Mehr als ein Hype?
Twitter ist auf dem besten Weg, der entscheidende Social-Media-Kanal zu werden. Für Unternehmen ist das eine bedeutende Entwicklung, denn alle stehen vor denselben Fragen: Wie mache ich Interessierte zu Kunden? Und wie werde ich von potenziell Interessierten überhaupt gefunden? Es geht um Fragen der Kommunikation und Vernetzung, und Twitter ist die interessanteste Antwort darauf.
„Der Twitter-Faktor ist kein Hype, der morgen wieder verflogen ist.“
Twitter ist ein soziales Netzwerk, in dem sich Menschen mit gleichen Interessen über das Internet austauschen, ohne hohe technische Hürden bewältigen zu müssen. Die Twitter-Nachrichten („Tweets“) umfassen maximal 140 Zeichen – mehr auf den Punkt gebracht geht es wirklich nicht. Twitter ist das augenfälligste Beispiel dafür, dass Menschen die Medien längst nicht mehr nur als Konsumenten nutzen. Das Internet macht es möglich, nicht nur zu empfangen, sondern auch zu senden, sich auszutauschen, und zwar weltweit.
„In Deutschland werden bis 2012 21,7 Millionen Nutzer prognostiziert.“
Für Unternehmen bedeutet das, umzudenken. „Wir werben, Ihr hört zu“ war gestern. Sie müssen den Dialog mit Ihrer Zielgruppe aufnehmen, lernen ihr zuzuhören. Denn das Internet ist längst Standard: In Deutschland haben mehr als zwei Drittel der Haushalte einen Internetzugang, davon wiederum sind 70 % täglich im Netz. Weltweit sind etwa zwei Drittel aller Internetnutzer in sozialen Netzwerken aktiv – das sind mehr als 700 Millionen Menschen. Verlässliche Twitter-Zahlen für Deutschland gibt es nicht. Im Juli 2009 lag die Zahl der Teilnehmer bei 180 000. Zu diesem Zeitpunkt verdoppelte sich die Nutzerzahl in jedem Quartal. Setzt sich diese Entwicklung fort, wird Twitter schon 2010 den millionsten Nutzer in Deutschland verzeichnen. Diese Zielgruppe zu erreichen, ist für Unternehmen äußerst verlockend. Zugleich wissen die Marketingexperten, dass normale Werbung meist abgelehnt wird, da sie als penetrant und aufdringlich erlebt wird – auch die im Internet.
Aufgehoben im Netzwerk
Bei Twitter ist es nicht anders als im normalen Leben: Man tauscht sich lieber mit Menschen aus, mit denen man etwas anfangen kann und mit denen einen etwas verbindet. Wer das ist, legt jeder für sich selbst fest. Um diese Menschen und ihre Themen zu finden, hat Twitter eine Suchfunktion. Sie verweist auf „Tweets“ mit dem jeweiligen Thema und den Menschen (oder den Unternehmen) dahinter. Umgekehrt können Sie über die Suchabfrage zu Menschen gelangen, die an Ihren Dienstleistungen oder Produkten interessiert sind. Vor allem aber wird der Kontakt über Bande gespielt – durch Empfehlungen nämlich. Zwei Tweet-Beispiele: „Wir sind kürzlich nach Zürich gezogen. Welcher Kinderarzt ist empfehlenswert?“ Oder: „Wir sind gerade in Prenzlberg unterwegs. Wo gibt es ein gutes griechisches Restaurant?“
„Twitter macht Spaß, ist schnell und bringt unbegrenzte Kontakte mit Menschen aus der ganzen Welt.“
Hier zeigt sich, dass zweierlei wichtig ist: die Qualität des sozialen Netzwerks und die Qualität des gefragten Unternehmens. Denn nur Kinderärzte und griechische Wirte mit gutem Ruf werden weiterempfohlen. Wer in diesen Netzwerken nicht auftaucht, wird an diese Kundschaft also höchstens zufällig herankommen. Wer gar geschmäht wird – „Bloß nicht zu Dionysos gehen“ –, wird mit den Folgen leben müssen. Und weil Dionysos soziale Netzwerke für neumodischen Quatsch hält, weiß er gar nicht, warum immer weniger Gäste kommen. Was Dionysos nicht ahnt: Steht ein Kommentar über schlechten Service oder faden Zaziki erst mal im Netz, dann bleibt er für immer dort stehen – für alle Welt zu sehen.
„Sobald Sie zu twittern beginnen und so richtig vom Twitter-Virus infiziert sind, werden Sie schnell merken, dass es gar nicht so einfach ist, den Überblick zu behalten. Aus allen Richtungen prasseln spannende Informationen auf Sie ein.“
Das kann sich kein Unternehmen leisten. Regelmäßig zu überprüfen, was im Netz über Sie und Ihre Firma kolportiert wird, ist heute Pflicht. Mag die Quelle noch so abstrus sein und der Wahrheitsgehalt noch so gering – wenn es spannend klingt, wird es in Rekordzeit im Internet verbreitet. Und wenn Sie erst Wochen später reagieren, wenn etablierte Massenmedien auf den Zug aufspringen, haben Sie die Chance zur rechtzeitigen Intervention bereits verpasst. „Mir doch egal“ ist natürlich eine mögliche Reaktion. Die klügere Option ist, mitzuhelfen, dass Ihre Qualität sich durchsetzt – indem Sie aktiv ein Netzwerk aufbauen und pflegen. Das ist anfangs aufwändig, aber rentiert sich dann sehr rasch. Es gilt der alte Spruch: „Kontakte schaden nur dem, der sie nicht hat.“
Einsatzmöglichkeiten für Twitter
Machen Sie sich innerhalb der Twitter-Community einen Namen als Experte in Ihrem Fachgebiet. Wenn Sie sich so eine Gefolgschaft von „Followern“ aufbauen, haben Sie eine Vertrauensbasis, die Sie vielfältig nutzen können. Fangen Sie mit den simplen Möglichkeiten an: Mit Twitter können Sie beispielsweise auf Veranstaltungen hinweisen und direkt kommunizieren, was dort gerade passiert. Oder die Follower werden befragt, was sie von einer bestimmten Idee halten. Schon 30 Antworten bei Umfragen geben deutliche Indizien.
„Twitter hat wie kein anders Netzwerk das Web 2.0 in kürzester Zeit verändert.“
Mit Twitter können Sie Ihren Kundendienst verbessern: Wenn irgendwo ein Problem in der Twitter-Welt benannt wird, einer Ihrer Service-Mitarbeiter sich einschaltet und das Problem löst, freut sich nicht nur Ihr Kunde – alle Follower Ihres Kunden bekommen mit, wie engagiert Ihr Kundenservice ist. Wenn Sie auf diese Weise auf sich aufmerksam machen, müssen Sie das Interesse an Ihrem Unternehmen nicht in 140 Zeichen befriedigen: Ein Verweis auf Ihre Homepage oder Ihren Blog sorgt für viele interessierte Besucher.
Erste Twitter-Schritte
Ein Konto bei Twitter anzulegen ist einfach. Wählen Sie einen aussagekräftigen Namen und geben Sie den eigenen Standort preis – für spätere reale Kontakte. Ein gut gewähltes Bild und eine profilierte Kurzbiografie (nur 160 Zeichen) als Visitenkarte und der Verweis auf Ihre sonstigen Web-Präsenzen (Facebook- oder Xing-Profil, eigene Homepage) sind ebenfalls Pflicht.
„Macht es Sinn, so viele Follower wie nur möglich zu gewinnen? Die ganz klare Antwort darauf lautet: Ja! Bauen Sie schnellstmöglich Ihr Netzwerk auf, und zwar so groß wie nur irgend möglich!“
Dann geht’s los: Follower finden (und bei dieser Gelegenheit selbst einer werden) und zu einem Netzwerk verknüpfen. Je mehr, desto besser. Die Erfahrung zeigt: Es geht darum, sichtbar und wahrgenommen zu werden. Das ist der Grundstock, auf dem Beziehungen wachsen können. Längst ist wissenschaftlich belegt, dass nicht die direkten Kontakte die entscheidenden sind, sondern die zweiter und dritter Ordnung. Das gilt auch für virtuelle Kontakte in der Online-Welt.
„Twitter ist eine riesige menschliche Suchmaschine.“
Wer nicht nur folgt, sondern selbst eine Gefolgschaft aufbauen will, muss kommunizieren. Aber was? Der Klassiker ist „Das mache/denke/fühle ich gerade“ – also ein aktueller Statusbericht. Im persönlichen Bereich ist das meist spannender als im geschäftlichen Umfeld. Dort ist es eher sinnvoll, wenn Sie etwa über einen Link auf ein aktuelles Projekt hinweisen. Wer Fragen hat, kann sie per Tweet loswerden. Wer Bilder und Videos verbreiten will, ebenfalls.
„Wenn Sie eine qualifizierte Gefolgschaft auf Twitter aufgebaut haben, bekommen Sie auch zwangsläufig mehr Traffic auf Ihren Blog und Ihre Homepage.“
Wenn Unternehmen twittern, sollten sie als solche klar erkennbar sein. Sonst könnten sie gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verstoßen – wenn etwa nicht klar ist, ob ein Produktlob privat gemeint oder faktisch Werbung ist. Schon um solche Fallen zu vermeiden, sollten Sie in Ihrem Unternehmen festlegen, wer über was im Namen der Firma twittern darf, und dabei strikt zwischen „offiziell“ und „privat“ trennen. Die Regeln geben Sie intern bekannt, Verstöße müssen geahndet werden.
Das Folgen und die Folgen
Wer senden will, braucht Empfänger. Ein Netzwerk baut sich in verschiedenen Stufen auf. Der Anfang ist mühsam: Auf twitter.com klicken Sie die Schaltfläche „find people“ an und geben anschließend die Namen der gesuchten Personen ein – sinnvollerweise Menschen, die Sie kennen und denen ein Grundinteresse unterstellt werden darf. Wer sich mit denen verlinkt, zählt zu deren „Followern“. Diese bemerken den neuen Follower und – so ist es zu wünschen – folgen künftig auch Ihnen, da Sie Interessantes mitzuteilen haben.
„Twitter ist ein optimales Tool, um haargenau die Menschen zu finden, die ich in meinem Netzwerk haben möchte.“
Ebenso können Kontakte über Ortsnamen (etwa bei einem regional aktiven Geschäft) hergestellt werden. Twitter sucht sogar in zehn verschieden großen Kreisen von einem bis 1000 Kilometern um diese Ortsnamen herum. Ähnlich funktioniert die Suche nach Interessen (etwa „Rotwein aus der Toskana“): Twitter listet die entsprechenden Tweets; anschließend sollten Sie prüfen, wie sinnvoll es ist, den Menschen hinter den Tweets zu folgen.
„Die Macht verschiebt sich endgültig in Richtung Kunde. Und der weiß sie zu nutzen.“
Sie können auch verschiedene Suchabfragen kombinieren, etwa so: „Wer im Umkreis von 10 km rund um Luzern hat sich in den vergangenen zwei Monaten für Rotwein aus der Toskana interessiert?“ Es gibt bereits Dienste, die sich auf die Suche nach Schlüsselwörtern spezialisiert haben. Diese sind erkennbar am Rautenzeichen vor dem Begriff, also beispielsweise „#schluesselwort“.
„Twitter ist kostenlose Online-PR.“
Um den ständigen Austausch zu pflegen, zu kontrollieren und bei Bedarf ein wenig zu standardisieren, gibt es jede Menge Hilfsmittel im Netz, viele davon sogar kostenlos. Für Sie ist es vor allem interessant herauszufinden, wie sich das Twittern auf Ihr Unternehmen auswirkt. Ein rundum zufriedenstellendes Analyse-Tool gibt es zwar noch nicht, wohl aber Tools, die aufschlussreiche Informationen liefern. So können Sie über twitteranalyzer.com Ihre eigenen Follower auf ihre Relevanz im Netz überprüfen und nachschauen, wie oft Ihre Tweets weitergeleitet (retweeted) werden.
Willkommen in der Twitter-Welt
Dass Twittern mehr als eine Spielerei für übertrieben mitteilungsbedürftige und austauschbereite Menschen ist, zeigt sich in den USA: Dort lassen Konzerne wie Dell, JetBlue oder Zappos twittern, in Deutschland tun dies beispielsweise Vodafone und die Deutsche Bahn. Ein Fahrplan für den Einstieg in die Twitter-Welt könnte folgendermaßen aussehen:
- Woche: Ziele setzen. Was und wen will ich innerhalb der nächsten Monate erreichen? Anschließend einfach anmelden und nach Freunden, Bekannten und Geschäftspartnern suchen und denen folgen – um selbst Follower zu generieren.
- Woche: Jetzt gilt es, sich nach einflussreichen Meinungsführern umzuschauen und mit ihnen in Kontakt zu treten.
- Woche: Der Austausch nimmt Formen an. Damit es nicht überhand nimmt, sollten bei Bedarf Automatisierungs-Tools genutzt werden.
- Woche: Per Twitter auf den eigenen Blog oder die eigene Homepage verweisen und Feedbacks einholen. Angebote machen und sehen, ob sie angenommen werden. Twitter mit den anderen sozialen Netzwerken (Facebook, Xing usw.) vernetzen.
„Sicherlich bedarf es anfangs einer gewissen digitalen Aufbauarbeit, doch Sie werden davon zukünftig nur profitieren.“
Der neue Kommunikationskanal lohnt sich vor allem für Freiberufler und für kleine Unternehmen – insbesondere wenn Sie sowieso täglich mit dem Internet zu tun haben. Sie können via Twitter über Ihre Arbeit und über neue Projekte und Dienstleistungen berichten. Restaurants, Hotels oder Winzer können Kunden an sich binden, indem sie beispielsweise über neue Gerichte oder Sonderangebote informieren. Reservierungen und Kundenbewertungen über Twitter sind ebenfalls denkbar. Unternehmen aller Branchen können offene Stellen per Twitter ausschreiben – ebenso wie sich Bewerber über Twitter anbieten können. Es gibt bereits die ersten Job-Suchmaschinen bei Twitter!