann ein Anwalt drei bis fünf größere Mandanten und etwa eine gleiche Zahl Fachgebiete gut beherrschen.“

Eine Strategie gibt aber auch umfassende Antworten über den in der Sozietät gepflegten Führungsstil. So ist eine offene Kom­mu­nika­tion, die auf Vertrauen basiert und in der Konflikte, Emotionen und Kritik nicht unter den Teppich gekehrt werden, für Juristen un­verzicht­bar. Um den Interessen der Mandanten gerecht werden zu können, müssen sowohl die Ziele der Sozietät wie auch die der einzelnen Anwälte gemeinsam vereinbart und deren Umsetzung regelmäßig beurteilt werden. Darüber hinaus sollten die persönlichen Fähigkeiten und Vorlieben jedes Anwalts in der Fir­menor­gan­i­sa­tio­nen ausdrücklich berücksichtigt werden. Vor allem junge Anwälte müssen sich durch die Zusam­me­nar­beit mit erfahrenen Kollegen laufend weit­er­en­twick­eln können. Eine solche Unterstützung garantiert eine hohe Ar­beitsmo­ti­va­tion.

Das Geheimnis er­fol­gre­icher Führung

Im Ar­beit­sall­tag lassen sich die grundsätzlichen Führung­sprinzip­ien mithilfe konkreter Werkzeuge umsetzen. Die wichtigste Maßnahme ist die Festlegung von Regeln, u. a. für die Un­ternehmen­skul­tur, die Kom­mu­nika­tion, die Weitergabe von Wissen, die Fortbildung und die Team­struk­turen. Für Konferenzen kann beispiel­sweise gelten, dass Jüngere zuerst reden, dass ein Sprecher nicht un­ter­brochen wird oder dass generell offene Fragen zu stellen sind. Weitere Führungsmeth­o­den sind Anerkennung, kon­struk­tive Kritik, eine trans­par­ente Zeit­er­fas­sung oder richtiges Delegieren. Diese Maßnahmen zeigen aber nur dann ihre Wirkung, wenn sie auf der Basis von Kennzahlen umgesetzt werden. Neben den selbstverständlichen Finanzdaten wie Umsatz, Kosten oder Liquidität sollten An­walt­sun­ternehmen auch so genannte Wirkungsindika­toren wie die Zahl er­tragsstarker Dauer­man­date, den Zeitraum von der Rech­nungser­stel­lung bis zur Bezahlung oder die Anzahl der Veröffentlichun­gen der Anwälte erfassen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, das Geschäft über festgelegte Budgets etwa für In­vesti­tio­nen oder Ausbildung zu steuern. Aber: So wichtig die Planung auch ist, An­walt­sun­ternehmen schaffen sich nur dann einen guten Ruf, wenn sie ihren Mi­tar­beit­ern Raum geben, neue Wege auszupro­bieren.

Un­ter­schiedliche Persönlichkeiten integrieren

Eine weitere wichtige Führungsauf­gabe ist es, möglichst viele un­ter­schiedliche An­walt­stypen ins Unternehmen zu integrieren und sie zu einer har­monis­chen Truppe zu entwickeln. Dies gilt besonders für die Auswahl der Partner, die im Gegensatz zu einfachen Anwälten Gesellschafter des Un­ternehmens sind. Sie sind direkt an Gewinn und Verlust beteiligt. Grundsätzlich werden unter den Juristen vier Hauptpersönlichkeiten un­ter­schieden, die alle in einer Sozietät vertreten sein sollten: der „Finder“, der mit Lei­den­schaft Aufträge hereinholt, der „Minder“, der die gemeinsame Un­ternehmensvi­sion im Blick hat, der „Grinder“, der jedes Detail verfolgt und für Genauigkeit sorgt, und der „Binder“, der bei Konflikten alle Parteien an einen Tisch bringen kann. Alle zusammen müssen sich heute, ins­beson­dere in großen Sozietäten, zuallererst als Händler verstehen, die Rechtswis­sen und Beratung verkaufen.

„Anwälte lassen sich nicht hi­er­ar­chisch führen wie eine In­dus­triefirma.“

Neben diesen allgemeinen Kriterien müssen bei der Per­son­al­wahl auch in­di­vidu­elle Qual­i­fika­tio­nen geprüft werden, etwa die Fähigkeit zur Selb­stkri­tik, Charak­ter­fes­tigkeit oder der Nachweis, Teams führen zu können. Große Potenziale können An­walt­sun­ternehmen zudem erschließen, wenn sie Frauen eine Chance geben, in die Führungsetage zu gelangen. Obwohl Anwältinnen beim Aufstieg zum Part­ner­sta­tus noch immer be­nachteiligt werden, haben sie längst bewiesen, dass sie im Gegensatz zu vielen männlichen Kollegen keine Titel benötigen, um ergeb­nisori­en­tiert zu arbeiten.

Die richtigen Mandanten gewinnen

Anwälte haben eine äußerst anspruchsvolle Kundschaft: Verlangt werden u. a. umfassende Spezialken­nt­nisse, eine schnelle Bearbeitung von Anfragen, ein enges Ver­trauensverhältnis, Wissen auf allen Rechts­ge­bi­eten und niedrige Preise. Um sich diesen teilweise widersprüchlichen Bedürfnissen zu stellen, müssen sich An­walt­sun­ternehmen jeder Größe auf bestimmte Recht­s­the­men spezial­isieren. Allerdings liegt darin auch die Gefahr, sich von Moden abhängig zu machen, nicht flexibel auf Marktveränderungen reagieren zu können oder sich zu einseitig auszurichten. Deshalb sollten jährlich rund 5 % Mandanten akquiriert werden, die das The­men­spek­trum erweitern.

„Wichtig ist die Erkenntnis, dass hinter Konflikten immer auch Machtkämpfe verborgen sind, die man aufdecken muss, um ein Ergebnis zu erreichen.“

Das Akqui­si­tion­s­man­age­ment umfasst zahlreiche Maßnahmen wie Werbung, Public Relations oder persönliche Kon­tak­tauf­nahme. Dabei ist ein ein­heitlicher Auftritt in Form einer Corporate Identity unerlässlich. In­ter­net­seiten, Prospekte, Briefe oder Anzeigen müssen so gestaltet werden, dass sie leicht zu erfassen sind und dass das An­walt­sun­ternehmen sofort wieder­erkannt wird. Das Vertrauen zu den Mandanten lässt sich durch Ar­beit­sproben, Referenzen oder Empfehlun­gen vertiefen. Zudem sollten Kunden ihre ve­r­ant­wortlichen Ansprech­part­ner jederzeit erreichen können.

„Anwälte entwickeln ähnliche Teamkul­turen wie Zeitungsredak­tio­nen, und wie bekannt ‚wird die Zeitung auf dem Flur gemacht‘.“

Ein kritischer Aspekt in jeder Man­dan­ten­beziehung ist die Hon­o­rar­frage. Inzwischen sind zahlreiche Abrech­nungsmod­elle entwickelt worden. Neben der Gebührenordnung werden Honorare nach Zeitaufwand, Streitwert, Festpreisen, Erfolg oder wirtschaftlicher Beteiligung an Projekten des Kunden festgelegt. Welche Abrech­nungsstruk­tur gewählt wird, hängt letztlich von der Gesamt­strate­gie des An­walt­sun­ternehmens ab. Für die Mandanten ist nur entschei­dend, dass die Hon­o­rarstruk­tur transparent und der erbrachten Leistung angemessen ist. Sollte es dennoch zu Konflikten kommen, hilft ein offenes Gespräch, um die Situation zu klären. Das Gleiche gilt für Be­ratungs­fehler der Anwälte und mögliche Haf­tungs­fra­gen.

Das Gesam­tun­ternehmen im Blick

Gute Manager sind immer in der Lage, das große Ganze zu betrachten. Für An­walt­sun­ternehmen ist es daher sinnvoll, einen so genannten Managing Partner zu bestimmen, der das Gesam­tun­ternehmen ständig im Blick hat. Er kümmert sich darum, wie die Aufgaben verteilt sind, ob der In­for­ma­tion­saus­tausch zwischen den Anwälten funk­tion­iert, ob die Ziele eingehalten werden, ob die Vergütungsstruk­tur festgelegt ist, und im Fall von Fehlern auch um die Durch­set­zung von Sanktionen.

„Fehler und Irrtümer führen nicht immer dazu, dass ein Projekt instabil wird.“

Zu den weiteren Aufgaben des Managing Partners gehört es, die im Unternehmen vere­in­barten Regeln auf ihre Umsetzung zu prüfen, regelmäßig Zer­ti­fizierun­gen durchführen zu lassen und Qualitätshandbücher zu or­gan­isieren sowie ein Meldesystem für Risiken zu etablieren. Darüber hinaus soll der Man­age­mentver­ant­wortliche auf die Ar­beits­be­din­gun­gen achten, etwa eine aus­re­ichende Haftpflichtver­sicherung, gesund­heitsfördernde Arbeitsplätze, ein effektives IT-System, Heimbüros oder die Or­gan­i­sa­tion von Akten und Daten.

„Viele Anwälte haben nicht den Mut, ihre Man­datsstruk­turen bewusst zu beschränken.“

Für den Erfolg eines An­walt­sun­ternehmens ist auch ein umfassendes Fi­nanz­man­age­ment wichtig. Dazu zählen eine de­tail­lierte Buchhaltung, aussagefähige Kennzahlen sowie Budgets. Zudem muss eine faire und trans­par­ente Gewin­nverteilung vereinbart werden, die auf Rang- oder Leis­tungskri­te­rien basiert. Schließlich sollte die rechtliche Struktur immer wieder auf ihre Vere­in­barkeit mit der Gesamt­strate­gie überprüft werden. Dabei ist Vorsicht angesagt, denn diese Struktur kann sehr komplex sein: Neben einfachen Absprachen existieren in vielen Sozietäten auch Gesellschafts-, Partner-, Netzwerk- und Büro­ge­mein­schaftsverträge. Grundsätzlich gilt für alle Vere­in­barun­gen: Sie müssen leicht verständlich und konkret sein sowie die Ve­r­ant­wortlichkeiten klar definieren.

Über den Autor

Benno Heussen ist als Recht­san­walt in Berlin tätig. Darüber hinaus arbeitet er als Hon­o­rarpro­fes­sor an der Universität Hannover.