Man muss nur wollen
Die modernen Medien machen es möglich: Über Handy und Computer kann sich heute jeder mit jedem vernetzen und austauschen, auch mit Unternehmen. Das birgt einerseits Chancen, andererseits Risiken. Denn Unternehmen sind den Austausch nicht gewohnt. Mit den Lieferanten, nun gut, das mag noch angehen, aber doch nicht mit Kunden! Die werden bestenfalls mit Werbung beschallt, das muss genügen. Aber denen auch noch zuhören? Und reagieren? Wie soll das gehen? Wer soll das machen? Was das alles kostet! Ist das denn überhaupt nötig?
„Mithilfe der Social Media werden Sie selbst zu einem Sender, zu einem Ich-Sender.“
So geht die Gedankenkette. Die letzte Frage ist die wichtigste. Und die Antwort ist eindeutig: Ja. Es ist unvermeidlich, sich mit sozialen Medien wie Twitter, Blogs, Facebook oder Xing zu beschäftigen. Wer meint, diese neuen Kommunikationskanäle ignorieren zu können, wird von den Kunden ignoriert werden. Und das kann sich niemand wünschen.
„Social Media ist der Anfang der Veränderung unseres Kommunikationsverhaltens.“
Ignoranz hilft also nicht weiter. Das Motto muss vielmehr „Ran an den Speck“ lauten: Wie geht das denn, dieses Social Media? Ganz einfach: zuhören, fragen, senden. Eigentlich gehört vor diesen Dreiklang noch ein weiteres Wort, nämlich „authentisch“. Wer mogelt und nur so tut, als ob, der fliegt bald auf. Das Senden muss genauso ernst gemeint und genommen werden wie das Empfangen und der Austausch. Gegen die Codes und das Selbstverständnis der neuen Mediennutzer zu verstoßen, zieht Bestrafung nach sich.
Unterschiedliche Ziele, unterschiedliche Wege
Es ist nur beschränkt sinnvoll, die Verantwortung für Social Media an eine Werbeagentur abzugeben. Ein echter „Ich-Sender“ hat seine eigene Persönlichkeit zu vermitteln, er ist Dreh- und Angelpunkt der Kommunikation. Sich Hilfe zu holen, um Ziele festzulegen und den Weg zu ihnen zu optimieren, ist legitim. Mehr aber nicht. Ziele können z. B. sein:
- Das Unternehmen oder die Marke soll bekannter werden. Der Weg: höhere Zugriffszahlen auf der Website erzeugen.
- Das Unternehmen oder die Marke soll positiver wahrgenommen werden. Der Weg: Kommentare in Blogs und Tweets, Artikel in Foren veröffentlichen.
- Die Kundenbindung soll verbessert werden. Der Weg: die Anzahl der Freunde und Kontakte bei Facebook, Twitter usw. erhöhen.
„Vor dem Social-Media-Zeitalter stand ,Menschlichsein‘ bei vielen Unternehmen nicht besonders hoch im Kurs.“
Unterschiedliche Ziele erfordern unterschiedliche Wege. Wichtig ist auf jeden Fall, sich Ziele zu setzen, die messbar sind. „Mal sehen, was passiert“ ist zwar ein vertretbarer Ansatz bei der ersten Begegnung mit dem Web 2.0, aber auf Dauer nicht sinnvoll.
Die Macht der Kunden
Klassisches Marketing kennt nur eine Richtung: die Leute zutexten. Anzeigen in Zeitungen und Magazinen oder auch an irgendwelchen Bushaltestellen draußen in der Stadt. Spots fürs Fernsehen, mitunter noch fürs Radio. Und klar, was Witziges fürs Internet, in der Hoffnung, dass die ganzen Popups und Banner nicht sofort weggeklickt werden.
„Bin ich gut zu meinen Kunden, sind meine Kunden gut zu mir. Und bringen mir neue Kunden.“
Aber die Kunden mitmachen lassen, das ging früher nicht – heute geht es. Früher war eine interessierte und aufgeschlossene Haltung den Kunden gegenüber zwar erstrebenswert, aber lukrativ war sie nicht. Sie kostete vor allem Geld und brachte wenig ein. Zufriedene Kunden redeten über den guten Service, was bestimmt ein paar Neukunden anzog. Unzufriedene Kunden beschwerten sich beim Unternehmen und motzten im Bekanntenkreis. So oder so: Es blieb im Rahmen. Aber was ist, wenn die Kunden im Internet über Freud und Leid mit Unternehmen X berichten – und Millionen können das lesen? Und Tausende tun das auch? Und entscheiden entsprechend? Es kann dem Unternehmen finanziell richtig wehtun, wenn in Foren und Blogs gemotzt wird. Jeder kann sich hier informieren, wie stark Unternehmen auf ihre Kunden eingehen – oder eben nicht. Immer mehr Menschen nutzen diese Chance, bevor sie sich für einen Anbieter entscheiden.
Vor dem Senden kommt das Empfangen
Obwohl die Botschaft so deutlich ist, ist sie bei vielen Unternehmen noch immer nicht angekommen. Ein Beispiel: BMW. Wer diese drei Buchstaben bei Google eingibt, findet unter den ersten Treffern den Autoblog, wo es auch eine BMW-Seite gibt, in der sich Fans der Automarke austauschen. Mitarbeiter von BMW allerdings sind bei Autoblog nicht zu finden. Eine vergebene Chance. Ja, es ist fast schon fahrlässig, auf einer offenkundig stark frequentierten Website die Gelegenheit zum Kontakt und Austausch nicht wahrzunehmen.
„Die wichtigste Regel für den Anfang lautet: Zuhören.“
Um nicht missverstanden zu werden: Autoblog ist keine Plattform, um Kunden mit dem gewohnten Werbegewitter zuzudröhnen. Foren dienen dem Austausch. Der beginnt mit dem Zuhören. Vor dem Senden kommt das Empfangen. Worüber wird geredet, was ist wichtig? Die Kosten dafür sind so niedrig wie der Erkenntnisgewinn hoch. Nach dem Zuhören kommt das Fragen: Wie können wir helfen? Was wird gewünscht? Wo können wir noch besser werden? Und als Antwort eine Reaktion – eine im Netz, evtl. auch eine im Unternehmen. Denn schneller kann kein Unternehmen erfahren, worum es den Kunden geht.
Mitreden in Foren und Blogs
Damit ist Punkt 1 der Social-Media-Agenda bereits abgehakt, das Einbringen in Foren. Folgt Punkt 2: Blogs, kurz für Weblogs. Das sind Websites, auf denen Menschen ihre Meinung kundtun und andere Menschen darauf reagieren. Wenn Sie reagieren möchten, sollten Sie die Regeln aus den Foren beachten und übernehmen: erst zuhören, dann fragen, nicht mit Werbung zuballern.
„Sobald ein Unternehmen (im wahrsten Sinne) menschlich wird, ist es nahbar, ansprechbar und transparent.“
Es steht Unternehmen auch frei, selbst einen Blog zu starten. Viele wollen der Konkurrenz bei der Gelegenheit mal zeigen, was sie so alles drauf haben und wie sehr sie im Web 2.0-Trend verankert sind. Obacht: Das kann nach hinten losgehen. Posieren kommt nämlich im Web 2.0 schlecht an, weniger ist oft mehr. Es ist auch nicht sehr sinnvoll, ein Unternehmensblog auszulagern. Authentizität kann nicht an eine Werbeagentur outgesourct werden. Es geht um Inhalte und um den Austausch darüber. Negative Kommentare müssen Sie aushalten. Wer da unflätig wird oder – scheinbar elegant – den Kommentar löscht, wird das büßen müssen: Genau über dieses Verhalten tauscht man sich dann andernorts im Internet aus.
„Wenn Sie Twitter für Ihr Geschäft einsetzen, wird es Zeit und Mühe kosten, damit es sich lohnt.“
Wenn Sie sich auf fremden Blogs zu Wort melden wollen, sollten Sie im ersten Schritt herausfinden, welche sich dafür überhaupt eignen. Sobald Sie sich mit einzelnen Blogs intensiver beschäftigt haben, können Sie bei passender Gelegenheit den einen oder anderen Kommentar anbringen und später vielleicht eine Frage hinterherschieben – und zwar immer klar erkennbar als Vertreter des Unternehmens. Wenn Sie sich als ernsthafter Kommunikationspartner profiliert haben, dürfen Sie dann auch mal fragen, wie das Interesse an Ihren Produkten und/oder Dienstleistungen ist. Ist das Angebot spannend, verbreitet es sich rasch innerhalb der Blogosphäre – das ist Werbung zum Nulltarif, elektronische Mundpropaganda.
„Je sichtbarer Sie im Netz sind, umso größer ist natürlich die Chance, gefunden zu werden.“
Das Fachwort dafür lautet „Viral Marketing“ und meint nicht nur Mundpropaganda per Blog, sondern alles, was werbenden Charakter hat und ins Internet gestellt wird, um verbreitet zu werden. Das können witzige Spots oder lustige Bilder sein. Jedenfalls etwas, was interessant genug ist, um an Freunde und Bekannte weitergeleitet zu werden – bis sich die Botschaft zum Nulltarif in alle (Netz-)Welt verteilt hat.
Das Twitter-Gewitter
Twitter steht für höchstens 140 Zeichen lange Mitteilungen („Tweets“), die – ähnlich wie SMS – über Internet und Handy verschickt werden. Empfängerkreis: alle, die interessiert sind. Je mehr Empfänger („Follower“) jemand hat, desto breiter werden die Informationen gestreut. Der US-Schauspieler Ashton Kutcher hat mehr als eine Million Follower. Unternehmen sind keine Menschen, aber in jedem Unternehmen arbeiten Menschen. Warum also nicht den Kundendienst twittern lassen? Oder jemanden aus dem Vertrieb? Damit bekommt das anonyme Gebilde „Unternehmen“ eine Stimme, es wird persönlich. Konzerne wie Lufthansa, Vodafone, Volkswagen und Daimler haben das bereits erkannt und arbeiten an einer Twitter-Strategie. Und diese Strategie besteht eben nicht darin, stumpf für die eigenen Produkte und Leistungen zu werben. Wer in seinen Tweets immer nur lautstark für sich selbst trommelt, vertreibt sämtliche Follower. Die finden sich lieber dort ein, wo es Interessantes, Spannendes, Skurriles und Witziges zu erfahren gibt, wo es sich lohnt, informiert zu werden und zu bleiben. Deshalb gilt auch bei Twitter der Dreiklang „zuhören – fragen – senden“.
„Respektieren Sie die Macht und die Gefahren der Blogosphäre.“
Das Zuhören beginnt damit, als Follower herauszufinden, wo wichtige und interessante Themen verhandelt werden. Bevor Sie sich selbst einbringen, sollten Sie sich die Frage stellen: Welchen Nutzen kann ich durch meinen Beitrag liefern? Wenn Sie sich einen Namen gemacht und Vertrauen aufgebaut haben, können Sie neue Themen anschneiden – je nachdem, welche Ziele Sie sich gesteckt haben. Vielleicht möchten Sie vor allem Kontakte generieren, den Service verbessern, Ihre Produkte und Leistungen populärer machen oder all dies zusammen. Entsprechend dem jeweiligen Ziel sollte der Ansatz ausfallen, wie Sie an Twitter herangehen. Wer sich über Twitter, Foren und Blogs als Mitglied des Web 2.0 etabliert hat, wird vermutlich auch ein Profil auf den einschlägigen Kontaktseiten wie Facebook oder Xing vorweisen können. Das Ausmaß an Interaktion fällt hier allerdings deutlich geringer aus.
Was bringt das alles?
Wie lässt sich kontrollieren, wie gut die Ich-Sendungen bei den Empfängern ankommen? Durch steigende Kundenzahlen und Umsätze, klar. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, im Internet zu verfolgen, wie Ihr Unternehmen, die Marke, die Produkte oder der eigene Blog wahrgenommen werden. Das funktioniert über „Social Bookmarks“ wie Mister Wong oder Delicious. Wer dort Stichwörter hinterlässt, wird informiert, wo und in welchem Kontext diese Stichwörter auftauchen. Vergleichbare Dienste wie Yigg und Digg nutzen diese Stichwörter, um Empfehlungen abzugeben, die einzelnen Links werden also bewertet. Wenn Sie einfach nur kontrollieren wollen, wer sich wie über Unternehmen, Marke, Produkte oder Dienstleistungen äußert, können Sie die entscheidenden Stichwörter bei Google Alert oder Technorati speichern. Diese Dienste informieren Sie dann regelmäßig, wenn es Neuigkeiten zu den Stichwörtern gibt.
„Social-Media-Marketing in Form von Kundenempfehlungen ist kostenlos.“
Ein Tipp zum Schluss: Es ist nicht nur möglich, die öffentliche Meinung im Netz zu erkunden und zu beeinflussen. Es ist darüber hinaus auch möglich, diese öffentliche Meinung in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen einzubeziehen. Über UserVoice.com etwa können aktuelle Ideen oder Prototypen ins Netz gestellt und nach Feedback gefragt werden. Im ständigen Austausch wird das Produkt oder die Dienstleistung weiterentwickelt. Was dann schließlich auf den Markt kommt, wird garantiert den Kundenbedürfnissen entsprechen – die haben es schließlich selbst mitentwickelt.