Quintessenz des Supply Chain Managements

Buch Quintessenz des Supply Chain Managements

Was Sie wirklich über Ihre Prozesse in Beschaffung, Fertigung, Lagerung und Logistik wissen müssen

Springer,


Rezension

Die Ein­gangs­these von Rolf G. Poluha sitzt: „Der Wettbewerb findet zukünftig zwischen Supply Chains statt.“ Nicht Produkte, Qualität und Kun­den­beziehun­gen entscheiden demnach über den Erfolg eines Un­ternehmens, sondern vor allem die Or­gan­i­sa­tion der Beschaffung und das Liefer­an­ten­net­zw­erk. Weil moderne Supply Chains meist global aus­gerichtet und kompliziert sind, gehört das Management der Lieferkette zu den Königs­diszi­plinen der Un­ternehmenss­teuerung. Poluhas Buch will vor allem einen Überblick zum Thema geben. Der Autor geht auf das SCOR-Ref­erenz­mod­ell ein und macht bewährte Man­age­ment­meth­o­den wie Balanced Scorecard, Kaizen und Busi­ness-Process-Reengi­neer­ing für die Optimierung der Lieferkette fruchtbar. Trotz der Praxisblöcke und der vielen Kästen mit Zusatz­in­for­ma­tio­nen bleibt das Buch sehr trocken und theoretisch. Ein paar klar formulierte Tipps für die Un­ternehmen­spraxis täten gut. Zudem behindert der technisch aufgeblähte Stil den Lesefluss, und die handge­mal­ten Diagramme stören mit der Zeit. BooksInShort meint: Eine Empfehlung vor allem für Studierende und Jungmanager, die Liefer­ket­ten verstehen wollen.

Take-aways

  • Mit Sup­ply-Chain-Man­age­ment organisiert man die Lieferkette so, dass sich Angebot und Nachfrage die Waage halten.
  • Wenn ein Nach­frage­sog besteht, kann eine Lieferkette, die entsprechend aus­gerichtet ist, Lagerkosten sparen.
  • Mehrstufige Liefer­ket­ten gleichen einem Netzwerk; ihr Management ist hochkomplex.
  • Mit desin­te­gri­erten Liefer­ket­ten, bei denen das zentrale Unternehmen nur einen geringen Mehrw­ert­beitrag leistet, lassen sich Kosten durch das Outsourcing wichtiger Leistungen sparen.
  • Liefer­ket­ten können als Reihe von Prozessen analysiert werden.
  • Die Prozesskosten­rech­nung eignet sich besonders dazu, die Kosten und Leistungen einer Lieferkette zu analysieren.
  • Mit der Balanced Scorecard lassen sich Strategien umsetzen und Ziele ins Gle­ichgewicht bringen.
  • Mithilfe des SCOR-Mod­ells können einzelne Sup­ply-Chain-Prozesse stan­dar­d­isiert werden.
  • Für die Analyse von Schwach­punk­ten müssen Sie die Lieferkette mit allen Materialströmen detailliert vi­su­al­isieren.
  • Adaptive Liefer­ket­ten regulieren sich weitgehend selbst und passen sich den jeweils vorherrschen­den Bedingungen an.
 

Zusammenfassung

Sup­ply-Chain-Man­age­ment: Was ist das?

Unternehmen müssen heute das Kunststück vollbringen, weltweite Liefer­ket­ten zu managen und die operativen Prozesse zu mod­ernisieren, ohne dass Qualität und Kun­denser­vice auf der Strecke bleiben. Rohstoffe und Vorprodukte müssen rechtzeitig geliefert werden, damit der Bedarf befriedigt wird. Alle am Liefer­prozess Beteiligten müssen sich sys­tem­a­tisch und kon­tinuier­lich abstimmen, sodass es keinen Engpass gibt und Angebot und Nachfrage sich die Waage halten. Auf glob­al­isierten Märkten kommt der Steuerung der Lieferkette oder Supply Chain eine besonders hohe Bedeutung zu – sowohl in der Beschaffung als auch beim Absatz. Der Begriff Sup­ply-Chain-Man­age­ment bezeichnet die Or­gan­i­sa­tion und Steuerung aller Liefer­prozesse. Die Lieferkette beginnt z. B. mit dem Abbau von Rohstoffen und umfasst sämtliche Bear­beitungs- und Umwand­lungss­chritte (produzieren, kombinieren, bewegen, lagern, anpassen) bis zum Endprodukt und darüber hinaus. Im Grunde genommen begleitet die Supply Chain den Leben­szyk­lus eines Produkts von der Rohstof­fgewin­nung über die Produktion bis zur Wiederver­w­er­tung einzelner Komponenten.

Steuerung der Supply Chain

Es gibt un­ter­schiedliche Sichtweisen auf die Lieferkette. Sie kann beispiel­sweise als durch den Ange­bots­druck bestimmt betrachtet werden. Heute geht man aber eher von einem Nach­frage­sog aus: Der Kunde fragt ein Produkt nach und dieses wird erst in Reaktion auf seinen Kaufwunsch beschafft bzw. geliefert. So spart man Lager­hal­tungskosten. Von einer einstufigen Lieferkette spricht man, wenn sie nur aus direkten Kunden und Lieferanten eines Un­ternehmens besteht. Mehrstufige Liefer­ket­ten umfassen auch Rohstof­fliefer­an­ten und Beseitiger benutzter Endprodukte; sie bilden einen Lin­ien­ver­bund oder ein Netzwerk mit anderen Unternehmen, die wiederum eigene Supply Chains besitzen. Solche mehrstufige Liefer­ket­ten sind extrem komplex. Entsprechend ausgefeilt müssen die Steuerungsmech­a­nis­men sein. Eine relativ junge Methode trägt den Namen Col­lab­o­ra­tive Planning, Forecasting and Re­plen­ish­ment (CPFR) und bezeichnet das gemein­schaftliche Planen, Prog­nos­tizieren und Wiederauffüllen zwischen allen beteiligten Instanzen – und zwar nicht nur in eine Richtung. Electronic Sup­ply-Chain-Man­age­ment (ESCM) verwendet für die Ko­or­di­na­tion der einzelnen Net­zw­erk­part­ner elek­tro­n­is­che Kom­mu­nika­tions­for­men.

Integration oder Desin­te­gra­tion der Lieferkette?

In den letzten Jahren hat sich, bedingt durch den Siegeszug des Out­sourcings, das Konzept der desin­te­gri­erten Lieferkette oder des strate­gis­chen Netzwerks durchge­setzt. So erfolgte beispiel­sweise die Entwicklung und Vermarktung des Smart-Au­to­mo­bils desin­te­gri­ert, d. h. in enger Zusam­me­nar­beit mit den Herstellern der Vor- und Zwis­chen­pro­dukte. Das ini­ti­ierende Unternehmen, in diesem Fall eine gemeinsame Tochterge­sellschaft von Swatch und Daim­ler-Benz, war nur noch für 15 % des Mehrwerts innerhalb der Lieferkette ve­r­ant­wortlich. Die Desin­te­gra­tion der Lieferkette kann wet­tbe­werb­sentschei­dend sein, wie das Beispiel des amerikanis­chen Net­zkom­po­nen­ten­her­stellers Lucent Tech­nolo­gies zeigt: Mitte der 90er Jahre baute das Unternehmen eigene Pro­duk­tion­s­stan­dorte in Asien auf, verschlief aber den Trend zum Outsourcing. Die Folge: Andere Hersteller konnten ihre Komponenten wesentlich günstiger anbieten. 2006 wurde Lucent von seinem Mitbewerber Alcatel übernommen.

Kosten- und Leis­tungsmes­sung in der Lieferkette

Die Leistungsfähigkeit einer Lieferkette kann auf un­ter­schiedliche Weise betrachtet werden. Grundsätzlich liegt es im Interesse des Un­ternehmens, die Kosten niedrig und die Kun­den­zufrieden­heit hochzuhal­ten. Das gelingt nur, wenn man Kosten und Leistungen der Lieferkette stets im Auge behält. Kurzfristig müssen vor allem die Grenzkosten (Kosten für jede neue Einheit) und die Kosten für nicht wertschöpfende Ausgaben kon­trol­liert werden. Die langfristige Kostenkon­trolle ist schwierig, da bestimmte Ausgaben (z. B. für Forschung und Entwicklung) naturgemäß nicht verur­sachungs­gerecht auf die einzelnen Produkte verteilt werden können. Die Prozesskosten­rech­nung ermöglicht die Zuordnung von Kosten zu Prozessen und nicht zu einzelnen Produkten.

Strate­gis­che Ziele mit der Balanced Scorecard umsetzen

Für die strate­gis­che Leis­tungs­beurteilung müssen die so genannten kritischen Er­fol­gs­fak­toren ermittelt werden. Dabei handelt es sich um diejenigen Meilen­steine, die das Unternehmen unbedingt erreichen muss, um erfolgreich am Markt zu operieren. Quan­tifiziert werden diese Faktoren mithilfe von Leis­tungsindika­toren oder Kennzahlen. Mit anderen Worten: Die Ziele des Un­ternehmens werden in Zahlen ausgedrückt, mit denen sich rechnen lässt. Ein maßgebendes Hil­f­sin­stru­ment zur Umsetzung der Strategie im täglichen Geschäft ist die Balanced Scorecard. Auf ihr werden die wichtigsten fi­nanziellen und nicht­fi­nanziellen Kennzahlen zueinander in Beziehung gesetzt und gewichtet.

Das SCOR-Modell des Sup­ply-Chain-Man­age­ments

Das 1996 in den USA gegründete Supply Chain Council (SCC) hat ein Sup­ply-Chain-Ref­erenz­mod­ell entwickelt, das es ermöglicht, die Prozesse innerhalb einer Lieferkette zu normieren. Das hat den Vorteil, dass sämtliche Teilnehmer einer Lieferkette die gleiche Sprache sprechen, wodurch die Abstimmung un­tere­inan­der erheblich vereinfacht wird. Vielen Un­ternehmern ist die Normierung jedoch ein Graus, weil sie ihren in­di­vidu­ellen Wet­tbe­werb­svorteil schwinden sehen.

„Im Kern geht es beim Sup­ply-Chain-Man­age­ment darum, eine optimale Balance zwischen dem Angebot und der Nachfrage zu finden.“

Langfristig betrachtet führt an der Stan­dar­d­isierung im Bereich der Lieferkette aber kein Weg vorbei, denn die so erzielten Ef­fizien­zvorteile können wet­tbe­werb­sentschei­dend sein. Das Modell des SCC trägt den Namen Supply Chain Operations Reference Model (SCOR) und bedient sich vor allem gängiger Bench­mark­ing- und Best-Prac­tice-Meth­o­den, um bewährte Techniken und praxis­er­probte Lösungen für die Gestaltung der Lieferkette nutzbar zu machen. Es basiert auf der Annahme, dass sämtliche Sup­ply-Chain-Prozesse fünf Ba­sis­prozessen zugeordnet werden können: Beschaffen, Herstellen, Liefern, Rückliefern und – als übergreifender Prozess – Planen. Jeder dieser Ba­sis­prozesse kann in mehrere normierte Un­ter­prozesse unterteilt werden: Beispiel­sweise kann der Her­stell­prozess (M für „make“) durch die Optionen M1 – Lager­fer­ti­gung, M2 – Auf­trags­fer­ti­gung, M3 – Spezialan­fer­ti­gung usw. dif­feren­ziert werden.

Prax­is­beispiel: Engpässe in der Lieferkette finden …

Der erste Schritt, die eigenen Materialflüsse zu optimieren, ist, erst einmal genau zu beschreiben, welche Liefer­be­we­gun­gen wo und in welcher Richtung verlaufen. Gerade bei in­ter­na­tionalen Unternehmen oder bei Unternehmen mit un­ter­schiedlichen inländischen Standorten (z. B. für Fertigung, Lieferung, Lager) hat es sich bewährt, diese Stationen auf einer Karte zu erfassen und dort auch die Lieferströme sichtbar zu machen.

„Unternehmen, die ihre Abläufe und Prozesse effizient steuern, verschaffen sich Vorteile in allen Funk­tions­bere­ichen.“

Anschließend sammeln Sie in einer Tabelle die Leis­tungskenn­zahlen der einzelnen Standorte. Hierzu gehören u. a. Pünktlichkeit und Vollständigkeit von Lieferungen, Be­stand­sre­ich­weite der Roh­ma­te­ri­alien, Trans­portkosten, Rückstände und Beschaf­fungszeiten. Kommt es zu Engpässen im Ma­te­ri­alfluss, müssen Sie diese hinreichend beschreiben und definieren. Es bietet sich an, Engpässe in Kategorien einzuteilen und ebenfalls zu stan­dar­d­isieren.

„Das schwächste Glied bestimmt die Effizienz der Lieferkette.“

Eine En­g­passkat­e­gorie könnte z. B. folgendermaßen aussehen:

  • En­g­passkat­e­gorie 1: ungenaue Prognose der Geschäftsbereiche.
  • Grund: Mangel an zuverlässigen Mark­t­in­for­ma­tio­nen, schwache Nach­fra­ges­ig­nale, zu viele Pro­duk­t­vari­anten.
  • Folge: hohe Lagerbestände, entgangene Umsätze.

… und den Ma­te­ri­alfluss optimieren

En­g­passkat­e­gorien sowie ihre Ursachen und Folgen können Sie auch visuell in einem Ishikawa-Di­a­gramm abbilden. Dabei sym­bol­isiert ein hor­i­zon­taler Pfeil den Weg zum Problem. Dieses wird an der Pfeilspitze präzis benannt, während an den Flanken die einzelnen Ursachen anhand der Kategorien Material, Mensch, Maschine und Methode aufgeführt sind. Jede dieser Ursachen kann mit weiteren Un­terkat­e­gorien versehen werden. Faustformel: Nor­maler­weise kann man fünfmal „Warum?“ fragen, um auf den eigentlichen Grund für ein Problem zu stoßen.

„Eine lernende Or­gan­i­sa­tion ist eine anpassungsfähige, auf äußere und innere Reize reagierende Or­gan­i­sa­tion.“

Der letzte Schritt ist der schwierig­ste: Nun gilt es, konkrete Lösungsvorschläge zu erarbeiten, mit deren Hilfe der Ma­te­ri­alfluss optimiert wird. Beispiel­sweise können Sie Durch­laufzeiten verringern, häufigere Di­rek­tliefer­un­gen der Lieferanten an die Lagerhäuser veranlassen oder den Ma­te­ri­alfluss durch Einrichtung eines neuen Zen­tral­lagers beschle­u­ni­gen.

„Es geht nicht nur darum, Mehrwert zu schaffen, sondern diesen Mehrwert über die gesamte Lieferkette hinweg kon­tinuier­lich neu zu definieren.“

Diese Vorschläge sind von un­ter­schiedlich hohem Nutzen und nicht jeder kann ohne Weiteres umgesetzt werden. Daher sollten Sie alle Lösungsvorschläge mithilfe einer Entschei­dungs­ma­trix mit den zwei Dimensionen „Schwierigkeits­grad der Umsetzung“ und „Nutzen“ bewerten. Führen Sie zuerst diejenigen Projekte durch, die sich bei hohem Nutzen schnell umsetzen lassen.

Innovative Sup­ply-Chain-Konzepte

In den letzten Jahren haben sich im Bereich des Sup­ply-Chain-Man­age­ments viele In­no­va­tio­nen durchge­setzt, die sich etablierter Man­age­ment­tech­niken bedienen. Hierzu gehören:

  • Adaptive Supply Chains: Sie lösen in vielen Unternehmen die starren Liefer­ket­ten ab. Solche Netzwerke können sich der Nachfrage anpassen und sich weitest­ge­hend selbst regulieren. Möglich wird dies durch neuartige Überwachungssys­teme, die genau und in Echtzeit erfassen, wo sich welche Waren und Zwis­chen­pro­dukte gerade befinden. Das gelingt z. B. über gescannte Barcodes oder kleine Funksender (RFID-Chips), die das Soft­waresys­tem über den aktuellen Zustand der Lieferkette informieren.
  • Geschäft­sprozes­sop­ti­mierung: Sie lässt sich mit ver­schiede­nen Man­age­ment­tech­niken erreichen. Es geht vor allem darum, die Effektivität und die Effizienz der Prozesse zu verbessern.
  • Busi­ness-Process-Reengi­neer­ing: Dabei werden Prozesse im Unternehmen teilweise radikal umgestaltet, damit sie leistungsfähiger werden. Dieses Vorgehen kommt naturgemäß bei den Mi­tar­beit­ern nicht gut an, weil sich viele gegen radikale Veränderungen sträuben.
  • Kaizen: Hierbei sollen nicht plötzliche, sondern kon­tinuier­liche Verbesserun­gen innerhalb der Prozesse angestrebt werden. Diese Politik der kleinen Schritte per­fek­tion­iert die vorhandenen Betriebsabläufe. Wenn drastische Veränderungen unumgänglich sind, müssen diese im Rahmen eines Change-Man­age­ments sorgfältig geplant, gesteuert und begleitet werden. Radikale Veränderungen ohne die Mitwirkung der Mitarbeiter sind nicht möglich.
  • Lernende Or­gan­i­sa­tion: Ziel jedes Un­ternehmens sollte es sein, eine lernende Or­gan­i­sa­tion zu werden, in der sich Mitarbeiter wie Prozesse entlang der Lieferkette selbstständig weit­er­en­twick­eln. Lernende Or­gan­i­sa­tio­nen befinden sich ständig in Bewegung: Sie begreifen Veränderungen als Chance und leiten aus ihnen Hand­lungsalter­na­tiven ab, die die Zukun­ft­saus­sichten des Un­ternehmens verbessern.

Über den Autor

Dr. Rolf G. Poluha ve­r­ant­wortet als Director bei SAP America globale Projekte bei multi­na­tionalen Konzernen.