Teamführung

Buch Teamführung

9 Kunststücke, mit denen Sie aus Einzelkämpfern eine Mannschaft machen

Frankfurter Allgemeine Buch,


Rezension

Heinz Becker tritt an, um frischge­back­e­nen oder bereits verzweifel­ten Teamleitern einen Leitfaden für gelungene Teamarbeit in die Hand zu geben. Wie macht man aus egozen­trischen Einzelkämpfern eine Mannschaft, die zusam­men­steht und – dem Titelbild des Büchleins entsprechend – wie ein Mann in die Ruder greift? In neun teilweise erhellenden, teilweise eher seichten Kapiteln gibt Becker handfeste Tipps, mit deren Hilfe Diskus­sion­srun­den fokussiert, Agenda-Set­ting betrieben und eigenbrötlerische Team­mit­glieder eingenordet werden sollen. Eingerahmt werden die neun „Kunststücke“ von einer kleinen Fallgeschichte, die einen zunächst missglückten und schließlich doch noch gelingenden Team­bil­dung­sprozess plastisch vor Augen führt. Der größte Vorteil des Buches ist seine Schlichtheit. Auf 300 Seiten aufgeblasen – wie das ab und zu vorkommt – wären Beckers Vorschläge sicher nur halb so griffig. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Führungskräften und Pro­jek­t­man­agern, die mit einfachen Mitteln ein schlagkräftiges Team auf die Beine stellen wollen.

Take-aways

  • Für eine er­fol­gre­iche Pro­jek­tar­beit müssen Sie aus Einzelkämpfern ein Team machen.
  • Hüten Sie sich vor „Entschei­dungsautismus“, lassen Sie auch fremde und ungewöhnliche Meinungen zu.
  • Setzen Sie die Themen und geben Sie klare, mo­tivierende Zielvor­gaben.
  • Lassen Sie zu, dass über das Projekt zunächst hitzig diskutiert wird.
  • Verbinden Sie Sachfragen mit den persönlichen Interessen der Beteiligten.
  • Machen Sie im richtigen Moment „den Sack zu“ und leiten Sie von der Diskus­sions- zur Entschei­dungsphase über.
  • Bremsen Sie Dauerredner, entspannen Sie Starrsin­nige und locken Sie die Un­beteiligten aus der Reserve.
  • Gestalten Sie Team­sitzun­gen mithilfe eines rol­lieren­den Protokolls: Erledigtes wird gelöscht, Neues wird hinzugefügt, Unerledigtes bleibt auf der Liste.
  • Zollen Sie Ihren Mi­tar­beit­ern Anerkennung, um sie zu bestätigen und zu motivieren.
  • Lernen Sie aus Ihren Fehlern und analysieren Sie auch gescheit­erte Projekte.
 

Zusammenfassung

Ein Teamleiter in der Zwickmühle

Gottfried Sell­ingstroh startet mit einer Menge Vorschus­s­lor­beeren in seine neue Position als Leiter der Lo­gis­tik­abteilung: Er ist jung, kompetent und vom Vorstand höchstpersönlich protegiert. Doch dann tut sich vor dem Enddreißiger ein Inferno auf: In seiner neuen Abteilung gibt es so viele Machtkämpfe und Feind­seligkeiten, dass es nicht lange dauert, bis er mit Spott und heimlichen Sab­o­tageak­ten zu kämpfen hat. Der vormals so souveräne Er­fol­gs­men­sch hat nun regelmäßig Schweißausbrüche, kann keine Nacht mehr ruhig schlafen und verflucht jeden Tag, den er inmitten dieses Teams verbringen muss. Team? Nein, das ist überhaupt kein Team, sondern ein großer Haufen von Einzelkämpfern mit spitzen Ellenbogen. Dabei braucht er gerade jetzt dringend ein Team, das zusam­me­nar­beitet, wenn er die Probleme der Abteilung lösen will. Wie aber kann man aus Einzelkämpfern ein echtes Team machen?

„Die Teamsitzung ist das zentrale Führungsin­stru­ment der Teamleitung.“

Vielleicht haben Sie sich diese Frage auch schon gestellt und waren in einer ähnlichen Situation. Dann können Ihnen die folgenden neun „Kunststücke“ genauso weit­er­helfen wie dem verzweifel­ten Teamleiter Sell­ingstroh.

Erstes Kunststück: Streiten

Streiten bedeutet in diesem Zusam­men­hang nicht, sich gegenseitig verbal zu zer­fleis­chen. Es geht vielmehr darum, zäh um eine Sache zu ringen. Viele Entschei­dun­gen innerhalb von Teams werden mit Scheuk­lap­pen getroffen. Man blendet alles aus, was einem ungelegen kommt. Dieser „Entschei­dungsautismus“ führt zwangsläufig zu Fehlurteilen. So können Sie ihn vermeiden:

  • Wenn Sie dazu neigen, sich abzuschot­ten, öffnen Sie sich für Meinungen von außen.
  • Kon­tro­ver­sen im Team mag keiner, aber sie sind notwendig, wenn neue Vorschläge geprüft werden sollen. Tipp: Bestimmen Sie einen allgemein anerkannten „Advocatus Diaboli“, der zu jedem Vorschlag einen Gegen­vorschlag un­ter­bre­itet.
  • Wenn Sie allzu autoritär führen, werden Ihnen die wenigsten Team­mit­glieder wider­sprechen. Vereinbaren Sie ein Zeichen, das Ihnen ein Team­mit­glied gibt, wenn Sie übers Ziel hinausschießen.
  • Hüten Sie sich vor Probe­ab­stim­mungen im Team: So etwas zementiert ein erstes Bauchgefühl, das Sie später nicht mehr loswerden.
  • Harmonie im Team kann auch nach hinten losgehen: Dann nämlich, wenn alle ab­we­ichen­den Meinungen zugunsten der Einigkeit torpediert werden. Mögliche Lösungen: Jobrotation und frischer Wind durch neues Personal.

Zweites Kunststück: Aufrütteln

Wenn Sie Ihre Mitarbeiter oder Vorgesetzte für ein Thema gewinnen wollen, müssen Sie sie begeistern. Das gelingt vor allem mit einer gelungenen The­menset­zung. Nur wenn das Team bemerkt, dass es sich um etwas Wichtiges handelt, wird es Aufmerk­samkeit dafür zeigen. Überlegen Sie sich, welche Mitarbeiter Sie unbedingt auf Ihre Seite ziehen müssen und wie lange es dauern wird, um einen Konsens zu erzielen. Beteiligen Sie die Mitarbeiter: Statt ihnen den Um­set­zungs­plan vor die Nase zu setzen, sollten Sie alle daran mitarbeiten lassen. Nur so iden­ti­fizieren sie sich mit der Idee. Legen Sie aber die Rah­menbe­din­gun­gen genau fest, sodass die Entwicklung von Ideen in geordneten Bahnen verläuft. Erläutern Sie Ihren Mi­tar­beit­ern die Zusammenhänge, damit sie begreifen, worum es geht. Ebenfalls wichtig: Formulieren Sie Ar­beit­sauf­gaben nicht problem-, sondern lösung­sori­en­tiert. Statt die Fest­stel­lung „Unsere Rekla­ma­tion­srate ist zu hoch“ in den Raum zu werfen, fragen Sie: „Wie gelingt es uns, die Rekla­ma­tion­srate auf unter 1 % zu drücken?“

Drittes Kunststück: Be­ratschla­gen

Wenn Sie mit Ihrem Team ein Thema erörtern, kann es schon mal drunter und drüber gehen. Meist sagt zwar nach der Präsentation erst einmal niemand etwas. Dann jedoch prasselt ein regel­rechtes Vorschlags­ge­wit­ter auf Sie ein. Sie sollten sich klarmachen, dass solche Diskus­sio­nen immer zwei Phasen durchlaufen: Zunächst wird Material gesammelt, dann erst geht es um die kühle und rationale Ordnung und Prüfung der Ideen. Wenn eine Diskussion kein Ergebnis bringt, ist das immer die Folge falscher Führung. Den mauen Start von Diskus­sio­nen müssen Sie geduldig ertragen. Geben Sie Anregungen und bitten Sie auch mal offensiv einen Mitarbeiter um einen Vorschlag. Wenn einer spricht, werden es die anderen auch bald tun. Als Leiter sollten Sie sich selbst jedoch zurücknehmen. Fungieren Sie eher als stiller Moderator und Impulsgeber. Lassen Sie auch aufgeregte Diskus­sio­nen zu: Damit vermeiden Sie den oben erwähnten Entschei­dungsautismus, und es wird kreativ gestritten.

Viertes Kunststück: Zupacken

Nun stellt sich die Frage, wann der Augenblick kommt, in dem Sie „den Sack zumachen“, um zu einer Entschei­dung zu gelangen. Um diesen Moment zu finden, müssen Sie Fin­ger­spitzengefühl beweisen, denn das Tempo der Diskussion variiert von Situation zu Situation. Faustregel: Je hitziger diskutiert wird, desto eher wird dieser „magische Moment“ erreicht, in dem Sie die Diskus­sion­sphase beenden und die Entschei­dungsphase einläuten können. Das kann z. B. dann der Fall sein, wenn sich die Diskussion im Kreis dreht. Die Luft ist raus, und Sie können abbrechen.

Fünftes Kunststück: Entscheiden

Während Sie sich bei der Diskussion als Moderator noch im Hintergrund gehalten haben, müssen Sie jetzt das Heft in die Hand nehmen. Es gilt, einen Konsens über das weitere Verfahren zu finden. Dabei müssen Sie die Sachfragen und die persönlichen Interessen der Beteiligten unter einen Hut bringen. Der Augenblick, in dem sich alle einig sind, ist außeror­dentlich wichtig für die Teambildung: Es ist der Moment des höchsten Glücks und eines gemeinsamen Stolzes auf die gute Leistung. Ziehen Sie diesen Moment in die Länge, denn er schafft ein Wirgefühl, von dem Sie zukünftig noch profitieren werden. Was aber tun Sie, wenn einige Streithähne in Ihrem Team es partout nicht lassen können, ihren Privatkrieg bei der Lösungs­find­ung auszutragen? Appellieren Sie an den guten Willen jedes Einzelnen, denn nur so kann die Diskussion überhaupt sinnvoll geführt werden. Wenn die Fronten verhärtet sind, brechen Sie ab und entlassen Sie die Teilnehmer. Die Diskussion wird dann am folgenden Tag fortgesetzt. In den aller­meis­ten Fällen werden sich die Kon­tra­hen­ten beruhigen und am nächsten Tag einen anderen Umgang pflegen. Der gute Wille stellt sich eben oft erst über Nacht ein. Wenn die Entschei­dungs­find­ung ein steiniger Weg ist, trösten Sie sich: Je härter man für einen Konsens gekämpft hat, desto wertvoller erscheint er dem Team anschließend.

Sechstes Kunststück: Durchsetzen

Als Teamleiter müssen Sie den Entschei­dung­sprozess dirigieren. Es geht nicht darum, Ihre eigenen Entschei­dun­gen durchzuset­zen, sondern die Team­sitzun­gen in geordneten Bahnen ablaufen zu lassen. Sie werden immer wieder auf Team­mit­glieder treffen, die sich nicht an die Regeln halten wollen oder einen Schubs in die richtige Richtung benötigen. Dann müssen Sie ein­schre­iten, und zwar so:

  • Dauerredner sollten Sie sanft, aber energisch in die Schranken weisen. Dif­feren­zieren Sie aber, ob der Sprecher nicht anders will oder nicht anders kann. Seien Sie konkret, wenn Sie ihn zur Kürze mahnen, z. B. indem sie ihn darauf hinweisen, dass er abschweift, sich in Details verstrickt oder seine Zuhörer nicht einbezieht.
  • Sie müssen die stillen Team­mit­glieder nicht permanent ins Gespräch holen, aber Sie sollten sie doch ab und zu fragen, wie sie die Dinge sehen. Von ihrer beobach­t­en­den Position aus behalten sie meist einen guten Überblick.
  • Unwillige und au­gen­schein­lich lustlose Teilnehmer sollten Sie immer zur Teilnahme aufrufen – sonst haben sie nichts im Team verloren.
  • Lockern Sie die Starrsin­ni­gen auf, die partout nicht von ihrem Standpunkt abweichen wollen. Sie können versuchen, sie zu überzeugen, an sie zu appellieren, sie zu kon­fron­tieren – oder einfach eine Pause bei der Verhandlung zu machen.
  • Kom­pe­ten­zgerangel gibt es immer, es ist geradezu notwendig. Daher sollten Sie bei au­flodern­der Rivalität nicht allzu schnell eingreifen. In Ihrem Team muss sich erst noch eine Hierarchie etablieren.

Siebtes Kunststück: Jonglieren

Viele Führungskräfte betrachten Meetings als nutzlose Zeitfresser. Doch je höher die Position, desto mehr Zeit wird in Sitzungen verbracht. Manche Dinge lassen sich tatsächlich nur im Team klären. Jammern hilft also nichts, aber Meetings müssen so gestaltet werden, dass sie die Arbeit vorwärtsbringen und nicht behindern. Wichtig: Gehen Sie nie un­vor­bere­itet in eine Sitzung. Es bringt Ihnen und Ihren Mi­tar­beit­ern nichts, wenn Sie die Themen des Meetings ad hoc festlegen. Statt eine Agenda aufzustellen und ein Sitzung­spro­tokoll zu führen, hat sich in der Praxis ein rol­lieren­des Protokoll bewährt. Dabei handelt es sich um eine Tabelle, in der alle Projekte sämtlicher Team­mit­glieder aufgelistet werden, inklusive Aktionen, Ve­r­ant­wortlichkeiten und Terminen. Wenn eine Frist nicht eingehalten wurde, wird der Er­satzter­min nicht einfach an deren Stelle gesetzt, sondern in einer weiteren Spalte angefügt: Deadlines, die immer wieder verschoben werden, springen auf diese Weise schnell ins Auge. Das hat auch eine erzieherische Funktion für den jeweiligen Ve­r­ant­wortlichen. Mithilfe des rol­lieren­den Protokolls lässt sich in der Sitzung schnell und effizient der Status quo des Teams ermitteln. Erledigte Aufgaben werden gelöscht, neue Aufgaben hinzugefügt. Dem Abarbeiten des Protokolls schließt sich der zweite Sitzung­steil an, in dem Neuigkeiten und Probleme besprochen werden. Noch ein paar Tipps: Treffen Sie sich regelmäßig im Rahmen eines „Jour fixe“. Lassen Sie das Meeting nach spätestens 90 Minuten ausklingen. Achten Sie auf Pünktlichkeit, Anwesenheit und Disziplin. Besprechen Sie im Meeting nur Themen, die alle Beteiligten etwas angehen.

Achtes Kunststück: Wertschätzen

90 % aller Ar­beit­nehmer in Deutschland haben gar keine oder nur eine geringe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber. Dieses Ergebnis einer Gallup-Um­frage von 2008 spricht Bände. Die Ursache: Die meisten Ar­beit­nehmer bekommen von ihren Vorge­set­zten zu wenig Anerkennung. Selbst kon­struk­tive Kritik ist eher selten. Anerkennung aber ist das Schmier­mit­tel für be­triebliche Höchstleis­tun­gen. Sie ist allerdings nicht mit Lob zu verwechseln. Gelobt wird von oben herab – so wie Erwachsene mit Kindern verfahren. Anerkennung hingegen zollen Sie auf Augenhöhe und sprechen damit Ihren ehrlichen Respekt für die Leistung eines Team­mit­glieds aus. Machen Sie davon Gebrauch, es lohnt sich.

Neuntes Kunststück: Scheitern

Wie bitte? Scheitern soll ein Kunststück sein? Ja, natürlich, denn jeder Fortschritt wird mit Fehlern erkauft. Auch Sie und Ihr Team machen Fehler, darum sollten Sie nach Pro­jek­tab­schluss Ihre Fehler oder Ihr Scheitern genau analysieren und daraus entsprechende Lehren ziehen. Schachspieler nennen die Analyse ihrer Partie nach dem Ende „Post-Mortem-Analyse“, und diese gilt als wirkungsvoll­ste Methode, das eigene Spiel zu verbessern. Auch Sie können nach Pro­jek­tab­schluss im Rahmen eines Post-Mortem-Work­shops Ihr Projekt noch einmal kritisch unter die Lupe nehmen. Iden­ti­fizieren Sie die Highlights und Tiefpunkte, lernen Sie aus den Fehlern und festigen Sie Ihre Stärken. Nutzen Sie die Erken­nt­nisse, um die Team­prozesse für die Zukunft weit­erzuen­twick­eln.

Über den Autor

Heinz Becker ist Ingenieur und Psychologe. Er ist Vor­standsmit­glied der Gesellschaft für Neue Phänomenologie und seit 25 Jahren Man­age­ment­ber­ater und Coach für alle Fragen der Zusam­me­nar­beit in Or­gan­i­sa­tio­nen.