Die Ich-Sender

Buch Die Ich-Sender

Das Social-Media-Prinzip. Twitter, Facebook & Communitys erfolgreich einsetzen

BusinessVillage,


Rezension

Als Kon­trol­lver­lust kommt das an in den Unternehmen: Im Internet, in ir­gendwelchen Foren oder Blogs, tauschen sich die Kunden aus und meckern über das neue Design von Fön X und den lausigen Service von Fluglinie Y. Alle können es lesen. Tausende, mitunter Millionen von (möglichen) Kunden lesen es tatsächlich und machen ihre Kaufentschei­dung davon abhängig. Wer das begriffen hat, ignoriert die so genannten sozialen Medien keinen Moment länger. So wie Wolfgang Hünnekens, der lange Jahre Berlin-Chef der Mar­ketinga­gen­tur Publicis war. Sein Buch Die Ich-Sender ist weniger eine Gebrauchs- als eine Denkan­leitung: Wie tausche ich mich sinnvoll mit In­ter­essierten und Kunden aus und was bringt mir das? Hünnekens will Offenheit vermitteln: Geht mal rein in die sozialen Medien, guckt euch um. Erst danach, das wird klar, lässt sich sinnvoll über eine Strategie nachdenken. Deshalb predigt der Autor immer wieder: Erst zuhören, dann fragen und erst im dritten Schritt selbst senden. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Managern, die sich locker an das Thema Social Media herantasten wollen.

Take-aways

  • Das Marketing wird durch die sozialen Medien rev­o­lu­tion­iert.
  • Werbung ist keine Einbahnstraße mehr, sondern entsteht im Austausch mit den Kunden.
  • Die Kanäle dafür befinden sich im Internet: Twitter, Blogs, Facebook und andere Communitys.
  • Wer diese Kanäle ignoriert, wird früher oder später von lernfähigeren Unternehmen abgehängt – und den Preis dafür zahlen.
  • Wenn Sie mit Wer­bekam­pag­nen tra­di­tioneller Machart in die sozialen Medien einfliegen wollen, werden Sie eine Bruch­landung erleben.
  • Unternehmen müssen im Internet grundsätzlich dasselbe tun wie in der realen Welt: sich einen Ruf und damit Vertrauen aufbauen.
  • Der Weg dahin ist einfach: erst einmal zuhören, dann fragen und erst anschließend selbst senden.
  • Das Senden sollten Unternehmen möglichst nicht an eine Agentur abgeben: Authentizität ist wichtig im Netz.
  • Wer sich austauscht, wird auch Unerwünschtes zu hören bekommen. Das zu ignorieren oder gar zu löschen, wird von den Nutzern prompt bestraft.
  • Ob eigener Blog, Twit­ter-Ac­count oder Face­book-Pro­fil: Selbst loszulegen ist einfach.
 

Zusammenfassung

Man muss nur wollen

Die modernen Medien machen es möglich: Über Handy und Computer kann sich heute jeder mit jedem vernetzen und austauschen, auch mit Unternehmen. Das birgt einerseits Chancen, an­der­er­seits Risiken. Denn Unternehmen sind den Austausch nicht gewohnt. Mit den Lieferanten, nun gut, das mag noch angehen, aber doch nicht mit Kunden! Die werden bestenfalls mit Werbung beschallt, das muss genügen. Aber denen auch noch zuhören? Und reagieren? Wie soll das gehen? Wer soll das machen? Was das alles kostet! Ist das denn überhaupt nötig?

„Mithilfe der Social Media werden Sie selbst zu einem Sender, zu einem Ich-Sender.“

So geht die Gedanken­kette. Die letzte Frage ist die wichtigste. Und die Antwort ist eindeutig: Ja. Es ist un­ver­mei­dlich, sich mit sozialen Medien wie Twitter, Blogs, Facebook oder Xing zu beschäftigen. Wer meint, diese neuen Kom­mu­nika­tion­skanäle ignorieren zu können, wird von den Kunden ignoriert werden. Und das kann sich niemand wünschen.

„Social Media ist der Anfang der Veränderung unseres Kom­mu­nika­tionsver­hal­tens.“

Ignoranz hilft also nicht weiter. Das Motto muss vielmehr „Ran an den Speck“ lauten: Wie geht das denn, dieses Social Media? Ganz einfach: zuhören, fragen, senden. Eigentlich gehört vor diesen Dreiklang noch ein weiteres Wort, nämlich „authentisch“. Wer mogelt und nur so tut, als ob, der fliegt bald auf. Das Senden muss genauso ernst gemeint und genommen werden wie das Empfangen und der Austausch. Gegen die Codes und das Selbstverständnis der neuen Me­di­en­nutzer zu verstoßen, zieht Bestrafung nach sich.

Un­ter­schiedliche Ziele, un­ter­schiedliche Wege

Es ist nur beschränkt sinnvoll, die Ve­r­ant­wor­tung für Social Media an eine Wer­beagen­tur abzugeben. Ein echter „Ich-Sender“ hat seine eigene Persönlichkeit zu vermitteln, er ist Dreh- und Angelpunkt der Kom­mu­nika­tion. Sich Hilfe zu holen, um Ziele festzulegen und den Weg zu ihnen zu optimieren, ist legitim. Mehr aber nicht. Ziele können z. B. sein:

  • Das Unternehmen oder die Marke soll bekannter werden. Der Weg: höhere Zu­griff­szahlen auf der Website erzeugen.
  • Das Unternehmen oder die Marke soll positiver wahrgenom­men werden. Der Weg: Kommentare in Blogs und Tweets, Artikel in Foren veröffentlichen.
  • Die Kun­den­bindung soll verbessert werden. Der Weg: die Anzahl der Freunde und Kontakte bei Facebook, Twitter usw. erhöhen.
„Vor dem So­cial-Me­dia-Zeital­ter stand ,Men­schlich­sein‘ bei vielen Unternehmen nicht besonders hoch im Kurs.“

Un­ter­schiedliche Ziele erfordern un­ter­schiedliche Wege. Wichtig ist auf jeden Fall, sich Ziele zu setzen, die messbar sind. „Mal sehen, was passiert“ ist zwar ein vertret­barer Ansatz bei der ersten Begegnung mit dem Web 2.0, aber auf Dauer nicht sinnvoll.

Die Macht der Kunden

Klassisches Marketing kennt nur eine Richtung: die Leute zutexten. Anzeigen in Zeitungen und Magazinen oder auch an ir­gendwelchen Bushal­testellen draußen in der Stadt. Spots fürs Fernsehen, mitunter noch fürs Radio. Und klar, was Witziges fürs Internet, in der Hoffnung, dass die ganzen Popups und Banner nicht sofort weggeklickt werden.

„Bin ich gut zu meinen Kunden, sind meine Kunden gut zu mir. Und bringen mir neue Kunden.“

Aber die Kunden mitmachen lassen, das ging früher nicht – heute geht es. Früher war eine in­ter­essierte und aufgeschlossene Haltung den Kunden gegenüber zwar er­strebenswert, aber lukrativ war sie nicht. Sie kostete vor allem Geld und brachte wenig ein. Zufriedene Kunden redeten über den guten Service, was bestimmt ein paar Neukunden anzog. Un­zufriedene Kunden beschwerten sich beim Unternehmen und motzten im Bekan­ntenkreis. So oder so: Es blieb im Rahmen. Aber was ist, wenn die Kunden im Internet über Freud und Leid mit Unternehmen X berichten – und Millionen können das lesen? Und Tausende tun das auch? Und entscheiden entsprechend? Es kann dem Unternehmen finanziell richtig wehtun, wenn in Foren und Blogs gemotzt wird. Jeder kann sich hier informieren, wie stark Unternehmen auf ihre Kunden eingehen – oder eben nicht. Immer mehr Menschen nutzen diese Chance, bevor sie sich für einen Anbieter entscheiden.

Vor dem Senden kommt das Empfangen

Obwohl die Botschaft so deutlich ist, ist sie bei vielen Unternehmen noch immer nicht angekommen. Ein Beispiel: BMW. Wer diese drei Buchstaben bei Google eingibt, findet unter den ersten Treffern den Autoblog, wo es auch eine BMW-Seite gibt, in der sich Fans der Automarke austauschen. Mitarbeiter von BMW allerdings sind bei Autoblog nicht zu finden. Eine vergebene Chance. Ja, es ist fast schon fahrlässig, auf einer offenkundig stark fre­quen­tierten Website die Gelegenheit zum Kontakt und Austausch nicht wahrzunehmen.

„Die wichtigste Regel für den Anfang lautet: Zuhören.“

Um nicht missver­standen zu werden: Autoblog ist keine Plattform, um Kunden mit dem gewohnten Wer­bege­wit­ter zuzudröhnen. Foren dienen dem Austausch. Der beginnt mit dem Zuhören. Vor dem Senden kommt das Empfangen. Worüber wird geredet, was ist wichtig? Die Kosten dafür sind so niedrig wie der Erken­nt­nis­gewinn hoch. Nach dem Zuhören kommt das Fragen: Wie können wir helfen? Was wird gewünscht? Wo können wir noch besser werden? Und als Antwort eine Reaktion – eine im Netz, evtl. auch eine im Unternehmen. Denn schneller kann kein Unternehmen erfahren, worum es den Kunden geht.

Mitreden in Foren und Blogs

Damit ist Punkt 1 der So­cial-Me­dia-Agenda bereits abgehakt, das Einbringen in Foren. Folgt Punkt 2: Blogs, kurz für Weblogs. Das sind Websites, auf denen Menschen ihre Meinung kundtun und andere Menschen darauf reagieren. Wenn Sie reagieren möchten, sollten Sie die Regeln aus den Foren beachten und übernehmen: erst zuhören, dann fragen, nicht mit Werbung zuballern.

„Sobald ein Unternehmen (im wahrsten Sinne) menschlich wird, ist es nahbar, ansprechbar und transparent.“

Es steht Unternehmen auch frei, selbst einen Blog zu starten. Viele wollen der Konkurrenz bei der Gelegenheit mal zeigen, was sie so alles drauf haben und wie sehr sie im Web 2.0-Trend verankert sind. Obacht: Das kann nach hinten losgehen. Posieren kommt nämlich im Web 2.0 schlecht an, weniger ist oft mehr. Es ist auch nicht sehr sinnvoll, ein Un­ternehmens­blog auszulagern. Authentizität kann nicht an eine Wer­beagen­tur outgesourct werden. Es geht um Inhalte und um den Austausch darüber. Negative Kommentare müssen Sie aushalten. Wer da unflätig wird oder – scheinbar elegant – den Kommentar löscht, wird das büßen müssen: Genau über dieses Verhalten tauscht man sich dann andernorts im Internet aus.

„Wenn Sie Twitter für Ihr Geschäft einsetzen, wird es Zeit und Mühe kosten, damit es sich lohnt.“

Wenn Sie sich auf fremden Blogs zu Wort melden wollen, sollten Sie im ersten Schritt her­aus­finden, welche sich dafür überhaupt eignen. Sobald Sie sich mit einzelnen Blogs intensiver beschäftigt haben, können Sie bei passender Gelegenheit den einen oder anderen Kommentar anbringen und später vielleicht eine Frage hin­ter­her­schieben – und zwar immer klar erkennbar als Vertreter des Un­ternehmens. Wenn Sie sich als ernsthafter Kom­mu­nika­tion­spart­ner profiliert haben, dürfen Sie dann auch mal fragen, wie das Interesse an Ihren Produkten und/oder Di­en­stleis­tun­gen ist. Ist das Angebot spannend, verbreitet es sich rasch innerhalb der Blogosphäre – das ist Werbung zum Nulltarif, elek­tro­n­is­che Mund­pro­pa­ganda.

„Je sichtbarer Sie im Netz sind, umso größer ist natürlich die Chance, gefunden zu werden.“

Das Fachwort dafür lautet „Viral Marketing“ und meint nicht nur Mund­pro­pa­ganda per Blog, sondern alles, was werbenden Charakter hat und ins Internet gestellt wird, um verbreitet zu werden. Das können witzige Spots oder lustige Bilder sein. Jedenfalls etwas, was interessant genug ist, um an Freunde und Bekannte weit­ergeleitet zu werden – bis sich die Botschaft zum Nulltarif in alle (Netz-)Welt verteilt hat.

Das Twit­ter-Ge­wit­ter

Twitter steht für höchstens 140 Zeichen lange Mit­teilun­gen („Tweets“), die – ähnlich wie SMS – über Internet und Handy verschickt werden. Empfängerkreis: alle, die in­ter­essiert sind. Je mehr Empfänger („Follower“) jemand hat, desto breiter werden die In­for­ma­tio­nen gestreut. Der US-Schaus­pieler Ashton Kutcher hat mehr als eine Million Follower. Unternehmen sind keine Menschen, aber in jedem Unternehmen arbeiten Menschen. Warum also nicht den Kun­den­di­enst twittern lassen? Oder jemanden aus dem Vertrieb? Damit bekommt das anonyme Gebilde „Unternehmen“ eine Stimme, es wird persönlich. Konzerne wie Lufthansa, Vodafone, Volkswagen und Daimler haben das bereits erkannt und arbeiten an einer Twit­ter-Strate­gie. Und diese Strategie besteht eben nicht darin, stumpf für die eigenen Produkte und Leistungen zu werben. Wer in seinen Tweets immer nur lautstark für sich selbst trommelt, vertreibt sämtliche Follower. Die finden sich lieber dort ein, wo es In­ter­es­santes, Spannendes, Skurriles und Witziges zu erfahren gibt, wo es sich lohnt, informiert zu werden und zu bleiben. Deshalb gilt auch bei Twitter der Dreiklang „zuhören – fragen – senden“.

„Re­spek­tieren Sie die Macht und die Gefahren der Blogosphäre.“

Das Zuhören beginnt damit, als Follower her­auszufinden, wo wichtige und in­ter­es­sante Themen verhandelt werden. Bevor Sie sich selbst einbringen, sollten Sie sich die Frage stellen: Welchen Nutzen kann ich durch meinen Beitrag liefern? Wenn Sie sich einen Namen gemacht und Vertrauen aufgebaut haben, können Sie neue Themen anschneiden – je nachdem, welche Ziele Sie sich gesteckt haben. Vielleicht möchten Sie vor allem Kontakte generieren, den Service verbessern, Ihre Produkte und Leistungen populärer machen oder all dies zusammen. Entsprechend dem jeweiligen Ziel sollte der Ansatz ausfallen, wie Sie an Twitter herangehen. Wer sich über Twitter, Foren und Blogs als Mitglied des Web 2.0 etabliert hat, wird vermutlich auch ein Profil auf den einschlägigen Kon­tak­t­seiten wie Facebook oder Xing vorweisen können. Das Ausmaß an Interaktion fällt hier allerdings deutlich geringer aus.

Was bringt das alles?

Wie lässt sich kon­trol­lieren, wie gut die Ich-Sendun­gen bei den Empfängern ankommen? Durch steigende Kun­den­zahlen und Umsätze, klar. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, im Internet zu verfolgen, wie Ihr Unternehmen, die Marke, die Produkte oder der eigene Blog wahrgenom­men werden. Das funk­tion­iert über „Social Bookmarks“ wie Mister Wong oder Delicious. Wer dort Stichwörter hinterlässt, wird informiert, wo und in welchem Kontext diese Stichwörter auftauchen. Ver­gle­ich­bare Dienste wie Yigg und Digg nutzen diese Stichwörter, um Empfehlun­gen abzugeben, die einzelnen Links werden also bewertet. Wenn Sie einfach nur kon­trol­lieren wollen, wer sich wie über Unternehmen, Marke, Produkte oder Di­en­stleis­tun­gen äußert, können Sie die entschei­den­den Stichwörter bei Google Alert oder Technorati speichern. Diese Dienste informieren Sie dann regelmäßig, wenn es Neuigkeiten zu den Stichwörtern gibt.

„So­cial-Me­dia-Mar­ket­ing in Form von Kun­den­empfehlun­gen ist kostenlos.“

Ein Tipp zum Schluss: Es ist nicht nur möglich, die öffentliche Meinung im Netz zu erkunden und zu bee­in­flussen. Es ist darüber hinaus auch möglich, diese öffentliche Meinung in die Entwicklung neuer Produkte und Di­en­stleis­tun­gen einzubeziehen. Über UserVoice.​com etwa können aktuelle Ideen oder Prototypen ins Netz gestellt und nach Feedback gefragt werden. Im ständigen Austausch wird das Produkt oder die Di­en­stleis­tung weit­er­en­twick­elt. Was dann schließlich auf den Markt kommt, wird garantiert den Kundenbedürfnissen entsprechen – die haben es schließlich selbst mi­ten­twick­elt.

Über den Autor

Wolfgang Hünnekens ist Gründer des Institute of Electronic Business an der Hum­boldt-Uni­ver­sität Berlin und war Mitinhaber der Wer­beagen­tur Publicis in Berlin. Außerdem ist er Gast­pro­fes­sor an der Universität der Künste in Berlin und der Universität St. Gallen.