Zeitmanagement im Ausland
Im Ausland gehen die Uhren anders. Das weiß jeder, der beruflich für kürzere Termine oder auch längere Auslandseinsätze in der Ferne weilt. Menschen aus dem deutschsprachigen Raum haben ein ganz anderes Verhältnis zur Zeit als beispielsweise Südeuropäer oder viele Asiaten. Für uns ist Zeit meist Geld, d. h. alles muss schnell gehen – was uns manch unangenehme „Zeitkrankheit“ beschert hat, wie etwa negativen Stress und das Burn-out-Syndrom.
„Gutes ZZR-Management bedeutet Ausgewogenheit der drei Komponenten Zeitaufwand, Zielerreichung und Ressourcenverbrauch.“
Jeder Auslandsreisende sollte sich deshalb vor seiner Reise über die Zeitgepflogenheiten seines Gastlandes informieren. Die wichtigste Grundvoraussetzung hierfür ist soziale Kompetenz, denn sie ist der Schlüssel für interkulturelle Kompetenz. Es gibt keine Faustregel für den Umgang mit Menschen in einem bestimmten Land. In China beispielsweise gibt es fünf Zeitzonen und „den“ typischen Chinesen wird man in keiner dieser Zeitzonen finden. Je nach Region und sozialem Hintergrund gehen die Chinesen unterschiedlich mit der Zeit um. Auf dem Land gehen die Uhren langsamer, in den aufstrebenden Millionenstädten ticken sie in einem Irrsinnstempo.
„Für den Auslandseinsatz ist es von Bedeutung, die ursprünglichen Ziele mit den Gegebenheiten vor Ort abzustimmen.“
Vor allem, wenn Sie sich länger im Ausland aufhalten, gilt: Verbringen Sie so viel Zeit wie möglich mit den Einheimischen. Beobachten Sie, wie sie miteinander und mit der Zeit umgehen, und passen Sie sich an. Deutsche haben den Ruf, sehr pünktlich zu sein. Aber in diesem durchaus positiven Urteil schwingt auch die Kritik mit, dass sie vor allem die Zeit managen und im Grunde nichts mit den handelnden Menschen zu tun haben wollen. Beziehungen, und seien sie auch nur geschäftlicher Natur, benötigen Zeit und die Bereitschaft, sich aufeinander einzustellen.
Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagement
Zeitmanagement ist „in“, nicht nur wenn es darum geht, Auslandseinsätze effizient zu gestalten. Allerdings ist der Name irreführend, weil man Zeit im Grunde gar nicht managen kann. Und sparen kann man sie auch nicht, weil sie keinerlei Rendite abwirft. Deshalb ist es sinnvoller, von Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagement (ZZR) zu sprechen. Denn nur, wenn die beiden Elemente Ressourcen und Ziele mit der verwendeten Zeit in Einklang gebracht werden, kann man wirklich von Zeitmanagement sprechen.
„Auslandseinsätze erfordern seelische Robustheit und ein vitales soziales und privates Umfeld.“
Zeit steht nur einmal zur Verfügung. Der Zeitbedarf für eine Tätigkeit A kann im Vergleich zu einer Tätigkeit B hoch oder niedrig sein. Ziele dienen der Bewertung von eingesetzter Zeit. Wenn ein bestimmtes Ziel in einer bestimmten Zeit erreicht wird, spricht man von Leistung. Diese kann dann im Zeitablauf beurteilt oder mit anderen Leistungen verglichen werden. Der dritte Aspekt des ZZR-Managements beschreibt die eingesetzten Ressourcen. Diese lassen sich in Personal-, Prozess-, Informations- und Umweltressourcen unterteilen. Nur eine Gesamtschau aller Komponenten ermöglicht Aussagen über die Effizienz eines Mitarbeiters oder eines ganzen Unternehmens.
„Sorgen Sie dafür, dass das Gleichgewicht zwischen Beanspruchung einerseits und Erholung andererseits auf Dauer stimmt.“
Man muss aber schon genau hinsehen, wenn man sich ein exaktes Urteil bilden will: Der langsamere Mitarbeiter kompensiert sein mangelndes Tempo vielleicht mit einer geringeren Fehlerrate und dem schonenderen Einsatz von Ressourcen. „Management by Stoppuhr“ kann deshalb auch nach hinten losgehen.
Die sieben Prinzipien des ZZR-Managements
Die Literatur zum Zeitmanagement ist unüberschaubar. Deshalb sollen nachfolgend die wichtigsten Prinzipien des ZZR-Managements in sieben Schritten dargestellt werden. Im Zentrum steht immer die Kommunikation, denn sie ist das A und O für erfolgreiche Zeit- und Ressourcenplanung im Ausland. Keines der sieben Prinzipien ist ein Dogma. Jedes Element kann und soll variiert und in den eigenen Rhythmus integriert werden. Nur so kommen Sie vom Wissen zum Anwenden und vom Wollen zum Handeln.
Erstes Prinzip: Ziele setzen und erreichen
Viele Menschen verwechseln Ziele mit Aufgaben. Das Ziel gibt immer die Hauptstoßrichtung vor; die einzelnen Aufgaben sind Teilschritte auf dem Weg zur Zielerreichung. Beispiel: Wenn Sie den Auslandsumsatz für ein bestimmtes Produkt bis zum vierten Quartal um 4 % im Vergleich zum Vorjahr erhöhen wollen, ist das ein klares Ziel. Dieses erreichen Sie nur, wenn Sie bestimmte Aufgaben oder Maßnahmen (z. B. Schulung des Verkaufspersonals, besseres Marketing, Werbung) darauf abstimmen. Ziele sollten immer spezifisch, messbar, beeinflussbar, realistisch, zeitlich angemessen und terminiert sein. Ziele im beruflichen Bereich beeinflussen auch andere Lebensbereiche. Mitunter leiden Partnerschaft und Familie unter beruflichen Zielen, insbesondere bei einem Auslandseinsatz. Tipp: Formulieren Sie Ziele nicht nur für den Beruf, sondern auch für die Bereiche Familie und Freunde, persönliche Entwicklung und Gesundheit.
Zweites Prinzip: Planen und Prioritäten setzen
Böse Zungen behaupten, dass man mit Planung den Zufall durch den Irrtum ersetzt. Aber gerade im Projektmanagement ist es sinnvoll, die vielen parallelen Arbeiten planerisch abzugleichen und sich einen Überblick über verschiedene Ziele und Aufgaben zu verschaffen. Setzen Sie z. B. Gantt-Diagramme (bzw. einen Balkenplan) ein, um die Überlappung von Projekten und deren Meilensteine zu verfolgen. Wenn Teams zusammenarbeiten, kommen Sie um eine detaillierte Maßnahmenplanung nicht herum: Halten Sie fest, wer was mit wem bis wann erledigt. Bei jeder Planung von Aufgaben müssen Sie Prioritäten setzen. Bewährt hat sich hierfür die ABC-Analyse. A-Aufgaben sind immens wichtig und verbrauchen wenig Zeitressourcen. Bei B-Aufgaben halten sich Zeitbedarf und Ertrag die Waage. C-Aufgaben hingegen sind zeitaufwändig, besitzen aber einen sehr geringen Wert bzw. Anteil am Gesamtertrag. Konzentrieren Sie sich also auf die A- und B-Aufgaben, wenn die Zeit knapp ist, und widmen Sie sich den C-Aufgaben, wenn es ruhiger zugeht.
Drittes Prinzip: Gleiches zu Gleichem
Um es einem Expatriate so leicht wie möglich zu machen, sollte er immer von einem Kollegen, der sich bereits auskennt, in seine Tätigkeit im Ausland eingeführt werden. So lernt er Gepflogenheiten und Handgriffe schneller und effektiver als im Alleingang. Im Arbeitsalltag lohnt es sich für jedermann, die eigenen Tätigkeiten genau anzuschauen und zu „Serien“ zusammenzufügen. Der Grund: Jede isolierte Tätigkeit erfordert mehr Zeit, als wenn mehrere gleichartige Tätigkeiten hintereinander erledigt werden. Beispielsweise muss für jedes Telefonat eine Akte hervorgenommen, die wichtigsten Informationen müssen gelesen und nach dem Gespräch neue Erkenntnisse niedergeschrieben werden. So etwas läuft in Serie erheblich schneller und routinierter ab, als wenn Telefonate punktuell über den Tag verteilt werden.
Viertes Prinzip: Schriftlichkeit
Wer sich Ziele setzt und sie auch erreichen will, schreibt sie sich auf. Mündliche Ziele wirken unverbindlich. Nur schriftliche Ziele zählen und finden Beachtung. Das Prinzip ist simpel, verdient aber große Aufmerksamkeit.
Fünftes Prinzip: Störungen überwinden
Kennen Sie den Sägezahneffekt bei Ihrer täglichen Arbeit? Wenn Sie sich beispielsweise vorgenommen haben, eine Präsentation vorzubereiten, die Sie in zwei Tagen dem Kunden vorstellen wollen, sieht Ihre Planung für heute vielleicht eine dreistündige Vorbereitungszeit vor. Doch können Sie diese drei Stunden am Stück produktiv nutzen? Wahrscheinlich nicht, weil Sie ständig abgelenkt werden. E-Mails müssen beantwortet werden, das Telefon klingelt, Sie müssen schnell Aufgaben zwischendurch erledigen. Jede dieser Störungen wirft Sie bei Ihrem Hauptprojekt immer wieder ein Stück zurück, und Sie müssen einen Schritt wiederholen, sich wieder einlesen, eine Software aufrufen usw. Der Sägezahneffekt eben. Störungen können sehr vielfältig sein und im Team auch mit dem Arbeitsstil der einzelnen Mitarbeiter zusammenhängen. Wenn Sie oder das Team irgendetwas stört, sollten Sie zunächst die Ursachen für Störungen beseitigen und dann erst zur Tagesordnung übergehen.
Sechstes Prinzip: Termine setzen und einhalten
Auch wenn Sie damit dem Klischee des zeitfixierten Deutschen oder Schweizers entsprechen, sollten Sie im Ausland für wichtige Aufgaben und Gespräche Termine ansetzen. Hätten Sie die ganze Zeit der Welt zur Verfügung, wäre so etwas natürlich unnötig, aber im Arbeitsalltag ist Zeit ein knappes Gut. Auch im Ausland gelten diese Regeln. Es kommt natürlich auf das Fingerspitzengefühl im Umgang mit der anderen Kultur an, dennoch müssen in vielen Unternehmen feste Liefertermine eingehalten werden. Überdies laufen gerade die eher zeitoffenen Mitarbeiter angesichts einer näher rückenden Deadline oft zu Höchstleistungen auf. Machen Sie Ihren ausländischen Kollegen klar, dass es weniger um „German Pünktlichkeit“ als vielmehr um das Überleben des Geschäfts geht – und gerade da winken in bestimmten Branchen bei Terminverzug empfindliche Konventionalstrafen.
Siebtes Prinzip: Richtig delegieren
Delegation ist eine Kernaufgabe der Führung. Damit die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern reibungslos klappt, müssen Sie die Prinzipien des ZZR-Managements natürlich auch auf die Delegation ausweiten. Mitarbeiter benötigen klare Zeitvorgaben und Meilensteine. Erklären Sie den Kontext der Aufgabe und erläutern Sie die Ziele. Schreiben Sie niemandem haarklein vor, wie er die Aufgaben lösen soll, sondern geben Sie den Rahmen vor und verschweigen Sie auch Risiken und Stolpersteine nicht. Zu guter Letzt: Teilen Sie die Anerkennung, die Sie von oben erhalten, mit den Mitarbeitern, die für Sie die Aufgabe erfüllt haben.
Stressmanagement auf Reisen
Steht für Sie im Ausland Stress auf der Tagesordnung? Hoffentlich ist es der positiv wirkende Eustress, der Sie beflügelt, Ihre Kreativität in Wallungen bringt und Sie in freudige Erregung versetzt. Wenn es allerdings eher der lähmende und krank machende Distress ist, sollten Sie unbedingt etwas dagegen tun.
„Umfassende und hochwirksame Unterstützung bei der Stressbewältigung bieten systematische Entspannungsmethoden.“
Dauerstress belastet Ihren Körper (mögliche Folgen: hoher Blutdruck, Tinnitus, Herzinfarkt) und Ihre Psyche: Sie werden ungeduldig, jähzornig – und dann geht der Job und vielleicht sogar Ihr Privatleben den Bach runter. Sagen Sie auch mal Nein und delegieren Sie wichtige Aufgaben. Überlegen Sie bei jeder Aufgabe, ob sie dringend und sofort erledigt werden sollte und ob Sie sie selbst erledigen müssen. Tun Sie immer Wichtiges vor Dringendem. Und besonders wichtig: Sorgen Sie für ein intaktes Familienleben oder einen guten Freundeskreis; gehen Sie ins Konzert oder ins Kino, machen Sie einen Einkaufsbummel, spielen Sie mit Ihren Kindern oder faulenzen Sie einfach mal auf der Terrasse. Körper und Geist benötigen diesen Ausgleich, um Stresshormone abzubauen und wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
„Nach Flügen in östlicher Richtung gilt es, Maßnahmen zu treffen, die innere Uhr zu beschleunigen, was wesentlich schwieriger ist, weil die innere Uhr dazu neigt, langsamer zu laufen.“
Trainieren Sie, sich gezielt zu entspannen, beispielsweise mit der progressiven Muskelentspannung. Stress kann sich bei Auslandsterminen auch aufgrund des Jetlags einstellen, weil Ihre innere Uhr durcheinandergerät. Bei Reisen über mehrere Zeitzonen gen Westen gilt daher, dass Sie Ihre innere Uhr verlangsamen sollten. Das gelingt indem Sie z. B. schon Tage vor der Reise später ins Bett gehen und später aufstehen. Umgekehrt funktioniert dieser Trick, wenn Sie nach Osten reisen. Hier müssen Sie Ihren eigenen Takt beschleunigen, was allerdings wesentlich schwieriger ist.