Kin Ping Meh

Buch Kin Ping Meh

oder Die abenteuerliche Geschichte von Hsi Men und seinen sechs Frauen

Suzhou, 1610
Diese Ausgabe: Insel,


Worum es geht

Ein chi­ne­sis­cher Lebemann und seine Frauen

Die Geschichte vom reichen Wüstling Hsi Men und seinen sechs Frauen gewährt einen seltenen Einblick in die Gepflo­gen­heiten der alten chi­ne­sis­chen Gesellschaft. Der realistisch verfasste Roman hält mit erotischen Details, so blumig die Um­schrei­bun­gen auch sein mögen, nicht hinter dem Berg, weshalb das Werk auch gleich nach Erscheinen verboten wurde. Die Schilderun­gen von Hsi Mens Hauswesen und seinen Machen­schaften ergeben ein Sittengemälde der Ming-Dy­nas­tie. Mit dem launischen Fam­i­lienober­haupt wird auf eine despotische Herrscher­figur jener Zeit angespielt; sein frivoler Lebenswan­del ebenso wie die Eifersüchteleien und Intrigen seiner sechs Frauen spiegeln die Missstände im Land wider. Der Blick durchs Guckloch in die Frauengemächer, die Fremden in Chinas Geschichte seit jeher verboten sind, legt einen faszinieren­den Querschnitt der Gesellschaftsstruk­tur frei. Da dem Lotterleben Hsi Mens der Verfall seines Anwesens unauswe­ich­lich folgt, hat das Werk bis heute eine wichtige Rolle als Schlüssel- und Sittenroman.

Take-aways

  • Kin Ping Meh ist ein Roman aus dem alten China und gibt wie kein anderes Werk jener Zeit einen Einblick in die intimen Sphären einer chi­ne­sis­chen Großfamilie.
  • Inhalt: Der reiche Lüstling Hsi Men hat sechs Frauen. Aus dieser Kon­stel­la­tion entspinnen sich zahlreiche Intrigen, doch jede Untat wird zu ihrer Zeit gerächt. Hsi Men wird seine Wollust zum Verhängnis. Der einst reiche Haushalt löst sich nach seinem Tod in Nichts auf, und letzten Endes siegen Sitte und Moral dann doch über Laster und Verderbtheit.
  • Der Titel des Buches bezieht sich auf drei Frauen im Roman: Pan Kin Lin (Goldlotos), Li Ping und Tschun Meh, wobei der Autor jeweils den zweiten Bestandteil des Namens verwendet.
  • Die Figur Hsi Mens und dessen frivoler Lebenswan­del spielen auf Missstände im China des 16. und 17. Jahrhun­derts an.
  • Der realistisch gehaltene Roman mit seinen erotischen Details wurde gleich nach Erscheinen verboten.
  • Kin Ping Meh gilt als erster chi­ne­sis­cher Roman, der eine konsistente Hand­lungsstruk­tur aufweist – im Gegensatz zu den bis dahin üblichen Episo­den­ro­ma­nen.//
  • //Da dem Verfall jeglicher moralischer Grundwerte die Auflösung und das Chaos folgen, kann das Werk auch als Sittenroman gelesen werden.
  • Kin Ping Meh ist ein wertvolles Zeit- und Kul­tur­doku­ment über Zeremonien, Architektur, religiöse Rituale und gesellschaftliche Gepflo­gen­heiten der Ming-Dy­nas­tie.
  • Kin Ping Meh gehört zusammen mit Werken wie Die Räuber vom Liang Schan Moor oder Der Traum der roten Kammer zu den klassischen chi­ne­sis­chen Romanen.//
  • //Zitat: „Des Lebens Schaukel auf und nieder wippt, was heute groß, ist morgen klein.“
 

Zusammenfassung

Der Aufstieg des Seidenhändlers Hsi Men

Das väterliche Erbe und der Handel mit Seide haben Hsi Men zu seinem Reichtum verholfen. Durch Bestechung ergattert er zudem einen Militärposten, und die gesamte örtliche Beamten­schaft steht in seiner Schuld. Hsi Mens Einfluss reicht weit hinauf in den Kreis korrupter Hofbeamter. Seine Mach­taus­dehnung im öffentlichen Leben geht einher mit diversen erotischen Abenteuern, obwohl er zu Hause eine Hauptfrau, die tugendsame Mondfrau, sowie zwei Nebenfrauen hat. Am liebsten aber umgibt er sich mit wackeren Trinkkumpa­nen. Diese wissen allerdings ihren Freund gut auszunutzen und verleiten ihn zu so manchen Zechgelagen und zur Hurerei.

Der Tigertöter

Als die Zechkumpane in einem taois­tis­chen Tempel eine Schwur­brud­er­schaft gründen, erzählt der Priester Wu, dass in einem nahe gelegenen Wald ein Tiger sein Unwesen getrieben habe. Er sei schließlich von einem gewissen Wu Sung mit der bloßen Faust niedergestreckt worden. Der tote Tiger wird alsbald durch die Stadt getragen, und der örtliche Mandarin stellt den wackeren Tigertöter als Wach­haupt­mann ein. Doch eigentlich sucht Wu Sung seinen Bruder Wu Ta, den er nun zufällig trifft. Dieser ist inzwischen mit der koketten und durchtriebe­nen Goldlotos verheiratet, einer ehemaligen Sklavin. Sie wird nicht müde, ihren Mann einen feigen Jam­mer­lap­pen zu schimpfen. Wie anders ist da der Bruder! Sie überredet Wu Sung, bei ihnen einzuziehen. Als sie ihre Reize spielen lässt, zieht Wu Sung empört wieder aus. Er wird vom Mandarin beauftragt, dessen wertvollen Gold- und Sil­ber­schatz in die Hauptstadt zu bringen, woraufhin er notge­drun­gen von seinem Bruder Abschied nehmen muss.

„Goldlotos betrachtete das Urbild von Mann, das ihr da gegenübersaß, mit heimlichem Entzücken; es schauerte sie bei der Vorstellung von so viel Kraft, die dazu gehört hatte, einen Tiger zu erlegen.“ (über Wu Sung, S. 28)

Wie der Zufall es will, trifft Goldlotos Herrn Hsi Men, und die beiden finden rasch Gefallen aneinander. Das wiederum entgeht Mutter Wang, der Teestubenbe­sitzerin von nebenan, nicht. Hsi Men versichert sich der Kup­pler­di­en­ste der alten Wang, und sie lockt unter einem Vorwand Goldlotos zu ihr nach Hause. Dort kann sich Hsi Men fortan nach Herzenslust mit seiner Gespielin vergnügen.

Intrige und Mord

Eines Tages erfährt Wu Ta von diesem Verhältnis. Er will die beiden Verliebten auf frischer Tat ertappen, muss aber üble Prügel einstecken. Als er mit seinem Bruder droht, heckt das listige Trio einen tödlichen Plan aus. Unter dem Vorwand, ihm Medizin zu geben, flößt Goldlotos ihrem Mann einen giftigen Trunk ein und erstickt ihn anschließend mit einer Decke. Hsi Men erreicht durch Bestechung, dass die Le­ichen­ver­bren­nung diskret von­stat­tengeht. Zwar weist der Leichnam deutliche Zeichen einer Vergiftung auf, doch bringen Hsi Mens Sil­ber­bar­ren alle zum Schweigen. Nach dieser frev­lerischen Tat lässt sich Hsi Men aber eine ganze Weile nicht mehr bei Goldlotos blicken. Inzwischen hat er eine vierte Frau geheiratet. Eines Tages gelingt es der Kupplerin Wang dann, Hsi Men wieder mit Goldlotos zusammenzuführen. Die alte Lei­den­schaft wird aufs Neue entfacht. Doch als Wu Sung seine Ankunft ankündigt, fährt Hsi Men der Schrecken in die Glieder. Rasch nimmt er Goldlotos zur Frau. Wu Sung ahnt, dass beim Tod seines Bruders etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann. Alle schweigen – nur ein junger Birnenverkäufer verrät ihm gegen klingende Münze den wahren Tathergang. Wu Sung reicht eine Klage ein, wird jedoch abgewiesen, woraufhin er auf der Suche nach Hsi Men verse­hentlich einen anderen Mann umbringt. Er wird verhaftet, und Hsi Men weiß alle Beteiligten so zu bestechen, dass Wu Sung ge­brand­markt und verbannt wird.

Zwist im Hause Hsi Men

Goldlotos sät geschickt Zwietracht zwischen den Frauen, und Hsi Men erfüllt ihr jeden Wunsch. Allerdings treibt er sich nach wie vor in Freudenhäusern herum, was Goldlotos ärgert. Vor lauter Liebesver­lan­gen verführt sie einen Gärt­ner­burschen, was jedoch schon bald den anderen Nebenfrauen zu Ohren kommt. Sie berichten Hsi Men davon, und der Diener wird aus dem Haus gejagt. Goldlotos aber gibt vor, das alles sei nur eine Intrige der Nebenfrauen gewesen. Ohnehin weiß sie Hsi Men gekonnt an sich zu binden. Er dankt es ihr mit immer neuen Ab­wand­lun­gen des Liebesspiels.

„Wenn sie jetzt an Hsi Men geriet, der, seit Langem mit dem Spiel des Mondes und der Winde vertraut, ein Urding hoch und stark besaß, musste sie da nicht endlich Be­friedi­gung empfinden?“ (über Goldlotos, S. 69)

Der Nachbar Hua, ein Zechkumpan von Hsi Men, wird wegen eines Erb­schaftsstre­its verhaftet. Hsi Men bekommt Hua zwar frei, dieser stirbt jedoch bald darauf aus Verdruss. Inzwischen bändelt Hsi Men vorsichtig mit der ebenfalls be­nach­barten Frau Ping an, und beide warten darauf, dass der andere den ersten Schritt macht. Nach dem Tod ihres Mannes bittet die Witwe Hsi Men, sie als Gattin in sein Haus aufzunehmen. Der aber vertröstet sie und rät, man solle die Trauerzeit abwarten. Witwe Ping reicht das fürs Erste. Sie bedankt sich bei ihm mit Liebko­sun­gen und dem Spiel, bei dem man „den Blumenstängel in eine kleine Vase steckt“.

Drohende Verbannung

Eines Nachts pochen Hsi Mens Tochter und sein Schwiegersohn Tschen an die Tür und bitten um Aufnahme, da die Familie bei Hof in Ungnade gefallen sei. Als Hsi Men seine Diener in die Hauptstadt schickt, um die Lage zu eruieren, finden diese zu ihrem Entsetzen Hsi Mens Namen auf der Liste derjenigen, die in die Verbannung geschickt werden sollen. Mit einer Bestechung gelingt es ihnen, den Namen auf der Liste zu ändern und Hsi Men dadurch zu retten. Über all diesen Aufregungen vergisst Hsi Men seine Nachbarin, die inzwischen aus Überdruss den Doktor Bambushügel zum Gatten genommen hat. Hsi Men ist mit der Erweiterung seines Anwesens beschäftigt und übergibt die Bauleitung seinem Schwiegersohn. Tschen entbrennt in Liebe zu Goldlotos. Und die will sich die Beute auf keinen Fall entgehen lassen.

Frostiger Empfang

Schon bald ist Nachbarin Ping des neuen Gemahls überdrüssig. Sie verzehrt sich nach Hsi Men und lässt sich zwei Monate nach der Heirat schon wieder scheiden. Abermals bittet sie Hsi Men, sie doch endlich zu sich zu nehmen. Widerwillig gibt er nach, bereitet ihr allerdings einen frostigen Empfang und lässt sie die ersten Nächte allein. Auch die anderen Frauen sind auf Ping nicht gut zu sprechen. Bald aber ist Frau Ping schwanger und schenkt Hsi Men einen Sohn. Mondfrau, Hsi Mens Hauptfrau, erleidet hingegen eine Fehlgeburt. Hsi Men genießt seinen gesellschaftlichen Aufstieg – er wird zum Mandarin ernannt – und seinen Vaterstolz, darüber vernachlässigt er indes seine Frauen. Mondfrau lässt sich von einer Nonne beraten, wie sie ein weiteres Kind empfangen kann, und Hsi Men trifft auf den weisen Pater Fan, der ihm ein Aphro­disi­akum gibt.

„Willst du leben und dich freuen, darfst du anderer Tod nicht scheuen.“ (Goldlotos, S. 84)

Eines Tages, als das Kind der sechsten Gattin, Frau Ping, in eine rote Decke eingewick­elt daliegt, kommt der fette Pumakater von Goldlotos vorbei und zerfetzt es. Diese hat den Kater kalt berechnend mit in rotes Tuch gewickelten Fleischbällen dressiert, weil sie von Hsi Men seit der Geburt des Kindes vernachlässigt wurde. Nach dessen Tod hat Frau Ping keine Kraft, sich an Goldlotos zu rächen, vielmehr spürt sie, wie sich ihr Leben dem Ende zuneigt. Als sie stirbt, hält Hsi Men nichts mehr zu Hause.

Mondfrau wird Witwe und Mutter

Als Hsi Men nur noch wenige der sexuellen Kraftpillen bleiben, die er seit Längerem zu sich nimmt, wird er panisch, und seine Gier nach neuen Genüssen steigert sich ins Uner­messliche. Liegt er an der Seite der einen Geliebten, lechzt er bereits nach den Umarmungen der anderen. Seinen Ehefrauen zu Hause stattet er bloß noch Pflichtbe­suche ab.

„Hsi Men fühlte sich wie von einer inneren Verstopfung befreit, als er vernahm, dass sein grimmiger Widersacher zur Grenze abgeschoben sei.“ (über Wu Sung, S. 135)

Als er eines späten Abends nach Hause zurückkehrt, streifen Hsi Men eisige Todess­chwaden, die von einem bevorste­hen­den Tod künden. Er möchte sich bei Goldlotos ausruhen, die ihm aber drei Kraftpillen zu schlucken gibt, weil sie selbst voll Lüsternheit ist. Doch noch während des Geschlechtsverkehrs wird Hsi Men plötzlich ohnmächtig und verliert Blut. Goldlotos weist jede Schuld weit von sich, als Mondfrau sie am nächsten Morgen eingehend befragt. Hsi Men leidet an Hodenentzündung und Harn­ver­stop­fung, keine Medizin kann ihn stärken. Vom sündigen Feuer der Wollust sei er ausgebrannt, sagt Priester Wu. So stirbt Hsi Men im Alter von 43 Jahren, und noch in derselben Stunde schenkt Mondfrau einem Sohn das Leben.

Gelübde

Nun wollen die Hin­terbliebe­nen sich am Reichtum gütlich tun. Die zweite Frau etwa weiß einige Sil­ber­bar­ren außer Haus zu schaffen und kehrt wieder an den Blumenhof zurück, von dem sie einst gekommen ist. Die Diener, die Hsi Men aus­geschickt hat, um in seinem Namen Handel zu treiben, bemächtigen sich seiner Waren. Goldlotos und der junge Tschen schnäbeln indes wie zwei frisch verliebte Man­dari­nen­ten. Als Mondfrau zum heiligen Berg Taishan reist, um ein Gelübde einzulösen, wird sie dort fast Opfer eines lüsternen Priesters. Hals über Kopf flieht sie und findet Zuflucht bei einem Einsiedler, der als Gegen­leis­tung ihren Sohn will. Sie wundert sich zwar, verspricht aber dennoch, ihm den Sohn in 15 Jahren zu überlassen. Goldlotos ist inzwischen von Tschen schwanger geworden. Sie treibt ab, als Mondfrau außer Haus weilt, doch bei ihrer Rückkehr kommt es ihr dennoch zu Ohren, und sie verwarnt die beiden. Schließlich wird Tschen sogar des Hauses verwiesen.

Die späte Rache des Tigertöters

Der junge Tschen will sich an der ganzen Sippschaft Hsi Mens rächen und setzt eine An­klageschrift auf. Mondfrau bleibt nicht untätig: Sie lässt Tschen aus dem Haus prügeln und Goldlotos über die Teestubenbe­sitzerin Wang weit­er­verkaufen. Die einstige Zofe Tschun Meh, die das Treiben von Tschen und Goldlotos im Hause Hsi Mens als erpresste Neben­buh­lerin erduldete, gelangt in den Besitz des Präfekten Tschou, der sie verwöhnt. Vergebens versucht sie, über ihren Mann und über Zwischenhändler Goldlotos zu kaufen, doch gegen die Geldgier der alten Wang ist nichts auszurichten. Inzwischen ist der Tigertöter Wu Sung aus der Verbannung zurückgekehrt. Er legt das Geld für Goldlotos sogleich auf den Tisch und führt sie als seine Gattin sowie die alte Wang noch am selben Abend in sein Haus. Vor der Ahnentafel seines toten Bruders bedroht Wu Sung Goldlotos, bis sie ein vollständiges Geständnis ablegt, worauf er alle beide tötet.

Auflösung

Der Haushalt des ver­stor­be­nen Hsi Men löst sich indes nach und nach auf: Sun Hsüe O, die vierte Frau des Toten, wird der Tat überführt, mit dem ehemaligen Diener Lai Wang diverse Güter aus dem Haus gestohlen zu haben. Lai Wang wird in die Verbannung geschickt, Sun auf dem Markt öffentlich versteigert. Die ehemalige Zofe Tschun Meh hört davon und beschließt, Sun als Köchin einzustellen, um sich für eine vergangene Schmach zu rächen. Der Sohn des Mandarins bittet Mong Yü Loh, ehemals die dritte Gattin Hsi Mens, seine Frau zu werden. Sie willigt gerne ein, da sie im Haus Hsi Mens keine Zukunft mehr hat.

„Frau Ping, die sich trefflich aufs Reiten verstand, kletterte auf ihn und steckte geschickt seinen Blumenstängel in ihre kleine Vase.“ (über Hsi Men, S. 203)

Der junge Tschen soll unterdessen im Auftrag seiner Mutter einen Tuchladen führen, doch er verprasst das Geld. Bei einer Han­del­sreise von seinem Freund und Verwalter übers Ohr gehauen, kehrt er mittellos nach Hause zurück. Völlig verarmt fristet er als Bettler ein elendes Dasein, bis er auf einen Mann trifft, der Aprikosen­klaus­ner genannt wird. Dieser steckt ihm Geld zu und gibt ihm Ermahnungen mit auf den Weg, die Tschen jedoch in den Wind schlägt. Eines Tages schafft der Klausner Tschen in ein Taois­t­en­kloster. Als Tschen die einstige Zofe Tschun Meh trifft, lässt diese ihm Geld zukommen und will ihr altes Verhältnis mit ihm wieder aufleben lassen. Zuerst muss sie jedoch die Köchin Sun Hsüe O beseitigen, da diese von der früheren Liebschaft der beiden weiß und den Ehemann informieren könnte. Sie wird rasch an ein Bordell verkauft.

Schicksal

Großzügig bietet Tschun Meh dem jungen Tschen eine Heimstatt an, verheiratet ihn mit einer anderen Frau, und die beiden setzen ihre Beziehung in aller Heim­lichkeit fort. Doch als sie eines Tages einen Gegen­spieler aus dem Weg schaffen wollen, kommt der ihnen zuvor und bringt Tschen um. Derweil wird das Reich von feindlichen Armeen überrannt, und der Präfekt fällt im Kampf. Tschun Meh frönt weiter ihrer Liebeslust, doch dieses Leben verzehrt sie völlig. In einem letzten Wol­lus­trausch haucht sie im Alter von 29 Jahren ihre Seele aus. Eines Tages stürmt die Goldene Horde die östliche Hauptstadt. Chaos bricht aus, Flüchtlingsströme wälzen sich auf den Straßen, unter ihnen befindet sich auch Mondfrau. Sie begegnet dem Einsiedler, der ihr vor 15 Jahren Un­ter­schlupf gewährt und als Gegen­leis­tung ihren Sohn gefordert hat. Der Einsieder will nun den Sohn zu sich nehmen, um ihm den verdorbenen Charakter von Hsi Men auszutreiben. Er rät Mondfrau, wieder zurückzukehren, da in zehn Tagen bereits Friede eingekehrt sein werde. Sie setzt einen treuen Diener, den sie Hsi Men An nennt, als Erben ein. Er pflegt sie bis zu ihrem Tod im Alter von 70 Jahren.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Roman ist nach Art der Hauschroniken bekannter chi­ne­sis­cher Familien verfasst, in denen Ereignisse wie Geburt, Ver­heiratung oder Tod detailreich fest­ge­hal­ten werden. Diese Grundlage gibt dem Roman au­then­tis­che Züge. Nichts scheint erfunden, und solche Authentizität lässt selbst den ver­dor­ben­sten Charakter und die frivolste Liebestech­nik echt erscheinen. Die Darstellung von Zeremonien wie Lat­er­nen­festen und Trauer­ritualen tragen zudem zum Ruf des Romans als wichtiges Zeit­doku­ment bei. Etliche Passagen wirken recht derb, andere wiederum liefern atmosphärisch dichte Beschrei­bun­gen. Die sexuellen An­spielun­gen und Um­schrei­bun­gen – „Lenzver­lan­gen“ wird mit Wein entfacht, die Vereinigung der Geschlechter vollzieht sich im „Spiel des Mondes und der Winde“, beim Orgasmus „schüttet eine Wolke ihren Inhalt aus“ – verleihen dem Sittenroman einen doppelbödigen Charakter. Die Personen werden mit all ihren Vorzügen und Fehlern dargestellt, nichts wird beschönigt, wenngleich die hin und wieder eingeschobe­nen Verse die Moral oder Unmoral der Handlung mal mehr, mal weniger deutlich hervorheben. Kin Ping Meh weist als erster Roman der chi­ne­sis­chen Literatur eine durchge­hende Handlung statt nur einer Anhäufung einzelner Episoden auf, wie es vorher der Fall war, z. B. bei dem Klassiker Die Räuber vom Liang Schan Moor.

In­ter­pre­ta­tion­sansätze

  • Kin Ping Meh ist ein Sittenroman, der die Gepflo­gen­heiten im alten China im Positiven wie im Negativen wider­spiegelt: förmliche Zeremonien und Einhaltung der hi­er­ar­chis­chen Bräuche versus Leibeslust und Missachtung jeglicher An­stand­sregeln.
  • Es ist ein Roman der Gegensätze: Hohe kon­fuzian­is­che Moral, verkörpert von Mondfrau, steht der Frivolität von ihrem Gatten Hsi Men und dessen Nebenfrau Goldlotos gegenüber; das Gesamtgefüge der chi­ne­sis­chen Gesellschaft wird so sichtbar gemacht.
  • Pikant sind die zahlreichen erotischen Schilderun­gen, wenngleich diese sich manchmal hinter blumigen Um­schrei­bun­gen verbergen. Sie reichen bis zur de­tail­ge­treuen Beschrei­bung ex­trav­a­gan­ter Stellungen im Liebesspiel.
  • Das Buch ist ein Meisterwerk der Intrigen: Nur mit List und Falschheit scheinen die Menschen zu ihren Zielen zu gelangen. Die hohe Kunst der Strategie wird vari­anten­re­ich dargeboten. Alles dreht sich stets darum, die richtige Gelegenheit im passenden Moment zu ergreifen. Meistens rächt sich das Schicksal aber.
  • Die ausufernde Darstellung von Ver­dor­ben­heit, Intrigen und Regelverstößen im Hause Hsi Mens lassen Tugend und Moral am Ende, wenn sich alles in Auflösung befindet, umso heller aufleuchten. Schließlich werden alle Sünder bestraft, während die Guten und Tugendsamen für ihre Stand­haftigkeit belohnt werden.
  • Eine mögliche Deutung des Romans ist, dass der Autor den Haushalt von Hsi Men als Abbild des Kaiser­re­ichs und seines moralischen Verfalls verstanden wissen wollte.
  • Der Titel des Romans lehnt sich an die Namen von drei Frauen an: Pan Kin Lin (Goldlotos), Li Ping und Tschun Meh (die Zofe von Goldlotos), wobei jeweils der zweite Bestandteil des Namens wiedergegeben ist. Zugleich bedeutet der Titel wörtlich übersetzt „Pflaumenblüten in goldener Vase“, möglicher­weise ein Hinweis auf die Endlichkeit des Menschen: Blüten welken früher oder später, und so auch die Frauen im Roman, nachdem sie in Hsi Mens Haus wie in einer Vase zusam­mengesteckt wurden.

His­torischer Hintergrund

Chinas Schmach

Während der Regierungszeit des Kaisers Song Huizong, als die Nördliche Song-Dy­nas­tie (960–1126) im Niedergang war, blühten die schönen Künste auf; der Kaiser selbst galt als größter Sammler von Malereien und Kalligrafien. Doch darüber wurde die ordentliche Verwaltung des Reiches vernachlässigt. Die Diskrepanz zwischen Arm und Reich verschärfte sich, Steuer­hin­terziehung war an der Tage­sor­d­nung, und das Volk litt unter korrupten Ver­wal­tungs­beamten. Im zwölften Jahrhundert wurde China auch von äußeren Kräften bedroht, und die Dschurd­schen versetzten dem innerlich geschwächten Reich 1126 den Todesstoß. Damals fiel die Hauptstadt Kaifeng, und der Kaiser wurde verschleppt, was in der chi­ne­sis­chen Geschichte eine Schmach ohne­gle­ichen war.

Auf den Sturz der Song-Dy­nas­tie folgte die mongolische Yuan-Dy­nas­tie (1279–1368) und auf diese Fremd­herrschaft die Ming-Dy­nas­tie. Deren Herrscher versuchten die chinesi¬sche Zivil­i­sa­tion fortzuführen und alte Werte wieder­herzustellen. Die Gesellschaft Chinas zur Zeit der späteren Ming-Herrschaft (16. bis Anfang 17. Jahrhundert) zeichnete sich durch Pluralismus und ide­ol­o­gis­che Flexibilität aus. Es war eine der wenigen Epochen Chi¬nas, in denen die Frauen relativ viel Freiheit genossen. Sex war damals noch nicht so sehr ta¬buisiert wie in der späteren Mand­schu-Zeit, und Eheschei­dun­gen in der Oberschicht waren keine Seltenheit.

Entstehung

Der Roman Kin Ping Meh spielt vor dem Hintergrund der zer­fal­l­en­den Song-Dy­nas­tie und des wieder­erstark¬ten chi­ne­sis­chen Selb­st­be­wusst­seins während der Ming-Dy­nas­tie. Um die Entste­hungs­geschichte rankt sich eine be­merkenswerte Legende: Das Buch soll eine lit­er­arische Rache gewesen sein; angeblich war das erste Exemplar sogar vom Autor mit Gift präpariert worden und hat den Tod seines Wider­sach­ers herbeigeführt. Abgesehen von dieser Legende liegt die Ver­fasser­schaft wie auch die Entste­hungs­geschichte bis heute im Dunkeln. Die Ro­man­hand­lung spielt, wie sich erschließen lässt, in den Jahren 1111–1127. Diese Rückdatierung der Handlung – das Buch erschien sehr viel später – ist ein in China bis heute weit ver­bre­it­eter Kunstgriff: Damit wird der Zensur möglichst wenig Angriffsfläche geboten. Schließlich sind die expliziten erotischen Schilderun­gen eindeutige Verstöße gegen die kon­fuzian­is­che Moral.

Wirkungs­geschichte

Aufgrund der zahlreichen, wenn auch blumigen erotischen Um­schrei­bun­gen und der vielen un­moralis­chen und laster­haften Beziehungen zwischen den Geschlechtern wurde der Roman gleich nach seinem Erscheinen verboten. Er stand im krassen Gegensatz zu den vorherrschen­den Moralvorstel­lun­gen. Indes weckte das Buch gerade aufgrund des Verbots besonders viel Aufmerk­samkeit und hatte zweifel­sohne einen enormen Einfluss auf die ansonsten eher prüde chinesische Gesellschaft. Zunächst kursierte der Roman in hand­schriftlichen Versi¬onen und erlangte dadurch seinen Ruhm, zählt er doch heute neben Werken wie Die Räuber vom Liang Schan Moor oder Der Traum der roten Kammer zu den wichtigsten klassischen Romanen chi­ne­sis­cher Literatur. Erstmals soll der Roman 1610 ge¬druckt worden sein, doch dieses Exemplar ist nicht mehr erhalten. 1687 setzte der man¬dschurische Kaiser Kangxi das Werk als Pornografie auf den Index der verbotenen Bücher; das Verbot wurde von Kaiser Qianlong 1789 erneuert. Gleichwohl initiierte man in den höchsten Kreisen der Qing-Dy­nas­tie eine Übersetzung des Romans ins Mand­schurische; das Buch sollte als Warnung und Mahnung dienen und aufzeigen, wohin Ver­we­ich­lichung und Zerfall von Sitte und Moral führen. Lange hatte Kin Ping Meh den Ruf einer hemmungslos pornografis­chen Schrift, heute aber betrachtet die chinesische Lit­er­atur­wis­senschaft das Werk als den ersten wirkli¬chen chi­ne­sis­chen Roman. Der bedeutende chinesische Schrift­steller Lu Xun sah darin einen Schlüsselroman der chi­ne­sis­chen Literatur.

Zensur und Selbstzen¬sur spielten auch bei der Verbreitung des Romans in Europa eine Rolle: Bis ins frühe 20. Jahrhundert galt das Werk wegen seiner erotischen Passagen als unübersetz¬bar. Die katholische Kirche setzte es noch nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Liste der verbotenen Werke aus dem Bereich der chi­ne­sis­chen Literatur. Grundlage für die deut¬sche Übersetzung war eine 44-bändige Orig­i­nalaus­gabe aus Suzhou. Da der Übersetzer Franz Kuhn aber so manche Wieder­hol­ung und mäandernde Erzählweise für den deut¬schen Leser als unzumutbar empfand, kürzte er den Text sehr stark, weshalb Fachkreise bis heute seine Übertragung kritisieren. Absurder Höhepunkt der Rezeption von Kin Ping Meh in Deutschland dürfte 1970 die Gründung einer Krautrock­band gleichen Namens in Mann¬heim gewesen sein.

Über den Autor

Der Autor des Romans ist unbekannt, es gibt aber ver­schiedene Vermutungen, was seine Identität betrifft. So wird etwa dem Schrift­steller Wang Shizhen (1526–1590) die Ver­fasser­schaft zugeschrieben. Dieser brachte es zu hohen Ämtern und Würden, sogar den Posten eines Jus­tizmin­is­ters hatte er inne. Als Kin Ping Meh erschien, war sich die literarisch kundige Welt einig darin, dass nur Wang Shizhen diesen Sittenroman geschrieben haben konnte. Zur Entstehung des Romans ist ein Hergang überliefert, dessen Wahrheits­ge­halt allerdings zweifelhaft ist: Im 16. Jahrhundert herrschte zwischen den Familien Wang und Yen erbitterte Feindschaft. Der Vater des angeblichen Verfassers wurde von seinem Rivalen macht­poli­tisch ausgehebelt und 1560 hin­gerichtet. Der berüchtigte Kanzler Yen miss­brauchte seine Macht für eine skandalöse Mis­s­wirtschaft, was später zu seiner Absetzung und Verbannung führen sollte. Der Sohn seines Gegners, besagter Wang Shizhen, war aufgrund des damaligen Sit­tenkodexes verpflichtet, den Tod des Vaters zu rächen, und dies tat er mit der Feder. Eines Tages traf er den Sohn des Kanzlers, der ihn nach seinem derzeitigen lit­er­arischen Vorhaben fragte. Mit Blick auf eine goldene Vase, in der ein Zweig mit Pflaumenblüten steckte, kam er auf den Titel des Buches. Dieser vom Zufall inspirierte Titel war zugleich eine Anspielung auf schöne Frauen in reichem Haushalt – die Grund­si­t­u­a­tion des Romans, dessen Protagonist Hsi Men die wesentlichen Charakterzüge des Kanzlers Yen trägt. Da der Sohn des Feindes darum gebeten hatte, den Roman als Erster zu lesen, präparierte der Autor jede Seite mit Gift, sodass der Leser sich beim Umblättern langsam vergiftete und just nach Beendigung der Lektüre starb. Als Autor infrage kommt außerdem der Maler Xu Wei (1521–1593). Doch auch dafür gibt es keine stich­halti­gen Beweise, sodass die Ver­fasser­schaft dieses Sit­ten­ro­mans bis heute im Dunkeln geblieben ist.