Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten
Bis vor gar nicht allzu langer Zeit war es im deutschsprachigen Raum üblich, überschüssige Geldmengen auf das Sparbuch einzuzahlen. Bankkunden konnten so etwa vier Prozent Zinsen erzielen. Umso spektakulärer sind die Gewinnmargen auf dem globalen Kapitalmarkt. Kein Wunder also, dass mittlerweile breite Bevölkerungsschichten in Fonds, Immobilien, Diamanthandel oder direkte Börsengeschäfte investieren. Für den Vertrieb von Kapitalanlagen sorgen beauftragte Vermittler. Doch deren Praktiken sind nicht selten kriminell.
Schneeballsysteme und Täuschungsmanöver
Schneeballsysteme gehören zu den Klassikern der schwindelhaften Kapitalanlagen. In Deutschland wurde diese Betrugsform erstmals im 19. Jahrhundert aktenkundig. Damals gründete die verhinderte Schauspielerin Adele Spitzeder im Hinterzimmer eines Münchener Hotels die so genannte "Neue Dachauer Bank". Mit dem Versprechen, ungewöhnlich hohe Zinsen auf Geldanleihen zu gewähren, lockte sie Tausende von interessierten Menschen an. Mit dem scheinbar unerschöpflich nachströmenden Geld zahlte sie die Anlagerenditen früherer Kunden aus. Bis sich die angewachsenen Verbindlichkeiten auf diese Weise nicht mehr begleichen liessen. Frau Spitzeder musste sich vor Gericht verantworten. Interessant auch die mysteriösen Geschäfte der Göttinger Gruppe - eines milliardenschweren Finanzkonzerns, dessen finanzielle Transaktionen bis heute nicht nachvollziehbar sind und der sich bislang einer Schonung durch die Strafjustiz erfreut. Dabei geriet die Göttinger Gruppe bei der Aufforderung, Bilanzen zu präsentieren, massiv ins Schlingern. Schon der Prospekt lässt bei genauerer Interpretation Rückschlüsse auf betrügerische Täuschung der Anleger zu.
Der Fall EM.TV
Am Beispiel der Münchener TV-Rechtehandelsgesellschaft der Gebrüder Thomas und Florian Haffa wird deutlich, welche Spekulationsblüten Kursphantasien treiben können und wie Börsennachrichten manipuliert werden. Dank vordergründig erfolgreicher Geschäfte mit dem Medienunternehmer Leo Kirch sowie einer offensiv betriebenen Kurspflege galten Aktien von EM.TV als sicherer Anlagetipp. Nachdem die Massen an die Börse geströmt waren, um Geld in EM.TV zu investieren, stellte sich rasch heraus, dass die angebliche Substanz des Unternehmens gezielt herbeigeredet worden war. Merke: Scheinbar solide Auftritte seriöser Firmen sind noch lange keine Garantie für deren Aufrichtigkeit. Auf der Strecke bleiben Kleinanleger, die das Spiel der Giganten als Letzte durchschauen. Nicht etwa, weil Privatleute dümmer wären als Profis. Nein, sie sind nur wesentlich schlechter informiert. Gezielt eingesetzte Fehlinformationen werden in den USA übrigens ausdrücklich unter Strafe gestellt. Betrachtet man die Entwicklung auf dem Neuen Markt in Europa, dürfte bald auch hier der Ruf nach schärferen Gesetzen lauter werden.
Exotische Anlagevarianten
Kriminelle Handelspraktiken finden sich v. a. im Bereich exotischer Geldanlagen. Besonders sollte hier vor Penny-Stocks gewarnt werden. Dabei handelt es sich um geringwertige Papiere, die an einigen auswärtigen Börsen gehandelt werden. Diese werden von spezialisierten Brokern manipuliert. Dazu wird die Aktie in einen attraktiv wirkenden Firmenmantel mit Sitz im möglichst weit entfernten Ausland eingebettet. Die scheinbaren Wachstumsaktien werden jedoch gleich wieder fallen gelassen, nachdem genügend Anleger die hoffnungsvollen Spekulationsobjekte gekauft haben. Gewinne werden während der kurzen Wertexplosion in Form von exorbitanten Provisionen oder drastisch übersteigerten Gehältern einbehalten. Gemäss Einschätzung US-amerikanischer Behörden entsteht durch diese Variante des Anlagebetrugs ein Schaden von mehreren Milliarden Dollar.
Die Geschichte vom Stelzer-Motor
Am Beispiel des sagenhaften Stelzer-Motors lässt sich eine weitere Version des Betrugs veranschaulichen. Ein Schweizer Erfinder ersann vor Jahren einen robusten Verbrennungsmotor, dessen einzigartige Funktionsweise einen ebenso kostengünstigen wie universellen Einsatz versprach. Ein Prototyp wurde tatsächlich gebaut, das Stück war den Autoren der Brockhaus-Enzyklopädie sogar einen Eintrag wert. Bis zum heutigen Tag gibt es allerdings keine Anwendung der Wundermaschine. Dennoch war sie Mittelpunkt einer gross angelegten Marketingstrategie, an deren Ende die Gründung einer Aktiengesellschaft stand. Investoren fanden sich reichlich. Der Einsatz des Stelzer-Motors bleibt hingegen aus, von ergebnisorientierter Weiterentwicklung des Aggregats keine Spur.
Anfällige Werte
Eine geringe Anzahl frei umlaufender Aktien kann bereits zu Manipulationen verführen. Zum Beispiel wenn grosse Posten neu zu emittierender Wertpapiere von spezialisierten Fonds aufgekauft werden. Eine selbstgerechte Bewertung durch die Fondsgewaltigen droht dann über die Geschicke der betroffenen Unternehmen zu bestimmen, da der freie Markt nicht regulativ auf den wahren Wert der Papiere einwirken kann. Dem Privatanleger sei deshalb an dieser Stelle von Aktien mit geringem "Free Float" abgeraten.
Risikoanlagen im Telefonverkauf
Vorsicht auch beim Telefonverkauf! Gerade risikoreiche Anlagen wie beispielsweise Warentermingeschäfte sollten ohne genauere Prüfung keinem Telefonverkäufer anvertraut werden. Denn die Taktiken des Telefonverkaufes sind unberechenbar. Nicht zuletzt, weil der Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung nicht mit allen Sinnen geprüft werden kann. Zudem wird es eher anonymen Telefonverkäufern leicht gemacht, weil sie ihrem Opfer nicht in die Augen schauen müssen.
Bankgarantien
Nur wo "Bank" draufsteht, ist auch Bank drin - sollte man zumindest meinen. Doch der Begriff "Bank" ist in vielen Ländern der Erde nicht geschützt. So kann in der Karibik oder in den USA jeder seine persönliche Bank betreiben und pseudoseriöse Briefköpfe entwerfen, um sie hierzulande im Sinne einträglicher Schwindelgeschäfte zu nutzen. Einige Kapitalhändler gehen sogar so weit, mit dreist betitelten Partnerinstituten wie der "Scandinavia Sparkasse AG, USA" zu werben. Bankgarantien sollten also in jedem Fall hinterfragt und sorgsam überprüft werden!
Tückisch: Der Immobilienmarkt
Luftgeschäfte mit überbewerteten Immobilien gehören zur skrupellosesten Variante des unseriösen Kapitalanlagevertriebs, der übrigens nicht ohne die Mitwirkung der Finanzierungsbanken abläuft, oder genauer: nicht ablaufen kann. Verantwortlichen wie Banken ist klar, dass derartige Angebote am Markt nur verkauft werden können, wenn zugleich eine Finanzierung gewährleistet werden kann. In der Vergangenheit hat sich eine Reihe von Kreditinstituten von unseriösen Strukturvertrieben korrumpieren lassen. Wenig bekannt: Die beteiligten Kreditgeber wurden von der Rechtsprechung bis zum heutigen Tage in teilweise nur schwer nachvollziehbarer Weise geschont. Die Funktionsweise der Immobilien-Luftgeschäfte beruht auf dem scheinbar grenzenlosen Vertrauen der Anleger. Denn Häusern und Grundstücken eilt der Ruf voraus, nie an Wert zu verlieren. Im Grunde erwartet jeder, dass sich Immobilien zu jeder Zeit mit Gewinn abstossen lassen. Wertverschiebungen und Finanzierungsmodelle sind für Privatanleger in diesem Zusammenhang jedoch oft undurchsichtig und letztlich schwer einzuschätzen.
Immobilienfonds
Wer nicht an Wohneigentum interessiert ist, darüber hinaus jedoch eine Leidenschaft für steuerliche Abschreibung entwickeln konnte, dürfte sich von Immobilienfonds angesprochen fühlen. Viele grossartige Bauten hätten ohne die anteilige Geldeinlage verschiedener Investoren nie finanziert werden können. So ist auch der Wiederaufbau der Dresdner Tabakmoschee Yenizde nur aufgrund der Beteiligung einer Fondsgesellschaft verwirklicht worden. Diese Gesellschaft litt indes unter enormen Liquiditätsproblemen. Die Fondszeichner dürfen sich nun zwar rühmen, ein historisches Baudenkmal erschaffen zu haben, ansonsten schauen sie jedoch in die Röhre. Denn alles investierte Geld ist von den Verantwortlichen des Fonds für die Begleichung offener Rechnungen ausgegeben worden. Bei der Begutachtung einer Fonds-Offerte sollten sich Anleger also immer fragen, ob der resultierende Kostenblock realistisch erscheint und das Projekt in absehbarer Zeit wirklich Gewinn abwerfen wird.
Scheingeschäfte
Bei einem seriösen Geschäft lässt sich mühelos erkennen, was die andere Seite davon hat. Nicht so bei Scheingeschäften. Beispielsweise dem Anzahlungsbetrug. Meist wird einer grösseren Gruppe von Einzelinvestoren vorgegaukelt, private Darlehen als Gemeinschaft zu besonders preiswerten Konditionen zu erhalten. Meist sind diese Angebote an eine handfeste Anzahlung sowie an überzogene Bearbeitungsgebühren gebunden. Die Bereitstellung der Kredite bleibt selbstverständlich aus. Vorkasse-Schwindel der übelsten Sorte geht augenblicklich von der afrikanischen Westküste aus. Straff organisierte Betrügerbanden bieten Europäern Insiderwissen an. Der Handel mit frisierten Informationen aus unübersichtlichen Wirtschaftsräumen wird sogar durch eine Einladung ins Land untermauert. Vor Ort dürfen sich die potenziellen Investoren ein Bild vom luxuriösen Lebensstil einheimischer Geschäftsleute machen. Allerdings ist die Beteiligung an schmackhaften Transaktionen auch hier an Vorauszahlungen geknüpft. Einmal geschädigt, ist es nahezu unmöglich, veruntreutes Geld von Europa aus zurückzufordern.
Tipps für geschädigte Kapitalanleger
Innerhalb der EU haben unrechtmässig übervorteilte Anleger selbstverständlich Möglichkeiten, gegen Betrüger vorzugehen. Allerdings sollten sie sich rechtlichen Beistand suchen. Spezialisierte Anwälte und geeignete Interessenverbände findet man heutzutage sogar im Internet. Rechtsvertretungen können jedoch nur dann wirkungsvoll vorgehen, wenn sie ausreichend über den Fall informiert worden sind. Klartext: Auch vermeintlich peinliche Fakten sollten offen besprochen werden. Unachtsamkeit und Gutgläubigkeit sind ja Gott sei Dank nicht strafbar. Wer viel Geld verloren hat, sollte auch mutig genug sein, um einen ebenfalls grossen Betrag für die Verfolgung der Betrüger einzusetzen. Diese Massnahme steigert die Erfolgsaussicht, zumindest einen Teil des Schadens zu kompensieren.
Haftung
Die Durchsetzung von Anlegerinteressen ist eigentlich Sache der eingeschalteten Anwälte. Dennoch. Es gibt einige grundsätzliche Tatsachen, die Betrogenen Mut machen sollen. Beispielsweise handelt es sich beim Betrieb von Schneeballsystemen oder der Manipulation bei Risikoanlagen um betrügerische Handlungen, die zivilrechtlich verfolgt werden müssen. Schadenersatzansprüche können - zumindest theoretisch - erfolgreich geltend gemacht werden. Anlagevermittler, die Kunden vorsätzlich schädigen, sind ebenfalls zu 100 % für ihr Tun verantwortlich. Der Beweis des Vorsatzes liegt allerdings auf Seiten der Gläubiger. Bleibt zu erwähnen, dass schon geringfügige Fehlinformationen und das Verschweigen nachteiliger Aktiennachrichten für die Schuld des Anlagevermittlers sprechen, bereits missverständlich gestaltete Prospekte werden von der Justiz geahndet. In Einzelfällen können sogar beteiligte Kreditinstitute haftbar gemacht werden, wenn diese hätten erkennen müssen, dass ein Kunde, der ansonsten nur über Sparbucherfahrungen verfügt, plötzlich hochspekulative Transaktionen über eines der auf der Bank geführten Konten abwickelt.