Die Stärken der Conjointanalyse
Wenn ein Kunde eine Kaufentscheidung trifft, wägt er mehrere Aspekte ab und wählt dann das Produkt oder die Dienstleistung, die für ihn den besten Kompromiss zwischen Preis und Leistung darstellt. Die Präferenzen des Kunden spielen eine entscheidende Rolle, also die Frage, ob das, was ihm an einem Produkt wichtig ist, in ausreichendem Maße erfüllt ist.
„Die Conjointanalyse ist ein wichtiges Marketinginstrument, mit dem man die Kundenorientierung verbessern, die Marktabdeckung, Umsätze und den Gewinn bei den eigenen Produkten steigern sowie neue Sachgüter und Dienstleistungen erfolgreich in Märkten platzieren kann.“
Nehmen wir einmal an, Sie möchten einen neuen Flachbildfernseher auf den Markt bringen und dieses Produkt so gestalten, dass es für die meisten potenziellen Kunden attraktiv ist. Dabei sind drei Eigenschaften von besonderer Bedeutung: die Bildschirmdiagonale (etwa 32”, 37”, 42”), der Bildschirmtyp (Plasma, LCD) und die Gehäusefarbe (silber, schwarz, anthrazit).
„Die Conjointanalyse versucht Präferenzen von Einzelpersonen oder Personenmehrheiten für verschiedene Konzeptalternativen zu erklären.“
Die traditionelle Methode der Marktforschung ist in so einem Fall, eine Reihe von Testpersonen zu fragen, welche Ausprägungen der drei Eigenschaften sie jeweils vorziehen würden. Diese Vorgehensweise basiert auf einer kompositionellen Methode: Die Präferenzen für einzelne Eigenschaftsausprägungen werden ermittelt und dann zu einem Gesamturteil zusammengefasst oder kombiniert.
„Im Rahmen von Conjointanalysen werden grundsätzlich die Bildung von Präferenzen bzw. die auf Präferenzen basierenden Auswahlentscheidungen untersucht, weshalb die in einer Conjointanalyse verwendeten Eigenschaften präferenz- und entscheidungsrelevant sein müssen.“
Aus Kostengründen können Sie den Kunden aber nicht immer die ideale Lösung anbieten. Daher ist auch die Frage wichtig, wo der Kunde am ehesten kompromissbereit ist. Ist ihm die Bildschirmdiagonale wichtiger als der Bildschirmtyp oder umgekehrt? An dieser Stelle kommt die Conjointanalyse ins Spiel.
„Das Hauptanwendungsgebiet der Conjointanalyse ist die Produkt- bzw. Konzeptentwicklung.“
„Conjoint“ bedeutet, dass Präferenzen im Verbund abgefragt werden; es geht also um die Attraktivität von Bündeln von Eigenschaftsausprägungen. Bei dem Beispiel vom Flachbildfernseher sind 18 verschiedene Kombinationen (z. B. 32”, Plasma, schwarz) möglich. Den Testpersonen werden alle 18 Kombinationen zur Auswahl vorgelegt, damit sie sie gemäß ihren persönlichen Präferenzen in einer Rangfolge ordnen. Danach wird mit mathematischen Methoden errechnet, welche Ausprägungen von Produkteigenschaften einen besonders starken Einfluss auf die Auswahl der Testpersonen hatten. So kann die Conjointanalyse z. B. zu dem Ergebnis führen, dass die Bildschirmdiagonale eine große Rolle bei der Kaufentscheidung spielt, der Bildschirmtyp aber weniger wichtig ist.
„Korrekturen am Produkt oder am Herstellungsprozess lassen sich mit Voranschreiten des Entwicklungsprozesses nur noch unter sehr hohem Aufwand erfüllen. Aus diesem Grund ist es notwendig, zukünftige Produkte möglichst kundenorientiert und effizient zu definieren.“
Weil die bevorzugten Ausprägungen der Produkteigenschaften und deren Gewichtung in der Conjointanalyse nur indirekt aus dem bevorzugten Produkt ermittelt werden, spricht man von einer dekompositionellen Methode. Die Conjointanalyse hat den Vorteil, dass Sie Ihren Testpersonen ganze Produkte oder Dienstleistungspakete vorstellen können. Deren Auswahl ist wesentlich näher an einer wirklichen Kaufentscheidung als die üblichen Befragungen über einzelne Produkteigenschaften.
„Die Methode der multimedial unterstützten Conjointanalyse hat sich für die integrierte Präferenzermittlung von Leistungspaketen aus Produkten und Dienstleistungen bewährt.“
Zudem gibt es mittlerweile ausgereifte Software, damit die für die Conjointanalyse notwendigen komplizierten Berechnungen automatisch erledigt werden können. Ein Nachteil der Methode ist, dass nur eine begrenzte Anzahl von Eigenschaften abgefragt werden kann: Die Menge möglicher Produkte, die auf der Kombination der Eigenschaften basiert, würde sonst zu umfangreich und die Testpersonen wären überfordert.
Die einzelnen Schritte einer Conjointanalyse
Neben der Standard-Conjointanalyse haben sich mittlerweile auch etliche Varianten der Methode etabliert, die für bestimmte Fragestellungen besonders brauchbar sind. Allen Methoden sind aber gewisse Schritte gemeinsam:
- Auswahl von Eigenschaften und Ausprägungen: Dieser erste Schritt ist von entscheidender Bedeutung für die spätere Aussagekraft Ihrer Conjointanalyse. Bevor Sie diese durchführen, müssen Sie die Eigenschaften, die getestet werden sollen, festlegen. Gehen Sie dabei sorgfältig vor. Wer etwa Laptops miteinander vergleichen will, kann als Eigenschaften Elemente wie Marke, Prozessorleistung, Hauptspeichergröße, Displaygröße, Gewicht und Preis untersuchen. Dabei bleiben natürlich viele andere Aspekte unberücksichtigt, aber die wesentlichen Entscheidungskriterien der meisten Kunden beim Kauf eines Laptops sind abgedeckt. Als Ausprägungen dienen dann z. B. die jeweiligen Markennamen, die Prozessortypen, der Hauptspeicher mit unterschiedlicher Gigabyte-Kapazität, das Display in unterschiedlichen Diagonalen, das Gewicht in Kilo und der Preis in Euro. Bei der Auswahl solcher Eigenschaften sollten Sie die folgenden Prinzipien befolgen:
- Vollständigkeit: Die für einen Kauf relevanten Eigenschaften sollten alle getestet werden.
- Beeinflussbarkeit und Realisierbarkeit: Es sollte sich um Eigenschaften handeln, die Sie theoretisch kontrollieren und nach Bedarf auch tatsächlich realisieren können.
- Relevanz: Um den Probanden entgegenzukommen, sollten die Ausprägungen, die Sie ihnen in Form von Produkten (bzw. Eigenschaftsbündeln) vorlegen, für sie relevant sein, also von solcher Bedeutung, dass sie die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussen.
- Begrenztheit: Die Anzahl unterschiedlicher Produkte oder Dienstleistungen muss so begrenzt sein, dass sich die Testpersonen von der Vielzahl nicht überwältigt fühlen.
- Versuchsplanentwurf: Als Nächstes müssen Sie festlegen, wie Sie Ihre Bündel von Eigenschaftsausprägungen testen wollen. Bei einer begrenzten Anzahl von Eigenschaften können Sie ohne Weiteres alle Kombinationen austesten. Bei einer höheren Anzahl von Eigenschaften besteht die Möglichkeit, den Versuchspersonen nur eine zufällig ausgewählte Stichprobe aus allen denkbaren Kombinationen vorzusetzen oder Gruppen von Produktbeispielen zu unterscheiden und einzelnen Testpersonen nur jeweils eine Gruppe vorzulegen.
- Effektive Präsentation der Eigenschaftsbündel: Sie können die Produktalternativen schriftlich oder bildlich darstellen. Es hat sich bewährt, eine Anzahl von Karten anzufertigen, die die Testpersonen gemäß ihrer Produktpräferenzen anordnen. Eine andere Möglichkeit ist, für die einzelnen Produktalternativen Prototypen anzufertigen. Das schafft eine dem Kauf möglichst nahekommende Auswahlmöglichkeit, ist aber technisch sehr aufwändig. In letzter Zeit ist daher die multimediale Präsentation zunehmend in den Vordergrund gerückt.
- Die eigentliche Conjointanalyse: Nachdem die Produktpräferenzen der Testpersonen feststehen, analysieren Sie mit entsprechenden mathematischen Modellen die Wichtigkeit der einzelnen Ausprägungen für die Kaufentscheidung.
Conjointanalyse in der Praxis
Die Conjointanalyse eignet sich besonders für die Lösung der folgenden wirtschaftlichen Alltagsprobleme:
- Produktentwicklung: Hier finden Sie mittels der Conjointanalyse heraus, welche Ausprägungen von Produkteigenschaften für Ihre potenziellen Kunden am attraktivsten sind. Das ist deshalb von besonderem Wert, weil eine einmal eingeleitete Produktentwicklung nur noch mit Schwierigkeiten und hohen zusätzlichen Kosten abgeändert werden kann.
- Produktdesign: Designelemente stellen zwar nur einen Aspekt der Produktattraktivität dar, sind aber nicht selten von großer Bedeutung. Die Conjointanalyse kann Ihnen helfen herauszufinden, welche Designs die Kunden bevorzugen. So können Sie z. B. verschiedene Entwürfe für ein Auto daraufhin überprüfen, welche Designelemente in den Augen der Testpersonen Eigenschaften wie Sportlichkeit oder Eleganz signalisieren.
- Marktsegmentierung: Moderne Märkte sind nicht mehr einheitlich, sondern spalten sich in verschiedene Zielgruppen mit unterschiedlichen Interessen und Präferenzen auf. Mithilfe der Conjointanalyse können Sie feststellen, in welchen Marktsegmenten welche Ausprägungen von Produkteigenschaften besonders geschätzt werden. Die Conjointanalyse wird zu diesem Zweck mit einer Clusteranalyse kombiniert: In der Clusteranalyse identifizieren Sie unterschiedliche Marktsegmente, in der Conjointanalyse die Präferenzen dieser jeweiligen Zielgruppen.
Konkrete Beispiele der Conjointanalyse
Die Conjointanalyse kann sehr flexibel eingesetzt werden. Dazu ein paar Beispiele:
- Die Firma Jungheinrich ist ein international führendes Unternehmen in der Produktion von Gabelstaplern. Das Unternehmen ist hochinnovativ, sodass für die nächste Produktgeneration mehrfach unterschiedliche Alternativen zur Auswahl standen. Also setzte man die Conjointanalyse ein, um herauszufinden, auf welche Produktverbesserungen die Kunden den meisten Wert legen würden. Zur Diskussion standen Ergonomie, Sicherheit, Batteriewechselmethode, Bedienelemente und Nettopreis. Dabei wurde festgestellt, dass Kleinkunden vor allem auf den Preis achten. Mittelgroße Anwender legen dagegen mehr Wert auf die Ergonomie und Großkunden halten fortschrittliche Bedienelemente sogar für wichtiger als den Preis.
- Bei der Vermarktung des Konzepts des „intelligenten Hauses“ sind drei unterschiedliche Zielgruppen mit ihren jeweiligen Präferenzen von Bedeutung. Zum Ersten geht es um die privaten Nachfrager, die eigentlichen Hauskäufer. Aber auch die Installateure bzw. Planer sind wichtig, denn sie entwickeln die Konzepte, die den potenziellen Hauskäufern vorgestellt und nach dem Kauf installiert werden. Und schließlich haben die Hausanbieter, die dritte Gruppe, unterschiedliche Vorstellungen. Die Conjointanalyse ergab, dass bei den Präferenzen der privaten Nachfrager Energiemanagement und Sicherheitssysteme im Vordergrund stehen. Zugleich wurden Informationsdefizite bei der Vermarktung des Konzepts offengelegt.
- Bei der angestrebten Neupositionierung eines antibakteriellen Arzneimittels ergab die Conjointanalyse, dass dessen Preis nicht geändert werden sollte: Eine Preissenkung hätte nur wenig Vorteile hinsichtlich der ärztlichen Verschreibungen mit sich gebracht und zudem die Gefahr eines Preiskriegs mit anderen Anbietern heraufbeschworen. Für die zukünftige Kommunikation der Produktvorteile ergab sich, dass bestimmte Aspekte stärker betont werden sollten, weil sie sich für die verschreibenden Ärzte als wichtig erwiesen hatten, während andere, als weniger wichtig erachtete Aspekte in den Hintergrund treten sollten.
Prof. Dr. Daniel Baier ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Innovationsmanagement an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. Er habilitierte an der Universität Karlsruhe zum Thema Marktorientierte Produktgestaltung mittels Conjointanalyse. Dr. Michael Brusch ist Leiter des Kompetenzzentrums Sensoriklabor an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. Er hat mehrere große Conjointanalyse-Projekte geleitet. Zu den zwei Herausgebern gesellen sich in diesem Buch 28 weitere Autoren.