Conjointanalyse

Buch Conjointanalyse

Methoden – Anwendungen – Praxisbeispiele

Springer,


Rezension

Mit Con­join­t­analyse legen die Herausgeber Daniel Baier und Michael Brusch ein umfassendes Werk zum Verständnis dieser zunehmend beliebten Mark­t­forschungsmeth­ode vor. Die 30 Autoren des Sam­mel­ban­des stammen aus Forschung, Lehre und Praxis; ihre ver­schiede­nen Blickwinkel ergeben zusammen einen guten Überblick über das Thema. Leider wurde die Fülle von Material nicht allzu leser­fre­undlich aufbereitet: Statt die Hintergründe und die Methodik der Con­join­t­analyse schrit­tweise und stringent darzustellen, stehen die Artikel in losem Zusam­men­hang, und einige Aufsätze kommen arg akademisch daher. Kein leicht zu lesendes, aber ein sehr fundiertes, in­for­ma­tives Fachbuch, meint BooksInShort und empfiehlt es allen, die Ve­r­ant­wor­tung für Pro­duk­ten­twick­lun­gen und Mar­ketin­gentscheide tragen.

Take-aways

  • Die Con­join­t­analyse gewinnt im Marketing zunehmend an Bedeutung.
  • Sie spiegelt Kaufentschei­dun­gen re­al­is­tis­cher wider als tra­di­tionelle Mark­t­forschungsmeth­o­den.
  • Bei der Con­join­t­analyse werden Test­per­so­nen ganze Eigen­schaftsbündel in Form von Produkt- oder Di­en­stleis­tungsalter­na­tiven vorgelegt.
  • Präferenzen für einzelne Eigen­schaft­sausprägungen werden dabei indirekt ermittelt.
  • Entschei­dend für die Aus­sagekraft einer Con­join­t­analyse ist die richtige Auswahl der wesentlichen Eigen­schaften.
  • Zudem müssen die denkbaren Produkte und Di­en­stleis­tun­gen effektiv präsentiert werden.
  • Der Einsatz von Multimedia hilft beim Erzielen relevanter Analy­seergeb­nisse.
  • Für die komplexen math­e­ma­tis­chen Berech­nun­gen gibt es mit­tler­weile ausgereifte Soft­ware­pro­gramme.
  • Das Hauptein­satzge­biet der Con­join­t­analyse ist die Pro­duk­ten­twick­lung.
  • Die Con­join­t­analyse hat sich in vielfältigen Anwendungen in der Praxis bewährt.
 

Zusammenfassung

Die Stärken der Con­join­t­analyse

Wenn ein Kunde eine Kaufentschei­dung trifft, wägt er mehrere Aspekte ab und wählt dann das Produkt oder die Di­en­stleis­tung, die für ihn den besten Kompromiss zwischen Preis und Leistung darstellt. Die Präferenzen des Kunden spielen eine entschei­dende Rolle, also die Frage, ob das, was ihm an einem Produkt wichtig ist, in aus­re­ichen­dem Maße erfüllt ist.

„Die Con­join­t­analyse ist ein wichtiges Mar­ketin­gin­stru­ment, mit dem man die Kun­de­nori­en­tierung verbessern, die Mark­tab­deck­ung, Umsätze und den Gewinn bei den eigenen Produkten steigern sowie neue Sachgüter und Di­en­stleis­tun­gen erfolgreich in Märkten platzieren kann.“

Nehmen wir einmal an, Sie möchten einen neuen Flach­bild­fernse­her auf den Markt bringen und dieses Produkt so gestalten, dass es für die meisten poten­ziellen Kunden attraktiv ist. Dabei sind drei Eigen­schaften von besonderer Bedeutung: die Bild­schir­m­di­ag­o­nale (etwa 32”, 37”, 42”), der Bild­schirm­typ (Plasma, LCD) und die Gehäusefarbe (silber, schwarz, anthrazit).

„Die Con­join­t­analyse versucht Präferenzen von Einzelper­so­nen oder Per­so­n­en­mehrheiten für ver­schiedene Konzep­tal­ter­na­tiven zu erklären.“

Die tra­di­tionelle Methode der Mark­t­forschung ist in so einem Fall, eine Reihe von Test­per­so­nen zu fragen, welche Ausprägungen der drei Eigen­schaften sie jeweils vorziehen würden. Diese Vorge­hensweise basiert auf einer kom­po­si­tionellen Methode: Die Präferenzen für einzelne Eigen­schaft­sausprägungen werden ermittelt und dann zu einem Gesam­turteil zusam­menge­fasst oder kombiniert.

„Im Rahmen von Con­join­t­analy­sen werden grundsätzlich die Bildung von Präferenzen bzw. die auf Präferenzen basierenden Auswahlentschei­dun­gen untersucht, weshalb die in einer Con­join­t­analyse verwendeten Eigen­schaften präferenz- und entschei­dungsrel­e­vant sein müssen.“

Aus Kostengründen können Sie den Kunden aber nicht immer die ideale Lösung anbieten. Daher ist auch die Frage wichtig, wo der Kunde am ehesten kom­pro­miss­bereit ist. Ist ihm die Bild­schir­m­di­ag­o­nale wichtiger als der Bild­schirm­typ oder umgekehrt? An dieser Stelle kommt die Con­join­t­analyse ins Spiel.

„Das Haup­tan­wen­dungs­ge­biet der Con­join­t­analyse ist die Produkt- bzw. Konzepten­twick­lung.“

„Conjoint“ bedeutet, dass Präferenzen im Verbund abgefragt werden; es geht also um die Attraktivität von Bündeln von Eigen­schaft­sausprägungen. Bei dem Beispiel vom Flach­bild­fernse­her sind 18 ver­schiedene Kom­bi­na­tio­nen (z. B. 32”, Plasma, schwarz) möglich. Den Test­per­so­nen werden alle 18 Kom­bi­na­tio­nen zur Auswahl vorgelegt, damit sie sie gemäß ihren persönlichen Präferenzen in einer Rangfolge ordnen. Danach wird mit math­e­ma­tis­chen Methoden errechnet, welche Ausprägungen von Pro­duk­teigen­schaften einen besonders starken Einfluss auf die Auswahl der Test­per­so­nen hatten. So kann die Con­join­t­analyse z. B. zu dem Ergebnis führen, dass die Bild­schir­m­di­ag­o­nale eine große Rolle bei der Kaufentschei­dung spielt, der Bild­schirm­typ aber weniger wichtig ist.

„Korrekturen am Produkt oder am Her­stel­lung­sprozess lassen sich mit Vo­ran­schre­iten des En­twick­lung­sprozesses nur noch unter sehr hohem Aufwand erfüllen. Aus diesem Grund ist es notwendig, zukünftige Produkte möglichst kun­de­nori­en­tiert und effizient zu definieren.“

Weil die bevorzugten Ausprägungen der Pro­duk­teigen­schaften und deren Gewichtung in der Con­join­t­analyse nur indirekt aus dem bevorzugten Produkt ermittelt werden, spricht man von einer dekom­po­si­tionellen Methode. Die Con­join­t­analyse hat den Vorteil, dass Sie Ihren Test­per­so­nen ganze Produkte oder Di­en­stleis­tungspakete vorstellen können. Deren Auswahl ist wesentlich näher an einer wirklichen Kaufentschei­dung als die üblichen Befragungen über einzelne Pro­duk­teigen­schaften.

„Die Methode der multimedial unterstützten Con­join­t­analyse hat sich für die integrierte Präferen­z­er­mit­tlung von Leis­tungspaketen aus Produkten und Di­en­stleis­tun­gen bewährt.“

Zudem gibt es mit­tler­weile ausgereifte Software, damit die für die Con­join­t­analyse notwendigen kom­plizierten Berech­nun­gen automatisch erledigt werden können. Ein Nachteil der Methode ist, dass nur eine begrenzte Anzahl von Eigen­schaften abgefragt werden kann: Die Menge möglicher Produkte, die auf der Kombination der Eigen­schaften basiert, würde sonst zu umfangreich und die Test­per­so­nen wären überfordert.

Die einzelnen Schritte einer Con­join­t­analyse

Neben der Stan­dard-Con­join­t­analyse haben sich mit­tler­weile auch etliche Varianten der Methode etabliert, die für bestimmte Fragestel­lun­gen besonders brauchbar sind. Allen Methoden sind aber gewisse Schritte gemeinsam:

  1. Auswahl von Eigen­schaften und Ausprägungen: Dieser erste Schritt ist von entschei­den­der Bedeutung für die spätere Aus­sagekraft Ihrer Con­join­t­analyse. Bevor Sie diese durchführen, müssen Sie die Eigen­schaften, die getestet werden sollen, festlegen. Gehen Sie dabei sorgfältig vor. Wer etwa Laptops miteinander vergleichen will, kann als Eigen­schaften Elemente wie Marke, Prozes­sor­leis­tung, Haupt­spe­ichergröße, Displaygröße, Gewicht und Preis untersuchen. Dabei bleiben natürlich viele andere Aspekte unberücksichtigt, aber die wesentlichen Entschei­dungskri­te­rien der meisten Kunden beim Kauf eines Laptops sind abgedeckt. Als Ausprägungen dienen dann z. B. die jeweiligen Markennamen, die Prozes­sortypen, der Haupt­spe­icher mit un­ter­schiedlicher Gi­ga­byte-Ka­pazität, das Display in un­ter­schiedlichen Diagonalen, das Gewicht in Kilo und der Preis in Euro. Bei der Auswahl solcher Eigen­schaften sollten Sie die folgenden Prinzipien befolgen:
  • Vollständigkeit: Die für einen Kauf relevanten Eigen­schaften sollten alle getestet werden.
  • Bee­in­fluss­barkeit und Re­al­isier­barkeit: Es sollte sich um Eigen­schaften handeln, die Sie theoretisch kon­trol­lieren und nach Bedarf auch tatsächlich realisieren können.
  • Relevanz: Um den Probanden ent­ge­gen­zukom­men, sollten die Ausprägungen, die Sie ihnen in Form von Produkten (bzw. Eigen­schaftsbündeln) vorlegen, für sie relevant sein, also von solcher Bedeutung, dass sie die Kaufentschei­dung wesentlich bee­in­flussen.
  • Be­gren­ztheit: Die Anzahl un­ter­schiedlicher Produkte oder Di­en­stleis­tun­gen muss so begrenzt sein, dass sich die Test­per­so­nen von der Vielzahl nicht überwältigt fühlen.
  1. Ver­such­s­pla­nen­twurf: Als Nächstes müssen Sie festlegen, wie Sie Ihre Bündel von Eigen­schaft­sausprägungen testen wollen. Bei einer begrenzten Anzahl von Eigen­schaften können Sie ohne Weiteres alle Kom­bi­na­tio­nen austesten. Bei einer höheren Anzahl von Eigen­schaften besteht die Möglichkeit, den Ver­suchsper­so­nen nur eine zufällig ausgewählte Stichprobe aus allen denkbaren Kom­bi­na­tio­nen vorzusetzen oder Gruppen von Pro­duk­t­beispie­len zu un­ter­schei­den und einzelnen Test­per­so­nen nur jeweils eine Gruppe vorzulegen.
  2. Effektive Präsentation der Eigen­schaftsbündel: Sie können die Pro­duk­tal­ter­na­tiven schriftlich oder bildlich darstellen. Es hat sich bewährt, eine Anzahl von Karten anzufer­ti­gen, die die Test­per­so­nen gemäß ihrer Produktpräferenzen anordnen. Eine andere Möglichkeit ist, für die einzelnen Pro­duk­tal­ter­na­tiven Prototypen anzufer­ti­gen. Das schafft eine dem Kauf möglichst na­hek­om­mende Auswahlmöglichkeit, ist aber technisch sehr aufwändig. In letzter Zeit ist daher die mul­ti­me­di­ale Präsentation zunehmend in den Vordergrund gerückt.
  3. Die eigentliche Con­join­t­analyse: Nachdem die Produktpräferenzen der Test­per­so­nen feststehen, analysieren Sie mit entsprechen­den math­e­ma­tis­chen Modellen die Wichtigkeit der einzelnen Ausprägungen für die Kaufentschei­dung.

Con­join­t­analyse in der Praxis

Die Con­join­t­analyse eignet sich besonders für die Lösung der folgenden wirtschaftlichen All­t­agsprob­leme:

  • Pro­duk­ten­twick­lung: Hier finden Sie mittels der Con­join­t­analyse heraus, welche Ausprägungen von Pro­duk­teigen­schaften für Ihre poten­ziellen Kunden am at­trak­tivsten sind. Das ist deshalb von besonderem Wert, weil eine einmal ein­geleit­ete Pro­duk­ten­twick­lung nur noch mit Schwierigkeiten und hohen zusätzlichen Kosten abgeändert werden kann.
  • Pro­duk­t­de­sign: De­signele­mente stellen zwar nur einen Aspekt der Pro­duk­tat­trak­tivität dar, sind aber nicht selten von großer Bedeutung. Die Con­join­t­analyse kann Ihnen helfen her­auszufinden, welche Designs die Kunden bevorzugen. So können Sie z. B. ver­schiedene Entwürfe für ein Auto daraufhin überprüfen, welche De­signele­mente in den Augen der Test­per­so­nen Eigen­schaften wie Sportlichkeit oder Eleganz sig­nal­isieren.
  • Mark­t­seg­men­tierung: Moderne Märkte sind nicht mehr einheitlich, sondern spalten sich in ver­schiedene Zielgruppen mit un­ter­schiedlichen Interessen und Präferenzen auf. Mithilfe der Con­join­t­analyse können Sie feststellen, in welchen Mark­t­seg­menten welche Ausprägungen von Pro­duk­teigen­schaften besonders geschätzt werden. Die Con­join­t­analyse wird zu diesem Zweck mit einer Clus­ter­analyse kombiniert: In der Clus­ter­analyse iden­ti­fizieren Sie un­ter­schiedliche Mark­t­seg­mente, in der Con­join­t­analyse die Präferenzen dieser jeweiligen Zielgruppen.

Konkrete Beispiele der Con­join­t­analyse

Die Con­join­t­analyse kann sehr flexibel eingesetzt werden. Dazu ein paar Beispiele:

  • Die Firma Junghein­rich ist ein in­ter­na­tional führendes Unternehmen in der Produktion von Gabel­sta­plern. Das Unternehmen ist hochin­no­v­a­tiv, sodass für die nächste Pro­duk­t­gen­er­a­tion mehrfach un­ter­schiedliche Al­ter­na­tiven zur Auswahl standen. Also setzte man die Con­join­t­analyse ein, um her­auszufinden, auf welche Pro­duk­tverbesserun­gen die Kunden den meisten Wert legen würden. Zur Diskussion standen Ergonomie, Sicherheit, Bat­teriewech­sel­meth­ode, Be­di­enele­mente und Nettopreis. Dabei wurde fest­gestellt, dass Kleinkunden vor allem auf den Preis achten. Mittelgroße Anwender legen dagegen mehr Wert auf die Ergonomie und Großkunden halten fortschrit­tliche Be­di­enele­mente sogar für wichtiger als den Preis.
  • Bei der Vermarktung des Konzepts des „in­tel­li­gen­ten Hauses“ sind drei un­ter­schiedliche Zielgruppen mit ihren jeweiligen Präferenzen von Bedeutung. Zum Ersten geht es um die privaten Nachfrager, die eigentlichen Hauskäufer. Aber auch die In­stal­la­teure bzw. Planer sind wichtig, denn sie entwickeln die Konzepte, die den poten­ziellen Hauskäufern vorgestellt und nach dem Kauf installiert werden. Und schließlich haben die Hau­san­bi­eter, die dritte Gruppe, un­ter­schiedliche Vorstel­lun­gen. Die Con­join­t­analyse ergab, dass bei den Präferenzen der privaten Nachfrager En­ergie­m­an­age­ment und Sicher­heitssys­teme im Vordergrund stehen. Zugleich wurden In­for­ma­tions­de­fizite bei der Vermarktung des Konzepts offengelegt.
  • Bei der angestrebten Ne­u­po­si­tion­ierung eines an­tibak­teriellen Arzneimit­tels ergab die Con­join­t­analyse, dass dessen Preis nicht geändert werden sollte: Eine Preis­senkung hätte nur wenig Vorteile hin­sichtlich der ärztlichen Ver­schrei­bun­gen mit sich gebracht und zudem die Gefahr eines Preiskriegs mit anderen Anbietern her­auf­beschworen. Für die zukünftige Kom­mu­nika­tion der Pro­duk­tvorteile ergab sich, dass bestimmte Aspekte stärker betont werden sollten, weil sie sich für die ver­schreiben­den Ärzte als wichtig erwiesen hatten, während andere, als weniger wichtig erachtete Aspekte in den Hintergrund treten sollten.


Über die Autoren

Prof. Dr. Daniel Baier ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und In­no­va­tion­s­man­age­ment an der Bran­den­bur­gis­chen Technischen Universität Cottbus. Er ha­bil­i­tierte an der Universität Karlsruhe zum Thema Mark­to­ri­en­tierte Pro­duk­t­gestal­tung mittels Con­join­t­analyse. Dr. Michael Brusch ist Leiter des Kom­pe­tenzzen­trums Sen­sorik­la­bor an der Bran­den­bur­gis­chen Technischen Universität Cottbus. Er hat mehrere große Con­join­t­analyse-Pro­jekte geleitet. Zu den zwei Her­aus­ge­bern gesellen sich in diesem Buch 28 weitere Autoren.