Steigende Ansprüche in der Servicewelt
Jeden Tag nehmen wir zahlreiche Services in Anspruch. Diese auf vielfältige Art und Weise erbrachten Leistungen erleben wir höchst unterschiedlich. Wann wird ein Service als gut empfunden? Darauf eine schlüssige Antwort zu geben, fällt auch erfahrenen Serviceanbietern nicht leicht, denn viele Services werden intuitiv erbracht. Die fehlende Systematik kann dazu führen, dass Services kaum hinterfragt werden oder dass es schlichtweg unterlassen wird, auch mal die Kundenperspektive einzunehmen. Genau wie bei Produkten braucht es auch bei Dienstleistungen eine konstante Weiterentwicklung: Kundenbedürfnisse ändern sich, der technologische Fortschritt erfordert Anpassungen. Erst eine konsequente Analyse und Strukturierung der Services ermöglicht die Unterstützung durch eine so genannte Servicearchitektur: zur Nutzung von Synergien, zur Entwicklung von Märkten und zur Verbesserung der Qualität und des Ressourceneinsatzes.
„Service wird immer wichtiger und ist häufig das entscheidende Kaufargument.“
Der Service bzw. Kombinationen von Service- und Produkteigenschaften machen rund zwei Drittel der Kaufargumente aus – das haben Tests gezeigt. Die reinen Produkt- bzw. Lösungseigenschaften treten in den Hintergrund. Ein professioneller Service wird daher immer wichtiger. Jeder Service unterstützt den Kunden dabei, seine Ziele besser zu erreichen. Der Dienstleister trägt hier die Risiken der Leistungserbringung.
„Dienstleister, die keinen vollständigen Lifecycle anbieten, verlieren fast zwangsläufig ihre Kunden im Rahmen des Lifecycle wieder.“
Der Trend zu standardisierten Dienstleistungen hat individuelle Lösungen in den Hintergrund treten lassen. Dies ist aus Sicht des Kunden häufig unbefriedigend, da oft bereits kleine Anpassungswünsche abgewiesen werden. Soll man solchen Situationen einem Kundenwunsch nachgeben? Ja – wenn Sie bereit sind, Servicebausteine einzusetzen. Diese ermöglichen Services, die gleichzeitig industrialisiert und kundenspezifisch sind.
Serviceleistungen wirkungsvoll strukturieren
Zur Strukturierung von Services eignet sich das Matrixmodell. Es bildet die Basis, um das Serviceangebot transparent darzustellen, Ressourcen zu planen und das Angebot der einzelnen Bausteine weiterzuentwickeln. Im ersten Schritt erstellen Sie eine Matrix, auf der Sie in horizontaler Richtung die einzelnen Services und in vertikaler die Themen eintragen. Die Services beschreiben, was an den Objekten gemacht wird, die Themen definieren die Objekte an sich. In einer Kfz-Werkstatt ergibt sich z. B. als Service („Was wird gemacht?“) „Durchsicht“ und als Thema („Woran wird etwas gemacht?“) „Pkw“. Ein Servicethema ist ein Schnittpunkt aus Service und Thema. Aus mehreren Schnittpunkten entsteht ein kundenspezifisches Serviceprodukt.
„Die Sicht der eigenen Mitarbeiter zu berücksichtigen, ist beim Definieren der Themen wichtig. Nur durch ein Verständnis der resultierenden Matrix können die Mitarbeiter die Strukturen leben und mit ihrer eigenen Kreativität weiterentwickeln.“
Im nächsten Schritt formulieren Sie Ihre verschiedenen Serviceangebote schriftlich, für eine Kfz-Werkstatt z. B. Autounfallinstandsetzung und Autodurchsicht. In den nachfolgenden Schritten wird jedes Ihrer Angebote in seine Bestandteile zerlegt und in die Matrix übertragen. Sind alle Angebote untersucht und in der Matrix ergänzt worden, so lässt sich aus den Zeilen die Methodenkompetenz und aus den Spalten die Fachkompetenz ablesen. Die Schnittstellen zeigen die spezifischen Serviceangebote, die von den Kunden nachgefragt werden können. Ein Vorteil der Matrix liegt auch in der kontinuierlichen Ausbau- und Entwicklungsmöglichkeit: Sie können z. B. das aktuelle Angebot in geplante, nicht mögliche oder nicht gewünschte Servicethemen untergliedern.
Der Lebenszyklus von Dienstleistungen
Ebenso sollten Sie eine Analyse Ihres Angebots im Hinblick auf den Lebenszyklus jeder Leistung durchführen. Generell unterscheidet man bei Services die drei Phasen Planung, Umsetzung und Betrieb. Ein Dienstleister, der nicht in allen Phasen Leistungen anbietet, wird u. U. vom Kunden nicht berücksichtigt oder verliert ihn in einer nachgelagerten Phase.
„Würde jede Lösung individuell entwickelt, könnten keine Synergien genutzt werden. Die Leistungen wären qualitativ nicht ausgereift und zu teuer.“
So kann sich etwa ein Architekt mit einem Bauträger zusammentun, der die Ausführung seines Entwurfs übernimmt, statt den Auftrag nach der Planungsphase an irgendjemand zu verlieren. Achtung: Manchmal wollen Dienstleister zu viel und bieten unglaubwürdige Lösungen an – würden Sie z. B. einem Installateur, der gleichzeitig Notdienst, Beratung und Planung auf seinen Dienstwagen schreibt, zutrauen, dass er Sie zwischen zwei Notdiensten unabhängig und fundiert berät? Diese Skepsis entsteht bei Kunden insbesondere dann, wenn kein klares Serviceangebot vorliegt.
„Prozesse bilden das Bindeglied der Servicebausteine.“
Die eingehende Analyse der Matrix muss auch die vertikale Sicht der Themen umfassen. Diese stellen schließlich aus Kundenperspektive den eigentlichen Zweck dar, z. B. die benötigte Reparatur. Bieten Sie als Dienstleister tatsächlich alle Services an, die nötig sind, um für das jeweilige Thema eine hochwertige Lösung zu haben? Verfügen Sie über die notwendigen Mittel und Ressourcen? Falls dies nicht der Fall ist, muss eine Differenzierung vorgenommen werden. Ein Friseur etwa könnte entscheiden, nur noch Erwachsene zu bedienen, aber keine Kinder, für die er einen speziellen Stuhl anschaffen müsste. Das Thema der Spalte „Haareschneiden“ muss also stärker differenziert werden.
Rahmenservices
Allgemeingültige Services, z. B. Personalwesen, Facility-Management oder Controlling, bilden einen der Matrix übergeordneten Rahmen, da sie keinen konkreten Bezug zu deren Themen haben. Ein Dienstleister muss sich im Klaren sein, in welchem Umfang Rahmenservices anfallen und von wem diese geleistet werden. Gerade bei Rahmenservices stellt sich oft die Frage nach Outsourcing, da diese Prozesse keine direkte Wertschöpfung generieren und meist auch keine Kernkompetenz darstellen.
„Bevor Sie beginnen, Prozesse zu definieren, und in eine ,Regelungswut‘ verfallen, hören Sie zuerst in Ihre Organisation hinein. Es gibt schon sehr viele Prozesse, von einigen haben Sie vielleicht noch nichts ,gehört‘, sie aber schon ,gespürt‘.“
Stellvertretend für die verschiedenen Rahmenservices sei hier die Funktion des Vertriebs erwähnt. Das größte vertriebliche Potenzial stellen die Servicemitarbeiter selbst dar, da diese am häufigsten und intensivsten Kontakt zu den Kunden haben. Gerade bei komplexeren Leistungen ist es am besten, wenn die Servicemanager diese selbst verkaufen. Dennoch kann der Vertrieb den Dienstleister entlasten, z. B. mit einheitlichen Angebotslayouts, Datenbankpflege usw. Der Dienstleister muss jedoch für klare Aufgabenabgrenzungen sorgen. Dazu kann es für Servicemanager auch motivierend sein, an den Bonusprogrammen des Vertriebs beteiligt zu werden, tragen sie doch wesentlich zum Umsatzerfolg bei.
„Den perfekten Dienstleister gibt es nicht. Die Jeder-kann-alles-Mentalität funktioniert meistens nicht.“
Zusammenfassend kann man sagen, dass eine konsequent umgesetzte Matrix verschiedenste Bereiche, wie etwa die Strategieentwicklung, die strukturierte Ideenfindung, die Auswahl von Lieferanten und neuen Mitarbeitern, die Preisstellung oder auch Investitionsentscheide unterstützt.
Bausteine für Services: die PARIS-Methode
Ein erfolgreicher Dienstleister benötigt Basisbausteine, um flexible, kundenorientierte Lösungen anzubieten. Zur vollständigen Betrachtung aller notwendigen Bausteine dient das so genannte PARIS-Modell, das für Prozesse, Anwendungen, Ressourcen, Infrastrukturen und Steuerung steht. Dazu wird die Servicematrix um eine dritte Dimension erweitert, und den Servicethemen werden die Elemente des PARIS-Modells zugeordnet.
P wie Prozesse
Prozesse verbinden die einzelnen Servicebausteine miteinander. Am Anfang und am Ende eines Prozesses steht der Kunde. Die Organisationsform des Dienstleisters hat Einfluss auf die Erbringung des Service. Grundsätzlich können jedoch mit jeder Organisation erfolgreich Dienstleistungen angeboten werden. Allen Formen ist gemeinsam, dass immer Prozesse zum Einsatz kommen. Die entsprechenden Prozessverantwortungen müssen hierbei klar geregelt sein. Sie entstehen nicht von selbst. Darüber hinaus unterliegt auch ein Prozess den Phasen eines Lebenszyklus. Diese sind von den einzelnen Prozessverantwortlichen zu berücksichtigen. Eine entsprechende Prozessdarstellung, z. B. als Workflow, ist sinnvoll, wenn dazu einheitliche Darstellungsformen angewendet und Prozesse so verbindlich gemacht werden.
A wie Anwendungen
Unter Anwendungen sind die Softwarehilfsmittel zu verstehen, die Dienstleister zur Erstellung ihrer Services benötigen. Heutzutage wären Anbieter ohne Softwarehilfe kaum mehr in der Lage, Serviceprodukte zu entwickeln und anzubieten. Dennoch kann gerade ein effizienter Einsatz von Anwendungen zur Differenzierung von Dienstleistungen führen.
„Definieren Sie als Erfolg, was den Kunden, nicht, was Sie glücklich macht.“
Zu den wichtigsten gehören zum einen ERP-Lösungen (Enterprise Resource Planning), die sich als unternehmensweite Lösungen aber kaum zur Differenzierung eignen, und zum anderen CRM-Anwendungen (Customer-Relationship-Management). CRM-Systeme sind für Dienstleister essenziell. Eine reine Adressdatenbank reicht heute aber nicht mehr aus. Moderne Systeme erlauben z. B. eine ABC-Klassifizierung der Kunden, die bestimmt, ob und in welchem Umfang Kunden künftig betreut und entwickelt werden. Weitere Softwareunterstützung erhalten Sie durch Workflow-Tools und Dokumentationsapplikationen. Sie dienen der Prozessbeschreibung und sorgen für reibungslose Abläufe.
„Externe Servicepartner können in das eigene Angebot einbezogen werden. Am Ende muss das Portfolio gegenüber dem Kunden aber aus einem Guss sein.“
Bei der Auswahl der einzusetzenden Software gilt der Grundsatz: „Small is beautiful.“ Oft genügen kostenlose Open-Source-Anwendungen oder einfache Standard-Softwarepakete. Die Software muss dem Zweck – d. h. dem Kundenbedürfnis – folgen und nicht umgekehrt.
R wie Ressourcen
Als wesentliche Ressourcen sind neben dem Personal das Wissen, die finanziellen Mittel und die Betriebsmittel zu nennen. Beim Servicepersonal ist die Kundenorientierung entscheidend. Dabei gilt als Grundsatz: „Der Mitarbeiter ist am besten wie der Kunde selbst.“ Sind sich Kunde und Mitarbeiter ähnlich, sind Gemeinsamkeiten gegeben, die die Basis einer u. U. langjährigen Zusammenarbeit bilden. Dies muss auch bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter beachtet werden.
„Vernünftig strukturiertes und abgelegtes Wissen ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil.“
Gehen Sie lieber Kompromisse bei den Fachkenntnissen ein, als bei sozialen Kompetenzen Abstriche zu machen. Fehlende fachliche Fähigkeiten können aufgrund der Servicematrix identifiziert und entwickelt werden. Kann eine Leistung wegen fehlender eigener Ressourcen nicht erbracht werden, können Sie externe Partner integrieren, um nicht auf den Service verzichten zu müssen. Der Dienstleister muss aber immer sicherstellen, dass die Leistung aus Sicht des Kunden aus einem Guss erfolgt.
I wie Infrastruktur
Infrastrukturen lassen sich nach Basisinfrastrukturen und differenzierbaren Infrastrukturen unterscheiden. Erstere sind für die Serviceerstellung unbedingt erforderlich. Jeder Kunde setzt voraus, dass diese Einrichtungen vorhanden sind und funktionieren – z. B. dass ein Heizungsservice-Mitarbeiter auch ein geeignetes Fahrzeug hat, mit dem er zum Kunden kommt. Sofern dies gegeben ist, sind weitergehende Investitionen unnötig und würden nur zu irrelevanten, evtl. sogar überdimensionierten Strukturen führen.
„Servicearchitektur ist kein einmaliges Projekt, sondern ein laufender Prozess.“
Die differenzierbaren Infrastrukturen hingegen ein zusätzliches, sehr bedeutsames Merkmal: Durch sie kann sich der Dienstleister aus Sicht des Kunden von Mitbewerbern differenzieren (z. B. durch ein auffälliges Fahrzeug mit einem speziellen Design). Sie erzeugen daher eine große Hebelwirkung.
S wie Steuerung
Die Servicebausteine legen den Grundstein für eine effiziente Steuerung. Es gilt, strategisch und nicht taktisch zu steuern. Dabei sind die richtigen Prioritäten zu setzen, statt dass dauernd Feuer gelöscht werden muss. Nur eine ausgewogene Steuerung erzeugt beim Kunden das Gefühl von Verlässlichkeit und bringt langfristig den nötigen Mehrwert.