Ressourceneffizienz in der Produktion

Buch Ressourceneffizienz in der Produktion

Kosten senken durch Cleaner Production

Symposion,


Rezension

Un­ternehmens-Su­doku – so könnte man das Cleaner-Pro­duc­tion-Konzept auch nennen. Wie das japanische Zahlenrätsel setzt es Intelligenz und Analysefähigkeit voraus. Und es kann sogar richtig Spaß machen, geht es doch darum, die teuer eingekauften Ressourcen im Unternehmen so sinnvoll und komplett wie möglich zu nutzen – und damit bares Geld zu sparen. Recycling ist gut, Cleaner Production ist besser, sagen die Autoren, denn Letztere vermeidet im Idealfall bereits, dass teure Rohstoffe überhaupt zu Abfällen werden. So manch einer wird sich nach der Lektüre des Buches wie ein Detektiv durch das Unternehmen bewegen, um alle En­ergie­ver­braucher, Rohstoff­daten und Prozesss­chritte aufzuspüren und zu optimieren. BooksInShort empfiehlt das Buch Geschäftsführern, Be­trieb­sleit­ern, Qualitäts- und Umwelt­beauf­tragten, En­ergiev­er­ant­wortlichen und Pro­jek­tleit­ern im pro­duzieren­den Gewerbe.

Take-aways

  • Bisher legten umwelt- und kosten­be­wusste Unternehmen den Fokus auf Recycling.
  • Recycling allein genügt nicht. Besser ist es, Abfall zu vermeiden und so Kosten zu senken.
  • Material, das als Abfall oder Emission endet, schlägt doppelt zu Buche: Es kostet sowohl beim Einkauf als auch bei der Entsorgung.
  • Cleaner Production hat zum Ziel, möglichst viele Ressourcen ins Produkt einfließen zu lassen.
  • Im Idealfall können Abfälle und Emissionen komplett vermieden werden.
  • Analysieren Sie alle Pro­duk­tion­sprozesse in Ihrem Unternehmen hin­sichtlich ihres Ressourcenver­brauchs.
  • Berücksichtigen Sie nicht nur den Einsatz von Material und Rohstoffen, sondern auch denjenigen von Energie (Strom, Wärme, Druckluft).
  • Eine In­put-Out­put-Analyse bildet den Einsatz und das Endprodukt aller Rohstoffe ab.
  • Eine En­ergieanalyse zeigt auf, an welcher Stelle Energie verbraucht bzw. umgewandelt wird.
  • Mitarbeiter ver­schiedener Abteilungen sollten sich an der Umsetzung von Cleaner Production beteiligen.
 

Zusammenfassung

Recycling war gestern, Cleaner Production ist heute

Umweltschutz kostet nicht nur, wie viele meinen, sondern kann Unternehmen helfen, Geld zu sparen. Das gelingt, wenn Sie sys­tem­a­tisch Energie, Abwasser und Abfälle im Unternehmen analysieren und deren Verbrauch bzw. Ausstoß optimieren. Dabei hilft ein Ansatz, der als Cleaner Production bezeichnet wird. Er durch­leuchtet alle wichtigen Pro­duk­tion­sprozesse und zielt darauf ab, die Kosten für Roh-, Hilfs- und Be­trieb­sstoffe sowie für Energie zu senken und Abfall langfristig komplett zu vermeiden.

„Cleaner Production bedeutet, Prozesse so zu optimieren, dass die einge­set­zten Ressourcen möglichst effizient in Produkte umgewandelt werden.“

Cleaner Production beruht auf dem Prinzip der Nach­haltigkeit und der Ressourcenef­fizienz. Es fügt sich in die An­forderun­gen an ein ISO-zer­ti­fiziertes Umweltschutz­man­age­ment, wie es für viele Betriebe vorgeschrieben ist, ein. Im klassischen Umweltschutz galt Recycling als das Non­plusul­tra, um Abfälle und Emissionen zu reduzieren. Heute widmet man sich beim vo­rauss­chauen­den Umweltschutz der Frage, woher die Abfälle und Emissionen kommen und warum sie überhaupt zu Abfall geworden sind. Cleaner Production versucht also, das Problem sozusagen an der Wurzel zu packen. Es ist ein Konzept, das sowohl große als auch kleine Unternehmen anwenden können. Natürlich muss es jeweils fir­men­spez­i­fisch umgesetzt werden, wobei Branchenkenn­zahlen und Beispiele anderer Unternehmen sowie zahlreiche Arbeitsblätter und Sicher­heits­datenblätter helfen können, in­di­vidu­elle Verbesserun­gen herbeizuführen.

An der Quelle ansetzen

Cleaner Production behandelt nicht nur die Symptome, sondern begibt sich an die Quelle des Problems. Das bedingt, dass alle Prozesse, die zur Produktion notwendig sind, genau unter die Lupe genommen werden. Ein Beispiel: In einem Presswerk hatte man erkannt, dass die Umrüstzeiten der Werkzeuge in den Pressen sehr lange dauerten. Man filmte an einer Beispiels­mas­chine mit einer Videokamera drei Werkzeug­wech­sel und analysierte anschließend mit den Mi­tar­beit­ern jeden Schritt, wobei Dauer und of­fen­sichtliche Fehler beim Wechsel notiert wurden. Daraufhin entwickelte man den idealen Ablauf und schuf die or­gan­isatorischen Vo­raus­set­zun­gen dafür: Material an der richtigen Stelle, kürzere Wege, bessere Schulungen zur Fehlerver­mei­dung usw. Dadurch ließ sich der Werkzeug­wech­sel von vorher 20 Minuten auf acht Minuten verkürzen. Die Folge: bessere Auslastung, weniger Fehler, geringerer Ma­te­ri­alver­schleiß, mo­tiviert­ere Mitarbeiter.

„Cleaner Production ist automatisch auch eine vere­in­fachte Version eines Umwelt­man­age­mentsys­tems.“

Zahlreiche einfache Verbesserun­gen im Be­trieb­sablauf können die Kosten deutlich senken und den Ressourcenein­satz optimieren. Einige Beispiele:

  • Nicht benötigte Apparate und Maschinen abschalten.
  • Vorgaben für Reini­gungsin­ter­valle, zu verwendende Mittel und Werkzeuge einhalten.
  • Viele ver­schiedene Reini­gungsmit­tel auf wenige reduzieren.
  • Reinigungs- und Wartungsin­ter­valle hin­ter­fra­gen.
  • Lösungsmittel rückgewinnen.
  • Mehrwegver­pack­un­gen einsetzen.
  • An­geliefertes Ver­pack­ungs­ma­te­r­ial zum Verpacken/Schützen der aus­geliefer­ten Ware wieder verwenden.
  • Ab­fal­lvor­rich­tun­gen (Container, Müllbehälter) mit Auf­schriften und Farb­markierun­gen sauber trennen.

Die wahren Ab­fal­lkosten

Vielen Unternehmen ist das Potenzial nicht bekannt, das in einem verbesserten Einsatz der teuer gekauften Roh-, Hilfs- und Be­trieb­sstoffe sowie der notwendigen Energie steckt. Wer aber verstanden hat, dass Abfälle aus Materialien bestehen, die zuvor teuer eingekauft wurden, wird nach Möglichkeiten suchen, sie zu minimieren und so weit wie möglich der Produktion zuzuführen. Denn die Kosten, die vom Abfall verursacht werden, sind weitaus höher als die Entsorgungskosten allein. Das Beispiel einer Lackiererei zeigt dies deutlich: Sie verbraucht pro Jahr rund 4000 kg Lack zu einem Durch­schnittspreis von 15 € pro Kilo. Beim Auftragen werden aus technischen Gründen jedoch nur 40 % des Lackes für das Objekt verwendet, der Rest landet als Lacknebel auf dem Boden. Dieser getrocknete Restmüll, rund 1000 kg jährlich, wird für 300 € pro Tonne entsorgt. Die Gesamtkosten liegen jedoch weit höher, denn sie beinhalten auch den Kaufpreis des zu 60 % nicht verwendeten, aber teuer eingekauften Lacks, was in diesem Fall mit 36 000 € zu Buche schlägt. Dieser Betrieb täte also gut daran, zu überlegen, ob man z. B. mit Lack­ierk­abi­nen der Lack­ver­schwen­dung Herr werden könnte.

So gehen Sie vor

Wenn Sie in Ihrem Unternehmen Cleaner Production einführen möchten, sollten Sie das am besten mit einem Team angehen, das aus Mi­tar­beit­ern un­ter­schiedlicher Abteilungen zusam­menge­setzt ist. So vereinen Sie ver­schiedene Kompetenzen. Planen Sie das Projekt detailliert. Die erste große Aufgabe ist eine saubere Zuordnung von Abfällen und Emissionen und den zugehörigen Kosten. Die folgenden Analy­sev­er­fahren können Ihnen dabei helfen:

  • In­put-Out­put-Analyse: Bei dieser Analyse geht es darum, In­ef­fizien­zen aufzudecken. Sie basiert auf dem ersten Hauptsatz der Ther­mo­dy­namik: „Masse bleibt stets erhalten.“ Dieser Satz macht deutlich, dass eingesetzte Rohstoffe entweder direkt ins Produkt fließen oder in umge­wan­del­ter Form als Abfälle oder Emissionen übrig bleiben. Für die Analyse stellen Sie die Rohstoffe dem Produkt, die Hilfsstoffe den Neben­pro­duk­ten, die Be­trieb­sstoffe dem Abfall und die eingesetzte Energie der Abwärme gegenüber. Die Daten für die Mengen und Kosten können Sie aus der Buchhaltung, dem Einkauf, der Produktion, dem Verkauf und evtl. der Ab­fall­wirtschaft zusam­men­tra­gen, um so ein Gesamtbild zu erhalten.
  • Stoff­stro­m­analyse: Sie ergänzt die In­put-Out­put-Analyse und zeigt den Ma­te­ri­alein­satz, den Anfallort, die Mengen und Ursachen von Abfällen und Emissionen auf. Um die zu be­tra­ch­t­en­den Stoffe auszuwählen, hat es sich bewährt, den Weg der zehn teuersten und der zehn giftigsten Rohstoffe sowie der zehn wichtigsten Abfälle Ihres Betriebes nachzuze­ich­nen. Anhand eines so erstellten Fließbildes können Sie erkennen, an welchen Stellen Abfälle entstehen und aus welchen Rohstoffen sie stammen.
  • En­ergieanalyse: Bereits eine Kurzanalyse liefert hier wertvolle Aussagen. Dazu ist ein Gang durch das Unternehmen notwendig sowie eine Analyse aller vorhandenen en­ergiebe­zo­ge­nen Dokumente (Stromver­brauch). Außerdem erfassen Sie Ver­brauchsmuster, z. B. den täglichen, monatlichen und jährlichen En­ergie­ver­brauch sowie Spitzen­zeiten/-verbräuche. Schließlich stellen Sie die Leistungen der wichtigsten Ver­brauch­sorte im Betrieb zusammen. Nun können Sie oft schon erkennen, wo es teure Spitzen­verbräuche gibt, und überlegen, wie sich diese entzerren lassen. Oder Sie stellen z. B. fest, dass der Nachtver­brauch hoch ist, obwohl gar nichts produziert wird. Suchen Sie die Ursache, indem Sie die Mitarbeiter aus dem be­tr­e­f­fenden Bereich hinzuziehen.
  • En­ergiefluss­di­a­gramm: Es hilft Ihnen, die einzelnen Ar­beitss­chritte sichtbar zu machen, sie mit Zahlen zu versehen und so eine Basis für die anschließenden Verbesserun­gen zu schaffen. Neben typischen Ver­lustquellen wie zu hohem Druck­luftein­satz gibt es auch Lecks im Druck­luft­netz, Iso­la­tion­ss­chwach­stellen in Heiz- und Kühlleitungen oder zu tiefe Stromspan­nun­gen: All diese En­ergiefresser können Sie eliminieren.

Ver­mei­dung­sop­tio­nen finden

Sie haben ver­schiedene Energieflüsse, Stoffverbräuche und Prozesss­chritte sichtbar gemacht und kennen damit die Ist-Sit­u­a­tion. Um Verbesserun­gen zu entwickeln, können Ihnen Fall­beispiele anderer Unternehmen, Branchenkenn­zahlen, Unterlagen der Cleaner-Pro­duc­tion-Ini­tia­tive sowie Sicher­heits­datenblätter oder technische Datenblätter Ihrer Lieferanten helfen. Diese können sich z. B. auf die ideale Rezeptur oder Dosierung, die bestmögliche technische Einstellung oder die ideale Luft- oder Raumtem­per­atur beziehen.

„Ein Projekt zur Einführung von Cleaner Production im Unternehmen lässt sich am besten anhand einer de­tail­lierten Roadmap mit entsprechen­dem Meilen­steinkonzept durchführen.“

Um zu kreativen und brauchbaren Lösungen zu gelangen, sollten Sie Mitarbeiter aus den betroffenen Bereichen einbinden. Es haben sich ver­schiedene Lösungsansätze bewährt, die Sie z. B. in Verbindung mit einem Brain­storm­ing einsetzen können:

  • Ab­fal­lka­r­ton: Während einer Woche wird der gesamte Pro­duk­tion­s­ab­fall in einem geeigneten Behältnis gesammelt und anschließend analysiert. Überlegen Sie, ob einzelne Teile ersetzt oder wiederver­wen­det werden können, warum das Material zu Abfall geworden ist und ob sich dies vermeiden ließe.
  • 3 x Warum: Fragen Sie dreimal hin­tere­inan­der, jedes Mal tiefer gehend, warum an einer bestimmten Stelle Abfall oder z. B. ein hoher Wasserver­brauch entstanden ist. Gehen Sie an den jeweiligen Ver­brauch­sort und prüfen Sie, ob dort durch einfache Maßnahmen (Be­wusst­seinsänderung der Mitarbeiter, Wasserzähler) bereits Einfluss genommen werden kann.
  • Minus 5 %: Hier geht es ums Ex­per­i­men­tieren. Sie könnten z. B. aus­pro­bieren, ob sich die Dosierung bei einem Chemikalienein­satz problemlos um 5 % reduzieren ließe, ohne Qualitätseinbußen in Kauf nehmen zu müssen. Das Gleiche gilt für den Einsatz von Reini­gungsmit­teln.
„Der Verbrauch an Energieträgern führt zu enormen Stoffflüssen.“

Die ver­schiede­nen Ideen werden nun bewertet und auf ihre Um­set­zbarkeit überprüft; die In­vesti­tio­nen und Einsparun­gen werden kalkuliert, dann wird entschieden. Wichtig: Cleaner Production ist kein einmaliger Prozess. Vielmehr entwickeln Sie mit ihm un­ternehmensspez­i­fis­che Lösungen und eigene Kennzahlen, anhand derer sich auch zukünftig die Ressourcenef­fizienz messen lässt. Regelmäßige Messungen und Controlling der Kennzahlen sind daher unerlässlich und bilden ihrerseits die Basis für kon­tinuier­liche Verbesserun­gen.

Cleaner Production im Verbund

Sie müssen Cleaner Production nicht unbedingt im Alleingang umsetzen. Ökoprofit ist ein ganzheitlicher Ansatz, der regionale Unternehmen miteinander verbindet und der eine nachhaltige Wirtschaftsweise zum Ziel hat. Der Ansatz wurde in Österreich seit 1994 von rund 180 Unternehmen un­ter­schiedlich­ster Größe erprobt. Dabei kamen Ressourceneinsparun­gen von 40 Millionen Euro zusammen – und das ist nur die Summe der Einsparun­gen des ersten Jahres.

„Prozessänderungen führen meistens zu einer Veränderung im En­ergiebere­ich.“

Das Programm von Ökoprofit besteht aus gemeinsamen Workshops von Un­ternehmern un­ter­schiedlicher Branchen, in­di­vidu­eller Beratung, einer regionalen Ausze­ich­nung und Arbeiten im Netzwerk, um Synergien zu nutzen. Zwei Beispiele:

  • Ein Stahlwerk konnte nach Durchlaufen des Programms seinen Wärmeeinsatz pro Tonne Stahl um ganze 25 % reduzieren. Zudem speist es seitdem über 20 GWh Wärme ins Fernwärmenetz der Stadt ein.
  • Ein Elox­ier­be­trieb konnte den Säure- und Lau­gen­ver­brauch um 50 % und den Wasserver­brauch um 95 % reduzieren.
„Das Entwickeln von Optionen zum vor­sor­gen­den Umweltschutz ist das eigentliche Herz jedes Cleaner-Pro­duc­tion-Pro­jekts.“

Ob Regenwasser zur Kühlung genutzt wird, eine neue Kosten­rech­nung zu mehr Transparenz und damit zu genaueren Bestell­men­gen führt oder Prozess­wasser durch Vaku­umdes­til­la­tion getrocknet und das Konzentrat als Neben­pro­dukt weit­er­ver­wen­det wird – die Möglichkeiten, durch Cleaner Production Kosten zu sparen und umweltscho­nen­der zu handeln, sind enorm.

Über die Autoren

Dr. Johannes Fresner ist Geschäftsführer der Stenum GmbH in Graz und seit Jahren in­ter­na­tional als Berater im vor­sor­gen­den Umweltschutz tätig. Er hat in rund 200 Betrieben Projekte zur Cleaner Production umgesetzt. Dr. Thomas Bürki ist beratender Ingenieur mit eigenem Unternehmen und Mitglied des Be­ratung­sor­gans der Schweiz­erischen Regierung für Fragen der Klimaänderung. Henning H. Sittel ist Berater im vor­sor­gen­den Umweltschutz und Pro­jek­tleiter bei der Ef­fizienz-Agen­tur Nor­drhein-West­falen.