Projektgrundlagen
Eine Internetanwendung muss den Vorstellungen der Nutzer entsprechen. Was für diese jedoch einfach erscheinen mag, kann in der Herstellung u. U. äusserst komplex sein. Darum ist es wichtig, vor der eigentlichen Arbeit an einem Internetprojekt die gewünschten Aufgaben, Eigenschaften und die Bedienung der Internetanwendung genau zu definieren. Die Vielfalt der Arten von Internetanwendungen bedingt auch die Vielfalt der Projektarten. Es gibt relativ simple Websites (als "Visitenkarten"), Produktwerbung, Onlineshops, Portalwebsites, Telelearning-Systeme bis hin zu komplexen E-Commerce-Anwendungen. All diese stellen natürlich unterschiedliche Anforderungen an Umfang und Schwierigkeit des Realisierungsprojekts. Die Grösse eines Projekts lässt sich verschieden bemessen: etwa anhand der Anzahl der Mitarbeiter, der Arbeitszeit oder der Gesamtkosten. Kleine Projekte kommen vielleicht mit 2 Personen, 6 Personenmonaten und 100 000 DM aus, grosse hingegen können leicht mehr als 20 Personen, über 50 Personenmonate und über 2 Mio. DM benötigen.
Erstellung einer Internetanwendung als Projekt
Sie müssen als Projektleiter darauf achten, dass die einzelnen Projektschritte nicht zu sehr ineinander fliessen, ohne dass dies kontrolliert wird. Also: Nicht schon mit der Programmierung beginnen, bevor das Konzept noch nicht perfekt ist! Alle Projektphasen sollten gut dokumentiert werden, und selbstverständlich muss die Kommunikation zwischen allen Beteiligten reibungslos funktionieren. Am Anfang eines Projekts steht der Auftrag: Was genau will der Auftraggeber? Erarbeiten Sie präzise Definitionen! Dann erst folgen die verschiedenen Projektphasen:
„Projekte sind zeitlich befristete Vorhaben. Sie haben die Realisierung eines Produktes oder bestimmter Handlungen zum Ziel.“
Vorlauf: Beginnen Sie mit der Abklärung der Startbedingungen und der Durchführbarkeit, (Machbarkeitsstudie). Erstellen Sie dann ein Vorkonzept mit den Elementen: Projektausgangspunkt oder Idee, wichtige Funktionen der Anwendung, erster Entwurf der Benutzerführung, Festlegung der Laufzeitplattform, Abschätzung des Aufwands an Personal, Zeit, Hard- und Software, Festlegung der Entwicklungsumgebung, Designentwurf.
„Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es immer während der Realisierung noch Probleme und Unklarheiten geben wird, die Änderungen notwendig machen.“
Start: Auf der Basis des Vorkonzepts erfolgt nun die Entscheidung zum Projektstart. Geklärt werden müssen nun die folgenden Dinge: ein präzise formuliertes Projektziel, die Festlegung der Verantwortlichkeiten innerhalb des Projekts und Abklärung der benötigten Zeit- und Personalressourcen. Wichtig ist das Startgespräch mit dem Auftraggeber, das so genannte Kickoff-Meeting: Hier werden die Eckpunkte des Projekts festgelegt, ausserdem sollten gemeinsam eindeutige Abnahmekriterien formuliert werden. Änderungswünsche während des Projekts können so u. U. als Sonderaufwand geltend gemacht werden. Erstellen Sie einen Zeitplan, der natürlich den Abgabe-, aber auch Zwischentermine des Projekts enthält.
„Trotz aller guten Planung ist die Erstellung einer Internetanwendung immer ein iterativer Prozess.“
Entwurf: Diese Projektphase geht aus von der Projektzielformulierung. Dabei können Sie externe und interne Ziele unterscheiden. Extern: Fertigstellung dieses Projektes, dabei Sammlung von Ideen für Erweiterungen/Fortentwicklungen desselben. Intern: Kundenzufriedenheit, Erweiterung der eigenen Kenntnisse und Erfahrungen, Entwicklung von Standards, Motivation der Beteiligten. Dann folgt die eigentliche Konzeption, jetzt können Sie schon sehr ins Detail gehen: Inhalte der Anwendung, Benutzerführung, Festlegung der Nutzergruppen, grafische Gestaltung, Programmiervorschriften, Modularisierung, Hardware-Software-Konzept, Schnittstellen, Testkonzept, Entwicklungsumgebung. All diese Elemente ergeben die Gesamtkonzeption der Internetanwendung. Nun erfolgt die konkrete Aufgabenverteilung an die Projektmitarbeiter.
„Der Erfolg einer Internetanwendung ergibt sich durch das richtige Zusammenwirken von Gestaltung, Funktion und Inhalt der Anwendung.“
Realisierung/Implementation: Nun sollte für alle Beteiligten genau feststehen, was zu tun ist. Erstellen Sie einen grafischen Prototyp, der schon alle Seiten der Endanwendung enthalten kann, aber mit Dummys, Blindtexten etc. Dann folgt der funktionale Prototyp, und zwar noch auf dem Testsystem. Während dieser Arbeit werden sicherlich Probleme auftreten und Änderungen notwendig werden. Wichtig ist darum ein ständiger Informationsaustausch zwischen Designern, Programmierern, Projektleitung und Auftraggeber. Diese Phase schliesst mit der Verknüpfung der Module zur Gesamtanwendung.
„Unter Detaillierungsgrad (Grad der Verfeinerung) einer Projektstruktur versteht man die Anzahl der Gliederungsebenen im Projektstrukturplan, der hierarchisch aufgebaut ist.“
Staging: Die fertige Anwendung wird nun aufs Zielsystem übertragen. Ein Webserver muss eingerichtet und eventuell eine Datenbank erstellt und eingebunden werden. Dann wird die Anwendung auf dem Zielsystem getestet, und wenn alles klappt, erhält sie die Freischaltung.
Nachbereitung: Nun ist das Projekt fürs Erste in trockenen Tüchern, aber es muss ja auch täglich funktionieren und weiterentwickelt werden. Darum sollten Sie nun auf jeden Fall ein Abschlussmeeting mit Erfahrungsaustausch abhalten. Eventuell kommt ja auch noch eine Schulung von Kundenmitarbeitern für die weitere Betreuung der Anwendung auf Sie zu. Sammeln Sie also Vorschläge für Erweiterungen und für die Wartung der Anwendung.
Dokumentation
Die Dokumentation ist "das Band, das die Projektphasen zusammenhält", sie muss das Projekt also in allen Phasen begleiten. Gleichzeitig ist sie auch das "Gedächtnis des Projekts". Eine gute und konsequente Dokumentation erfordert zwar sicherlich einen gewissen Aufwand und auch Selbstdisziplin, doch es lohnt sich! Einige Grundregeln: Verwenden Sie das gleiche Datenformat für alle Dokumente, damit alle Beteiligten leichten Zugriff haben. Sorgen Sie für einheitliche Gestaltung der Dokumente und legen Sie sie in einem Projektordner ab sowie in eindeutig benannten Unterordnern. Die Sprache sollte am Adressaten orientiert sein: also Fachsprache nur für Fachleute! Kümmern Sie sich auch um die Zugriffsrechte auf die Dokumente. Die Funktionen der Dokumentation sind: Anleitung, Kommunikation, Kontrolle, Nachweis. Die einzelnen Bereiche der Dokumentation entsprechen den Projektphasen.
Konzeption einer Internetanwendung
Bei Internetprojekten geht es darum, aus zunächst relativ allgemeinen Angaben eine konkrete Anwendung zu entwickeln, dies ist die Aufgabe des Projektteams. Um am Ende ein allseitig zufrieden stellendes Ergebnis zu erhalten, empfiehlt sich ein methodisches Vorgehen von Anfang an. Nicht einfach drauflosprogrammieren! Am Anfang benötigen Sie eine einheitliche Sprachregelung zwischen Kunde/Auftraggeber und Projektteam. Eventuell muss auch die Aufgabe reformuliert werden, wobei Sie u. U. in kleinen Schritten vorgehen können, indem Sie den Aufgabentext sozusagen dekonstruieren, diskutieren, neu formulieren. Auf Punkte mit Klärungsbedarf und auf Begriffsungenauigkeiten müssen Sie dabei besonders achten. Ziel ist eine schrittweise Verfeinerung der Aufgabenstellung, was letztlich als Grundlage für die Arbeit dient. Das Aufgabenschema können Sie auch gut als Skizze darstellen, dies ist besonders hilfreich für die Projektmitarbeiter.
„Für die projektinterne Kommunikation werden Werkzeuge genutzt, die jeder Beteiligte anwenden kann (Telefon, E-Mail, Fax, Internet). Gegebenenfalls erfolgt zu Projektbeginn eine Einweisung.“
Erst danach beginnt die Konzeption für die konkrete technische Umsetzung. Wichtig beim grafischen Entwurf der Internetanwendung sind: einheitliche Gestaltung, Corporate Identity, Trennung der Funktionalitäten, eindeutige Benennung von Seitenelementen, Dateigrössen, übersichtliche Navigation. Dann folgt das technische Konzept. Legen Sie die folgenden Elemente fest: Art des Webservers und Betriebssystems, Umsetzung der interaktiven Bestandteile, Art der Datenbankanbindung, Javascript und weitere Techniken, weitere Anforderungen wie Laufzeit, Zugriffszähler, Datensicherung etc. Schon in der Konzeptionsphase kann es Fehlerquellen geben, auf die Sie ein wachsames Auge haben sollten. Besonders häufig sind dabei u. a. Mängel in der Aufgabenstellung, ungenaue Zielgruppendefinition, undurchsichtige Benutzerführung, mangelnde Berücksichtigung späterer redaktioneller Änderungen und der Funktionalität.
Projektmanagement
Bei einem Projekt spielen die Punkte Qualität, Umfang, Dauer und Kosten eine wichtige Rolle. Sie beeinflussen sich auch gegenseitig und erfordern daher ein professionelles Management. Gerade bei Internetprojekten arbeiten häufig recht unterschiedliche Berufsgruppen zusammen, auch dieser Umstand will gemanagt werden. Der Projektmanager leitet, kontrolliert und protokolliert das gesamte Projekt. Er steht mit allen Beteiligten ständig in Kontakt und sorgt für das zufrieden stellende Endergebnis. In der Angebotsphase verhandelt er mit dem Auftraggeber und auf Basis des Vorkonzepts erstellt er ein Angebot für den Klienten. Er stellt zur Projektrealisierung ein Team mit den benötigten Spezialisten zusammen und koordiniert die Aufgabenverteilung und die Arbeit. Nach Projektabschluss hält er den Kontakt zum Kunden aufrecht.
„Die eigentliche Testphase setzt nach Abschluss der Entwicklungsarbeit ein, wenn Designer und Programmierer ihre Arbeitspakete fertig gestellt und an das Testsystem übergeben haben.“
Die Projektplanung besteht aus folgenden Elementen: Projektzielplanung (eindeutige Definition der Ziele), Aufgabengliederungsplanung (Aufteilung der Gesamtarbeit in einzelne Aufgabenpakete, Erstellung eines Projektstrukturplanes, der als Basis für das Projektmanagement dient), Ablaufplanung (Verbindung und zeitliche Reihenfolge der Teilaufgaben, Erstellung eines Aufgabenterminplans - wichtig! Denn gerade die zeitliche Planung gestaltet sich bei Internetprojekten erfahrungsgemäss extrem schwierig! Meilensteine können hilfreich sein), Einsatzmittelplanung (Planung von Personal, Hard- und Software und anderem Material), Organisationsplanung, Kostenplanung, Terminplanung (am besten unterstützt durch entsprechende Software, weil es sonst vielfach zu komplex wird), Budgetplanung und Dokumentationsplanung.
„Projektplanung bedeutet systematische Informationsgewinnung über den zukünftigen Projektablauf und schriftliche Fixierung der im Projekt als notwendig erachteten Teilaufgaben.“
Die Projektsteuerung umfasst alle Massnahmen, die geeignet sind, das Projekt zu einem guten Abschluss zu bringen: schnelles Reagieren auf Abweichungen von den Vorgaben der Planung, Qualitätssteuerung und Koordination der Aufgaben. Hierfür sind weniger genau definierte Methoden als vielmehr Soft Skills gefordert: Menschenkenntnis, Sozialkompetenz, Führungserfahrung und Persönlichkeit. Auch effektives Selbstmanagement und gut strukturierte Tagesabläufe sind in diesem Bereich sehr wichtig. Die Projektkontrolle bewerkstelligt den Vergleich der realen Resultate mit der Planung und den Zielen. Ermitteln Sie mithilfe der Dokumentation Abweichungen und korrigieren Sie sie. Kommunikation zwischen allen Beteiligten ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Denn Kommunikationsprobleme sind häufig Ursache für Probleme im Projekt. Daher müssen für jeden Projektbereich Ansprechpartner bekannt sein. Alle Kommunikationsmittel müssen von allen Beteiligten beherrscht und für jedermann zugänglich sein. Planen Sie feste Informationsmeetings, die natürlich protokolliert werden, und sorgen Sie dafür, dass Meetings moderiert werden und dass sie grundsätzlich nutzbringend sind ("kein Meeting um des Meetings willen").
Implementierung und Test
Zur professionellen Projektarbeit gehört in jedem Fall auch das systematische Testen der entwickelten Anwendung. Alle denkbaren Fehlerquellen müssen untersucht werden. Man unterscheidet entwicklungsbegleitende Tests und die eigentliche Testphase nach Abschluss der Realisierungsphase. Zunächst führen Sie den projektinternen (White-Box-)Test durch, bei dem ein genaues Fehlerprotokoll geführt werden sollte (Fehlertyp, Tester, Datum usw.). Verschiedene Fehlertypen sollten Sie von leicht über mittel bis schwer kategorisieren, was dann auch die Priorität der Fehlerbehebung bestimmt. Der letzte externe oder Abnahmetest erfolgt meist im Black-Box-Verfahren, d. h. die Tester kennen nicht die Art und Weise der Umsetzung bzw. Programmierung, sie testen unvoreingenommen die Funktionen der Anwendung. Fehler lassen sich umso leichter beseitigen, je systematischer das Testverfahren angelegt ist. Auch bei kleinen Projekten sollten Sie keinesfalls auf Tests verzichten!