Eine Botschaft für die Nachwelt
Der amerikanische Autor Kurt Vonnegut schlug vor knapp 20 Jahren vor, dass wir vor dem ökologischen Kollaps unseres Planeten die folgende Nachricht für außerirdische Besucher hinterlassen sollten: „Vielleicht hätten wir uns retten können, aber wir waren zu faul, es ernsthaft anzupacken – und zu kleinkariert.“ Es liegt an uns, unseren Kindern und Enkelkindern das Gegenteil zu beweisen. Eine gute Nachricht zum Kohlendioxid, dem Klimakiller Nummer eins: Wenn wir ab morgen kein überschüssiges, d. h. von der Natur nicht absorbierbares CO2 mehr produzieren würden, würde die Hälfte des vom Menschen verursachten Treibhausgases innerhalb von 30 Jahren aus der Atmosphäre verschwinden. Und die schlechte: Der Rest wird sehr viel langsamer abgebaut werden. 20 % des Kohlendioxids, das wir in diesem Jahr in die Luft pusten, werden die Erdatmosphäre noch in 1000 Jahren aufheizen.
Erneuerbare Energien
Wir müssen von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Erdöl und Erdgas loskommen. Insgesamt produzieren sie 86,5 % der von uns genutzten Primärenergie – Energie, die uns unterm Strich ein Vermögen kostet. Denn die Kosten für die Umweltverschmutzung und die geopolitische Instabilität sind in den Marktpreisen nicht inbegriffen. In den erneuerbaren Energien steckt hingegen ein riesiges ungenutztes Potenzial: 50 Tage Sonnenlicht enthalten z. B. so viel Energie, wie durch die Verbrennung sämtlicher Öl-, Kohle- und Erdgasvorräte auf der Erde gewonnen würde. Die Kosten für erneuerbare Energien werden in Zukunft drastisch zurückgehen. Das Moore’sche Gesetz, wonach die Speicherkapazität von Computerchips sich alle 18–24 Monate verdoppelt, schuf die Grundlagen für die Informationsrevolution. Auf ähnliche Weise werden Innovationen, Effizienzsteigerungen und Skalenwirkungen die Kosten für umweltfreundliche Technologien senken. Und wenn die Infrastruktur erst einmal steht, ist der „Brennstoff“ kostenlos:
- Solar: In Sonnenwärmekraftwerken wird Wasser durch riesige Spiegel erhitzt und über Turbinen in Strom umgewandelt. Eine andere Methode besteht darin, über fotovoltaische Zellen Sonnenlicht direkt in Elektrizität umwandeln. Die Fotovoltaik profitiert enorm von Skaleneffekten, die sich durch höhere Produktionszahlen ergeben.
- Wind: Windenergie basiert auf einer ausgereiften und vergleichsweise kostengünstigen Technologie. Der Ausbau potenter Offshore-Windparks hat gerade erst begonnen. Die natürlichen Schwankungen von Wind- und Solarenergie bleiben allerdings ein Problem: Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, fließt kein Strom. Plug-in-Hybridfahrzeuge könnten als fahrende Energiespeicher einen Ausgleich schaffen.
- Geothermie: Energie aus dem Innern der Erde steht für mehr als heiße Quellen, Vulkane und Geysire. Moderne geothermische Anlagen zapfen Hitze mehrere Kilometer tief unter der Erde an, sodass heute viele Regionen dafür infrage kommen. Wärmeaustauschpumpen nutzen Erdwärme dezentral zum Heizen und Kühlen von Gebäuden.
- Nachwachsende Rohstoffe: Nicht alles, auf dem „erneuerbar“ steht, ist klimafreundlich: Die Herstellung von Kraftstoffen aus Nahrungsmitteln wie Mais schadet mehr, als sie nützt. Biokraftstoffe der zweiten Generation werden hingegen aus schnell wachsenden Pflanzen mit hohem Zellulosegehalt und aus organischen Abfällen gewonnen. Auf Mülldeponien entstehen durch Zersetzungsprozesse beträchtliche Mengen an klimaschädlichem Methangas, das ohne große Zusatzkosten abgefangen und in Energie umgewandelt werden kann.
- CO2-Abscheidung und -Speicherung: Die Technologie verspricht zurzeit mehr, als sie halten kann. Erstens müsste man für die energieintensive Abscheidung ein Drittel mehr Kohle verfeuern, um den gleichen Stand der Stromerzeugung zu halten. Zweitens gibt es nach wie vor keine sicheren Lagermöglichkeiten für das verflüssigte CO2. Drittens würden die vielen anderen umweltschädlichen Begleiterscheinungen der Kohlegewinnung und -verarbeitung weiter bestehen. Die Kohleindustrie nährt die Illusion, dass die Technologie kurz vor einem Durchbruch stünde, um weiter Kraftwerke bauen zu können. Umgekehrt tut sie aber nichts, sie zu realisieren.
- Kernenergie: Ein Hauptgrund für den langjährigen Niedergang der Atomkraft ist die Tatsache, dass sie schlicht unwirtschaftlich ist. Kein privater Investor will heute noch sein Geld dafür hergeben. Zudem birgt die Wiederaufbereitung von nuklearem Brennstoff das Risiko, dass waffenfähiges Plutonium in die Hände von Terroristen gerät. Und der CO2-Fußabdruck dieser Technologie ist größer als sein Ruf: Er beträgt zwar nur ein Drittel im Vergleich zur Kohle, aber das Acht- bis Dreißigfache vergleichbarer Wind-, Solar- oder Geothermiekraftwerke.
Wälder als grüne Lungen bewahren
Zwischen 20 und 23 % der globalen CO2-Emissionen entstehen durch die Abholzung von Wäldern. Jedes Jahr verschwindet eine riesige Fläche Wald von unserem Planeten. Dem Klima schadet das gleich doppelt: Bei der üblichen Brandrodung entweicht das im Holz gebundene CO2. Und verbrannte Bäume sind nicht mehr in der Lage, CO2 aus der Luft zu absorbieren. Doch Wälder tun noch viel mehr: Sie verhindern Bodenerosion und Verwüstung, speichern Feuchtigkeit und lassen Wolken regnen. Um zu verhindern, dass weiterhin Millionen Hektar tropischen Regenwaldes in Weideland oder Palmölplantagen verwandelt werden, müssen wir den Wald aufwerten. Wenn man Bäume an ihrer Fähigkeit messen würde, CO2 zu „atmen“, wären sie mit einem Schlag mehr wert als das Holz ihrer Stämme oder der Boden, auf dem sie stehen. Experten schätzen, dass die weltweite Entwaldung bei einem Preis von 30 $ pro Tonne CO2 um 80 % reduziert würde.
Potente CO2-Kammern im Boden
Jeder Gärtner weiß: Je schwärzer der Boden, desto fruchtbarer ist er. Der Grund ist der Kohlenstoff. In unseren Böden lagert ca. viermal so viel Kohlenstoff wie in den darauf wachsenden Pflanzen und doppelt so viel, wie sich gegenwärtig in der Atmosphäre befindet. Ökologisch nachhaltige Anbaumethoden sind zugleich klimafreundlich, da sie die Böden mit Kohlenstoff anreichern. Möglichkeiten sind:
- Direktsaat ohne Pflügen: Pflanzenreste bleiben liegen, damit sich der Boden von selbst regeneriert und gegen Erosion geschützt wird.
- Schutz von Feuchtgebieten und Torfmoorwäldern: Diese enthalten – noch vor den arktischen Permafrostböden – die größten Kohlenstoffreserven.
- Abhängigkeit von Stickstoffdünger reduzieren: Er ist energieintensiv in der Herstellung, verschmutzt Gewässer und verringert den Kohlenstoffgehalt der Böden.
- Anreizsysteme verändern: Landwirte müssen für die Anreicherung, nicht den Abbau von Kohlenstoff in ihren Böden belohnt werden.
- Einsatz von Biokohle: Sie wird hergestellt, indem Biomasse sauerstoffarm verbrannt wird. Biokohle hilft den Böden, sich zu regenerieren, und entzieht der Atmosphäre CO2.
- Einsatz von Knöllchenbakterien und Mykorrhizapilzen: Sie beschleunigen die Bodenregeneration und unterstützen die Aufnahme von Kohlenstoff.
„Die Vereinigten Staaten borgen sich nach wie vor Geld von China, um Öl vom Persischen Golf zu kaufen und es auf eine Weise zu verbrennen, die den Planeten zerstört. Das muss sich ändern, und zwar komplett.“
Besser bestellte Böden könnten nach Ansicht von Experten bis zu 15 % der von fossilen Brennstoffen verursachten Emissionen pro Jahr aufnehmen. Viele der genannten Methoden würden vor allem den armen Ländern zugutekommen und dazu beitragen, drohende Hungerkatastrophen abzuwenden.
Weniger ist mehr – Energie sparen
Am schnellsten und einfachsten können wir CO2-Emissionen reduzieren, indem wir weniger Energie verschwenden. Einige Möglichkeiten:
- Energie zweimal nutzen: Die meisten amerikanischen Kraftwerke gewinnen nur aus einem Drittel der Energieträger Elektrizität. Durch Kraft-Wärme-Kopplung lässt sich diese Menge verdoppeln: Anstatt die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme verpuffen zu lassen, wird sie zum Heizen oder – per Wärmetauscher – Kühlen von Gebäuden genutzt.
- Prozesse verbessern: z. B. ineffiziente Industriemotoren durch effizientere austauschen.
- Recyceln: Papier, Getränkeflaschen und -dosen, Baumaterialien usw. wiederverwerten.
- Grüner wohnen: bessere Isolierung, modernes Fensterdesign, effizientere Lichtsysteme, Warmwassersysteme, Haushaltsgeräte einsetzen.
„Die Wahl ist Ehrfurcht gebietend und potenziell für die Ewigkeit. Sie liegt in den Händen der heutigen Generation. Es ist eine Entscheidung, um die wir uns nicht drücken können, und eine Wahl, die von allen noch kommenden Generationen betrauert oder gefeiert werden wird.“
Effizienzsteigerung ist wie Geldvermehrung: Jeder ausgegebene Dollar zahlt sich doppelt aus. Leider fehlt in den USA das technische Rückgrat für viele der vorgeschlagenen Maßnahmen: ein neues Hochspannungsstromnetz, das Supernetz. Dieses könnte schwankende Stromeinspeisungen z. B. aus Solar- und Windkraftwerken über weite Entfernungen und ohne große Verluste transportieren. Intelligente, online gesteuerte Verteilernetze würden eine wechselseitige Kommunikation zwischen Stromanbietern und Verbrauchern erlauben.
Ein neues Steuermodell
Unser Wirtschafts- und Finanzsystem krankt an chronischer Kurzsichtigkeit: Vor 50 Jahren hielten Investoren Aktien durchschnittlich sieben Jahre. Im August 2009 waren es noch sechs Monate. Manager versuchen durch abenteuerliche Zahlenakrobatik die Quartalsergebnisse hochzutreiben, anstatt in langfristige, nachhaltige Ziele zu investieren. Dramatisch schwankende Ölpreise und inkonsequente Fördermaßnahmen führen dazu, dass Investitionen in erneuerbare Energien einer Achterbahnfahrt gleichen. Diese irreführenden Marktmechanismen lassen sich nur durch eine Kombination der folgenden Maßnahmen korrigieren: eine Steuer auf alle CO2-Emissionen, Emissionshandel mit festen Obergrenzen und die direkte Regulierung von Treibhausgasemissionen über Gesetze. Für das Steuermodell werden sich in den USA vorerst keine politischen Mehrheiten finden. Auf lange Sicht geht aber kein Weg daran vorbei.
Fragen, die uns unsere Kinder stellen werden
In den USA kommen auf jeden Abgeordneten vier von der Kohle-, Öl- und Energieindustrie bezahlte Lobbyisten. Die Koalition der größten Klimasünder beschloss bereits Anfang der 90er Jahre, „die globale Erwärmung als Theorie statt als Tatsache neu zu positionieren“. Erdacht wurde die Kampagne übrigens von den gleichen Strategen, die zuvor im Dienst der Tabakindustrie die Schädlichkeit von Tabak geleugnet hatten. Die Medien spielen ihnen in die Hände, indem sie mit einer scheinobjektiven „Einerseits-andererseits“-Berichterstattung so tun, als gehe es beim Klimawandel um politische Meinungen statt um wissenschaftlichen Konsens. Moderne Informationstechnologien können helfen, den Nebel aus erkauften Lügen zu durchdringen und die Herausforderung des Klimawandels sicht- und begreifbar zu machen. IT-Anwendungen wie interaktive Strommesser haben das Potenzial, unser Verhalten nachhaltig zu verändern. Und das Internet ermöglicht es Aktivisten weltweit, sich zu vernetzen, Wissen auszutauschen und sich politisch zu organisieren. Nachfolgende Generationen werden einmal auf diese Zeit, in der wir leben, zurückschauen und uns eine von zwei Fragen stellen. Entweder: Was habt ihr euch nur dabei gedacht? Habt ihr die Warnungen nicht gehört? Oder: Wie habt ihr den Mut gefunden, die Klimakrise abzuwenden? Es liegt an uns, welche dieser beiden Fragen wir in 30 Jahren beantworten.