Arbeitnehmer in der Verantwortung
Raucher sterben früher, das ist statistisch erwiesen – auch wenn viele Raucher glauben, dass es sie schon nicht treffen wird. Und außerdem, so sagen sie sich, könnte ein langes Leben ja auch bedeuten, zum Schluss länger krank zu sein. Gesundheitsforscher und Ärzte belegen aber, dass dem nicht so sein muss: Je mehr Sie auf Ihre Gesundheit achten, umso weniger krank sind Sie im Alter. Es macht also durchaus Sinn, früh genug gesund zu leben. Investieren Sie in Ihre Gesundheit ebenso wie in Ihre Bildung. Beides stellen Sie dem Unternehmen als Humankapital zur Verfügung und erhalten im Gegenzug Lohn oder Gehalt.
„Gesundheit wird noch in diesem Jahrzehnt eines der großen strategischen Themen für Unternehmen werden – mit einem neuen, viel höheren Stellenwert als heute.“
Arbeit, Wohlbefinden und Gesundheit sind untrennbar miteinander verbunden – nicht selten auf paradox erscheinende Weise: Der körperlich schwer Arbeitende ist bei bester Gesundheit, während der Sachbearbeiter plötzlich einen Herzinfarkt bekommt. Es kommt immer darauf an, ob die negativen und positiven Auswirkungen von Arbeit im Gleichgewicht sind.
„Wenn scheinbar gesunde Mitarbeiter, die aber eigentlich krank sind, Entscheidungen von großer, wirtschaftlicher Tragweite zu fällen haben, dann steht richtig Geld der Firma auf dem Spiel.“
Unternehmen stellen heute deutlich höhere Anforderungen an ihre Arbeitskräfte – in Bezug auf Qualifikationen, längere Arbeitszeiten und die Qualität der Ergebnisse. Alles muss schnell gehen, dank E-Mail und Handy sind Sie immer und überall erreichbar, Ihr Büro wird zum zweiten Zuhause, im Urlaub arbeiten Sie weiter, und auch wenn Sie krank sind, schleppen Sie sich noch in die Firma. Endergebnis: Burn-out.
„Bei knapper werdendem Angebot an qualifizierten Arbeitskräften und einem Wettbewerb um gute Mitarbeiter wird auch beim Faktor Arbeit aus einem Käufermarkt ein Verkäufermarkt.“
Was genau ein Burn-out ist, lässt sich zwar nur schwer beurteilen; dass es die Unternehmen teuer zu stehen kommt, ist aber inzwischen durch Studien belegt. Besonders dramatisch wird die Sache, wenn Arbeitnehmer weiterarbeiten, obwohl sie krank sind, denn darunter leidet die Produktivität enorm. Der „Präsentismus“ (die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz Krankheit) hoch qualifizierter Mitarbeiter kann sich fatal auswirken. Sie helfen Ihrem Unternehmen damit nicht, im Extremfall ruinieren Sie es eher.
Die Demografie verändert die Arbeitswelt
Qualifizierte Arbeitskräfte werden in Zukunft knapper, darum können diese sich das Unternehmen aussuchen, für das sie arbeiten wollen. Wer etwas für die Qualifikation und die Gesundheit der Mitarbeiter tut, wird gefragt sein.
„Für die Mitarbeiter besteht gesunde Führung auch darin, dass ihre Führungskraft ein Teil der Lösung ist, nicht ein Teil des Problems.“
Heute werden Arbeitnehmer über 40 viel seltener zu einer Weiterbildung geschickt als Jüngere, und fast jeder Zweite über 55 lebt in Deutschland bereits im Ruhestand. Aber die Älteren werden mehr, und damit bekommt Seniorität einen anderen Stellenwert. Personalverantwortliche werden künftig weniger nach Alter als vielmehr nach Gesundheit selektieren. Wenn Sie für einen Job fit sind, ist das biologische Alter zweitrangig.
„Es ist gut für Mitarbeiter und klug für das Unternehmen, wenn Mitarbeiter sehen und erleben, was die Firma unternimmt und aufwendet für eine bessere und gesündere Arbeitsumgebung.“
Die Demografie zwingt auch den Führungskräften ein neues Verhalten auf. Krankheitsbedingte Fehlzeiten von Mitarbeitern sind eng mit dem Führungsverhalten verknüpft. Und wenn Mitarbeiter kündigen, dann kündigen sie in der Regel dem Chef, nicht dem Unternehmen.
Ein menschliches und gesundes Führungsverhalten wirkt dem entgegen. Gerade älteren Arbeitnehmern ist das Führungsverhalten ihres Vorgesetzten wichtig, und so hängt letztlich unser gesellschaftlicher Wohlstand davon ab, wie sich Unternehmen in Bezug auf die Themen Alter und Gesundheit verhalten werden.
„Wer bei der Mitarbeitergesundheit vorbeugen und schützen will, findet maßgeblich zwei Ebenen, bei denen man ansetzen kann: beim einzelnen Menschen sowie bei der Umgebung, in der er arbeitet und lebt.“
Wir werden in Zukunft einen Kampf um gesunde Arbeitnehmer erleben, und zwar sowohl um junge, die einem Unternehmen möglichst lange treu bleiben sollen, als auch um ältere, ohne die es nicht mehr geht. Gesundheit verdrängt die Qualifikation vom ersten Platz – denn auch zum Lernen muss man fit sein.
„Die Dys-ease ist eine sehr bildhafte Beschreibung, woran heutzutage viele im Erwerbsleben leiden: an schadhaftem Wohlbefinden.“
Gesundheit wird zum unverzichtbaren Erfolgsfaktor im Unternehmen. Die deutsche Familienministerin Kristina Schröder zeigt sich dafür aufgeschlossen; Gesundheit ist nach ihrem Verständnis die Voraussetzung für Karriere. Immer und überall erreichbar zu sein, gehört für sie dagegen nicht dazu, denn wer im Job vollen Einsatz bringt, braucht auch Freiräume. Führungskräften kommt hier eine Vorreiterrolle zu.
Nachhaltigkeit auch in Sachen Gesundheit
Nachhaltigkeit ist seit der Umweltkonferenz 1992 in Rio ein bekanntes Schlagwort, neu war der Gedanke aber schon damals nicht. Als einer der ersten Unternehmer erkannte Robert Bosch die Wirkung nachhaltigen Verhaltens. Als er vor immerhin 100 Jahren seinen Arbeitern den Samstagnachmittag freigab und eine Lohnfortzahlung bei Krankheit einführte, tat er das in dem Wissen, dass seine Mitarbeiter dann die größte Leistung erbrachten, wenn er sie gut behandelte.
„Am Ende müssen die Finanzchefs und Controller vom nachhaltigen Nutzen überzeugt sein, wenn Investitionen in Gesundheit nicht nur angesetzt, sondern auch fortgesetzt werden sollen.“
Heute investieren insbesondere wissensbasierte Topunternehmen in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. In den USA, wo die Unternehmen durch Präsident Obamas Gesundheitsreform künftig tiefer in die Tasche greifen müssen, aber auch in Deutschland setzen gerade volkswirtschaftlich wichtige Branchen auf attraktive Gesundheitsangebote, um die Mitarbeiter an sich zu binden. Daimler z. B. hat eine eigene Betriebskrankenkasse – ein Modell der Zukunft.
„Beim Essen bestimmen die Sinne, nicht der Verstand. Obwohl die Menschen offenbar das Richtige wissen, tun sie es nicht in dem Maße, das notwendig wäre.“
Die Herausforderung für die Unternehmen besteht darin, die Arbeitswelt der demografischen Entwicklung, also dem steigenden Alter der Beschäftigten anzupassen. Ein Beispiel dafür ist das bei Daimler angebotene Rückenprogramm, das dem Unternehmen krankheitsbedingte Ausfallzeiten und der Betriebskrankenkasse Kosten spart. Daimler bietet zusätzlich ein Bonusmodell an, das eine gesunde Lebensweise seiner Mitarbeiter mit einem Zuschuss belohnt.
„Bürogebäude haben nun einmal einen bestimmten Einfluss auf die Produktivität und Qualität der Arbeit und auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter, auf ihre Gefühle und die Freude, mit der sie morgens das Haus betreten.“
Das Bild von Gesundheit hat sich allerdings im Lauf der Jahre geändert. Früher waren Typhus und Staublunge weit verbreitet – die Krankmacher unserer Zeit sind Depression, Sucht, Beziehungsprobleme oder posttraumatische Belastungsstörung. Für manche Gesundheitswissenschaftler gehören Ängste und Hilflosigkeit zur Krankheit dazu.
„Für moderne Büro- und Wissensarbeiter und Unternehmensleitungen, die Gesundheit als Erfolgstreiber erkennen, nimmt die Ernährung einen wesentlichen Rang ein.“
Gesund ist demnach jemand, der mit seinen Problemen fertig wird, der seine Gefühle im Griff hat, bei dem Seele, Körper und Selbstwertgefühl im Einklang sind und der in ein helfendes Netzwerk eingebunden ist. Depression und Burn-out sind aber im Vormarsch. Laut der Techniker Krankenkasse sind die psychisch bedingten Krankheitstage in den vergangenen zehn Jahren um 40 % gestiegen.
Gesundheit im Unternehmen
Wem die Gesundheit der Mitarbeiter am Herzen liegt, der kann an zwei Punkten ansetzen: beim Menschen und bei seiner Arbeitsumgebung. Wenn Sie wollen, dass Ihre Leute mehr gesundes Obst essen, bieten Sie es in jeder Abteilung sowie in der Kantine an. Die Mitarbeiter brauchen Unterstützung und Hilfestellung und müssen an der Umsetzung aller Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung beteiligt werden.
„Der energiegeladene Manager, der mit vier Stunden Schlaf und einer Kanne schwarzen Kaffee die Firma zum Erfolg führt, ist ein Märchen.“
Erwarten Sie aber keine Wunder. Veränderung braucht Zeit. Entscheidend ist, nicht aufzugeben, auch wenn der erste Versuch vielleicht ein Reinfall ist. Starten Sie mit einzelnen Gesundheitsmaßnahmen (z. B. Gutscheine fürs Fitnessstudio) und lassen Sie ein Konzept zur Gesundheitsförderung folgen, das schließlich in einem umfassenden Gesundheitsmanagement mündet.
Fürs betriebliche Gesundheitsmanagement steht eine große Spielwiese bereit: vom Gesundheitsverhalten im individuellen Bereich über die Arbeitsaufgabe, den Arbeitsplatz, die Arbeitsumgebung und die Arbeitsmittel bis zum Betriebsklima, der Familienfreundlichkeit des Arbeitsplatzes und Angeboten zur Gesundheitsförderung. Ihr Unternehmen kann z. B. Arbeitszeiten individuell gestalten, Fitnessprogramme oder Mediation anbieten und Mobbingfälle ernst nehmen. All das dient der Prävention.
Gratis ist das natürlich nicht. Fragen nach dem Nutzen und der Effektivität sind oft schwer zu beantworten. Immerhin lassen sich gesamtwirtschaftliche Zahlen vorweisen: Eine Studie aus Wien von 2004 belegt, dass in österreichischen Betrieben stolze 3,64 Milliarden Euro an wirtschaftlichen Einspareffekten durch betriebliche Gesundheitsförderung erreicht werden könnten.
Wenn Gesundheitsförderung allgemeiner Standard wird, profitiert die Volkswirtschaft davon, dass weniger Arbeitnehmer in Frührente gehen, dass es zu weniger Produktionsausfällen kommt und dass die Krankheitstage sinken. Der Return on Investment von betrieblicher Gesundheitsförderung ist laut einer internationalen Studie der Initiative Gesundheit und Arbeit hochinteressant: Mit jedem investierten Dollar spart man zwischen 2,30 und 5,90 $ an Krankheitskosten.
Viele Unternehmen haben heute mit Gesundheitsmanagement noch nichts am Hut, vor allem die Klein- und Mittelbetriebe. Forscher haben diese darum unter die Lupe genommen. Wo das Gesundheitsmanagement scheiterte, wurden als Gründe das vorrangige Tagesgeschäft, fehlende Ressourcen oder mangelnde Motivation der Mitarbeiter aufgeführt. Dabei wissen die Unternehmen durchaus, dass es fünf vor zwölf ist. An der Umsetzung hapert es aber.
Vier Faktoren für die Gesundheit
- Büro: Manche Räume machen einfach krank. Ein Grund dafür können etwa Klimaanlagen sein. Gerade Wissensarbeiter brauchen für ihre Produktivität eine Umgebung, in der sie sich wohlfühlen. Farben und Licht spielen eine große Rolle. Eine schwarze Arbeitsfläche etwa lässt weniger gute Arbeitsergebnisse zu als eine graue. Tageslichtlampen oder Leuchtstoffröhren mit einem hohen Blauanteil im Licht machen wach. Am Schreibtisch sind sie deshalb Glühbirnen oder Halogenleuchten mit ihrem warmen Licht vorzuziehen. Auch Lärm kann Fehler, schlechte Leistung und Krankheit auslösen, was gerade in Großraumbüros zum Problem wird.
- Ernährung: Übergewicht wird auch in Deutschland ein immer ernsteres Thema; jeder Fünfte ist zu dick. Gleichzeitig sind 10 % der Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren untergewichtig. Immer mehr Schüler gehen mittags in die Schulkantine statt nach Hause. Bei den Arbeitnehmern essen rund 20 % täglich Kantinenessen. Wie gesund oder ungesund das ist, liegt in der Hand der Unternehmen – Gesundheitsförderung ist eine Managementaufgabe.
- Bewegung: Viele Menschen möchten zwar viel in ihrem Job bewegen, allerdings nicht sich selbst. Sie bleiben sitzen: auf dem Bürostuhl, im Auto, bei Meetings und zu Hause. Ein Drittel der Weltbevölkerung leidet an Rückenschmerzen. Eine gesunde Büroausstattung (Steh-Sitz-Tische, ergonomische Bürostühle) ist diesbezüglich nur die halbe Miete. Die Leute sollten vor allem in Bewegung sein. Bei den Frankfurter Banken gibt es deshalb die Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“, und die Firma Rheinenergie unterstützt das sportliche Engagement der Mitarbeiter am örtlichen Marathon. Andere Unternehmen bezahlen oder bezuschussen einen Personal Trainer, was vor allem Führungskräfte gerne nutzen.
- Entspannung: Gerade im Management herrscht noch der Irrglaube, wenig Schlaf gehe mit einer besonders hohen Arbeitsleistung einher. Das Gegenteil ist der Fall: Unausgeschlafene Manager treffen bewiesenermaßen verhängnisvolle Entscheidungen. Forscher haben festgestellt, dass ein müder Chirurg ein um 460 % erhöhtes Risiko hat, im Operationssaal einen Fehler zu machen. Bewiesen ist auch, dass ausgeschlafene Menschen schneller die Karriereleiter hochklettern. Das Berliner Kaufhaus KaDeWe sowie IBM und PricewaterhouseCoopers in der Schweiz haben Ruheräume für das Power-Napping eingerichtet – was in Japan und Thailand schon gang und gäbe ist, könnte also auch bei uns eines Tages Alltag für Gesundarbeiter werden.