Enterprise 2.0

Buch Enterprise 2.0

Planung, Einführung und erfolgreicher Einsatz von Social Software in Unternehmen

Oldenbourg,
Erstausgabe:2007


Rezension

Enterprise 2.0 ist ein Gemein­schaftswerk – genauso das gle­ich­namige Buch. Darin zeigt sich wohltuend, dass angewandte Forschung den Bogen zwischen Wis­senschaft und Praxis her­vor­ra­gend spannen kann. Hier verderben viele Köche den Brei nicht, sondern die zwei Haupt- und zahlreichen Mitautoren beleuchten das vielschichtige Thema anhand gelungener Fallstudien aus der Praxis in­ter­na­tionaler Unternehmen und Ein­rich­tun­gen. Weil die Haup­tau­toren Koch und Richter an einer Universität forschen, kommt der the­o­retis­che Aspekt nicht zu kurz. Der struk­turi­erte Aufbau des Fachbuchs, das umfassende Glossar und die größtenteils verständliche Schreib­weise machen technische Inhalte auch für den in­ter­essierten Laien leicht verdaulich. Ein Ausblick auf Social Commerce, das bereits am Horizont er­scheinende Web 3.0 und auf virtuelle Welten runden das Werk ab. BooksInShort empfiehlt das Buch allen, die ihr Unternehmen ins Web-2.0-Zeitalter kat­a­pul­tieren möchten: engagierten Mi­tar­beit­ern genauso wie strategisch denkenden Managern und Pro­jek­tleit­ern.

Take-aways

  • Techniken und Werkzeuge aus dem Web 2.0 verbessern die interne Kom­mu­nika­tion im Unternehmen und die Zusam­me­nar­beit.
  • Im Internet löst die aktive Beteiligung den passiven Konsum immer weiter ab.
  • Im Web 2.0 stehen Anwendungen zur Verfügung, die von den Nutzern selbst entwickelt und veröffentlicht wurden.
  • Social Software bezeichnet Anwendungen, die Menschen in einem Netzwerk miteinander verbinden.
  • Der Begriff „Enterprise 2.0“ charak­ter­isiert Unternehmen, die Social Software einsetzen.
  • Sie können solche Werkzeuge in ver­schiede­nen Szenarien einsetzen; ein Wiki kann z. B. zur Wis­sensverteilung oder zur Doku­menter­stel­lung dienen.
  • Entschei­dend für den Praxis­er­folg sind Kultur und Prozesse des Un­ternehmens sowie die An­forderun­gen und Erfahrungen der Anwender.
  • Eine offene Un­ternehmen­skul­tur ist Vo­raus­set­zung, damit Mitarbeiter Social Software zum Wohle aller verwenden.
  • Telefon und E-Mail stehen in Konkurrenz zu neuen Medien wie Blog, Wiki und Instant Messaging.
  • Die Einführung von Social Software verlangt nach be­glei­t­en­den Maßnahmen wie Werbung und Bekanntgabe klarer Regeln.
 

Zusammenfassung

Web 2.0: Aktive Beteiligung statt passiver Konsum

Dank steigender Bandbreiten verwenden bereits 20 % der In­ter­net­nutzer Web-2.0-An­wen­dun­gen. Anstatt nur einseitig zu konsumieren, sind sie bereit, selbst Inhalte zu schaffen und ihre Person mehr oder weniger öffentlich kenntlich zu machen. Die klassischen Grenzen zwischen Urhebern und Nutzern ver­schwim­men.

„Neu am Web 2.0 ist vor allem, dass es einer großen Anzahl von Benutzern leicht möglich ist, im Internet nicht mehr nur zu konsumieren, sondern auch mitzugestal­ten.“

Web-2.0-An­wen­dun­gen haben folgende Eigen­schaften:

  • Dienste werden über Schnittstellen bere­it­gestellt, statt abgekapselte Softwarelösungen zu wählen.
  • Die Daten und damit die Inhalte sind wichtiger als die Pro­gram­mierung selbst.
  • Die Nutzer beteiligen sich an den in­ter­ak­tiven Anwendungen, entwickeln und veröffentlichen sie selbst.

Blog, Wiki & Co

„Social Software“ lautet der Überbegriff für Anwendungen, die Menschen in einem Netzwerk miteinander verbinden. Ziele dieser Vernetzung sind, dass die Nutzer miteinander kom­mu­nizieren, sich gegenseitig informieren und Wissen un­tere­inan­der austauschen. Einige Unternehmen haben Social Software bereits für sich entdeckt – deshalb wurde 2006 der Begriff „Enterprise 2.0“ geprägt.

„Eine große Hürde zur Etablierung der Nutzung von Social Software ist die Dominanz des Einsatzes von E-Mails.“

Folgende Werkzeuge des Web 2.0 eignen sich zum Einsatz in Wirtschaft und Forschung:

  • Ein Weblog oder Blog wird von einer Person ins Leben gerufen, die anderen etwas zu sagen hat. Es ist eine Art Tagebuch, nur ist der Aufbau umgekehrt chro­nol­o­gisch, das Neueste kommt also zuerst. Andere Nutzer können laufend neue Inhalte lesen und sie online kom­men­tieren. Wird ein Blog mit anderen Blogs verlinkt, entsteht eine Blogosphäre. Such­maschi­nen wie Technorati sind auf Blogs spezial­isiert. Nutzer können neue Blog-Einträge über RSS-Feeds abonnieren. Anders als bei E-Mails wird die Information nicht über ein Push-System (Empfangen), sondern per Pull (Einholen) übermittelt. Im Un­ternehmen­skon­text können Blogs z. B. zur Ideen­find­ung oder zur Erkundung der Stim­mungslage eingesetzt werden. Die weltweit am meisten eingesetzte, kostenlose Blog-Soft­ware ist WordPress. Daneben gibt es viele kom­merzielle Lösungen.
  • Ein Wiki verfolgt den Zweck, Wissen gemeinsam festzuhal­ten. Mehrere Autoren arbeiten zusammen und erstellen Inhalte, die für alle nützlich sind. So kann eine mehrere Hundert In­ter­net­seiten umfassende In­for­ma­tion­ssamm­lung entstehen. Bekan­ntestes Beispiel ist die On­line-En­zyk­lopädie Wikipedia. Wiki-Ed­i­toren-Pro­gramme wie das frei verfügbare MediaWiki oder das kom­merzielle Con­flu­enceWiki stellen einfache Lay­out-Funk­tio­nen bereit, um HTML-Text zu formatieren. Es ist möglich, Dokumente zu überarbeiten, deren Historie zu verfolgen und bei Bedarf eine ältere Version wieder­herzustellen. Ein Wiki bietet sich an, um wertvolles Know-how zu doku­men­tieren. Hilfreich sind eine vorgegebene Struktur und abgestimmte Qualitätskriterien. Eine Beson­der­heit stellen Grup­pened­i­toren wie ThinkFree Online dar, mit denen mehrere Anwender gle­ichzeitig an einem Dokument arbeiten können.
  • Beim Social Tagging ordnen Anwender eigene Schlagwörter (Tags) bestimmten Inhalten (z. B. Fotos) zu. Solche Metadaten vere­in­fachen dem Benutzer die Suche nach In­for­ma­tio­nen. Eine Tag-Cloud stellt die Tags aller Anwender visuell dar: Je öfter ein Tag verwendet wurde, desto größer ist seine Schrift. Social Bookmarks bezeichnen kom­men­tierte Lesezeichen, die ein Anwender öffentlich bere­it­stellen kann, um andere Nutzer auf in­ter­es­sante Seiten zu einem Thema hinzuweisen. Beide Methoden sind ortsunabhängig und einfach anzuwenden, zudem profitieren andere rasch. Nachteilig beim Tagging sind Mehrdeutigkeit und synonym verwendete Begriffe. Für jedermann zugängliche Anbieter sind z. B. del.​icio.​us und Mr. Wong.
  • Social Networking Services dienen der Beziehungspflege in und zwischen sozialen Gruppen. Private oder berufliche Bekan­ntschaften können gepflegt und neue gewonnen werden. Schließlich kennt jeder jeden über sechs Ecken, so die Theorie. Social Networking Services bieten folgende Funktionen: Darstellung des eigenen Profils, Suche nach Experten, Vi­su­al­isierung von Verbindun­gen, Sta­tus­meldun­gen, Kon­tak­t­man­age­ment und kom­mu­nika­tiver Austausch. Beliebte Net­zw­erk­di­en­ste sind Xing und LinkedIn. Unternehmen profitieren von diesem Service durch schnellen Wis­senszu­gang und Ver­trauen­sauf­bau.
  • Instant Com­mu­ni­ca­tion ist schnell und einfach anstatt umständlich eine E-Mail zu formulieren, tippen Nutzer beim Instant Messaging einen kurzen Text und kom­mu­nizieren in Echtzeit mit dem Empfänger. Dank Sta­tus­meldun­gen wissen sie, ob der Empfänger gerade am Computer arbeitet, und können mit einer schnellen Antwort rechnen. In­stant-Mes­sag­ing-Di­en­ste senken die Hürden bei der Kon­tak­tauf­nahme und vermindern am Ar­beit­splatz Störpotenzial durch Tele­fon­klin­geln oder überlaufende Postfächer.

Social Software im Unternehmen

Für einen er­fol­gre­ichen Einsatz von Social Software im Unternehmen sind dessen Kultur und Prozesse sowie die An­forderun­gen und Erfahrungen der Anwender elementar. Nicht jedes Werkzeug ist für jedes Ein­satzszenario geeignet – allerdings müssen sich ursprünglicher Zweck und tatsächliche Anwendung nicht immer genau entsprechen. Social Software im Unternehmen eignet sich bestens, um Wissen zu erhalten, Projekte zu ko­or­dinieren und In­for­ma­tio­nen transparent zu machen. Darüber hinaus kann sie die Mitarbeiter bei folgenden Aufgaben unterstützen:

  • Dokumente gemeinsam erstellen: Dokumente oder Produkte wie Software in einem Team zu entwickeln, erfordert die Ko­or­di­na­tion der Mitarbeiter, geeignete Kom­mu­nika­tion, Me­di­en­in­te­gra­tion und das Management zeit­gle­icher Ar­beitspakete. Eine gute Abstimmung ist das wichtigste Erfordernis. Geeignete Hilfsmittel sind Änderungsmit­teilun­gen durch RSS und Präsenzmel­dun­gen über IM-Clients. Um die eigentlichen Inhalte parallel zu erstellen, eignen sich Wikis, die eine Tex­this­to­rie unterstützen, oder Grup­pened­i­toren, die mehr For­matierung­sop­tio­nen bieten. Werden Dokumente zeitlich nacheinan­der bearbeitet, können sie einfach per E-Mail aus­ge­tauscht werden. Der in­ter­na­tionale Konzern ABB unterhält Kom­mu­nika­tion­s­abteilun­gen in ver­schiede­nen europäischen Ländern. Deren Mitarbeiter können in einem Wiki ihr Fachwissen und neueste Trends an andere Kollegen weitergeben, z. B. Best Practices oder In­for­ma­tio­nen über externe Partner. ABB gelang es so, die Kom­mu­nika­tion zu beschle­u­ni­gen, Mitarbeiter zu entlasten und die Kreativität zu steigern. Schulungen und ein Newsletter begleiteten die Einführung des Wikis. Die Erfahrung hat gezeigt, dass auf Nutzer­grup­pen beschränkte In­for­ma­tions­bere­iche besser angenommen wurden als solche, die für alle offen sind.
  • Kontakte verwalten und Spezial­is­ten suchen: In großen und in­ter­na­tionalen Unternehmen verliert man leicht den Überblick, wer für eine Aufgabe zuständig ist oder sich auf ein Thema spezial­isiert hat. Abhilfe bieten Social Networking Services, in denen jeder Mitarbeiter seine eigenen Daten wie berufliche Schw­er­punkte und private Interessen selbst eingibt und ak­tu­al­isiert. Im Be­ratung­sun­ternehmen Accenture arbeiten über 180 000 Mitarbeiter in in­ter­na­tionalen Projekten. Um Zugriff auf das Know-how der Kollegen zu gewährleisten, hat der Konzern intern einen Social Networking Service eingeführt, die so genannten People Pages. Ziel dieses Dienstes war, eine stärkere Verbindung zwischen den Mi­tar­beit­ern zu schaffen, In­ter­es­sen­grup­pen zu bilden und Experten schneller zu finden. Auf den People Pages kann sich jeder Mitarbeiter vorstellen, sich mit anderen vernetzen und mit anderen Dokumente austauschen. Wichtig für die Akzeptanz dieses Instruments waren die Integration vorhandener Dienste und begleitende Werbemaßnahmen. Als hinderlich stellte sich die mangelnde Unterstützung durch das Management heraus.
  • Wissen verteilen: Um ihre Aufgaben zu erfüllen, sind Mitarbeiter darauf angewiesen, das eigene Wissen laufend zu erweitern und es an andere weit­erzugeben. Unternehmen und Bildungsträger können zur Wis­sensver­bre­itung Plattformen wie Wikis oder Blogs bere­it­stellen. An der Universität Regensburg stellt der Fachbereich Mul­ti­me­di­ales Lernen und Lehren die Wis­sensplat­tform Tagblog bereit, die Studenten über Präsen­zver­anstal­tun­gen hinaus begleitet und ihnen erlaubt, sich kritisch mit den Lehrin­hal­ten au­seinan­derzuset­zen und sie zu ver­schlag­worten. Durch das Schreiben von Blogbeiträgen wird eigenes Wissen ex­ter­nal­isiert, aufgear­beitet und vertieft. Kommentare, Bewertungen und Feedbacks machen es möglich, Beiträge zu überprüfen und zu hin­ter­fra­gen. So entsteht ein Gemein­schafts­gefühl.

Alles beta, aber keiner online?

Damit Mitarbeiter Social Software im Unternehmen nicht ignorieren, sondern aktiv nutzen, müssen Sie folgende Faktoren berücksichtigen:

  • Motivation: Nur eine hohe Beteiligung macht eine Social Software erfolgreich. Anstatt auf monetäre Anreize zu setzen, unterstützen Sie am besten in­trin­sis­che Motive wie Geltungsbedürfnis. Machen Sie z. B. die Anzahl der von einer Person veröffentlichten Beiträge sichtbar und lassen Sie Freiräume bei der Nutzung. Achten Sie auf hohe Be­nutzer­fre­undlichkeit – keep it simple!
  • Konkurrenz durch andere Medien: E-Mail-Pro­gramme sind ein großes Hindernis bei der Einführung neuer Medien. Blogs oder Wikis werden im Gegensatz zu E-Mails als zusätzlicher Aufwand wahrgenom­men. Um dem ent­ge­gen­zuwirken, können Sie die Regelung einführen, dass E-Mails nur noch zu privaten Zwecken verschickt werden dürfen. Alle in­for­ma­tiven Inhalte sind in einem anderen Medium besser aufgehoben.
  • Change-Man­age­ment: Studien haben gezeigt, dass die nützlichsten Anwendungen von den Nutzern selbst stammen. Um diesen Bot­tom-up-Prozess zu fördern, müssen Sie die teil­nehmende Gestaltung der Mitarbeiter in der Un­ternehmen­skul­tur verankern. Fördern Sie die Par­tizipa­tion, indem Sie geeignete Tech­nolo­gien bere­it­stellen und gemeinsame Regeln und Ziele erarbeiten.
  • Sicherheit der Daten: Wenn Sie per­so­n­en­be­zo­gene Daten erfassen, benötigen Sie die Zustimmung der Betroffenen. Um Missbrauch zu vermeiden, müssen Sie im Enterprise 2.0 eine klare Grenzen zwischen innen (Intranet) und außen (Internet) ziehen.
  • Produktivität und Return on Investment: Durch die Verbreitung von Wissen kann ein Unternehmen als Ganzes profitieren. Es kann aber sein, dass einzelne Mitarbeiter weniger Zeit für operative Aufgaben haben. Mit Kennzahlen wie Anzahl der E-Mails, Menge der gesammelten In­for­ma­tio­nen und Grad der Beteiligung können Sie den Erfolg einer Social Software messen.
  • Mehrsprachigkeit: In­ter­na­tionale Unternehmen nutzen meist Englisch als Fir­men­sprache. Dadurch können Schreibhürden entstehen und weniger Sprach­sichere können aus­geschlossen werden. Zudem ist lokales Wissen nicht für alle nützlich. Um die Sprach­bar­riere zu senken, können Sie Ausnahmen erlauben oder ein Wiki je Sprache ermöglichen.

Über die Autoren

Prof. Dr. Michael Koch ist pro­movierter In­for­matiker und leitet die Forschungs­gruppe Ko­op­er­a­tionssys­teme an der Universität der Bundeswehr in München. Alexander Richter ist Dipl.-Kaufmann, wis­senschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungs­gruppe Ko­op­er­a­tionssys­teme und an mehreren Projekten im Un­ternehmen­skon­text beteiligt.