Desperately Seeking ... Managers
Eine kurze Verschnaufpause haben sich die Chinesen gegönnt, doch jetzt geht es wieder los. Den Titel „Exportweltmeister“ haben sie den Deutschen bereits abgeknöpft, aber längst geht es nicht mehr allein um die Ausfuhr. China legt den zweifelhaften Ruf als „verlängerte Werkbank des Westens“ immer mehr ab und entwickelt sich selbst zu einem vielversprechenden Markt.
„Global Sourcing ohne China ist heute nicht mehr denkbar.“
Das sind gleich zwei überzeugende Gründe für Unternehmen aus aller Welt, nach China zu drängen. Die Folge: Es gibt mancherorts weder genügend qualifizierte Arbeiter noch geeignete Manager. Umso rücksichtsloser wird vor Ort um Mitarbeiter auf allen Ebenen gebuhlt und gekämpft. Einheimische Mitarbeiter wechseln schnell „für eine Handvoll Yuan“ mehr zum Konkurrenten um die Ecke. Deshalb treibt viele Unternehmen die Frage um: Wie gewinne und wie halte ich Fachkräfte?
Der Chef, der aus dem Flugzeug stieg
Wenn ausländische Unternehmen möglichst viele Managementposten an Chinesen vergeben, hat das meist einen finanziellen Hintergrund: Expatriates kommen die Unternehmen wesentlich teurer als einheimische Führungskräfte. Daher beschränken sich viele europäische Unternehmen darauf, nur die Posten des Geschäftsführers und des Finanzchefs mit Nicht-Chinesen zu besetzen. Diese Zurückhaltung ist nicht immer klug – am wenigsten bei Joint Ventures.
„China ist derzeit Weltmeister im Mitarbeiterwechsel.“
Sollen Führungspositionen besetzt werden, kommen entsandte Manager aus dem Stammhaus, angeheuerte westliche Manager, Chinesen mit Auslandserfahrung (die sie in Job oder Studium gesammelt haben) und lokal verankerte Chinesen in Frage. Um zu beurteilen, wer für die jeweilige Position am besten geeignet ist, sind acht Aspekte zu beleuchten:
- Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Westeuropäern
- Kenntnisse der chinesischen Arbeitsweisen – in Unternehmen wie in Behörden
- Interkulturelle Kompetenz: das Wissen um Land und Leute
- Englischkenntnisse
- Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Chinesen
- Anpassungsfähigkeit an die Unternehmenskultur des Arbeitgebers
- Chinesischkenntnisse
- Wissen um Entscheidungsstrukturen beim Arbeitgeber
„Einen guten Manager zu finden ist nur die halbe Miete. Wie man ihn langfristig an das Unternehmen binden kann, ist die andere Hälfte.“
Können die Kandidaten in mehreren dieser acht Punkte nicht überzeugen, gibt es zwei Möglichkeiten: weitersuchen oder weiterhelfen. Möchten Sie etwa einen langjährigen Mitarbeiter von der Zentrale nach Schanghai schicken, so kann dieser die Punkte zwei, drei und fünf, die allesamt mit den Verhältnissen vor Ort zu tun haben, selten abdecken und er muss sicher, um Punkt sieben zu erfüllen, zusätzliche Sprachkurse in Mandarin besuchen.
„Der aus dem Staatsbetrieb kommende Manager ist die denkbar schlechteste Wahl für ein Auslandsunternehmen.“
Je konkreter entsandte Manager auf die Verhältnisse vor Ort vorbereitet werden, desto schneller können sie ihre Aufgabe erfüllen. Leider berichten viele Führungskräfte, sie hätten das Gefühl, ins kalte Wasser geworfen worden zu sein. Sie schätzen ihre Einarbeitungszeit auf 18 bis 24 Monate. Diese Zeit lässt sich auf sechs bis acht Monate verkürzen durch eine geeignete Vorbereitung, die weniger „Land und Leute“ pauschal abhandelt als auf die konkreten Probleme fokussiert, auf die ein Expatriate-Manager im Arbeitsalltag stoßen kann – etwa mangelndes Qualitätsbewusstsein der Belegschaft oder allzu vollmundige Versprechungen der Lieferanten. Auch die Rechtslage sollte beizeiten vermittelt werden, um teure Fehler zu vermeiden. Bei allen anderen Managern mit Zielort China ist es notwendig, sie mindestens ein halbes Jahr lang im Stammhaus zu beschäftigen, damit sie merken, wie ihr Arbeitgeber tickt, und damit sie „Stallgeruch“ annehmen.
„Chinesen informieren sich viel und ausführlich im Internet.“
Wer vor Ort seine Manager rekrutiert, sollte nach deren Erfahrungen unterscheiden: Wer zuvor nur Staatsbetriebe kennengelernt hat, ist für westliche Unternehmen kaum zu gebrauchen – zu langsam ist meist die Lernkurve. Solche Manager sind nur dort sinnvoll einzusetzen, wo es auf den Grad der Vernetzung ankommt (Zoll, überhaupt im Umgang mit Behörden). Deutlich besser sieht es mit Führungskräften aus, die bereits einschlägige Erfahrungen gesammelt haben. Aber auch diese Manager sollten regelmäßig ins Stammhaus geholt werden, um ihren Arbeitgeber besser zu verstehen und die nötige Loyalität zu entwickeln.
Denn sie wissen nicht, was sie tun sollen
Wie finden Sie geeignete Führungskräfte, wenn Sie sie nicht im eigenen Haus rekrutieren? Personalberater zu engagieren lohnt sich nur für wirklich hohe Positionen. Für alle anderen Jobangebote bieten sich neben den Inseraten im Internet weiterhin Print-Anzeigen an (normale Produktionsarbeiter werden immer per Zeitungsinserat gesucht). Viele Unternehmen nutzen verstärkt die Möglichkeiten, auf Job-Messen die Studierenden anzusprechen. Diese Methoden sind allerdings zeitaufwändig, weil die Qualität in der schieren Masse nicht leicht zu erkennen ist. Eben deshalb ist die Suche nicht immer von Erfolg gekrönt. Zumal die Arbeitgeber den Kandidaten eines nur selten zumuten können: die Stadt zu wechseln. Chinesen sind sehr heimatverbunden und verzichten lieber auf die schnelle Karriere als etwa von Schanghai nach Kanton zu ziehen.
„Interkulturelle Kompetenz und professioneller Umgang mit Gesichtswahrung sind Voraussetzung, dass der beste Kandidat für die Position gewonnen werden kann.“
Als größtes Rekrutierungsproblem nennen westliche Arbeitgeber übereinstimmend die ungenügende Berufserfahrung der Bewerber in einer ausländischen Firma. Oft mangelt es an der Qualifikation (je nach Region sind 30 bis 70 % der Hochschulzeugnisse gefälscht!) und an Englischkenntnissen. Fast jedes zweite Unternehmen hat erleben müssen, dass ein Kandidat trotz unterschriebenem Arbeitsvertrag nicht zu Arbeit erschienen ist – da hat jemand anders wohl noch mehr geboten ... Wer den Job wechselt, kann sein Gehalt häufig um 50 % steigern, mitunter gar verdoppeln.
„Mitarbeiterführung in China bedeutet, durch das eigene positive Beispiel mit vorbildlicher Selbstdisziplin und Überzeugung zu führen.“
Wer als chinesischer High Potential gilt, kann sich den Arbeitgeber aussuchen. Das realisieren Personalverantwortliche beim Bewerbungsgespräch nicht immer – und ebenso wenig ist ihnen ihre Neigung bewusst, flüssig englisch parlierende Kandidaten zu bevorzugen, auch wenn die stockend antwortenden fachlich vielleicht mehr drauf haben. Diese Hemmschwelle, verbunden mit der zurückhaltenden Art vieler Chinesen, sorgt dafür, dass die Westler monologisieren und die Kandidaten einfach nicken. Was beiden Seiten nicht weiterhilft.
„Wenn der Lehrer versagt, verliert er sein Gesicht.“
Im Warming-Up persönliche Fragen zu stellen, erscheint Westlern trivial – für Chinesen hat der Umgang mit der persönlichen und familiären Situation einen hohen Stellenwert. Ebenso wichtig ist es den Kandidaten, Anerkennung für bisher erbrachte Leistungen zu erhalten und am Ende des Gesprächs deutliches Interesse vermittelt zu bekommen.
Der „pater familias“
Kooperativer Führungsstil nach europäischer Art kommt in China nicht an. Wer die Meinung seiner Mitarbeiter einfordert, zeigt Schwäche und signalisiert: Ich weiß nicht, was das Beste ist. Vorgesetzte müssen nicht nur jederzeit Kompetenz ausstrahlen, sie müssen sich zugleich als Vater der Kollegenfamilie fühlen – und entsprechend handeln. Chinesen verstehen sich in erster Linie als Familienmenschen, und so wollen sie auch gesehen und behandelt werden.
„Der persönliche Bezug zum ausländischen Trainer ist erfolgsentscheidend, weil die Schulung in China stark personenbezogen ist.“
Der Vorgesetzte ist – streng und gütig – zugleich der Lehrer. Er führt und leitet seine Schüler, instruiert sie. Selbstständiges Denken und Handeln geziemen sich nicht, genaues Nachahmen hingegen wird belohnt. Wer Fragen stellt, könnte sein Gesicht verlieren; wer gar knifflige Fragen stellt, könnte dafür sorgen, dass der Lehrer sein Gesicht verlöre – beides gilt es zu vermeiden. Chinesen wollen über den Arbeitsalltag hinaus eine persönliche Beziehung aufbauen. Gelegentliche Freizeitaktivitäten sind also Pflicht.
„Die Belegschaft eines Unternehmens versteht sich als große Familie, deren Oberhaupt der Geschäftsführer ist.“
Dieses Muster greift auch, wenn Trainer eingesetzt werden, um die chinesischen Mitarbeiter zu schulen. Erfahrungen aus den 90er-Jahren belegen, dass Trainer unzureichend auf das Lernverhalten der Chinesen vorbereitet und sich ihrer Vorbildrolle überhaupt nicht bewusst waren. Das führte zu Enttäuschungen auf beiden Seiten.
Die drei Facetten des „Wir“-Gefühls
Im Laufe von zwölf Monaten kündigt jeder sechste chinesische Manager; in Metropolen wie Peking, Schanghai oder Kanton jeder vierte. Der höhere Lohn beim neuen Arbeitgeber ist meist nicht der einzige Grund für den Wechsel. Auch fehlende Aufstiegschancen und ein schlechtes Betriebsklima (mangelnde Fürsorge durch den europäischen Geschäftsführer!) treiben viele einheimische Führungskräfte zur Kündigung.
„In China werden Verhandlungen wesentlich gründlicher vorbereitet als in Deutschland.“
Dem lässt sich am besten durch den Aufbau eines Wir-Gefühls begegnen. Das beginnt damit, dass die Vorgesetzten sich wie Väter benehmen. Die Mitarbeiter finden ihren Platz in der Firmenfamilie und fühlen sich aufgehoben. Um sich dessen zu vergewissern, eignen sich gelegentliche Freizeitaktivitäten (Kino und Sport, gemeinsame Abendessen).
„Nachkarten ist eine normale und gängige Verhandlungstaktik der Chinesen.“
Sie können das Wir-Gefühl auch stärken, indem Sie Ihren Mitarbeitern bei der Karriere helfen. Wem immer wieder ein Expatriate aus dem Stammhaus vor die Nase gesetzt wird, der fühlt sich als Manager zweiter Klasse. Durch Schulungs-, Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme lässt sich dieser Eindruck vermeiden – wenn danach tatsächlich der Karrieresprung kommt.
Die für das Wir-Gefühl notwendige dritte Komponente ist Geld. Wer 10 bis 20 % mehr als den Branchendurchschnitt zahlt, ist vor Abwerbungen recht gut geschützt. Was chinesische Mitarbeiter oft für selbstverständlich halten, ist eine Darlehensfinanzierung für eine Wohnung oder ein Auto. Nur wenn alle drei genannten Facetten ihre Wirkung entfalten, entsteht das gewünschte Wir-Gefühl – und in der Folge die Loyalität zum Arbeitgeber.
Erst kommt der Mensch, dann das Geschäft
Einander tief in die Augen schauen, dann ein kräftiger Händedruck – so läuft das nicht in China. Die Geschäftspartner dort bereiten sich ausführlich vor, protokollieren die Gespräche und bereiten sie nach. Wer nicht dieselbe Ernsthaftigkeit und Expertise an den Verhandlungstisch bringt, hat die Folgen zu tragen – entweder kommt das Geschäft nicht zustande oder der westliche Partner wird über den Tisch gezogen.
Oft werden spezifische Eigenheiten ignoriert – etwa, dass die Verhandlungen eine politische Komponente haben können. Dann muss die zuständige Behörde involviert werden. Oder dass Chinesen die Essenszeiten (11:30 Uhr für das Mittag-, 17:30 Uhr für das Abendessen) strikt einhalten. Wer also die Verhandlungen „überzieht“ oder zu einem ungünstigen Zeitpunkt beginnen lässt, bringt sie ohne Not ins Stocken.
Es ist zwecklos, durch rigides Verhandeln „verlorene“ Zeit wieder wettmachen zu wollen. Wer mit der Tür ins Haus fällt, mindert die Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss. Chinesen betonen zuerst unstrittige Punkte und verschieben Probleme auf der Agenda nach hinten. Und selbst dann werden sie nach westlichen Maßstäben eher verschämt angesprochen. Dahinter steht der Versuch, ein harmonisches Miteinander als Arbeitsgrundlage zu schaffen. Nie vergessen: Erst der persönliche Kontakt ermöglicht den geschäftlichen.