Reklamationsmanagement als Reklame

Buch Reklamationsmanagement als Reklame

Beschwerden managen, Kunden zurückgewinnen, mehr verkaufen

Gabler,


Rezension

Rekla­ma­tio­nen gehören zum Alltag, und wer geschickt mit verärgerten Kunden umgeht, dem bleiben sie nicht nur erhalten, sondern der kann sie möglicher­weise sogar zu Fans machen, sagen die Autoren dieses Buches. Sehr detailliert erläutern sie, wie man Beschwerden so pro­fes­sionell behandelt, dass der Kunde am Ende nicht mehr vor Wut schnaubt, sondern im Gegenteil vom Service des Un­ternehmens schwärmt. Bei aller De­tail­freude bleiben die Autoren manchmal leider sehr unkonkret. Was soll man z. B. mit der folgenden Auf­forderung anfangen? „Setzen Sie weitere Hand­lungsim­pulse, die nochmals zur Selbstüberzeugung des Kunden führen.“ Da wäre ein Beispiel hilfreicher. Auch die Struk­turierung des Stoffs ist nicht optimal: Gele­gentlich werden ganze Textpas­sagen aus vorherigen Kapiteln in kaum abgeänderter Form wiederholt. Weil das Buch aber direkt aus der Praxis und für die Praxis geschrieben ist, kann BooksInShort es dennoch empfehlen – allen Mi­tar­beit­ern, die Rekla­ma­tio­nen bearbeiten.

Take-aways

  • Rekla­ma­tio­nen sind keine Ausnahmen, sondern normaler Teil des Geschäfts.
  • Besser als spontane Reaktionen ist eine pro­fes­sionelle Vor­bere­itung.
  • Jede Reklamation ist eine Chance, Ihr Unternehmen zu verbessern und den Kunden zu halten.
  • Mit Checklisten und Leitfäden wickeln Sie Beschwerden pro­fes­sioneller ab.
  • Eine positive Grun­de­in­stel­lung sowie ein glaubwürdiges, au­then­tis­ches und überzeu­gen­des Auftreten helfen, einen guten Kontakt aufzubauen.
  • Menschen lassen sich in drei Typen einteilen: Beziehungstyp, Hand­lungstyp und Sachtyp. Reagieren Sie entsprechend.
  • Zuerst müssen die emotionalen Wogen geglättet werden. Zeigen Sie Mitgefühl und Verständnis – nur so lässt sich eine tragfähige Kun­den­beziehung aufbauen.
  • Kreisen Sie anschließend das Problem durch geschicktes Fragen ein und vereinbaren Sie ein zweites Gespräch für den Lösungsvorschlag.
  • Zeigen Sie Verständnis für Einwände des Kunden und bieten Sie genau dafür Lösungen an.
  • Ein Nach­fass­ge­spräch vertieft die Kun­den­bindung und bietet die Möglichkeit zu Zusatzverkäufen.
 

Zusammenfassung

Rekla­ma­tio­nen gehören dazu

So wünschenswert eine Null-Fehler-Poli­tik ist, so un­re­al­is­tisch ist sie in der Praxis: Menschen machen nun mal Fehler, und wenn der Kunde davon betroffen ist, kommt es zu einer Reklamation. Wenn Sie nicht gerade in einer Abteilung arbeiten, die ausschließlich mit Beschwerden beschäftigt ist, trifft es Sie meist völlig unerwartet. Plötzlich steht er da, mit hochrotem Kopf und erhobener Stimme: der genervte Kunde, der sich Luft machen will.

„Kein Verkauf, der nicht die Gefahr einer Reklamation in sich birgt.“

Je nach Typ laut und unmissverständlich oder auch sehr ruhig und in schnei­den­dem Ton. Das stört die All­t­agsrou­tine und kickt Sie schlagartig aus der Komfortzone der geregelten, planbaren Abläufe. Kein Wunder, dass Sie den Kunden in diesem Moment als Störenfried, vielleicht sogar als Feind empfinden. Auch verständlich, wenn Sie sich erst einmal angegriffen fühlen – Sie persönlich haben ja gar nichts verbrochen und werden quasi aus dem Nichts heraus mit Kritik kon­fron­tiert. Jeder reagiert spontan ein wenig anders. Vielleicht gehören Sie zu denen, die sofort zum Gege­nan­griff übergehen? Oder würden Sie sich am liebsten in ein Mauseloch verkriechen? So oder so: Bedenken Sie, dass der Kunde auch nur ein Mensch ist, und dieser Mensch will Ihnen persönlich nichts Böses. Im Gegenteil: Er gibt Ihnen die Chance, Verbesserungspoten­zial in Ihrem Unternehmen zu erkennen und Fehler abzustellen. Ihr Ziel sollte es deshalb sein, eine regelrechte Rekla­ma­tion­skul­tur zu schaffen. Machen Sie es den Kunden leicht, sich zu beschweren! Wenn Sie es schaffen, eine Reklamation erfolgreich zu bearbeiten, bleibt der Kunde Ihnen mit größter Wahrschein­lichkeit erhalten. Und das ist erheblich billiger als die Gewinnung eines Neukunden. Ein einziger Un­zufriedener dagegen kostet Sie 9–15 potenzielle Abnehmer, weil er einer Vielzahl von Personen von seinen Neg­a­tiver­leb­nis­sen erzählt.

„Versetzen Sie sich in den Kunden, nehmen Sie seine Perspektive ein.“

Je natürlicher, au­then­tis­cher und sym­pa­this­cher Sie auf den Kunden zugehen, desto besser. Die Beziehung von Mensch zu Mensch ist das Er­fol­gs­ge­heim­nis einer gelungenen Rekla­ma­tions­bear­beitung. Damit dies gelingt und Sie nicht spontan mit Ablehnung oder Selb­stvertei­di­gung reagieren, müssen Sie sich schon vorher mit der Möglichkeit einer Beschwerde au­seinan­derge­setzt haben, sich also sozusagen im Standby-Modus befinden.

Pro­fes­sionelle Rekla­ma­tionsvor­bere­itung

Zu einer pro­fes­sionellen Rekla­ma­tionsvor­bere­itung gehört zunächst einmal, dass Sie sich Ziele setzen. Je positiver, konkreter und mo­tivieren­der, desto besser. Malen Sie sich also in den schönsten Farben aus, welchen Soll-Zu­s­tand Sie mit Ihrer Rekla­ma­tions­bear­beitung verbinden möchten, und formulieren Sie dabei immer positiv („Kunde ist begeistert“).

„Erst ist die Emotion wieder ins Lot zu bringen, danach die Sache.“

Auch die or­gan­isatorische Vor­bere­itung ist wichtig: Machen Sie sich Checklisten und arbeiten Sie mithilfe eines Leitfadens; so vergessen Sie nichts und haben den Kopf frei für das eigentliche Gespräch. Trotzdem dürfen Sie Kunden niemals nach Schema F abfertigen. Eine er­fol­gre­iche Reklamation ist so individuell wie der Kunde. Doku­men­tieren Sie alles schriftlich, geben Sie alle In­for­ma­tio­nen aus dem Gespräch – egal ob berufliche oder private – in die Datenbank ein. Schreiben Sie direkt in den Computer, nicht erst hand­schriftlich auf Papier. So vermeiden Sie die weit ver­bre­it­eten Übertra­gungs­fehler, die den verärgerten Kunden noch wütender machen.

„Einfühlungsvermögen ist die elementare Fertigkeit in der Rekla­ma­tion­ssi­t­u­a­tion.“

Wichtig ist auch Ihre eigene Stimmung: Gehen Sie Rekla­ma­tio­nen nicht wie Ärgernisse an, sondern sehen Sie sie als Chance. Prüfen Sie Ihre Haltung zu den Produkten Ihrer Firma. Wenn Sie nicht von den Leistungen Ihres Un­ternehmens überzeugt sind, können Sie auch nicht überzeugend, glaubwürdig und authentisch auftreten. Durch entsprechende Übungen können Sie lernen, Ihre Stimmlage vorteilhaft zu bee­in­flussen, richtig zu atmen und aus­drucksstark zu sprechen. Verwenden Sie möglichst viele positive Begriffe und so genannte „magic words“ wie „zukun­ftssicher“ oder „einfach“, um Menschen zu begeistern.

Typgerechte Ansprache

Trotz aller In­di­vid­u­alität kann man die Menschen in drei Typen einteilen, die jeweils un­ter­schiedlich ange­sprochen werden müssen. Natürlich gibt es in der Praxis viele Mischtypen.

  1. Der Beziehungstyp legt viel Wert auf funk­tion­ierende Beziehungen und ein gutes Klima. Er ist eher kooperativ, will aber, dass sich jemand persönlich um seine An­gele­gen­heit kümmert. Er braucht Fre­undlichkeit und Her­zlichkeit.
  2. Der Hand­lungstyp dagegen will in erster Linie Ergebnisse. Er ist ungeduldig, aufbrausend und neigt zu cho­lerischen Anfällen. Dieser Typ will in erster Linie eine Lösung des Problems, keine Stre­ichelein­heiten.
  3. Der Sachtyp ist sehr analytisch und de­tai­lo­ri­en­tiert. Hier geht es um Fakten, Fakten, Fakten. Er will umfangreich informiert werden und genau wissen, was bis zu welchem Zeitpunkt von wem getan wird.

Welcher Typ sind Sie?

Auch Sie selbst gehören in eine dieser Kategorien – machen Sie sich bewusst, zu welcher. Sie müssen Ihr Verhalten auf den Kunden abstimmen, nicht umgekehrt. Sind Sie derselbe Typ wie der Kunde, gelingt dies meist leicht. Bei ab­we­ichen­den Typen dagegen müssen Sie sich entsprechend vorbereiten:

  • Sind Sie selbst ein Beziehungstyp, neigen Sie dazu, die Wutanfälle des Hand­lungstyps persönlich zu nehmen und den dis­tanzierten Diskus­sion­sstil des Sachtyps durch besondere Fre­undlichkeit zu überbrücken – was der jedoch als Anbiederung empfindet.
  • Als Hand­lungstyp neigen Sie dazu, den Beziehungstyp mit vorschnellen Lösungen zu überrollen, statt ausreichend zuzuhören. Vom Sachtyp können Ihre schnellen, prag­ma­tis­chen Lösungen als zu oberflächlich wahrgenom­men werden.
  • Wenn Sie als Sachtyp Beschwerden ent­ge­gen­nehmen, fällt es Ihnen eher schwer, auf die emotionale Ebene des Beziehungstyps einzusteigen. Beim Hand­lungstyp kann Ihre exakte Ar­beitsweise weitere Wutanfälle auslösen: Er will keine Analyse des Problems, sondern eine Lösung.

Das Rekla­ma­tion­s­ge­spräch

Der Einstieg ist das Wichtigste: Er stellt die Weichen für die gesamte Reklamation. Bevor Sie zu einer Lösung des eigentlichen Problems kommen können, müssen Sie zunächst einmal das gestörte Vertrauen wieder­her­stellen, ohne dabei die Interessen Ihrer Firma aus dem Blick zu verlieren. Der Kunde ist enttäuscht, vertraut Ihnen nicht mehr, hat Angst, abgewiesen zu werden und auf seiner Enttäuschung sitzen zu bleiben.

„Die gute Rekla­ma­tions­bear­beitung ist die, die pro­fes­sionell vorbereitet ist.“

Versuchen Sie, entspannt zu bleiben, auch wenn Ihnen geballte Wut ent­ge­gen­schlägt. Langsam, aber sicher wird sich Ihr Gegenüber von Ihrer Stimmung anstecken lassen und sich beruhigen. Achten Sie auf Ihre Körpersprache und noch mehr auf die des Kunden. Fühlen Sie sich in den Kunden ein, gehen Sie emotional mit, zeigen Sie Verständnis, versuchen Sie, die Welt mit den Augen Ihres Gegenübers zu sehen. Diese Fähigkeit zur Empathie ist uns angeboren – sie ist nur manchmal etwas verschüttet.

„Checklisten und Leitfäden machen den Kopf frei für andere Wahrnehmungen.“

Fragen Sie viel, aber machen Sie das Gespräch nicht zum Verhör. Wichtig ist die Ein­willi­gungs­frage zu Beginn: „Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?“ Beginnen Sie mit einfachen Fragen, heikle gehören an den Schluss. Stellen Sie immer nur eine Frage auf einmal, formulieren Sie kurz und präzise, sprechen Sie langsam, laut und deutlich und geben Sie dem Kunden genügend Zeit zu antworten. Lassen Sie den Redefluss des Kunden nicht unbeteiligt an sich vor­beirauschen, sondern hören Sie aktiv zu, geben Sie Rückmeldungen („Verstehe ich Sie richtig, dass …“).

„Der Königsweg des Zuhörens ist das aktive Zuhören.“

Wenn irgend möglich, splitten Sie das Rekla­ma­tion­s­ge­spräch in zwei Teile. Im ersten Gespräch nehmen Sie die Beschwerde auf, im zweiten un­ter­bre­iten Sie Ihren Lösungsvorschlag. Die Vorteile: Sie können den Fall genau prüfen, und der Kunde hat inzwischen Gelegenheit, sich zu beruhigen. Präsentieren Sie Ihren Lösungsvorschlag als hochwertig, verdeut­lichen Sie, dass Sie das Maximum für den Kunden her­aus­ge­holt haben. Mit der Methode der Dras­ti­fizierung erscheinen selbst mittelmäßige Lösungen in einem guten Licht („Nor­maler­weise kann die nächste Lieferung erst in einer Woche raus. Sie bekommen das Teil aber schon übermorgen, weil …“). Bieten Sie außerdem mehr als das, was angemessen wäre. Dadurch fühlt sich der Kunde verpflichtet, wohlwollend zu reagieren.

Einwände entkräften

Einwände des Kunden gehören zum Spiel. Teils sind es berechtigte Bedenken, teils Vorwände, um sich nicht mehr so machtlos zu fühlen oder um noch mehr her­auszuschla­gen. Sehen Sie Einwände positiv: als Signal des Kunden, dass er weiter mit Ihnen im Gespräch bleiben will. Paten­trezepte gibt es nicht. Je nach Kunde können Verständnis oder taktvolles Überhören, Humor (aber kein Sarkasmus!) oder freundliche Sach­lichkeit angemessen sein.

„Führen Sie die Gespräche in zwei zeitlich voneinander getrennten Abschnitten.“

Besonders heikel sind Drohungen („Dann gehe ich zur Konkurrenz, zum Anwalt usw.“). Die Ursache ist meist, dass der Kunde sich un­ver­standen und nicht ernst genommen fühlt. Falsch sind Gegen­dro­hun­gen; besser ist es, auf Deeskala­tion zu setzen, Verständnis zu zeigen und Lösungen anzubieten. Will sich der Kunde an die Medien wenden, ist das ein Hilfeschrei. Bieten Sie ihm also die Hilfe, die er braucht.

„Mit jedem Einwand sig­nal­isiert der Kunde Gesprächsin­ter­esse.“

Bei un­berechtigten Rekla­ma­tio­nen sollten Sie niemals die Schuld auf den Kunden abwälzen. Aus seiner Sicht ist die Reklamation nämlich fast immer berechtigt. Sprechen Sie lieber von einem Missverständnis oder einem Übermit­tlung­sprob­lem. Und bei Kandidaten, die mit sportlichen Ehrgeiz so viel wie möglich her­auss­chla­gen wollen und deshalb auf Rabatten bestehen, gilt: Prüfen Sie, wie wichtig Ihnen der Kunde ist. Gewähren Sie möglichst kleine Nachlässe, bevorzugen Sie Nat­u­ralra­batte und koppeln Sie Ku­lan­zleis­tun­gen an Fol­gebestel­lun­gen.

Zum Abschluss kommen

Erkennen Sie die Entschei­dungssig­nale des Kunden, um das Gespräch zu beenden. Wenn er beispiel­sweise nach Details der Lösung oder nach Beispielen fragt, ist der richtige Zeitpunkt gekommen. Weitere Debatten würden die gefundene Lösung nur zerreden. Nehmen Sie es nicht persönlich, wenn das Rekla­ma­tion­s­ge­spräch nicht funk­tion­iert – nicht jede Beschwerde kann zu einem positiven Abschluss kommen. Sehen Sie jedes Rekla­ma­tion­s­ge­spräch, gerade auch die erfolglosen, als Chance, sich zu verbessern. Führen Sie ein Um­set­zungstage­buch, in dem Sie notieren, was gut und was schlecht gelaufen ist. Planen Sie regelmäßige Re­flex­ion­szeiten ein, in denen Sie Ihr Verhalten bei Beschwerden analysieren.

„Die große Zahl aller Kunden ist fest davon überzeugt, berechtigt zu reklamieren.“

Führen Sie nach jeder Reklamation ein Nach­fass­ge­spräch, in dem Sie fragen, ob jetzt alles zur Zufrieden­heit gelöst ist. Das kostet nur wenige Minuten, führt aber zu einer in­ten­siv­eren Kun­den­bindung, die weitere Beschwerden erheblich vereinfacht. Oft entschuldigt sich der Kunde sogar für unangemessenes Verhalten und lobt Sie für den gelungenen Abschluss der An­gele­gen­heit. In diesem Gespräch können Sie außerdem Verbesserungsvorschläge wie etwa frühzeitigere Bestel­lun­gen anbringen, um zukünftige Rekla­ma­tio­nen zu vermeiden.

„Nach­fass­ge­spräche verstärken die Beziehung zu Ihrem Kunden.“

Doch das Nach­fass­ge­spräch kann noch mehr: Es bietet die Möglichkeit, Zusatzverkäufe zu generieren, beispiel­sweise nach einer Reparatur einen Wartungsver­trag abzuschließen. Ist der Kunde wirklich zufrieden, können Sie auch um Empfehlun­gen und Referenzen bitten. Wenn Sie stets fair waren, hat das nichts Dubioses. Auch wenn der Kunde keineswegs begeistert ist, ist das kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Bleiben Sie weiterhin freundlich, informieren Sie ihn wie gewohnt – schließlich kann er seine Meinung ja bald schon ändern.

Über die Autoren

Doris Stempfle, Lothar Stempfle und Ricarda Zartmann sind Inhaber und Trainer bei Stempfle Training in Erlenbach. Doris Stempfle ist Be­trieb­swirtin VWA, Lothar Stempfle ist Dipl.-Be­trieb­swirt, und Ricarda Zartmann ist Vertriebs- und Kom­mu­nika­tion­strainerin.