Unternehmen 2020

Buch Unternehmen 2020

Das Internet war erst der Anfang

Hanser,


Rezension

Das Beste kommt erst noch – das gilt laut Tim Cole auch für das Internet, vor allem in Bezug auf mittelständische Unternehmen. Denn für die sieht die digitale Zukunft aus­ge­sprochen rosig aus. In einer Welt, wo Distanzen aufgehoben sind, wo Spe­icher­platz ebenso wie Bandbreite unbegrenzt und überall verfügbar sind, haben vor allem die Kleinen große Chancen: Sie sind schnell und wendig, was in einer total synchronen Wirtschaft enorme Vorteile bringt. Die technischen Möglichkeiten erkennen und umsetzen, dazu ruft dieses engagierte, leicht verständliche Werk auf. Die eigentliche Leistung Coles ist es, nicht nur eine Sammlung von Er­fol­gsrezepten zu präsentieren; er stellt auch viele aktuelle Trends in einen großen Zusam­men­hang des Wandels, der das Denken von Un­ternehmern, Mi­tar­beit­ern und Kunden fundamental verändert. Der Autor scheint davon so beeindruckt, dass er es dem Leser wiederholt einhämmern muss. Bei der Lektüre gibt es einige Déjà-vu-Er­leb­nisse, die auf den zweiten Blick verärgern. Offenbar wurde an einigen Stellen nicht sorgfältig lektoriert. Der große Rest aber ist kurzweilig und erlaubt Einblicke in zukünftige En­twick­lun­gen, für die bereits heute wichtige Entschei­dun­gen zu treffen sind. BooksInShort empfiehlt die Lektüre allen Entschei­dern, ins­beson­dere in mittelständischen Unternehmen.

Take-aways

  • Der Struk­tur­wan­del fängt erst an: Alles entwickelt sich in Richtung Internet.
  • Mittelständler werden durch das Internet begünstigt: Sie können schneller agieren als große Konzerne.
  • Verbinden Sie die IT-Einzellösungen in Ihrer Firma; damit lässt sich massiv sparen.
  • Schaffen Sie Zugang zu Ihrem Netzwerk auch für Partner, Zulieferer und u. U. sogar für Mitbewerber.
  • Geschäftsreisen sind ein Kostenblock – On­line-Videokon­feren­zen sparen viel Geld.
  • Sparen Sie Papier und teure Lagerfläche, indem Sie alle Firmenvorgänge dig­i­tal­isieren.
  • Kun­den­beziehun­gen lassen sich durch Foren und Rekla­ma­tion­s­man­age­ment entwickeln.
  • Konsumenten kennen keine Treue, sondern suchen im Internet nach dem besten Preis.
  • Viele Mitarbeiter werden digitale Nomaden, die sich nur für Projekte an Firmen binden.
  • Um Ihre Kunden kennen zu lernen, müssen Sie so viele Daten wie möglich sammeln.
 

Zusammenfassung

Es geht gerade erst los

Viele Unternehmer haben heute einen In­ter­ne­tauftritt, nehmen an einer Einkauf­s­plat­tform teil und kom­mu­nizieren per E-Mail – Sie auch? Wenn Sie glauben, die Her­aus­forderun­gen der Gegenwart wären damit bewältigt, so irren Sie sich gewaltig: Die digitale Trans­for­ma­tion und mit ihr der bisher fun­da­men­tal­ste Wandel im men­schlichen Denken haben gerade erst begonnen. Damit Ihre Firma auch im Jahr 2020 noch existiert bzw. floriert, ist noch viel zu tun. Wir haben mit dem Internet, mit E-Commerce und Netzwerklösungen gerade erst den Kopf zum Fenster heraus gesteckt.

Vernetzung innerhalb der Firmen-IT

80 % der deutschen mittelständischen Unternehmen sind schon im Internet, bald werden es alle sein. Viele haben eine Homepage, einige einen Online-Shop, manche betreiben webgestütztes Controlling, eine Auss­chrei­bungsplat­tform oder On­line-Di­rek­t­mar­ket­ing – und alles läuft nebeneinan­der her, womöglich sogar mit un­ter­schiedlicher Software. Das Sam­mel­surium zu vernetzen ist der erste Schritt zur Nutzung der Ressourcen, die sich aus dem großen Ganzen ergeben. Diese technische Her­aus­forderung wird als „E-Enabling“ bezeichnet. Es gibt Vorreiter: Der Han­del­skonz­ern Metro reduziert seine Lagerbestände erheblich durch konsequente Da­te­n­analyse zu jedem Zeitpunkt – Information spart Platz.

Weiten Sie das Netz aus

Sind die einzelnen Un­ternehmens­abteilun­gen erst einmal miteinander vernetzt, kann die Familie vergrößert werden: Binden Sie Partner, Zulieferer, Abnehmer und sogar Konkur­renten in das Netzwerk mit ein. Un­vorstell­bar? Keineswegs: Unternehmen müssen Misstrauen bewältigen und Kräfte bündeln, um gemeinsam Synergien zu nutzen. Das gilt auch für Prozesse Ihres Un­ternehmens, die genauso gut ins Internet verlegt werden können: Kun­den­di­enst, Prozessüberwachung, Doku­men­ta­tion, Rech­nungsle­gung usw. müssen nicht auf dem Server in Ihrem Keller dahindämmern – ihre Auslagerung spart bis zu 90 % der Kosten. Das haben Berech­nun­gen ergeben.

Papier sparen heißt Geld sparen

Trotz Internet schlagen die Pa­pierkosten immer noch gehörig zu Buche. Dabei können Sie durch das Dig­i­tal­isieren von Akten spürbar Lagerfläche einsparen und durch weniger Pa­pierver­brauch die Umwelt schonen. Jede elek­tro­n­isch versandte Rechnung spart 3,90 € und noch dazu Zeit, was auch dem Zahlungszeitraum zugutekommt.

„Digitale Trans­for­ma­tion bedeutet kein vages Zukun­ftsver­sprechen, sondern bereits hier und heute realisierte Ren­ditevor­sprünge.“

Das Netz macht Sie auch besser: Di­en­stleis­tung kann un­mit­tel­barer, Rekla­ma­tion­s­man­age­ment pro­fes­sioneller, Kun­denser­vice noch nach­haltiger sein mithilfe von Web-Lösungen. Viele gehen gleich einen Schritt weiter und mieten die gesamte Software – dazu gehört selbstverständlich viel Vertrauen zum Anbieter. Doch in einer Zeit, wo Rückbesinnung auf die eigene Kernkom­pe­tenz immer wichtiger wird, ist IT-Out­sourc­ing nur logisch. Sie tragen Ihre Briefe ja auch nicht selbst aus, sondern überlassen dies der Post.

Busi­nesstrip bald nur noch per Video

Unterwegs lässt sich kein Geld verdienen, Sie geben nur welches aus: Reisen sind eine Dop­pel­be­las­tung für Firmen. 2008 wurden in Deutschland für Geschäftsreisen etwa 47 Milliarden Euro ausgegeben. Dem steht ein vier­stel­liger Betrag für ein preisgünstiges Videokon­feren­zsys­tem gegenüber. Zugegeben: Die Technik für webgestützte Videokon­feren­zen steht noch am Anfang. Probleme bereitet die fehlende Kom­pat­i­bilität der vielen Systeme, die auf dem Markt sind. Eine Killer-Ap­p­lika­tion fehlt bisher. Doch sie wird kommen.

Das Internet gehört dem Mittelstand

Das Internet ist keine Domäne von multi­na­tionalen Konzernen: Es gehört primär den kleinen, flexiblen, wandelbaren Einheiten, also dem Mittelstand. In einer Welt, in der Standort- und Ent­fer­nungsnachteile immer uner­he­blicher werden, zählt vor allem eines: Zeit. Das bedeutet, dass Kleine erstmals bessere Chancen haben als Große, da sie schneller reagieren können. Zugleich fallen die Kosten für Kom­mu­nika­tion, Rech­n­er­leis­tung und Datenübertra­gungsraten ins Bodenlose. Im ersten Augenblick sieht das Resultat bedrohlich aus: Die Konkurrenz kann nun überall auf der Welt sitzen. Doch alle haben die gleichen Chancen und Mittel, um Kunden zu werben. Vielleicht werden die großen Konzerne diesen Wandel nicht überleben, weil sie zu schwerfällig sind.

Der Kunde fordert persönliche Zuwendung

Die eigentliche Her­aus­forderung für die Mark­t­teil­nehmer von morgen lautet: Das Internet macht vor allem die Kunden stark. Ab sofort müssen Sie überall präsent sein, im Laden um die Ecke ebenso wie im Webshop, und auf Eingaben, Beschwerden und Anregungen jedes Kunden blitzschnell reagieren. Massen­mar­ket­ing hat auf diesem On­line-Markt, der jedem eine eigene Stimme und direkten Zugang zu jedem ermöglicht, ausgedient. Auch die Preis­gestal­tung ist betroffen: Ihre Kunden wollen hier ebenfalls mitreden, und Vergleichen ist so einfach geworden! Ein paar Klicks, und das günstigste Angebot ist iden­ti­fiziert. Reagieren Sie nicht sofort, sind Sie aus dem Geschäft – was früher Feilschen hieß, lautet nun „variable Pre­is­find­ung“. Kunden verhalten sich heute wie Unternehmen: Sie sondieren den Markt, forschen hartnäckig nach dem günstigsten Anbieter, verhandeln un­nachgiebig und nutzen Plattformen aller Art. Pre­is­find­ungsagen­ten au­toma­tisieren ihre Suchen – und schaffen nebenbei Profit durch die Generierung von Mark­t­forschungs­daten. So gibt es zunehmend auch Nach­frager-Auk­tio­nen: Bei Priceline in den USA etwa gibt man als Kunde verbindlich an, welchen Preis man für eine bestimmte Ware zu zahlen bereit ist – wer will, gibt den Zuschlag. Das stellt einen guten Absatzkanal für Unternehmen dar, die Überkapazitäten unter Preis abstoßen müssen, denn der Verkäufer bleibt anonym. Zugleich lässt sich relativ sicher eruieren, wie viel eine bestimmte Kun­den­gruppe für ein Produkt auszugeben bereit ist.

Auch Ärger wird im Internet beschle­u­nigt

Im Internet bleiben Betrug, überhöhte Preise, miese Qualität und schlechter Service nicht lange verborgen – und die Rache der Community ist fürchterlich. Kundenärger bekommt im Internet einen Turbo, verbreitet sich in Windeseile. Das Unternehmen 2020 wird dem Kunden also nachjagen und aufmerksam darüber wachen müssen, dass er nur Gutes weitersagt. Ein geprellter Kunde ist nicht nur verloren, oft macht er das Unternehmen nach Kräften schlecht. Und neue Kunden gewinnen ist viel teurer, als Stammkunden zu behalten.

„Ein digitaler Beduine kann ein Teenager in Berlin oder eine Großmutter in Wanne-Eickel sein. Man kann ein Nomade sein, ohne jemals seine Stadt zu verlassen.“

Das schaffen Sie durch echten Dialog: also keine tumben Massensendun­gen wie zu den Hochzeiten des Di­rek­t­mar­ket­ings, sondern Teilnahme an Communitys. Der kleine Rei­sev­er­anstal­ter Frosch Sportreisen hat, gemessen an seinen 25 Mi­tar­beit­ern, eine gigantische Webpräsenz. Wie das geht? Tausende Kunden und noch mehr Sym­pa­thisan­ten arbeiten mit, schreiben Beiträge, Kommentare und schicken ihre Fotos. Eine starke Gemein­schaft, von der die Firma profitiert.

„Die IT eines mittelgroßen Un­ternehmens gleicht oft einem bunten Flick­en­tep­pich, an den immer wieder angestückelt werden muss.“

Di­rek­t­mar­ket­ing ist kein reines Aussenden mehr: Rechnen Sie mit Antworten Ihrer Kunden – und die können gepfeffert sein, eine Reaktion erfordern und durch Veröffentlichung auf Ihrem digitalen schwarzen Brett eine breite Diskussion nach sich ziehen. Such­maschi­nen-Mar­ket­ing und ehrliche Antworten zählen heute erheblich mehr als die Reichweite Ihrer Kom­mu­nika­tion oder die schönen Phrasen Ihrer Imagebroschüren.

Persönliche Kun­den­beziehung dank On­line-Com­mu­nity

Hat man Ihnen schon mal etwas vorge­jam­mert von der Anonymität des Internets? Das ist nur die eine Seite der Medaille: Durch persönliches Selb­st­mar­ket­ing via Website, Blog und Community können Unternehmen Beziehungen zu ihren Kunden aufbauen, pflegen und in­ten­sivieren, wie es zuvor nie möglich gewesen ist.

„Das Sammeln von Wissen um den Kunden muss höchste Priorität erhalten und zum obersten Ziel aller Un­ternehmen­sak­tivität erklärt werden.“

Beispiel fahrrad.​de:​ Das mittelständische Fachgeschäft beliefert deutsch­landweit Endkunden mit Fahrradzubehör – und im On­line-Kun­den­fo­rum tobt das Leben: Hier wird kommentiert, kritisiert, erzählt. Mehrmals täglich schauen die Leute vom Vertrieb herein, löschen schon mal einen un­sach­lichen Beitrag, aber halten sich insgesamt zurück – sie lernen lieber etwas über ihre Produkte und freuen sich, wenn die Nutzer einander selbstständig helfen. Durch die vielen externen Inhalte gedeiht auch fahrrad.​de prächtig, denn die Such­maschi­nen honorieren wachsenden relevanten Content durch Hochstufung. Beiträge der Mitarbeiter geben den Kunden das Gefühl, dabei zu sein und ihre Firma gut zu kennen. Im Ver­sand­han­del ist eine so persönliche Beziehung ein klares Plus.

„Der klassische Mitarbeiter oder die klassische Führungskraft, die morgens um neun ins Büro kommt und abends um fünf heimgeht, ist im Zeitalter der totalen Vernetzung der Wirtschaft eindeutig ein Aus­lauf­mod­ell.“

So viel Persönliches hat natürlich einen Nachteil gegenüber der guten alten Zeit der Ziel­grup­pen­de­f­i­n­i­tion: Menschen lassen sich heute nicht mehr mit uniformen Newslettern und stan­dar­d­isierten Dankess­chreiben abspeisen. Jeder Kunde möchte als Persönlichkeit gesehen und adressiert werden – das stellt die Unternehmen vor große Her­aus­forderun­gen, denn sie müssen ihre Kunden besser kennen als je zuvor. Dabei hilft Ihnen das Sammeln von Daten, die aus Online-Shop, Community und Rekla­ma­tion­s­abteilung zusam­men­fließen. Leider ist dies heute oft noch eine Baustelle, denn selten werden die In­for­ma­tio­nen zentral gespeichert und ausgewertet.

Digitale Wan­der­ar­beiter

Auch das Personal des Un­ternehmens 2020 wird ganz anders aussehen – falls Sie es überhaupt je zu Gesicht bekommen. Denn viele werden Ihnen aus der Ferne zuarbeiten, verbunden durch E-Mails, externe In­tranet-Zugänge und die eine oder andere Videokon­ferenz. Viele qual­i­fizierte Mitarbeiter werden sich nur noch auf Pro­jek­t­ba­sis binden und als Wan­der­ar­beiter durch das Netz surfen. Die Stammbe­satzung wird extrem klein sein, dafür gehen Partner, feste und pro­jek­t­basierte freie Mitarbeiter ein und aus. Online wird es mithilfe von Identity & Access Management (IAM) sichere Zugänge mit lokalen Beschränkungen für die Zeitar­beiter geben.

„Mit einem Unternehmen, das in der digitalen Steinzeit lebt, möchte man heutzutage eigentlich keine Geschäfte mehr machen.“

Der neue Lebens- und Arbeitsstil wird die Grenzen zwischen internen und externen Mi­tar­beit­ern verwischen. In Japan gibt es bereits Millionen freie Pro­jek­t­no­maden, und es werden immer mehr. Spezielle Plattformen vermitteln die Spezial­is­ten. Manager können Fortschritt und Qualität ihrer Beiträge in Echtzeit online kon­trol­lieren. Sie können deren Leistungen in einem Profil bewerten, das die Freien wiederum als digitale Ar­beitsmappe verwenden. Um sich auf diese Entwicklung vorzu­bere­iten, sollten Sie eine Datenbank anlegen, die Stel­lenbeschrei­bun­gen, Pro­jek­tergeb­nisse und Beurteilun­gen aller festen und freien Mitarbeiter, die jemals für Sie tätig waren, bündelt. Das hilft Ihnen, den zukünftigen Bedarf an Hu­mankap­i­tal zuverlässig zu planen.

„Da viele große Konzerne inzwischen ihre Lieferanten unter Druck setzen, sich mit ihnen per Videokon­feren­zen zu verbinden, spielen in­ter­na­tionale Standards in der Videokon­feren­ztech­nik eine zunehmend wichtige Rolle.“

Die nächste Generation von Mi­tar­beit­ern ist das Leben mit totaler Vernetzung, In­for­ma­tionsverfügbarkeit und mobilem Zugang gewohnt, und sie wird diesen Stil in die Unternehmen tragen. Wenn Sie nicht auf die Besten verzichten wollen, machen Sie sich ihre Denkart zu eigen und halten Sie Ihren Leuten alle Möglichkeiten offen. Die Mitarbeiter von morgen, die in On­line-Com­mu­ni­tys aufgewach­sen sind, bee­in­flussen übrigens auch die Kom­mu­nika­tion im Unternehmen 2020: Sie wird kreativer, nuancierter und so kurz wie das 140-Ze­ichen-For­mat von Twitter.

Über den Autor

Tim Cole ist der Fachwelt bereits seit Längerem durch seine engagierten Blogs und Kolumnen als Koryphäe auf dem Gebiet der digitalen Wirtschaft bekannt. Als Moderator der Sendung eTalk bei n-tv und später N24 wurde er einem breiten Publikum bekannt. Er ist auch Koautor des Buches Das Kun­den-Kartell.