Einkaufsagenda 2020

Buch Einkaufsagenda 2020

Beschaffung in der Zukunft - Wettbewerbsvorteile durch einen visionären Einkauf sichern und ausbauen

Wiley-VCH,


Rezension

Gerd Kerkhoff und seine Co-Autoren wissen, wovon sie schreiben. Nicht nur haben sie sich als „Hidden Champion 2009“ im Bereich Einkauf und Beschaffung gegen die großen Be­ratungs­di­en­stleis­ter durchge­setzt. Auch stellen sie in diesem Buch ihre Fachken­nt­nis unter Beweis. Obwohl man sich auf das dünne Eis der Prognosen begibt, ist das Vermittelte handfest, sorgfältig zusam­menge­tra­gen und außerdem ansprechend und lese­fre­undlich präsentiert. Zugegeben, die von Kerkhoff und Co. analysierten Megatrends sind nicht revolutionär neu. Neu ist allerdings der Blick durch die Brille des Einkäufers, der sich angesichts zukünftiger En­twick­lun­gen vielfältigen neuen Aufgaben gegenübersieht. Ob er deshalb eine andere Stellung einnehmen und den Vertrieb in seiner Position als Dreh- und Angelpunkt vieler Unternehmen beerben wird, sei dahingestellt. Die Zukunft ist nun mal ... – unsicher. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Einkäufern, die schon heute wissen wollen, was sie im Jahr 2020 erwartet.

Take-aways

  • Unternehmen benötigen ein Frühwarnsystem, um Trends im Einkauf rechtzeitig zu erkennen.
  • Megatrends wie etwa die Glob­al­isierung beschreiben langfristige Veränderungen, für die Sie gewappnet sein sollten.
  • Die de­mografis­che Entwicklung führt dazu, dass die Nachfrage nach se­nioren­fre­undlichen Produkten und Materialien steigen wird.
  • Die In­di­vid­u­al­isierung führt langfristig zu kleineren Packungsgrößen und einer größeren Vari­anten­vielfalt.
  • Ökologischen Produkten gehört die Zukunft: Bereits heute sollte der Einkauf nach entsprechen­den Lieferanten suchen.
  • Pro­tek­tion­is­mus führt dazu, dass ehemals verlässliche Bezugsquellen jederzeit wegbrechen können.
  • Die globale Beschaffung wird immer komplexer, auch weil viele Transak­tio­nen zukünftig mithilfe elek­tro­n­is­cher Netzwerke abgewickelt werden.
  • Massen­pro­duk­tion ist passé, die Zukunft gehört der Mod­u­lar­isierung und der Kleinserie.
  • Der Kampf um knappe Rohstoffe wird sich verschärfen und besondere Her­aus­forderun­gen für die Beschaffung mit sich bringen.
  • Wer für die neuen Her­aus­forderun­gen im Einkauf gerüstet sein will, sollte bereits heute qual­i­fizierte Mitarbeiter suchen, weit­er­bilden und an sich binden.
 

Zusammenfassung

Der Einkauf in der Krise

Auch wenn in wirtschaftlichen Krisen­zeiten niemand so recht über die Zukunft der Beschaffung und des Einkaufs nachdenken mag, ist gerade dann vo­rauss­chauen­des Handeln immens wichtig. Alle Krisen der vergangenen Jahrzehnte hielten Lektionen für das Beschaf­fungs­man­age­ment parat. Die Ölkrise von 1973 beispiel­sweise führte den Ve­r­ant­wortlichen in Wirtschaft und Politik deutlich vor Augen, wie gefährlich es ist, sich von einem Rohstoff und von wenigen Lieferanten abhängig zu machen. Die Reaktion: Man suchte und fand Al­ter­na­tiven und verschärfte das eigene Risiko­man­age­ment. In den vergangenen zehn Jahren gab es so viele Veränderungen in der Weltwirtschaft, dass es nur innovativen und flexiblen Unternehmen gelang, sich anzupassen. Wechselnde Handelsbündnisse, die Vernetzung der Welt, Beschaffung über das Internet, verändertes Ver­braucherver­hal­ten, de­mografis­cher Wandel und frag­men­tierte Märkte bee­in­flussen die Wirtschaft. Der Einkauf muss schnell reagieren, sonst hat das Unternehmen das Nachsehen. Unternehmen brauchen Frühwarn­sys­teme, die Trends analysieren und rechtzeitig Alarm schlagen, wenn sich tief greifende Veränderungen ankündigen.

The trend is your friend!

Trend­forscher sind die modernen Orakel, die uns einen Blick in die Zukunft gestatten und darüber Auskunft geben, wie sich Wirtschaft, Gesellschaft und Politik verändern. Während sich die Zukun­fts­forschung mit En­twick­lun­gen der fernen Zukunft beschäftigt, spüren die Trend­forscher En­twick­lun­gen nach, die sich bereits heute abzeichnen und in der nahen Zukunft Wirk­lichkeit werden. Besonders wichtig sind hierbei die so genannten Megatrends, die tief greifende und langfristige Umwälzungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Technik nach sich ziehen. Dazu zählen etwa die Glob­al­isierung und der de­mografis­che Wandel. Trends in un­ter­schiedlichen Lebens­bere­ichen haben ver­schiedene Auswirkun­gen auf den Einkauf der Zukunft. Nachfolgend werden einige wichtige Trends und ihre Kon­se­quen­zen fürs Beschaf­fungs­man­age­ment beschrieben.

Gesellschaftliche Trends

Der de­mografis­che Wandel wird bereits seit vielen Jahren diskutiert. Der Umstand, dass in den In­dus­triege­sellschaften die Menschen immer älter werden, weniger Kinder bekommen und in der Folge die Gesellschaft überaltert, beeinflusst alle Lebens­bere­iche: Sozial- und Gesund­heitssys­tem, Kon­sumver­hal­ten, Per­son­al­struk­tur usw. Die neuen Senioren, von Werbeleuten gerne „Generation 50plus“ oder „Best Ager“ genannt, sind gesünder als ihre Eltern und Großeltern. Sie wollen das Leben im Alter in vollen Zügen genießen und kaufen gerne und mit hohen Ansprüchen an die Qualität. Für den Einkauf bedeutet das: Neue Produkte und Waren­grup­pen erschließen, die das Leben im Alter erleichtern, z. B. indem neue Materialien für Ver­pack­un­gen verwendet werden, die leichter zu öffnen sind. Kom­fort­merk­male wie z. B. Rück­fahrkam­eras in Autos spielen für Senioren ebenfalls eine große Rolle. Der Einkauf muss für solche Neuerungen stets eng mit der En­twick­lungsabteilung zusam­me­nar­beiten – vermutlich haben Hersteller von Mit­telk­lassewa­gen bisher kaum Zulieferer aus dem Bereich der Kam­er­at­e­ch­nik in ihrem Einkauf­s­port­fo­lio.

„Nur wer heute bereits aktiv über Zukunft nachdenkt, kann seine un­ternehmerische Zukunft gestalten und sich wer­to­ri­en­tiert aufstellen.“

Nis­chen­bil­dung ist ein weiterer gesellschaftlicher Trend. Die Märkte werden immer diffuser, gle­ichzeitig legen viele Konsumenten großen Wert auf In­di­vid­u­al­isierung und Nach­haltigkeit. Der Einkauf muss sich deshalb um nachhaltige Rohstoffe kümmern, kleinere, dafür aufwändigere Ver­pack­un­gen einkalkulieren, kleinere Chargen, schnellere Pro­duk­tzyklen und ein komplexeres Waren­grup­pen­man­age­ment unter einen Hut bringen.

„Bis 2020 werden neue geopoli­tis­che, gesellschaftliche sowie technische Umbrüche Unternehmen vor neue Aufgaben stellen.“

Wenn die eingekauften Produkte immer dif­feren­zierter werden, verlangt das nach einer größeren Anzahl verlässlicher Lieferanten. Globales Sourcing in Billiglohnländern wird entsprechend kost­spieliger, zum einen, weil die Lieferanten mit neuen Verträgen ans Unternehmen gebunden werden müssen, und zum anderen, weil Back­sourc­ing, d. h. die Wiedere­ingliederung bereits aus­ge­lagerter Funktionen, nötig werden kann. Letzteres, da auch im Ausland die Preise anziehen und zusammen mit den höheren Kom­mu­nika­tions- und Lo­gis­tikkosten die Kosten der heimischen Produktion womöglich übersteigen. Beim Outsourcing wird es zukünftig stärker um die Produktion im Ausland und damit auch um den Rohstof­feinkauf vor Ort gehen. Das bedeutet, dass eine eigene Einkauf­s­abteilung vor Ort ein­gerichtet werden muss, mit allem, was dafür notwendig ist: in­terkul­turelles Know-how, ein­heimis­che Mitarbeiter usw.

Mark­twirtschaftliche und politische Trends

Noch dominieren die westlichen Staaten den Welthandel, aber das kann mit­tel­fristig ganz anders aussehen. Mit der wachsenden wirtschaftlichen Potenz von Russland, China und Indien wachsen in Europa und Amerika die Tendenzen, sich abzuschot­ten und Pro­tek­tion­is­mus zu betreiben ebenfalls. Abschottung könnten zukünftig aber auch diejenigen Staaten betreiben, die heute noch als Lieferanten für Rohstoffe dienen. Einkäufer müssen also damit rechnen, dass ver­meintlich verlässliche Beschaf­fungsquellen jederzeit wegbrechen können. Klug ist, wer eine Beschaf­fungsstrate­gie mit un­ter­schiedlichen Quellen in ver­schiede­nen Ländern verfolgt. Während der überre­gionale Pro­tek­tion­is­mus als Gefahr erkennt werden sollte, bleibt die fortschre­i­t­ende Lib­er­al­isierung innerhalb der Regionen eine große Er­le­ichterung für den Einkauf.

„Megatrends sind globale Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Technik.“

Länderübergreifende Vere­in­barun­gen zwischen vielen Staaten und Regionen weichen immer öfter bilateralen Abkommen. Das macht es dem Einkäufer schwer, die politische und wirtschaftliche Stabilität von Rohstof­fliefer­an­ten einzuschätzen. Außerdem bedeutet dies, dass Unternehmen sich häufiger in einem rechtlich unsicheren Rahmen bewegen müssen. Fest steht: Globales Sourcing wird immer komplexer, und der Einkäufer muss sich fortlaufend über aktuelle En­twick­lun­gen auf dem Laufenden halten. Die globale Vernetzung wird es im Jahr 2020 ermöglichen, In­for­ma­tio­nen über Bonität und Liefertreue von weltweiten Partnern viel einfacher als heute abzurufen und entsprechende Transak­tio­nen zu starten. Die Preise werden auf diesem immer trans­par­enter werdenden Markt flexibel auf Angebot und Nachfrage reagieren. Der Preis für Energie wird steigen, denn die Energieträger sind endlich und ballen sich in wenigen Händen. Die Suche nach Al­ter­na­tiven wird den Einkauf immer stärker her­aus­fordern.

Trends in Ökologie und Technik

Starker Tem­per­at­u­ranstieg, Erwärmung der Meere, Nahrungsmit­telk­nap­pheit, Hungersnöte, Häufung von Naturkatas­tro­phen: Diese Schlagwörter werden mit dem Megatrend Klimawandel verknüpft. Dieser beeinflusst alle Lebens­bere­iche – und damit natürlich auch den Einkauf. In vielen Unternehmen gibt es so etwas wie „Green Procurement“ noch nicht, was sich aber bis 2020 ändern könnte. Denn die Verwendung von Öko-Rohstof­fen wird nicht nur aufgrund von geset­zlichen Regelungen, sondern vor allem auch aufgrund von Kundendruck und von handfesten Kosten­vorteilen schon bald zum normalen Geschäft der Einkäufer gehören.

„Der Kampf um Energie und knappe Rohstoffe gewinnt an Fahrt.“

Neue Tech­nolo­gien haben ebenfalls großen Einfluss auf den Einkauf. Ein Beispiel der Logistik: Früher ver­schwan­den Rohstoffe, die den Hafen eines Ex­port­landes verließen, erstmal in einer Art Blackbox. Man wusste nicht genau, wo sie steckten, ob Stürme das Schiff aufhielten oder Streiks die Aus­liefer­ung ver­hin­derten. Heute weiß man viel mehr über den jeweiligen Verbleib der Waren, weil sie mit winzigen Ra­diofre­quen­zchips (RFID) aus­ges­tat­tet werden können, die jederzeit funken, wo sie sich gerade befinden. Die Minia­tur­isierung macht’s möglich, führt aber auch dazu, dass die In­for­ma­tion­sströme immer komplexer werden.

„Global Sourcing – das Beschaffen von Waren und Di­en­stleis­tun­gen auf den in­ter­na­tionalen Märkten – ist längst Realität in der deutschen Wirtschaft.“

Der Einkäufer von morgen muss mit den neuen Tech­nolo­gien umgehen, sie bedienen, auswerten und einschätzen können. Viele Produkte – vom PC bis zum Automobil – werden heute individuell nach Kun­den­wun­sch gefertigt. Massen­pro­duk­tion ist passé. Stattdessen sind in­di­vidu­elle Komponenten und Einzelteile notwendig, deren Liefer­l­ogis­tik permanent überwacht werden muss. Im Bereich Anbindung, Steuerung und Kosten­man­age­ment von Lieferanten liegen deshalb um­fan­gre­iche Aufgaben für den Einkäufer. Das bedeutet, dass die Unternehmen mit entsprechen­den Per­son­al­strate­gien die besten Köpfe finden und an sich binden müssen. In einer Wirtschaft­skrise spricht kaum jemand von Mi­tar­beit­erbindung – aber das kann sich nach dem Start des Aufschwungs schnell wieder ändern. Wer dann seine fähigsten Köpfe verloren hat, guckt in die Röhre.

Wie Sie Ihre eigenen Beschaf­fung­sprog­nosen erstellen

Globale Trends sind das eine, Prognosen für Ihren in­di­vidu­ellen Beschaf­fungs­markt etwas anderes. Sie sollten darum eine eigene Trendmatrix für Ihren Markt erstellen. Dafür sind mehrere Schritte notwendig:

  1. Sammeln Sie Daten zu allgemeinen Rah­menbe­din­gun­gen, zur Liefer­an­ten-, Kunden- und Wet­tbe­werb­sstruk­tur in Ihrem Unternehmen und in Ihrer Branche. Die Quelle hierfür sind Interviews und Fragebögen, die Sie an Ihre Einkäufer und an die Mitarbeiter in Vertrieb, Marketing und Produktion verteilen.
  2. Nehmen Sie Ihre Einkauf­s­abteilung genau unter die Lupe und untersuchen Sie, wo die Stärken und Schwächen Ihres Un­ternehmens liegen, beispiel­sweise im Bereich Waren­grup­pen­man­age­ment, Lieferanten, Global Sourcing oder Risiko­man­age­ment.
  3. Tragen Sie die Ergebnisse der Analysen in eine Trendmatrix ein, gewichten Sie die Relevanz der einzelnen Trends und stellen Sie Beziehungen zwischen ihnen her.
  4. Erörtern Sie im Rahmen eines Workshops, wie wichtig diese En­twick­lun­gen für Sie sein könnten und wie Sie angemessen darauf reagieren.
  5. Schließlich entwickeln Sie mögliche Zukun­ftsszenar­ien und leiten Sie daraus Hand­lungsan­weisun­gen ab.

Vier Megatrends für das Jahr 2020

Die Her­aus­forderun­gen, mit denen sich die Mitarbeiter im Einkauf bis ins Jahr 2020 kon­fron­tiert sehen, lassen sich zu vier Megatrends verdichten:

  1. Der Einkauf übernimmt eine neue Steuerungs­funk­tion im Unternehmen. Es wird nicht mehr nur darum gehen, möglichst günstige Lieferanten für fixe Produkte zu finden, sondern auch darum, In­no­va­tio­nen bei Lieferanten oder sogar innerhalb der gesamten Lieferkette aufzuspüren sowie neuartige Produkte und Werkstoffe zu entdecken. Das führt zu Impulsen für die Produktion und die interne Pro­duk­ten­twick­lung. Vielleicht werden sich viele Unternehmen deshalb von einer ab­satzzen­tri­erten zu einer ressourcenzen­tri­erten Sichtweise umori­en­tieren.
  2. Die Beschaffung der Zukunft ist nachhaltig. Das bedeutet, dass die sich heute bereits abze­ich­nen­den Trends, ethisch und umwelt­gerecht zu produzieren, in der Zukunft zu Muss-Kri­te­rien für Beschaf­fungsvorgänge werden. Einkäufer werden zu Umwelt­man­agern ihrer Unternehmen und werden ständig auf der Suche nach neuen Öko-(Vor-)Produkten sein.
  3. Der Kampf um Talente geht in eine neue Runde. Gute Mitarbeiter wachsen nicht auf Bäumen. Sie müssen zukünftig sys­tem­a­tisch angeworben und in regel­rechten Talentpools entwickelt werden.
  4. Der Kampf um Energie und Ressourcen verschärft sich. Produktion benötigt Energie und Rohstoffe. Beides wird immer knapper. Einkäufer werden sich zukünftig auch darum kümmern müssen, das Unternehmen mit günstiger Energie, Mineralien oder z. B. Bio-Rohstof­fen zu versorgen.

Über die Autoren

Gerd Kerkhoff ist geschäftsführender Gesellschafter der Un­ternehmens­ber­atung Kerkhoff Consulting, die ihre Kunden im Bereich Einkauf und Beschaffung berät. Seine Co-Autoren sind Beschaf­fung­sex­perten aus seiner Un­ternehmens­ber­atung. Kerkhoff ist auch Autor der Bücher Mil­liar­den­grab Einkauf und Zukun­ftschance Global Sourcing.