Warum hohe Erdölpreise an der Rezession schuld sind
Norwegischer Lachs, Kaffee aus Brasilien, in Asien gefertigte Handys: Billiges Erdöl ist der Grund, dass wir diese Waren kaufen können. Es hat die Welt für jeden Einzelnen ziemlich groß gemacht. Solange der Ölpreis niedrig ist und damit die Transportkosten gering sind, haben wir Zugriff auf Güter aus allen Teilen der Erde. Und es gehört zu unseren Gewohnheiten, kurz mit dem Auto zum Baumarkt zu fahren, die Kinder zum Sport zu bringen und ein Wochenende auf dem Land zu entspannen. All das hängt einzig vom Preis an der Zapfsäule ab.
„Es ist gar nicht sonderlich kompliziert. Hohe Energiepreise führen zu Rezessionen.“
Wird das Öl teurer, geht die Nachfrage zurück und die Preise von Kleidung, Lebensmitteln und Haushaltswaren steigen. Wir werden sparsam und führen die Welt damit in die Rezession. Bisher lautete das Mittel dagegen: neues, billiges Öl. Doch die schlechte Nachricht ist: Die Ölreserven sind endlich. Namhafte Experten wie der Geologe Dr. Colin Campbell sind der Meinung, dass uns das Öl zwar nicht so bald ausgehen wird, doch wird die Rohölproduktion abnehmen, während sie bisher immer weiter zugenommen hat. Heute wird das Dreifache dessen gefördert, was wir an neuen Ölreserven finden – ein Garant für steigende Ölpreise. Im Zuge der Finanzkrise 2008 brach der Ölpreis nach einem Allzeithoch von 147 $ pro Barrel auf weniger als 40 $ ein. Entwarnung gibt es aber keineswegs. Rezessionen vermindern unseren Appetit auf Energie nur kurzfristig. Es dauert nicht lange, und wir konsumieren wieder ungehemmt. Das heißt: Die Preise werden nicht noch einmal so stark sinken.
Veränderungen bei Angebot und Nachfrage
Hurrikane zerstören riesige Ölfelder und treiben damit den Benzinpreis in die Höhe, während gleichzeitig die erhofften Durchbrüche bei der Suche nach neuen Ölvorkommen ausbleiben. Deshalb setzen die Ölmultis neue Technologien ein, um aus bestehenden Ölfeldern mehr herauszuholen. Ölsande in Kanada sind beispielsweise ein ebenso ehrgeiziges wie ökologisch bedenkliches Projekt. Die Förderung wird immer teurer – bald zu teuer, um profitabel zu sein.
„Warum also sollte es mir nicht auch egal sein, wie viel Öl die Emiratis in ihrer Freizeit verbrauchen? Weil ihr Verhalten meine Welt schrumpfen lassen wird.“
Ski Dubai, die erste überdachte Skianlage im Nahen Osten, in der bei einer Außentemperatur von fast 40 Grad künstlicher Schnee hergestellt wird, und das benachbarte Einkaufszentrum fressen Energie aus ca. 3500 Fässern Öl. Täglich. Die Zahl der Besucher pro Tag ist etwa gleich hoch. Mit diesem einen Barrel Öl, das jeder Besucher dort umgerechnet verbraucht, könnte ein durchschnittliches Auto 1600 Kilometer weit fahren.
„Wenn Effizienz zu echten Einsparungen führen soll, müssen die Verbraucher letztlich davon abgehalten werden, den Nutzen solcher Fortschritte durch immer größeren Energieverbrauch zunichtezumachen.“
Warum sich Dubai das leisten kann? Weil sich der Ölpreis in den Erzeugerländern nicht verändert, während er etwa in Europa aufgrund der Gesetze von Angebot und Nachfrage ständig schwankt. In Saudi-Arabien z. B. kostet Benzin höchstens einen halben Dollar pro Gallone, während in den USA vier Dollar dafür bezahlt werden müssen, wenn der Rohölpreis bei über 100 $ pro Barrel liegt. Das bedeutet für uns: Verbrauchen die Erzeugerländer mehr Öl, wird weniger davon exportiert und unser Ölpreis steigt weiter.
„Die Energiepreise – insbesondere der Ölpreis – werden umso höher und schneller steigen, je ineffizienter wir sind.“
Von den Schwellenländern geht eine erhöhte Ölnachfrage aus. In den nächsten 30 Jahren werden dort 75 % der Neufahrzeuge veräußert werden. Wenn Autos – wie von Tata angekündigt – bald für bereits 2500 $ zu haben sind, eröffnet das vielen Einwohnern von Schwellenländern den Zugang zum Automobil.
Alternative Energiequellen sind auch keine Lösung
Gewöhnen Sie sich an die Idee der Fahrgemeinschaft und verabschieden Sie sich von Ihrem Geländewagen. Denn auch neue Technologien und alternative Energiequellen können das Öl nicht ersetzen und sind daher keine Lösung. Immer dann, wenn wir es schaffen, Energie effizienter zu nutzen, steigt absolut gesehen der Energieverbrauch. Im Vergleich zu 1975 verbrauchen wir heute für einen Dollar Wirtschaftsleistung nur die Hälfte an Energie. Gleichzeitig ist der gesamte Energieverbrauch um 40 % höher.
„Allmählich wird es wohl keine gute Idee mehr sein, auf sein Auto angewiesen zu sein.“
Seltsam? Dieser „Rebound“ genannte Effekt erklärt sich so: Nutzen wir die Energie effizienter, brauchen wir weniger davon und der Preis dafür sinkt. Das animiert uns, mehr davon zu kaufen. Denken Sie an Ihr Auto. Neuen Technologien sei Dank verbrauchen Autos heute auf 100 Kilometer weniger Treibstoff als früher. Die Automobilindustrie nutzt das, um größere und schnellere Fahrzeuge anzubieten. Das Gleiche gilt im Flugverkehr. Der Kerosinverbrauch wurde gesenkt, die Flugtickets wurden günstiger und Reisen in der Folge immer beliebter. Die Lösung des Problems liegt auf der Hand: Effizientere Nutzung darf Energie nicht billiger machen.
„Entfernung kostet Geld.“
Biokraftstoffe richten mehr Schaden an, als sie Nutzen stiften. Sie suggerieren, umweltfreundliche Energie zu liefern, dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Die Produktion des aus Mais hergestellten Benzinzusatzes Ethanol etwa treibt die Nahrungsmittelpreise und mit ihnen die Inflation in die Höhe. Wenn nämlich mehr Anbaufläche für Mais reserviert wird, steht weniger für andere Nutzpflanzen zur Verfügung, die Mensch und Tier zum Überleben brauchen. Hinzu kommt, dass bereits beim Anbau, der Ernte und der Destillation von Ethanol eine große Menge jenes Treibstoffs verbraucht wird, den Ethanol eigentlich ersetzen soll.
Fortbewegung in Ihrer neuen, kleinen Welt
Stellen Sie sich ruhigere Straßen und eine sauberere Luft vor. Benzin wird immer teurer, und daher werden die Menschen nur noch mit dem Auto fahren, wenn es unvermeidlich ist. Deshalb muss in Infrastruktur investiert werden – aber in U-Bahnen statt in Schnellstraßen.
„Ich nehme an, dass wir alle lernen werden, etwas zu reparieren, wenn es kaputtgegangen ist, anstatt es wegzuwerfen und neu zu kaufen.“
Heute könnten bereits alle unabhängig vom Preis an der Zapfsäule mit abgasfreien Elektroautos fahren. So wie es unsere Vorfahren bereits 1899 taten: Elektroautos erreichten eine Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h, und ein Fahrzeug legte mit einer einzigen Batterieladung erstaunliche 340 Kilometer zurück. Doch ab 1913, mit der Entwicklung des elektrischen Anlassers, wurden die leisen und zuverlässigen Elektroautos von Autos mit Verbrennungsmotor abgelöst.
„Die globalisierte Welt strebt danach, einheitliches Konsumentenverhalten zu schaffen, das überall auf der Welt stattfindet.“
Um den Vorgaben des kalifornischen „Zero Emission Vehicle“-Gesetzes zu entsprechen, boten Autobauer in den 1990er Jahren wieder Elektroautos an. Wie z. B. General Motors (GM): Der schnittige EV1 war plötzlich das neue Statussymbol der Prominenten. Ein Schock für das Unternehmen GM, das sich keinesfalls das hochprofitable Geschäft mit den wartungsintensiven Benzinschleudern verleiden lassen wollte.
„In einer Welt dreistelliger Ölpreise sind Flugreisen einfach nicht sinnvoll.“
Also setzte man die PR-Maschinerie in Gang. Aus dem innovativen Elektroauto wurde ein unpraktischer Kasten mit unzureichender Reichweite. Als sich schließlich 2003 die gesetzlichen Rahmenbedingungen änderten, sammelte GM die EV1 ein und verschrottete sie.
Elektroautos werden uns unsere derzeit scheinbar noch grenzenlose Mobilität vermutlich nicht erhalten können. Sie sind zwar unabhängig von Benzin, brauchen aber einen anderen Treibstoff: Strom. Wären alle nordamerikanischen Fahrzeuge Elektroautos, würde das pro Tag einen Stromverbrauch bedeuten, der dem Jahresverbrauch von zwei Millionen US-Haushalten entspricht.
„Wenn aufgrund hoher Energiepreise steigende Frachtkosten das wirtschaftliche Pendel von der globalen zur regionalen Wirtschaft zurückschwingen lassen, müssen wir plötzlich von Spezialisten zu Generalisten werden.“
Die Stromerzeugung aus Windkraftanlagen und Solarzellen, den so genannten erneuerbaren Energien, ist derzeit zu gering, um auch nur unsere Haartrockner zu versorgen, würden sie alle gleichzeitig laufen. Kohle kommt ebenfalls nicht infrage. Sie ist zwar billig, doch ist das Problem des hohen CO2-Ausstoßes von Kohlekraftwerken ungelöst.
Das andere Problem mit fossilen Treibstoffen
Die Industrialisierung brachte nicht nur Wirtschaftswachstum mit sich, sondern auch ein Mehr an Emissionen. Während die westliche Welt versucht, das Problem in den Griff zu bekommen, steigen die Emissionen in den Schwellenländern stetig an.
„Infrastruktur, Technologie, Ausbildung, ja selbst die Arbeitskultur werden von Grund auf überholt werden müssen, um auch nur annähernd für eine lokal orientierte Wirtschaft bereit zu sein.“
China verbraucht etwa vier Mal so viel Energie wie die US-Wirtschaft, um dieselbe Wirtschaftsleistung zu erbringen. Das bevölkerungsreichste Land der Erde plant bis 2012 den Bau von über 500 Kohlekraftwerken. Allein die Emissionen dieser chinesischen Kraftwerke liegen über den von den OECD-Ländern geforderten Einsparungen, mit denen man dem Klimawandel gegensteuern will. Weit wirksamer als jedes Kyoto-Protokoll ist es daher, den Preis für das Barrel Öl im dreistelligen Bereich anzusiedeln: Je höher der Ölpreis ist, umso teurer wird der Transport von Waren z. B. aus China.
„Es wäre nicht überraschend, wenn die sich abzeichnende neue kleinere Welt viel lebenswerter und erfreulicher wäre als die, die wir im Begriff sind, hinter uns zu lassen.“
Ein Schritt auf dem Weg in eine grünere Zukunft wäre es, die CO2-Emissionen kostenpflichtig zu machen. Westeuropa macht dies seit 2004 vor: Unternehmen müssen das Recht, Kohlendioxid auszustoßen, kaufen. Damit diese Strategie allerdings Wirkung zeigt, muss verhindert werden, dass die Verursacher ihre Produktion in Länder verlegen, in denen die Emissionen unbeschränkt erlaubt sind. Die Lösung dieses Problems ist ein Importzoll auf Waren aus jenen Ländern, in denen lockerere Auflagen für Emissionen herrschen.
Zurück nach Hause
Vor etwa 30 Jahren kamen die Waren des täglichen Bedarfs meistens aus dem eigenen Land oder aus einem der Nachbarländer. In der Zwischenzeit sind die Handelsbarrieren gefallen, wie z. B. Schutzzölle oder Importquoten, sodass Sie heute im Ein-Euro-Laden an der Ecke Artikel aus China kaufen können. Anders gesagt: Heimische Arbeitsplätze wurden gegen niedrigere Preise eingetauscht.
Steigt nun der Ölpreis und damit die Transportkosten, wirkt das wie ein Einfuhrzoll. Importe werden teuer, Produzenten kommen wieder nach Hause zurück. Stellen Sie sich also auf eine Welt ein, in der Sie Ihren Flachbildfernseher lieber reparieren lassen, anstatt ihn gleich zu ersetzen. Der Dienstleistungssektor wird in Zukunft mehr und mehr Arbeitskräfte und Kapital an den Produktionssektor abgeben, Ausbildungsstätten werden ihr Angebot überdenken müssen.
Lebensmittel werden nicht wie gewohnt zwischen 2500 und 5000 Kilometer weit gereist sein, bevor sie auf Ihrem Teller landen. Ade Avocado-Guacamole mitten im Winter! Probieren Sie lieber aus, wie gut Lebensmittel aus lokalem Anbau schmecken. Vielerorts wird sich wieder eine regionale Küche herausbilden, und Sie müssen nicht mehr wie Millionen andere dem standardisierten Geschmack von Coca-Cola und McDonald’s ausgeliefert sein.
Auch in Zukunft werden Sie wohl auf Ihr eigenes Raumschiff verzichten müssen – denken Sie an die Emissionen! Weil die Energiekosten steigen, werden die Menschen in dicht besiedelte Gebiete ziehen und Randbezirke entvölkert zurücklassen. Überlegen Sie, wie beschaulich Ihre neue, kleine Welt sein kann: Sie erreichen alles bequem Fuß, und wenn nicht, steht Ihnen auf ein dichtes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln zur Verfügung. Das Geld, das bisher für den Bau von Autobahnen ausgegeben wurde, wird dann in die Stadterhaltung gesteckt.
Der Ölpreis darf höchstens 80 $ pro Barrel betragen, damit die meisten Fluggesellschaften ihre Kosten überhaupt decken können. Nicht unbedingt notwendige Flugreisen werden also bald der Vergangenheit angehören. Wenn Sie wirklich Gnu-Herden in der Serengeti bestaunen wollen, tun Sie es jetzt, denn viele Urlaubsziele werden bald nicht mehr ohne Weiteres zu besuchen sein.
Auch die Unternehmen müssen umdenken. Satteln Sie um: vom globalen Spezialisten zum regionalen Generalisten. Aufgrund der hohen Transportkosten wird die Just-in-time-Lieferung unrentabel, und Sie werden die höheren Lagerkosten an die Kunden weitergeben müssen. Wegen der hohen Mobilitätskosten und der zunehmend regionalen Ausrichtung wird es weniger Geschäftsreisen und mehr Videokonferenzen geben.