Navigieren im Auge des Taifuns

Buch Navigieren im Auge des Taifuns

Die Kunst des Führens leicht gemacht

Linde,


Rezension

Führungskräfte führen, sie schreiben keine Bücher. Höchstens anschließend. So liegt der Fall auch bei Peter Zulehner, der jahrzehn­te­lang als Manager im Vertrieb, im Marketing und im Per­son­al­bere­ich von Unternehmen wie Fischer Sports oder Magna tätig war. In Navigieren im Auge des Taifuns fasst der erfahrene Steuermann seine gesammelten Erken­nt­nisse zusammen. Sein Kerngedanke: Führen heißt mit Menschen arbeiten – und zwar so, dass alle möglichst motiviert und effizient sind. Deshalb müssen Manager ihren Mi­tar­beit­ern vor allem Ori­en­tierung bieten: durch offene Kom­mu­nika­tion, durch Anerkennung der geleisteten Arbeit und durch Wertschätzung der Person, die diese Leistung erbringt. Das ist leicht gesagt und weniger leicht umgesetzt, weiß auch Peter Zulehner. Seine Ausführungen sind geradlinig, vor Erfahrung geradezu triefend und kommen mit einfachen Worten aus. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Managern, die gewillt sind, ihr eigenes Führungsver­hal­ten und ihren Umgang mit ihren Mi­tar­beit­ern zu hin­ter­fra­gen.

Take-aways

  • Ori­en­tierung, Wertschätzung und Anerkennung sind die Grundlagen sinnvoller Führung.
  • Jeder Mitarbeiter will wissen, was in seiner Firma vorgeht. Was Sie selbst wissen, sollten Sie daher Ihrem Team weitergeben.
  • Wessen Leistung anerkannt wird und wer sich als Person geschätzt sieht, der arbeitet motivierter.
  • Je ehrlicher der Austausch, desto leichter entsteht Vertrauen, die Basis einer guten Zusam­me­nar­beit.
  • Mitarbeiter haben Anspruch auf Feedback: Was läuft gut? Was nicht? Wo liegen meine En­twick­lungschan­cen?
  • Je offener mit Fehlern umgegangen wird, desto leichter fällt es, daraus zu lernen.
  • Jeder Chef ist tagtäglich Vorbild für seine Mitarbeiter, im Guten wie im Schlechten.
  • Konsequenz im Umgang mit Mi­tar­beit­ern ist unabdingbar, damit Sie als Chef ernst genommen werden.
  • Sie können nie alle Fakten für eine Entschei­dung zusam­men­tra­gen. Im Zweifels­fall hören Sie auf Ihre Intuition.
  • Entschei­dun­gen fällen Sie am besten mit innerer Ruhe – quasi im Auge des Taifuns.
 

Zusammenfassung

Führen will gelernt sein

Die Zahl der Charis­matiker in den Tep­picheta­gen dieser Welt ist wesentlich höher als gedacht: Beinahe jeder Manager hält sich im Grunde für eine geborene Führungskraft – auch wenn die Un­tergebe­nen sich schwer tun, diese Einschätzung zu teilen. Aber was wissen die schon …

„Führen ist eine Kunst, eine Lei­den­schaft und ein Abenteuer zugleich.“

Führungskräfte wissen mehr, deshalb sind sie ja Chefs – nach diesem Muster agieren viele Manager und merken gar nicht, wie sehr sie ihre Mitarbeiter de­mo­tivieren. Führen bedeutet immer, einzugehen auf sein Gegenüber, es wahrzunehmen in seinem Können und Wollen. Und angemessen zu agieren. Das lässt sich erlernen. Wer aber schon alles weiß, der braucht nicht zu lernen. Deutlich gesagt: Ler­nun­willige Führungskräfte sind schlechte Führungskräfte. Daraus lässt sich eine These ableiten, die zwar ziemlich steil klingt, aber wahr ist: Wenn jemand schlampig, faul oder demotiviert arbeitet, liegt das am Chef. Jeder Mensch hat einen inneren Impuls, eine ihm gemäße Aufgabe zu bewältigen. Dazu braucht er:

  1. Ori­en­tierung
  2. Wertschätzung
  3. Anerkennung
„Führen heißt, dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeit getan wird.“

Das sind die drei Anknüpfungspunkte für sinnvolles Führen. Fehlt es an Feedback – dazu zählt auch die Hilfe bei der Bewältigung anspruchsvoller Aufgaben –, empfindet der Mitarbeiter Verdruss und beginnt gegen­zus­teuern, durch Ar­beitssim­u­la­tion, Auf­gaben­del­e­ga­tion und Krankfeiern.

Wohin geht die Reise?

Fangen wir bei Punkt 1 an: Ori­en­tierung. Jeder Mitarbeiter will wissen, wohin das Un­ternehmenss­chiff steuert. Je enger der Kontakt zur Un­ternehmensspitze und je erlesener die In­for­ma­tio­nen aus dem innersten Zirkel der Macht, desto wichtiger fühlt sich der Manager, denn: Wissen ist Macht. Also wird das Wissen gehortet und der Kopf geschüttelt über die „La­tri­nen­parolen“, die im Flurfunk gesendet werden. Dabei besagen die Parolen nur eines: Wo Ori­en­tierung gewünscht ist und Wissen voren­thal­ten wird, wird es durch Gerüchte ersetzt. Der Wunsch nach Wissen, nach Ori­en­tierung ist gleichwohl da: Jeder Mitarbeiter hat Interesse daran zu erfahren, wie es um seinen Arbeitgeber steht, welche Pläne gemacht werden und nicht zuletzt, was das für ihn persönlich bedeuten könnte.

„De facto suchen Führungskräfte im Allgemeinen den Fehler nicht bei sich.“

Punkt 2 ist die Wertschätzung. Sie wird für den Mitarbeiter erfahrbar, wenn Sie ihm zu spüren geben, dass Sie ihn als Mensch sehen, dass er mehr ist als ein Rädchen im Getriebe. Wer sich und seine Leistung wahrgenom­men und geschätzt fühlt, ist automatisch motivierter. Wertschätzung ist zugleich – Punkt 3 – Anerkennung. Damit ist nicht nur das Lob für überdurch­schnit­tliche Leistungen gemeint, sondern auch, dass Sie positive Kleinigkeiten bemerken. Dass „der Chef“ darauf achtet und die Leistung sieht, vermittelt bereits Anerkennung. Denn dann arbeiten Ihre Leute nicht mehr ins Leere…

FFF oder KKK?

Kom­mandieren, Kon­trol­lieren und Korrigieren lautet der Dreiklang, der in vielen Unternehmen angestimmt wird. Dieses 3-K-Modell ist bequem für Manager – für die Un­tergebe­nen ist es nicht nur unbequem, sondern vor allem entmündigend und de­mo­tivierend. Wer motivierte Mitarbeiter vorzieht, sollte auf das 3-F-Modell setzen: Fordern, Fördern, Feedback.

„Das eigene Verhalten zu hin­ter­fra­gen zeichnet eine gute Führungskraft aus.“

Fordern heißt, den Mi­tar­beit­ern genau zu sagen, was man will – und was nicht. Fördern bedeutet (über Weit­er­bil­dungskurse und andere Kar­ri­ere­hil­fen hinaus) vor allem, durch das eigene Vorbild zu zeigen, was Sie von den Mi­tar­beit­ern erwarten. Feedback heißt, Rückmeldung zu geben (und zu erhalten). Feedback heißt nicht – um dieses häufige Missverständnis zu beseitigen –, negative Kritik zu üben. Es geht darum, über Ar­beitsweisen und -ergebnisse zu re­flek­tieren. Das kann niemand allein, das geht nur mithilfe der Kollegen.

„Mitarbeiter möchten sich mit ,ihrer‘ Firma iden­ti­fizieren und auf ,ihr‘ Unternehmen stolz sein.“

Da gerade Chefs zu gegebenem Anlass den Hang haben, mit Kritik einfach so her­auszu­platzen, ist es wichtig, dass Sie regelmäßig und möglichst nicht an­lass­be­zo­gen ein Feedback geben, damit nicht nur die negative Kritik bei Ihren Mi­tar­beit­ern als Rückmeldung ankommt. Im Gegenteil: Feedback soll aufbauend sein, soll En­twick­lungsmöglichkeiten und die Wege dorthin in den Fokus stellen.

Auf ein Wort …

Ohne Respekt auf einer ver­trauensvollen Ebene können Sie solch ein Feed­back­ge­spräch nicht führen. Denn sonst wertet der Mitarbeiter jedes kritische Wort als Angriff, auf den er mit einer Vertei­di­gung­shal­tung reagiert. So kommt der kon­struk­tive Austausch sofort zum Erliegen.

„Anerkennung ist der Turbo für motivierte Mitarbeiter schlechthin.“

Apropos Austausch: Eine gute Kom­mu­nika­tion besteht nicht nur darin, In­for­ma­tio­nen und Aufträge konkret und unmissverständlich weit­erzugeben, sondern auch darin, ein Ohr für die Belange der Mitarbeiter zu haben. So wird Vertrauen aufgebaut. Und Sie als Vorge­set­zter erfahren, welche Stimmung im Betrieb herrscht. Auf diese Weise können Sie es vermeiden, Entschlüsse zu treffen und umzusetzen, die die Mitarbeiter weder verstehen noch akzeptieren.

„Fleiß, Bo­den­haf­tung und gesunder Men­schen­ver­stand machen eine exzellente Führungskraft aus.“

Auch wenn der Impuls verständlich ist: Es geht nicht an, nur positive Fakten weitergeben zu wollen. Die Mitarbeiter haben ein Recht zu erfahren, wenn es ihrem Arbeitgeber und seiner Branche nicht so gut geht. Offenheit sorgt dafür, dass die Mitarbeiter auch in schwierigen Phasen bei der Stange bleiben. Denn sie wissen, dass sie nicht mit Floskeln abgespeist werden. Wer schweigt und verharmlost, der zerstört Vertrauen und Motivation – und heizt damit nur die Gerüchteküche an.

Falsch gemacht

Offenheit empfiehlt sich auch im Umgang mit Fehlern. Denn nur wo Fehler nicht vertuscht werden, können wir aus ihnen lernen. In Unternehmen ohne Fehler­tol­er­anz passieren nicht weniger Fehler, aber es wird bedeutend mehr Energie darauf verwendet, sie zu vertuschen oder zumindest anderen in die Schuhe zu schieben. Um nicht mit dem Schwarzen Peter in der Hand dazusitzen, gibt es in solchen Unternehmen eine immense Scheu, Ve­r­ant­wor­tung zu übernehmen. Was solche Firmen erst richtig lähmt.

„Das Vertrauen der Mitarbeiter ist eine un­verzicht­bare Vo­raus­set­zung für wirksames Management.“

Ist ein Fehler passiert, gilt es in drei Schritten vorzugehen:

  1. Zuerst den Schaden begrenzen: nicht jammern und klagen, sondern dafür sorgen, dass der Fehler so wenig Folgen wie möglich hat.
  2. Erst dann die Ursachen beseitigen: Nur wer weiß, wie ein Fehler zustande kam, kann sein erneutes Auftauchen vermeiden. Eine Strafe sollte nur folgen, wenn der Fehler aufgrund schlampiger Arbeit – oder gar mit Absicht – entstand.
  3. Fehler zugeben und Sympathien gewinnen: Wenn Ihnen ein Fehler unterlaufen ist, geben Sie ihn sofort zu! Statt Hohn und Schaden­freude werden Sie Sympathien ernten. Alle wissen: Das hätte auch mir passieren können.
„Feedback ist auch ein Geschenk. Ein Geschenk kann ich annehmen oder auch nicht.“

Vor Fehlern ist niemand gefeit. Auch Untergebene nicht – das nervt die Chefs gewaltig und schlägt sich in entsprechen­den Sprüchen nieder. Die Bere­itschaft derselben Chefs, für die Fehler ihrer Un­tergebe­nen ger­adezuste­hen, ist hingegen beschränkt. Das ist wiederum – ein Fehler. Gute Chefs zeichnen sich durch die Souveränität aus, die Ve­r­ant­wor­tung für Fehler ihrer Mitarbeiter zu übernehmen. Der Mitarbeiter erlebt auf diese Weise, dass sich sein Chef vor ihn stellt. Das stärkt Vertrauen, Motivation und Wir-Gefühl.

Konsequent geblieben

Ein kon­se­quenter Chef sagt, was geht und was nicht. Er lobt, was gut läuft, und sank­tion­iert, wenn Regeln gebrochen werden. Damit liefert er Ori­en­tierung und Verlässlichkeit; nicht zuletzt übrigens auch dadurch, dass er Versprechen einhält. Warum scheuen so viele Führungskräfte dann davor zurück, konsequent erscheinen zu wollen? Weil konsequent wie „hart“ klingt. Auf­schlussre­ich ist der Blick auf das Gegenteil von konsequent: „halbherzig“. Wer halbherzig führt, ist nicht verlässlich, ist ein bellender Hund, der nicht zubeißen mag. Das kriegen Mitarbeiter schnell spitz und sie verhalten sich entsprechend. Wird der erste Kollege für andauerndes Fehlver­hal­ten nicht abgestraft, folgt bald der zweite … und der dritte … Wer immer wieder „Fünfe gerade sein lässt“, sorgt nur dafür, dass die Mitarbeiter ebenso agieren. Dem lässt sich nur ein Riegel vorschieben, indem Sie Fehlver­hal­ten ahnden, und zwar – eben: konsequent. Damit Ihnen das leicht fällt, muss die angedrohte „Strafe“ angemessen sein, denn sonst würden Sie sich vielleicht nicht trauen, sie umzusetzen. Oder Sie setzen sie um – und entsetzen damit die anderen Mitarbeiter.

„Gerade in Krisen­zeiten sollte offene Kom­mu­nika­tion das oberste Gebot sein.“

Nörgeln ist eigentlich kein Fehlver­hal­ten, dennoch nerven Nörgler – vor allem, weil sie andere mit herun­terziehen und das Be­trieb­sklima vergiften. Was immer die Gründe fürs Nörgeln sind: Offenbar passen Mitarbeiter und Unternehmen nicht zueinander. Wenn der Mitarbeiter das nicht erkennt, muss das Unternehmen aktiv werden – und sich von dieser Person trennen.

„In unserer Gesellschaft scheint kaum Platz für die Ansicht zu sein, dass man aus Fehlern lernen und an Fehlern wachsen kann.“

Andersherum gilt: Es ist Ihre Aufgabe her­auszufinden, wo welcher Mitarbeiter am besten eingesetzt werden kann. Nämlich dort, wo seine Begabungen liegen – also das, was über angelernte Fähigkeiten hinausgeht. Um her­auszufinden, worin diese Begabungen bestehen, müssen sich Führungskräfte intensiv mit den Mi­tar­beit­ern beschäftigen.

Im Auge des Taifuns

Entscheider müssen entscheiden, dafür werden sie bezahlt. Entscheiden können Sie natürlich am besten auf der Grundlage von Fakten. Doch in diesen schnel­llebi­gen Zeiten ist es noch schwieriger als früher, eine als „genügend“ empfundene Anzahl von In­for­ma­tio­nen überhaupt zusam­men­zu­tra­gen. Darüber können Sie jetzt lamentieren. Oder damit umzugehen lernen, z. B. nach dem Schema: Erst kommen die Fakten, dann die Intuition.

„Mitarbeiter, deren Ar­beit­sauf­gaben hauptsächlich ihren Fer­tigkeiten entsprechen, sind dort nicht authentisch und zeigen eher eine mittelmäßige Performance, während ihre Fähigkeiten unbemerkt und für das Unternehmen ungenutzt bleiben.“

Wenn genügend In­for­ma­tio­nen vorliegen, um eine anstehende Entschei­dung sachlich einzuordnen, ist es unsinnig, immer noch mehr In­for­ma­tio­nen aufzuhäufen. Das führt Sie nicht zur Entschei­dung, sondern weg von ihr. Viel schlauer ist es, sich mit den Fakten zurückzuziehen, sie zu überdenken und sich anschließend drei Fragen zu stellen:

  1. Sieht es gut aus? Wie sieht das Bild aus der Vo­gelper­spek­tive aus, wenn die Entschei­dung in eine bestimmte Richtung gefallen ist?
  2. Hört es sich gut an? Welche Gefühle machen sich breit, wenn ich mir vorstelle, jemandem die Entschei­dung mitzuteilen?
  3. Fühle ich mich wohl dabei? Wenn Sie unerklärliches Bauchweh haben – Finger weg!
„Kon­se­quen­zen sollten in einem angemesse­nen Verhältnis zum Vergehen stehen.“

Nur aus der Reflexion heraus, mit innerer Ruhe – wie aus dem Auge eines Taifuns heraus – können Sie die richtigen Entschei­dun­gen bewusst treffen.

Über den Autor

Peter Zulehner war Manager bei Fischer Sports und später Vice President Human Resources für die europäischen Standorte des Au­tozulief­er­ers Magna. Er arbeitet als Wirtschafts­me­di­a­tor und Coach und lehrt an der Technischen Universität Graz.