Die Stadt und die Hunde

Buch Die Stadt und die Hunde

Barcelona, 1963
Diese Ausgabe: Suhrkamp,


Worum es geht

Hart, aber herzlos

Die Stadt und die Hunde ist Mario Vargas Llosas atem­ber­aubende Premiere auf der lit­er­arischen Weltbühne. Der peruanische Schrift­steller erzählt eine Geschichte von Moral, Humanität und Unangepass­theit. Eine Gruppe Kadetten wird in einer Maschinerie willkürlicher Gewalt geschunden wie Charlie Chaplin im Räderwerk von Moderne Zeiten. Wie Chaplin übt auch Vargas Llosa beißende Kritik an der Doppelmoral und der Un­men­schlichkeit des Systems. Der Roman ist eine scho­nungslose Fabel über Nonkon­formis­mus und darüber, dass auch der moralis­chste Mensch in einem un­moralis­chen System nicht bei seinen Grundsätzen bleiben kann: Wer nicht mitspielt, wird ausgestoßen oder bezahlt gar mit dem Leben. In diese harte Realität webt der Autor auch zärtliche Seiten und zeigt das Leben außerhalb der Militärschule – glückliche und unglückliche erste Lieben, Einsamkeit und Un­sicher­heit pu­bertieren­der Jungs. Die Charaktere der Kadetten sind berührende Studien über Außenseitertum und über die un­ter­schiedlichen Strategien, damit umzugehen. Mario Vargas Llosa bezieht klar Stellung: Das brutale System ewig gestriger, korrupter Uniformträger ist ein böses Erbe der Ver­gan­gen­heit. Ihre Zukunft erlangen die Charaktere erst am Ende wieder: draußen, in Freiheit.

Take-aways

  • Mit seinem Romandebüt Die Stadt und die Hunde wurde der peruanische Schrift­steller Mario Vargas Llosa schlagartig bekannt.
  • Inhalt: An der Militärakademie Leoncio Prado in Lima herrschen barbarische Zustände: Willkür, Gewalt, Macht­miss­brauch, Perversion. Als ein Kadett bei einer Feldübung durch einen Schuss stirbt, stellt die Schule seinen Tod als Unfall dar. Sein einziger Freund glaubt an Mord und gerät in ein Netz von Verrat und Verleumdung. Am Ende stellt das System seine eigene Ordnung wieder her; wer sich nicht anpasst, wird mundtot gemacht.
  • Die Stadt und die Hunde ist eine vielschichtige Erzählung über Gewalt und Männlichkeit­skult im Militär.
  • In der Figur des Kadetten Alberto hat sich der Autor selbst dargestellt: Vargas Llosa besuchte Anfang der 1950er-Jahre die im Buch beschriebene Militärschule.
  • Mit dem harschen Realismus seines Romans setzte sich Vargas Llosa in Kontrast zum magischen Realismus seines Konkur­renten Gabriel García Márquez.
  • Das militärkritische Buch sorgte für großes Aufsehen: Offiziere verbrannten aus Protest 1000 Exemplare des Romans.
  • Mit Die Stadt und die Hunde wurde Vargas Llosa Teil des sogenannten lateinamerikanis­chen Booms, einer Blütezeit südamerikanis­cher Literatur.
  • Die Stadt und die Hunde wurde in über 30 Sprachen übersetzt und zweimal verfilmt.
  • 2010 erhielt Vargas Llosa den Lit­er­aturnobel­preis für „seine Analyse der Macht­struk­turen mit messer­schar­fen Bildern“.
  • Zitat: „Eier aus Stahl muss man hier haben, verstehst du? Entweder du machst die anderen zur Sau, oder die anderen machen dich zur Sau.“
 

Zusammenfassung

Hauen und Stechen an der Militärakademie

Nachts in der Militärakademie Leoncio Prado: Eine Gruppe Schüler würfelt darum, wer ins Schulgebäude einbrechen soll, um die Aufgaben für die Chemieprüfung zu klauen. Das Los trifft Porfirio Cava. Dummerweise zertritt er nach voll­brachter Tat die zuvor sorgfältig ausgebaute Fen­ster­scheibe. Er hat versagt. Der Jaguar, der Anführer der Schülergang, putzt ihn dafür so herunter, dass Cava sich vor Angst in die Hose macht.

„Eier aus Stahl muss man hier haben, verstehst du? Entweder du machst die anderen zur Sau, oder die anderen machen dich zur Sau.“ (Alberto zu Ricardo, S. 23)

Mit Angst vertraut ist auch der Kadett Ricardo, den die Kameraden wegen seiner Fügsamkeit „Sklave“ nennen. Er wuchs zunächst bei seiner Mutter auf und kam erst mit acht Jahren zu seinem Vater, einem brutalen, unnahbaren Mann, unter dem er viel zu leiden hatte. Hier, auf der Akademie, gilt Ricardo weniger als alle anderen.

„(…) und der Jaguar hat immer noch gelacht, ich erinnere mich noch genau, wie er gelacht hat, während ich die Zwerge verprügelt hab.“ (Boa, S. 37)

Der Kadett Alberto findet ebenfalls keinen Gefallen am gewalttätigen Männlichkeit­skult an der Militärakademie, doch anders als Ricardo ist er keineswegs kon­flik­tscheu. Er hat sich innerlich abgehärtet, um nicht unter die Räder zu kommen. In einem Gespräch mit Ricardo wirft er diesem vor, er lasse sich wider­stand­s­los vom Jaguar demütigen. Ricardo verteidigt sich: Er möge es einfach nicht, sich zu prügeln. Alberto zeigt Verständnis, meint aber, Ricardo müsse lernen, sich zu wehren. Er verspricht, ihm bei Bedarf Liebes­briefe für etwaige Angebetete zu schreiben, und leiht sich im Gegenzug von Ricardo Geld für einen Ausflug in den Puff, zu der Nutte Pies Dorados.

Die Maffia

Beim Mor­ge­nap­pell hält der Teniente Gamboa ein spontanes Strafritual ab: Die drei zuletzt Er­schiene­nen jeder Abteilung können zwischen Straf­punk­ten oder einem Tritt in den Arsch wählen – alle ziehen die Körperstrafe vor, die prompt durchgeführt wird.

„Die Stimme des Capitán Garrido verkündete, (…) dass man hier Männer aus ihnen machen werde, dass der soldatische Geist aus drei schlichten Elementen bestehe: Gehorsam, Arbeit und Mut.“ (S. 52)

Wer als „Hund“ neu an die Schule kommt, wird von den anderen erst einmal hart rangenommen. Für die „Taufe“, das brutale Ini­ti­a­tion­sritual, sind die Neuankömmlinge den Älteren einen Monat lang jeden Tag acht Stunden aus­geliefert, müssen sich anspucken und schlagen lassen, müssen Stiefel lecken, mas­tur­bieren, Urin trinken und noch weitere Demütigungen über sich ergehen lassen. Der Jahrgang des Jaguars war der erste Jahrgang, der sich die Taufe nicht einfach hat gefallen lassen. Unter der Führung des Jaguars verbündeten die Neulinge sich zur „Maffia“ und schlugen zurück. Ihre Racheak­tio­nen setzten einen Kreislauf der Gewalt in Gang. Doch schließlich bekam der Teniente Gamboa Wind von der Sache und machte der Maffia ein Ende.

Alberto hintergeht den Sklaven

Gamboa erwischt Alberto während einer Klasse­nar­beit mit einem Spickzettel. Er zerreißt Albertos Arbeit. Ricardo stellt sich als derjenige, der Alberto den Zettel hat zukommen lassen, und bekommt fürs Wochenende Aus­gangssperre. Das bedeutet: Er kann sich nicht mit Teresa treffen, seiner Angebeteten. Alberto soll ihr darum eine Nachricht übermitteln. Stattdessen geht er aber selbst mit ihr ins Kino und macht ihr Avancen. Geschme­ichelt stellt er fest, dass sie die Kadetten von Leoncio Prado für Raufbolde hält. Der Abend endet vor Teresas Haustür. Die beiden verabreden sich für den nächsten Tag zu einem erneuten Kinobesuch.

„Was er nicht ertragen konnte, war das Grauen dieses Eingeschlossen­seins, die unendliche Einsamkeit, die von außen kam, die er nicht selbst gewählt, die ihm jemand übergestülpt hatte wie eine Zwangsjacke.“ (über Ricardo, S. 139)

Zu Hause findet Alberto einen Umschlag mit Geld von seinem Vater, sodass er trotz des teuren Kinobesuchs auch zu Pies Dorados gehen kann. Zu dieser Nutte gehen alle aus seinem Jahrgang. Anfangs hatte er die Abenteuer mit Pies Dorados, die er seinen Kameraden erzählte, nur erfunden. Mit 15 war er dann das erste Mal wirklich zu ihr gegangen, konnte jedoch nicht mit ihr schlafen. Sie plauderte es aus und stellte Alberto so vor seinen Kameraden bloß. Diese Schmach währte jedoch nicht lange. Der schrift­stel­lerisch begabte Alberto entdeckte beizeiten, dass er mit dem Verfassen pornografis­cher Geschichten, die er „Romänchen“ nannte, und mit Liebes­briefen auf Bestellung gutes Geld machen konnte.

„Im Grunde sind sie alle Freunde. Sie beschimpfen sich und streiten miteinander, aber nur mit dem Mund; in Wirk­lichkeit macht’s ihnen Spaß. Nur ich bin für sie einer, der nicht dazugehört.“ (Ricardo, S. 147)

Am Wochenende treffen sich die Jungs, die wegen des Diebstahls der Prüfungsfragen Aus­gangssperre haben, im La Perlita, dem Kiosk auf dem Schulgelände, dessen Pächter Paulino in einem Hin­terz­im­mer Pisco ausschenkt und es den Kadetten mit dem Mund besorgt. Dabei beißt er Boa, den besten Freund des Jaguars. Dafür verprügelt Boa ihn. Die Kameraden ziehen Alberto wegen Ricardo auf; sie behaupten, er sei in ihn verliebt. Ricardo erringt beim Wettwichsen einen Achtungser­folg.

Ricardo hält es nicht mehr aus

Ricardo wird fast wahnsinnig, weil Teresa ihm nicht schreibt und er sie wegen der Aus­gangssperre nicht besuchen kann. Also meldet er dem Teniente, wer die Fen­ster­scheibe zerbrochen und die Aufgaben für die Chemieprüfung geklaut hat: Cava. Damit verrät er den ganzen Jahrgang, doch seine Schuldgefühle schlagen bald in Gleichgültigkeit um. Alberto ist ihm kein Vertrauter mehr. Der spielt in der Tat ein doppeltes Spiel und hat ihm inzwischen Teresa abspenstig gemacht. Als das Aus­ge­hver­bot dann plötzlich aufgehoben und Cava eingesperrt wird, versteht Alberto sofort, dass Ricardo aus Liebeskum­mer die anderen verpfiffen hat. Um von seinem eigenen Verrat abzulenken, schwört er sich, den De­nun­zianten ans Messer der Maffia zu liefern, die unter der Führung des Jaguars wieder­aufer­standen ist. Von einem Kameraden erfährt er, dass Ricardo Ausgang hat. Alberto tobt vor Eifersucht. Schließlich klettert er heimlich über die Mauer, um es Ricardo heimzuzahlen. Als er bei Teresa eintrifft, ist Ricardo aber gar nicht dort gewesen. Weil Alberto sein überraschen­des Auftauchen irgendwie recht­fer­ti­gen muss, erklärt er Teresa seine Liebe.

Fatales Feldmanöver

Gamboas Frau erwartet ein Kind. Er wünscht sich einen Sohn, würde aber nicht unbedingt wollen, dass dieser ein Soldat wird. Gamboa ist der Einzige an der Akademie, der mit den Rekruten und Kadetten auf Augenhöhe umgeht. Eines Tages ist ein Feldmanöver anberaumt. Beim Antreten fällt einem der Kadetten ein Gewehr zu Boden: ein Frevel. Lieber bricht man sich das Genick, als dass man die Waffe fallen lässt. Der Kadett bekommt sechs Strafpunkte. Dann geht’s ins Gelände. Capitán Garrido, Piraña genannt, beobachtet amüsiert, mit welchem Ernst Gamboa die Übung durchführt. Er teilt dessen Meinung nicht, dass Peru von Feinden umringt sei; er meint, es gebe immer diplo­ma­tis­che Lösungen und in Peru sei man nur zum Spaß beim Militär. Um halb zehn beginnen die Kadetten mit Schießübungen. Dabei wird Ricardo durch einen Kopfschuss verwundet. Es ist der Capitán, der ihn entdeckt. Er schleppt ihn eigenhändig vom Feld und sorgt dafür, dass er medizinisch versorgt wird.

Wie man einen Skandal vertuscht

Ricardo liegt auf der Kranken­sta­tion. Alberto darf nicht zu ihm, stattdessen begegnet er Ricardos Vater. Der ist in großer Sorge um seinen Sohn, der gerade die zweite Operation hinter sich hat. Der Vater beteuert gegenüber Alberto, immer nur das Beste für Ricardo im Sinn gehabt zu haben, und redet seine Erziehungsmeth­o­den schön: Er habe ihn doch nur zum Mann machen wollen. Kurz darauf kommt die Nachricht, dass Ricardo gestorben sei.

„Wir waschen unsere schmutzige Wäsche im Haus.“ (Coronel, S. 258)

Der Coronel putzt Cava vor ver­sam­melter Mannschaft herunter, demütigt ihn und reißt ihm die Abzeichen von der Uniform. Cava muss die Schule verlassen. Ricardos Tod hat Aufsehen erregt. Die Schulleitung fürchtet um den Ruf der Akademie. Der Coronel bestellt seine Offiziere ein, um sie auf die offizielle Version der Geschichte einzuschwören: Es war ein Unfall, Ricardo hat sich selbst angeschossen. Der Coronel will aber von Gamboa wissen, was wirklich vorgefallen ist. Sicher ist: Ricardo wurde von hinten angeschossen. Gamboa ist sich keines Fehlers bewusst, er hat alle Vorsichtsmaßnahmen beachtet. Die Kadetten sollen Be­trof­fen­heit markieren – Gamboa berichtet, dass sie in der Tat sehr erschüttert seien, was der Coronel nicht versteht. Während der Trauerfeier werden heldenhafte, aber unwahre Geschichten über die Vorgänge und die Rolle Ricardos erzählt. Alberto weint.

Gedrückte Stimmung

Bevor der Jaguar an die Militärakademie kam, verkehrte er, als Zwölfjähriger, mit Higueras, einem Kleinkrim­inellen. Der gab ihm Geld, damit er ein Mädchen treffen konnte, in das er sich verliebt hatte: Tere. Der Jaguar verbrachte ganze Nachmittage mit ihr. Die Schulden bei Higueras liefen auf, und so musste der Jaguar als Ein­bruchshelfer mitarbeiten. Von seinem Anteil kaufte er Geschenke für Tere, die in ihm einen guten Menschen sah.

„Der Tod seines Freundes hat ihn ka­puttgemacht. Die Weißen sind reine Fassade: Sie sehen aus wie Männer und haben die Seele von Weibern, sie sind nicht abgehärtet.“ (Boa über Alberto, S. 280)

Ricardos Tod verändert die Kadetten: Alberto wird nicht für seine Trauer gehänselt, ein anderer nennt den „Sklaven“ bei seinem richtigen Namen, der Jaguar ist in sich gekehrt und aggressiv zugleich. Alberto sucht Zuflucht bei Teresa, er fühlt sich elend. Teresa ist von der Nachricht nicht so bewegt, wie Alberto es erwartet hätte. Die beiden kommen sich nahe, dann aber bricht Alberto die Beziehung ab. Er findet, dass sie Schuld an allem habe, und wirft ihr vor, ihr sei Ricardos Tod gleichgültig.

Alberto macht reinen Tisch

Alberto sucht Teniente Gamboa zu Hause auf und behauptet, der Tod Ricardos sei ein Rachemord gewesen. Der Täter sei die Maffia, konkret: der Jaguar. Gamboa lässt den Jaguar verhaften – und auch Alberto, um ihn vor den anderen zu schützen. Alberto wird von Capitán Garrido verhört und erzählt, was in den Schlafsälen vor sich geht: Wetten, Alkohol, Sex. Er verpfeift den ganzen Jahrgang. Garrido will Beweise für den Mordvorwurf, doch die kann Alberto nicht liefern. Er muss zugeben, dass seine Geschichte auf Mutmaßungen beruht, macht aber in der Sache keine Abstriche. Der Capitán weigert sich, ihm weiter Gehör zu schenken – da nicht sein kann, was nicht sein darf. Er befiehlt Alberto, die An­gele­gen­heit totzuschweigen. Doch hier springt Gamboa ein und weist Garrido auf Albertos Recht hin, eine Un­ter­suchung zu fordern. Ansonsten wolle er selbst Meldung erstatten.

„Anstatt Detektiv zu spielen, denken Sie das nächste Mal daran, dass Sie sich im Heer befinden, einer Institution, wo die Vorge­set­zten dafür sorgen, dass alles gebührlich untersucht und beurteilt wird.“ (Coronel zu Alberto, S. 354)

Bei einer Razzia im Schlafsaal kommt alles zum Vorschein – auch die Pornos von Alberto, womit die Schulleitung ihn erpresst und mundtot macht.

Gamboa verhört den Jaguar. Er fragt ihn, ob er aus Zwang in die Militärschule eingetreten sei. Der Jaguar erinnert sich an seine kleinkrim­inelle Ver­gan­gen­heit, an Polizeige­walt und Verrat, eine Phase der Ob­dachlosigkeit. Nach dem Tod seiner Mutter kam der Jaguar bei seinem Paten unter. Dessen Frau miss­brauchte ihn sexuell. Deshalb ging er ins Internat.

„,Ordnung und Disziplin sind die Grundlagen der Gerechtigkeit‘, rezitierte Gamboa säuerlich lächelnd vor sich hin, ,und Ordnung und Disziplin erzielt man, wenn man die Wirk­lichkeit den Gesetzen anpasst.‘“ (S. 385)

Alberto wird zurück in den Karzer gebracht und trifft dort auf den Jaguar. Alberto beschuldigt ihn des Mordes an Ricardo, doch der Jaguar will damit nichts zu tun haben. Alle hätten den „Sklaven“ gepiesackt, nicht nur er. Doch Alberto macht den Jaguar pauschal für das Gewaltklima an der Akademie ve­r­ant­wortlich. Außerdem gibt er zu, ihn bei der Schulleitung des Mordes bezichtigt zu haben. Sie prügeln sich. Der Jaguar gewinnt. Trotzdem lässt Alberto von seinen Beschuldigun­gen nicht ab. Erst als der Jaguar beteuert, gar nichts davon gewusst zu haben, dass Ricardo Cava verpetzt hat, sieht Alberto seinen Irrtum ein und bittet den Jaguar um Verzeihung.

„Er hatte seine Zukunft wieder­erlangt.“ (über Alberto, S. 410)

An der Schule wird die Disziplin verschärft. Im Schlafsaal halten alle den Jaguar für den Verräter. Sie rücken ihm auf die Pelle, aber er verpfeift Alberto nicht. Alberto ist unversehens in die Position des Außenseiters gerutscht, die zuvor Ricardo innehatte. Er möchte nun der Freund des Jaguars sein. Der aber schickt ihn als De­nun­zianten zum Teufel.

Epilog

Gamboa wird Vater einer Tochter, und er wird in die Provinz straf­ver­setzt. Bevor er die Akademie verlässt, redet er mit dem Jaguar. Der gesteht ihm, Ricardo erschossen zu haben. Doch jetzt, wo er selbst ein Ausgestoßener ist, fühlt er sich dem „Sklaven“ näher als seinen Kameraden, die ihn, den Jaguar, als De­nun­zianten ausgestoßen haben. Gamboa will das alles nicht hören. Für ihn ist der Fall erledigt.

Alberto geht zum In­ge­nieurstudium in die USA. Er hat jetzt eine Freundin, Marcela. Von Teresa hat er sich getrennt, weil sie für ihn unlösbar mit der Zeit in der Militärakademie verbunden ist. Teresa bleibt aber nicht allein: Der Jaguar taucht bei ihr auf, sie küssen sich – und heiraten zwei Wochen später. Der Jaguar findet Anstellung in einer Bank.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Stadt und die Hunde besteht aus zwei Teilen mit je acht Kapiteln sowie einem Epilog. Die Geschichte umspannt einen Zeitraum von drei Jahren. Es gibt keine ein­heitliche Erzählper­spek­tive. Mal spricht ein all­wis­sender Erzähler, mal kommen die handelnden Charaktere selbst zur Sprache, wobei nicht immer klar ist, aus wessen Sicht gerade berichtet wird. Die Handlung wird immer wieder von Rückblenden un­ter­brochen, die vor allem die Vorgeschichten von Alberto und Ricardo ausleuchten. Es gibt zwei Icherzähler: den Jaguar und Boa. Der Jaguar berichtet in Episoden aus seiner Ver­gan­gen­heit, ungefähr vom Alter von zwölf Jahren bis zu seinem Eintritt in die Akademie; seine Identität klärt sich erst am Ende des Buches eindeutig. Für Boas Erzählung nutzt Vargas Llosa die Technik des Gedanken­stroms oder Stream of Con­scious­ness. Die un­ter­schiedlichen Passagen, aus denen Die Stadt und die Hunde zusam­menge­setzt ist, folgen in schnellem Wechsel aufeinander. Dabei wird nicht immer gekennze­ich­net, wann die Handlung spielt. Hinzu kommen An­spielun­gen und abrupte Tempus- und Per­spek­tiven­wech­sel, sodass sich Zusammenhänge oft erst im Nachhinein erschließen. Vargas Llosa beschreibt die Stadt­land­schaften Limas wie in einer Reis­ere­portage und lässt dann in diese har­monis­chen Schilderun­gen immer wieder die harte Realität der Akademie here­in­brechen.

In­ter­pre­ta­tion­sansätze

  • Der Roman ist teils au­to­bi­ografisch. Vargas Llosa, der selbst zwei Jahre an der Militärakademie Leoncio Prado verbrachte, wird durch die Figur des literarisch begabten Alberto repräsentiert, der sich in einer Mit­tel­po­si­tion zwischen Opfern und Tätern befindet. Vargas Llosas schwieriges Verhältnis zu seinem eigenen Vater taucht in den Lebens­geschichten von Alberto und Ricardo auf.
  • Im Unterschied zum magischen Realismus seines großen Rivalen, des kolumbian­is­chen Lit­er­aturnobel­preisträgers Gabriel García Márquez, geht Vargas Llosa von der gesellschaftlichen Realität aus und strebt nach dem totalen Roman als einem vollständigen Abbild der wirklichen Welt. Er analysiert die peruanische Gesellschaft, stellt Rassismus und Vorurteile zwischen ver­schiede­nen Volks­grup­pen dar, beschreibt Straßengewalt und Kriminalität, bürgerliche Doppelmoral und sozialen Wandel im Lima der 50er-Jahre.
  • An der Militärschule Leoncio Prado herrscht das Recht des Stärkeren: Wer nicht selbst frisst, wird gefressen. Die Stadt und die Hunde stellt das brutale, sozial­dar­win­is­tis­che Men­schen­bild des Mil­i­taris­mus bloß. Der Roman beinhaltet im Kern bereits das, wofür Vargas Llosa 2010 schließlich den Lit­er­aturnobel­preis erhielt: eine „Kartografie der Macht­struk­turen und schar­fkanti­gen Bilder in­di­vidu­ellen Widerstands, des Aufruhrs und der Niederlage“.
  • Die Stadt und die Hunde kann trotz seiner scho­nungslosen Darstellung grausamen und zerstörerischen Grup­pen­ver­hal­tens als Bekräftigung des Gemein­schafts­gedankens gelesen werden: Vargas Llosa lässt zum Beispiel bewusst offen, ob der Jaguar den „Sklaven“ Ricardo wirklich ermordet hat oder ob er das Geständnis bloß deswegen ablegt, weil er den Druck der Außen­seit­er­rolle nicht mehr länger aushält. Nach der letzteren Lesart wäre der Ausschluss aus der Gemein­schaft die härteste Strafe, die einen Menschen treffen kann.

His­torischer Hintergrund

Ewig gestrige Militärs in einer Ära des Aufbruchs

In den 1950er-Jahren war Peru in mil­i­taris­tis­chen Strukturen gefangen. Während des Zweiten Weltkriegs war das Land zwar mit den USA verbündet gewesen, hatte jedoch auch diplo­ma­tis­che Beziehungen zu den Achsenmächten unterhalten. 1941/42 führte es Krieg gegen Ecuador und eroberte Teile des Ama­zonas­ge­bi­ets – Ecuador war danach nur noch halb so groß.

Nach diesem Krieg blieb das Militär in Alarm­bere­itschaft, die Spannungen dauerten noch Jahrzehnte an. Die Demokratie stand in Peru auf wackligen Beinen. 1948 stürzte der General Manuel Odría den gewählten Präsidenten José Bustamante (übrigens ein entfernter Verwandter von Mario Vargas Llosa), der sich für die innere Einigung Perus, für die Bekämpfung der Armut und vor allem für eine Zurückdrängung des Militärs aus den Staatsgeschäften starkgemacht hatte. Nach dem Coup verbot General Odría linke Or­gan­i­sa­tio­nen und förderte die In­dus­tri­al­isierung Perus, um das Land von Importen unabhängiger zu machen.

Dadurch kam es jedoch auch zu einem Be­deu­tungsver­lust des land­wirtschaftlichen Sektors, und immer mehr Menschen zogen vom Land in die Städte, ins­beson­dere nach Lima. Vor allem die Ureinwohner – drei Viertel der Peruaner sind Indios oder Mestizen – waren stark von der damit ein­herge­hen­den Verarmung betroffen, und die Möglichkeit eines weiteren Militärputschs hing wie ein Damok­less­chw­ert über der Gesellschaft. Es begann sich zwar allmählich eine bürgerliche Mit­telschicht her­auszu­bilden, der Einfluss des Militärs blieb jedoch weiterhin stark.

Entstehung

Mario Vargas Llosa verbrachte die Jahre 1950 und 1951 am Militärkolleg Leoncio Prado. Die Erlebnisse dort prägten ihn so stark, dass sein erstes lit­er­arisches Werk fast zwangsläufig darauf aufbauen musste. Erste Schreiber­fahrun­gen hatte Vargas Llosa als Kolumnist für Zeitungen in Lima und Piura gesammelt. 1953 schrieb er sich in Lima für ein Dop­pel­studium ein: Jura und Literatur. Der Entschluss, Schrift­steller zu sein, stand fest.

Er begann den Roman 1958 in einer Bar in Madrid, als er dank eines Pro­mo­tion­sstipendi­ums die nötige Zeit fand, und beendete ihn im Winter 1961 in einem Mansar­den­z­im­mer in Paris. Der erste Entwurf umfasste rund 1200 Seiten, und keiner der spanischen und lateinamerikanis­chen Verlage, an die Vargas Llosa das Manuskript schickte, wollte ihn drucken. Ein gravieren­des Problem in Spanien war die Zensur unter General Francisco Franco. Auf Empfehlung eines Kon­tak­t­manns in Paris wandte sich Vargas Llosa an Carlos Barral vom Verlag Seix Barral in Barcelona, der als findig darin galt, die Zensur zu umgehen. Barral war begeistert von dem Roman und empfahl dem jungen Autor, das Manuskript noch vor der Veröffentlichung für den Lit­er­atur­preis Premio Biblioteca Breve einzure­ichen – der Roman gewann.

Wirkungs­geschichte

Kaum war Die Stadt und die Hunde 1963 bei Seix Barral erschienen, erhielt der Roman den Preis der spanischen Lit­er­aturkri­tik, und um nur eine Stimme verpasste er den großen in­ter­na­tionalen Lit­er­atur­preis Prix Formentor. Das Werk machte den jungen Autor schlagartig bekannt. Mit seiner Erzählung von Verrohung, per­vertierter Sexualität und Amoralität im Militär traf Vargas Llosa einen Nerv – nichts bewies dies besser als die Drohung des Gründers der Militärakademie Leoncio Prado, den „krankhaften Kommunisten“ Vargas Llosa zu verklagen. Offiziere der Akademie verbrannten 1000 Exemplare von Die Stadt und die Hunde im Hof der Kadet­ten­schule – und befeuerten damit im wahrsten Sinne des Wortes den Erfolg des Romans. Erst 2011 erfolgte vonseiten des pe­ru­anis­chen Militärs eine formelle Re­ha­bil­i­tierung des Schrift­stellers.

Vargas Llosa wurde mit seinem Romandebüt Teil des lateinamerikanis­chen Booms, der Blütezeit der Literatur in den 1960er-Jahren, durch die auch in Europa großes Interesse an südamerikanis­chen Autoren geweckt wurde. Das Buch wurde in über 30 Sprachen übersetzt. Vargas Llosa schrieb selbst am Drehbuch für die erste Verfilmung mit. Der Film des pe­ru­anis­chen Regisseurs Francisco José Lombardi kam in Peru 1985 in die Kinos und gilt als einer der besten von Lombardi sowie als Paradestück des pe­ru­anis­chen Kinos. Ein weiterer Film – Jaguar vom chilenis­chen Regisseur Sebastián Alarcón – beruft sich auf Vargas Llosas Roman; dieser in der Sowjetunion produzierte Film kam 1986 in die Kinos.

Über den Autor

Mario Vargas Llosa kommt am 28. März 1936 in Arequipa im Süden Perus zur Welt. Man sagt dem kleinen Mario, sein Vater sei gestorben – in Wahrheit haben sich seine Eltern vor seiner Geburt getrennt. Der Junge wächst erst in Bolivien und dann bei seinen Großeltern in Piura im Norden Perus auf. Als sein totgesagter Vater plötzlich auftaucht, ist das für den Zehnjährigen ein trau­ma­tis­ches Erlebnis. Von nun an lebt er bei seinen wieder vereinten Eltern in Lima und besucht dort die Kadet­ten­schule. Sein Vater ist sehr autoritär. Lesen und Schreiben bieten dem Jungen Zuflucht. Bereits als Ju­gendlicher schreibt er Artikel für Zeitungen und Zeitschriften. Nach dem Literatur- und Jurastudium widmet er sich dann vorwiegend dem Jour­nal­is­mus. Bereits mit wenig mehr als 20 Jahren gewinnt er Preise. 1958 bekommt er ein Stipendium, um in Madrid eine Dok­torar­beit zu schreiben. In den folgenden Jahren lebt er vorwiegend in Europa: in Madrid, Barcelona und Paris. Er arbeitet als Journalist, Spanis­chlehrer, Übersetzer und Schrift­steller. Mit seinem Roman Die Stadt und die Hunde (La ciudad y los perros, 1963) wird er erstmals einem größeren Publikum bekannt, und mit Das grüne Haus (La casa verde, 1965) schafft der gut 30-Jährige den Durchbruch. 1966 erhält er einen Lehrauftrag an der Universität in London, später auch an Universitäten in den USA und in Puerto Rico. 1974 zieht er wieder nach Peru, doch Aus­land­saufen­thalte und Reisen gehören weiterhin zu seinem Leben. Vargas Llosas politische Überzeu­gun­gen wandeln sich über die Jahre stark. Anfangs gefallen ihm revolutionäre Ideen, er ist fasziniert von Kuba und Fidel Castro. Mit der Zeit wird aus dem Kommunisten allerdings ein liberaler Demokrat, wie er sich selbst nennt. Er lehnt sowohl extrem linke als auch extrem rechte Ideologien entschieden ab und wird zum Verfechter bürgerlicher Werte und kap­i­tal­is­tis­cher Prinzipien. 1990 kandidiert er für die pe­ru­anis­chen Präsidentschaftswahlen. Als Kandidat der kon­ser­v­a­tiven Frente Democrático unterliegt er in der Stichwahl seinem Gegner Alberto Fujimori. Vargas Llosa wendet sich wieder der Literatur zu. 2010 erhält er den Nobelpreis für „seine Analyse der Macht­struk­turen mit messer­schar­fen Bildern“.