Telefoninterviews in der Personalrekrutierung

Buch Telefoninterviews in der Personalrekrutierung

Der Praxisleitfaden zur effizienten Auswahl

expert,
Erstausgabe:2010


Rezension

Ein­stel­lungsver­fahren können zu einer lang­wieri­gen und mühsamen An­gele­gen­heit werden, ins­beson­dere wenn sich viele Bewerber für eine Stelle in­ter­essieren. Da kann es sich lohnen, zum Hörer zu greifen und eine Vorauswahl zu treffen. Ein Tele­fon­in­ter­view lässt sich allerdings nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln. Wer nicht richtig darauf vorbereitet ist, tut sich keinen Gefallen. Wie man genau vorzugehen hat, zeigt Claudia Uhrheimer in ihrem Ratgeber. Von der Im­ple­men­tierung im Unternehmen über die richtigen Gesprächstech­niken bis zur Nach­bere­itung ist alles aufgelistet, was ein Tele­fon­in­ter­view letztlich zu einem effizienten Instrument der Per­son­alauswahl macht. Hilfreich sind die aus der Praxis übernommenen In­ter­viewleitfäden am Schluss des Buches, die sich ganz leicht auf persönliche Bedürfnisse zuschneiden lassen. Einziger Minuspunkt ist die mitunter ein wenig gestelzte Schreibe. BooksInShort empfiehlt diesen handlichen Prax­isleit­faden allen, die ihre Per­son­albeschaf­fung straffer or­gan­isieren möchten, um den Wun­schkan­di­daten treffsicher und mit wenig Zeitaufwand zu finden.

Take-aways

  • Die Per­son­al­suche ist oft ein lang­wieriger und kost­spieliger Prozess.
  • Mit einem Tele­fon­in­ter­view unterziehen Sie Bewerber einer Vorauswahl.
  • Zudem können Sie es als Akqui­se­in­stru­ment einsetzen, um Top­kan­di­daten für das Unternehmen zu gewinnen.
  • Ein vollständiger Ersatz für das persönliche Gespräch ist das Tele­fon­in­ter­view nicht.
  • Beim Telefonat entfallen je 25 % Zeitanteil auf die Eröffnung und den Abschluss und 50 % auf das eigentliche Interview.
  • Sorgen Sie bei der Eröffnung für eine entspannte Atmosphäre, damit der Bewerber spontan und offen antwortet.
  • Stellen Sie offene Fragen und lassen Sie dem Kandidaten Zeit zum Antworten.
  • Wo immer Sie eine präzise Antwort benötigen, stellen Sie dem Kandidaten eine geschlossene Frage.
  • Hören Sie aktiv zu und fassen Sie komplexe Aussagen kurz zusammen.
  • Machen Sie sich Stichworte zu jeder Antwort und notieren Sie sich Zitate.
 

Zusammenfassung

Sparen Sie Zeit und Geld

Wenn sich auf eine Stel­lenauss­chrei­bung viele In­ter­essen­ten melden, dürfen Sie sich zwar freuen. Doch stapelweise Be­wer­bungsmap­pen zu durch­forsten, ist mühsam. Haben Sie dann eine Vorauswahl getroffen, nehmen die persönlichen Gespräche mindestens eine Stunde pro Kandidat in Anspruch. Diese sind in der Regel mit einem Blind Date zu vergleichen: Die Be­wer­bungsmap­pen verraten Ihnen gerade mal die Ba­sis­in­for­ma­tio­nen über die Kandidaten, die zudem annähernd gleiche Qual­i­fika­tio­nen aufweisen. Insgesamt ein mühsamer Prozess, der natürlich Geld kostet. Rund 900 € pro Bewerber dürfen Sie ansetzen. Sie sparen also Zeit und Kosten, wenn Sie zwischen der ersten Sichtung der Mappe und dem persönlichen Gespräch ein Tele­fon­in­ter­view als Auswahlin­stru­ment platzieren.

„Die mit den Be­wer­bungs­massen ein­herge­hende Überlastung der Per­son­al­abteilun­gen erschwert die qual­i­fizierte Vorauswahl und macht sie zu einem zeitrauben­den Verfahren.“

Während die einen Unternehmen die Spreu vom Weizen trennen müssen, suchen die anderen die Nadel im Heuhaufen. Auch als Personaler einer No-Name-Firma möchten Sie sich einen Top­kan­di­daten angeln, aber dazu müssen Sie ihn von den Vorzügen des Ar­beit­splatzes überzeugen. Am Telefon geht das natürlich viel besser als über ein paar Zeilen in einer Anzeige. Hier fungiert das Tele­fon­in­ter­view als Akqui­se­in­stru­ment.

„Bei einem Tele­fon­in­ter­view fallen mehr als 50 % des Gesamtein­drucks, den wir von einer Person gewinnen können, nämlich der Bereich der Körpersprache, weg.“

Ein Tele­fon­in­ter­view kann das persönliche Gespräch allerdings nicht komplett ersetzen. Denn um einen Menschen wirklich beurteilen zu können, müssen Sie ihn vor sich haben. Wenn Sie seine Mimik und Gestik nicht sehen, fehlen Ihnen entschei­dende Puz­zlesteine im Gesamtbild. Das Tele­fon­in­ter­view reduziert aber die Anzahl der Bewerber, die eingeladen werden. Besonders eignet es sich, wenn eine Stelle in einem Callcenter, im Tele­fon­mar­ket­ing oder im Vertrieb besetzt werden soll. In diesen Fällen können Sie am Telefon gleich testen, ob jemand seine Sache gut macht und ob Ihnen Sprache und verbaler Ausdruck gefallen. Vergessen Sie nicht, dass der Bewerber beim Tele­fon­in­ter­view auch einen ersten Eindruck von Ihnen und Ihrem Unternehmen erhält. Gerade Top­kan­di­daten sind wählerisch. Schon an der Zeitdauer bis zur Kon­tak­tauf­nahme werden sie die Wertschätzung ihrer Person messen – und am Interview selbst erst recht. Begegnen Sie dem Bewerber auf Augenhöhe und achten Sie darauf, dass nicht nur Sie sich In­for­ma­tio­nen beschaffen, sondern dass Sie ihm auch welche zukommen lassen.

Mit klaren Fragen viel erfahren

Als Grundlage für Ihren Fra­genkat­a­log sollte Ihnen ein klares An­forderung­spro­fil dienen. Wenn Sie nicht genau wissen, was für Fähigkeiten der künftige Stel­len­in­haber mitbringen soll, wird Ihr Tele­fon­in­ter­view ein schwammiges Gerede. Eine gute Vor­bere­itung hat also oberste Priorität. Sollte ein Fachvorge­set­zter beim Gespräch beteiligt sein, sprechen Sie sich vorher mit ihm ab und klären Sie, wer wann welche Fragen stellt. Kündigen Sie Ihrem Kandidaten das Tele­fon­in­ter­view schriftlich an und stellen Sie ihm eventuelle In­ter­view­part­ner kurz vor.

„Ohne Kenntnis der stel­len­spez­i­fis­chen An­forderun­gen fehlt jeder Per­sonal­diag­nos­tik die Grundlage.“

Der zeitliche Rahmen des Gesprächs umfasst 20–30 Minuten. Etwa 10–15 Minuten brauchen Sie für die Vor­bere­itung: Werfen Sie noch mal einen Blick in die Be­wer­bungsmappe, machen Sie sich Notizen für Ihre Fragen und sprechen Sie sich mit Ihrem internen In­ter­view­part­ner ab. Nach dem Interview werden 10–15 Minuten in die Nach­bere­itung investiert. Die ist aber nur dann ergiebig, wenn Sie während des Interviews fleißig mit­geschrieben haben. Ergänzen Sie Stichworte und Zitate des Bewerbers um Ihre persönlichen Eindrücke.

Das Drei-Phasen-Mod­ell

Zum Hörer greifen und drau­flosre­den ist un­pro­fes­sionell. Halten Sie sich stattdessen an das Drei-Phasen-Mod­ell. Damit schaffen Sie es, dem Gespräch in der knappen Zeit möglichst viele In­for­ma­tio­nen zu entnehmen.

  1. Eröffnung (25 % Zeitanteil): Fragen Sie den Bewerber zu Beginn des Interviews, ob er Zeit hat. Sind Störungen zu befürchten, verschieben Sie das Gespräch lieber. Ansonsten stellen Sie dem Kandidaten die In­ter­view­part­ner vor und sagen ihm, wie lange das Telefonat vo­raus­sichtlich dauern wird. Informieren Sie ihn darüber, dass es keinen Ton­band­mitschnitt geben wird, dass Sie sich aber Notizen machen – das erklärt Gesprächspausen, die den Bewerber sonst nervös machen könnten. Sorgen Sie für eine angenehme Atmosphäre. Damit erreichen Sie, dass der Kandidat offen antwortet. Vielleicht weisen Sie kurz darauf hin, was Ihnen an der Bewerbung besonders gefallen hat, und leiten damit zu Phase 2 über.
  2. Interview (50 % Zeitanteil): Während des In­ter­viewteils soll vor allem der Kandidat sprechen. Sie fragen kurz und präzise und bitten um spontane, auf­schlussre­iche Antworten. Damit nehmen Sie vorübergehend eine Macht­po­si­tion ein, der Bewerber steht Rede und Antwort. Verkneifen Sie sich, die Antworten zu werten. Bereits mit Bemerkungen wie „aha, gut“, „genau“ oder auch nur einem bestätigenden „hm“ bee­in­flussen Sie den Kandidaten unbewusst und bringen sich um die Chance eines wirklich aussagekräftigen Interviews. Sie dürfen ihn aber un­ter­brechen, wenn er abschweift und Geschichten erzählt.
  3. Abschluss (25 % Zeitanteil): Holen Sie den Bewerber für die Ab­schlussphase wieder auf Augenhöhe. Geben Sie ihm Gelegenheit, Fragen zu stellen, und erläutern Sie ihm, wie es nun or­gan­isatorisch weitergeht. Überlegen Sie sich vorher aber, ob er alle Ihre Fragen ausreichend beantwortet hat – nicht, dass Sie gleich noch mal anrufen müssen. Nehmen Sie sich dafür ruhig ein paar Minuten Zeit. Damit ermöglichen sie auch dem Kandidaten, sich Fragen auszudenken.

Das Gespräch eröffnen

Um von Ihrem poten­ziellen neuen Mitarbeiter ein möglichst stimmiges Bild zu erhalten, müssen Sie bei jeder der drei Phasen die geeignete Methode der Gesprächsführung einsetzen. Bemühen Sie sich in der ersten Phase darum, dem Bewerber die Nervosität zu nehmen. Denn die Angst vor einer Absage und damit vor einer Kränkung des Selb­st­wert­gefühls kann ihn daran hindern, spontane und ehrliche Antworten zu geben. Achten Sie auf eine offene, entspannte Gesprächsatmosphäre, vermitteln Sie dem Kandidaten Sicherheit und stärken Sie sein Selb­st­wert­gefühl. Lob und Anerkennung wirken Wunder, ebenso das Herstellen von persönlicher Nähe. Kommt der Kandidat z. B. aus der gleichen Stadt wie Sie oder frönt er dem gleichen Hobby, dann sprechen Sie das zu Beginn des Telefonats an. Das schafft Sympathie, lockert die Atmosphäre und vermittelt dem Bewerber ein gutes Gefühl.

Die richtigen Fragen stellen

In der zweiten Phase, dem eigentlichen Interview, kommt es besonders auf die richtige Fragetech­nik an. Wählen Sie offene Fragen, so genannte W-Fragen: Diese werden mit „was“, „wie“, „wo“, „wodurch“ usw. eingeleitet. Dadurch ist der Kandidat gezwungen, um­fan­gre­ichere Antworten zu geben als bei geschlosse­nen Fragen, wo ein Ja oder ein Nein genügt. Offene Fragen veranlassen Ihren Gesprächspartner, frei zu formulieren, seine eigene Meinung einzubrin­gen und seine Prioritäten zu benennen. Wenn Sie ihn z. B. nach seinen Bedingungen für eine gute Zusam­me­nar­beit fragen, wird er unbewusst die für ihn wichtigste als erste ansprechen. Mit offenen Fragen können Sie also jede Menge In­for­ma­tio­nen sammeln. Wechseln Sie aber zu geschlosse­nen, wenn Sie eine präzise Antwort brauchen („Sind Sie bereit umzuziehen?“).

„Die positive Stimulanz und die gezielte Wertschätzung tragen zu einer Öffnung des Kandidaten bei.“

Denkt der Kandidat erst nach, bevor er antwortet, ist das grundsätzlich ein gutes Zeichen. Manchen Interviewer verleitet es aber dazu, seine Frage umzu­for­mulieren oder eine zusätzliche zu stellen. Das hat zur Folge, dass der Befragte meist heraushört, welche Antwort Sie hören möchten bzw. worauf es Ihnen ankommt, und sich danach ausrichtet. Gewöhnen Sie sich kurze Fragen an und lassen Sie dem Bewerber ruhig Zeit. Auch eine magere Antwort nach langer Gesprächspause ist auf­schlussre­ich für Sie. Fallen die Antworten zu blumig aus, bitten Sie mit einer Präzisierungs­frage um eine kurze Zusam­men­fas­sung (z. B.: „Was ist das Wichtigste in drei kurzen Sätzen?“). Werden die Geschichten zu ausführlich, scheuen Sie sich nicht davor, den Redefluss Ihres Kandidaten zu un­ter­brechen. Redselige Menschen sind bei zeitlich knapp bemessenen Tele­fon­in­ter­views der Super-GAU.

„Aktiv zuhören ist von entschei­den­der Bedeutung im Tele­fon­in­ter­view, um Missverständnisse zu reduzieren, die gerade dadurch entstehen, dass wir nur das gesprochene Wort in­ter­pretieren können.“

Einige Bewerber verstecken sich hinter pauschalen Aussagen, weichen einer Frage aus oder äußern sich nur vage zu einem Sachverhalt. Fragen Sie in solchen Fällen so lange nach („Was genau war Ihre Aufgabe dabei?“), bis Sie eine konkrete Antwort erhalten. Falls Sie kritische oder persönliche Fragen stellen, kündigen Sie diese zuerst als solche an.

Richtig zuhören

Haben Sie alles verstanden? Ein entschei­den­der Punkt beim Tele­fon­in­ter­view ist nämlich das richtige Zuhören. Es gibt jede Menge Fehlerquellen: Das Gesagte wird in­ter­pretiert, verwechselt, missver­standen oder in Gedanken ergänzt, und nicht immer kommt beim Empfänger das an, was der Sender vermitteln wollte. Mit aktivem Zuhören können Sie aber gegen­s­teuern. Das fängt schon damit an, dass Sie einfach nur still sind und sich auf Ihren Gesprächspartner konzen­tri­eren, anstatt gedanklich schon weit­erzu­ga­lop­pieren. Weil beim Tele­fon­in­ter­view der Blick­kon­takt fehlt, geben Sie Ihrem Gesprächspartner mit einem „Ja“ oder „Mhm“ zu verstehen, dass Sie ihm zuhören. Fassen Sie komplexe Aussagen kurz zusammen („Ich habe eben verstanden, dass ...“) oder haken Sie bei Bedarf nach.

„Manchmal lohnt es sich, auch Zitate mitzuschreiben, die besonders aussagekräftig oder außergewöhnlich waren.“

Vergessen Sie bei alldem aber nicht das Mitschreiben, sonst sitzen Sie hinterher vor einem leeren Blatt, das Sie mit Erin­nerun­gen füllen müssen – und das geht oft daneben. Am einfachsten fällt Ihnen die Doku­men­ta­tion, wenn Sie einen Leitfaden zum Interview vor sich liegen haben, der direkt neben den Fragen Platz für Notizen lässt. Wenn Sie mal etwas mehr auf­schreiben möchten, kündigen Sie eine kurze Gesprächspause an. Damit dem Bewerber nicht langweilig wird, stellen Sie eine Zusatzfrage, über die er eine Weile grübeln kann.

„Das Tele­fon­in­ter­view wird in der letzen Phase wieder zu einem Dialog, was für den Bewerber deutlich spürbar sein sollte.“

Wenn Sie alle Fragen gestellt und sich überzeugt haben, dass nichts vergessen wurde, geben Sie dem Bewerber in der dritten Phase einen deutlichen Hinweis, dass das Interview beendet ist und er nun seinerseits die drin­gend­sten Fragen stellen kann. Die letzte Phase soll ein Dialog sein, in dem sich die Gesprächspartner auf Augenhöhe befinden.

Top­kan­di­daten für sich gewinnen

Hoch qual­i­fizierte Bewerber suchen sich das Unternehmen aus, in dem sie arbeiten möchten. Wenn Sie das Tele­fon­in­ter­view als Akqui­se­in­stru­ment einsetzen, haben Sie die Chance, Ihre Firma im besten Licht darzustellen und den Top­kan­di­daten zu umwerben. In diesem Fall findet das ganze Gespräch auf Augenhöhe statt. Die Eröff­nungsphase und der Abschluss haben deutlich mehr Gewicht als der In­ter­viewteil. Von Bedeutung ist jetzt vor allem, dass Sie Ihr Unternehmen und die aus­geschriebene Position umfassend vorstellen und attraktiv präsentieren.

„Damit das Tele­fon­in­ter­view einen mo­tivieren­den Charakter erhält, sollten wir uns gut überlegen, aus welchen möglichen Motiven heraus sich ein Kandidat für eine Stelle in­ter­essiert.“

Sprechen Sie bei Ihrem Wun­schkan­di­daten die Gefühlsebene an. Fast 90 % unserer Entschei­dun­gen sind nämlich emotional bedingt. Sprechen Sie also Aspekte an, mit denen Sie in diesem Bereich punkten: die tolle Ar­beit­sat­mo­sphäre oder die flachen Hierarchien. Sparen Sie nicht mit Lob für den Bewerber, zeigen Sie ihm Ihre Wertschätzung und machen Sie klar, warum Ihr Stel­lenange­bot für ihn besonders interessant ist. Vereinbaren Sie am Ende einen Termin für ein persönliches Gespräch und bedanken Sie sich für das Telefonat.

Über die Autorin

Claudia Uhrheimer ist Dipl.-Be­trieb­swirtin und war für nationale und in­ter­na­tionale Unternehmen in der Or­gan­i­sa­tions- und Per­son­alen­twick­lung tätig. 2001 gründete sie die Un­ternehmens­ber­atung Potenzial, seit 2002 un­ter­richtet sie an der Fach­hochschule Wiesbaden als Dozentin für den Bereich Per­sonal­man­age­ment.