Führen will gelernt sein
Die Zahl der Charismatiker in den Teppichetagen dieser Welt ist wesentlich höher als gedacht: Beinahe jeder Manager hält sich im Grunde für eine geborene Führungskraft – auch wenn die Untergebenen sich schwer tun, diese Einschätzung zu teilen. Aber was wissen die schon …
„Führen ist eine Kunst, eine Leidenschaft und ein Abenteuer zugleich.“
Führungskräfte wissen mehr, deshalb sind sie ja Chefs – nach diesem Muster agieren viele Manager und merken gar nicht, wie sehr sie ihre Mitarbeiter demotivieren. Führen bedeutet immer, einzugehen auf sein Gegenüber, es wahrzunehmen in seinem Können und Wollen. Und angemessen zu agieren. Das lässt sich erlernen. Wer aber schon alles weiß, der braucht nicht zu lernen. Deutlich gesagt: Lernunwillige Führungskräfte sind schlechte Führungskräfte. Daraus lässt sich eine These ableiten, die zwar ziemlich steil klingt, aber wahr ist: Wenn jemand schlampig, faul oder demotiviert arbeitet, liegt das am Chef. Jeder Mensch hat einen inneren Impuls, eine ihm gemäße Aufgabe zu bewältigen. Dazu braucht er:
- Orientierung
- Wertschätzung
- Anerkennung
„Führen heißt, dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeit getan wird.“
Das sind die drei Anknüpfungspunkte für sinnvolles Führen. Fehlt es an Feedback – dazu zählt auch die Hilfe bei der Bewältigung anspruchsvoller Aufgaben –, empfindet der Mitarbeiter Verdruss und beginnt gegenzusteuern, durch Arbeitssimulation, Aufgabendelegation und Krankfeiern.
Wohin geht die Reise?
Fangen wir bei Punkt 1 an: Orientierung. Jeder Mitarbeiter will wissen, wohin das Unternehmensschiff steuert. Je enger der Kontakt zur Unternehmensspitze und je erlesener die Informationen aus dem innersten Zirkel der Macht, desto wichtiger fühlt sich der Manager, denn: Wissen ist Macht. Also wird das Wissen gehortet und der Kopf geschüttelt über die „Latrinenparolen“, die im Flurfunk gesendet werden. Dabei besagen die Parolen nur eines: Wo Orientierung gewünscht ist und Wissen vorenthalten wird, wird es durch Gerüchte ersetzt. Der Wunsch nach Wissen, nach Orientierung ist gleichwohl da: Jeder Mitarbeiter hat Interesse daran zu erfahren, wie es um seinen Arbeitgeber steht, welche Pläne gemacht werden und nicht zuletzt, was das für ihn persönlich bedeuten könnte.
„De facto suchen Führungskräfte im Allgemeinen den Fehler nicht bei sich.“
Punkt 2 ist die Wertschätzung. Sie wird für den Mitarbeiter erfahrbar, wenn Sie ihm zu spüren geben, dass Sie ihn als Mensch sehen, dass er mehr ist als ein Rädchen im Getriebe. Wer sich und seine Leistung wahrgenommen und geschätzt fühlt, ist automatisch motivierter. Wertschätzung ist zugleich – Punkt 3 – Anerkennung. Damit ist nicht nur das Lob für überdurchschnittliche Leistungen gemeint, sondern auch, dass Sie positive Kleinigkeiten bemerken. Dass „der Chef“ darauf achtet und die Leistung sieht, vermittelt bereits Anerkennung. Denn dann arbeiten Ihre Leute nicht mehr ins Leere…
FFF oder KKK?
Kommandieren, Kontrollieren und Korrigieren lautet der Dreiklang, der in vielen Unternehmen angestimmt wird. Dieses 3-K-Modell ist bequem für Manager – für die Untergebenen ist es nicht nur unbequem, sondern vor allem entmündigend und demotivierend. Wer motivierte Mitarbeiter vorzieht, sollte auf das 3-F-Modell setzen: Fordern, Fördern, Feedback.
„Das eigene Verhalten zu hinterfragen zeichnet eine gute Führungskraft aus.“
Fordern heißt, den Mitarbeitern genau zu sagen, was man will – und was nicht. Fördern bedeutet (über Weiterbildungskurse und andere Karrierehilfen hinaus) vor allem, durch das eigene Vorbild zu zeigen, was Sie von den Mitarbeitern erwarten. Feedback heißt, Rückmeldung zu geben (und zu erhalten). Feedback heißt nicht – um dieses häufige Missverständnis zu beseitigen –, negative Kritik zu üben. Es geht darum, über Arbeitsweisen und -ergebnisse zu reflektieren. Das kann niemand allein, das geht nur mithilfe der Kollegen.
„Mitarbeiter möchten sich mit ,ihrer‘ Firma identifizieren und auf ,ihr‘ Unternehmen stolz sein.“
Da gerade Chefs zu gegebenem Anlass den Hang haben, mit Kritik einfach so herauszuplatzen, ist es wichtig, dass Sie regelmäßig und möglichst nicht anlassbezogen ein Feedback geben, damit nicht nur die negative Kritik bei Ihren Mitarbeitern als Rückmeldung ankommt. Im Gegenteil: Feedback soll aufbauend sein, soll Entwicklungsmöglichkeiten und die Wege dorthin in den Fokus stellen.
Auf ein Wort …
Ohne Respekt auf einer vertrauensvollen Ebene können Sie solch ein Feedbackgespräch nicht führen. Denn sonst wertet der Mitarbeiter jedes kritische Wort als Angriff, auf den er mit einer Verteidigungshaltung reagiert. So kommt der konstruktive Austausch sofort zum Erliegen.
„Anerkennung ist der Turbo für motivierte Mitarbeiter schlechthin.“
Apropos Austausch: Eine gute Kommunikation besteht nicht nur darin, Informationen und Aufträge konkret und unmissverständlich weiterzugeben, sondern auch darin, ein Ohr für die Belange der Mitarbeiter zu haben. So wird Vertrauen aufgebaut. Und Sie als Vorgesetzter erfahren, welche Stimmung im Betrieb herrscht. Auf diese Weise können Sie es vermeiden, Entschlüsse zu treffen und umzusetzen, die die Mitarbeiter weder verstehen noch akzeptieren.
„Fleiß, Bodenhaftung und gesunder Menschenverstand machen eine exzellente Führungskraft aus.“
Auch wenn der Impuls verständlich ist: Es geht nicht an, nur positive Fakten weitergeben zu wollen. Die Mitarbeiter haben ein Recht zu erfahren, wenn es ihrem Arbeitgeber und seiner Branche nicht so gut geht. Offenheit sorgt dafür, dass die Mitarbeiter auch in schwierigen Phasen bei der Stange bleiben. Denn sie wissen, dass sie nicht mit Floskeln abgespeist werden. Wer schweigt und verharmlost, der zerstört Vertrauen und Motivation – und heizt damit nur die Gerüchteküche an.
Falsch gemacht
Offenheit empfiehlt sich auch im Umgang mit Fehlern. Denn nur wo Fehler nicht vertuscht werden, können wir aus ihnen lernen. In Unternehmen ohne Fehlertoleranz passieren nicht weniger Fehler, aber es wird bedeutend mehr Energie darauf verwendet, sie zu vertuschen oder zumindest anderen in die Schuhe zu schieben. Um nicht mit dem Schwarzen Peter in der Hand dazusitzen, gibt es in solchen Unternehmen eine immense Scheu, Verantwortung zu übernehmen. Was solche Firmen erst richtig lähmt.
„Das Vertrauen der Mitarbeiter ist eine unverzichtbare Voraussetzung für wirksames Management.“
Ist ein Fehler passiert, gilt es in drei Schritten vorzugehen:
- Zuerst den Schaden begrenzen: nicht jammern und klagen, sondern dafür sorgen, dass der Fehler so wenig Folgen wie möglich hat.
- Erst dann die Ursachen beseitigen: Nur wer weiß, wie ein Fehler zustande kam, kann sein erneutes Auftauchen vermeiden. Eine Strafe sollte nur folgen, wenn der Fehler aufgrund schlampiger Arbeit – oder gar mit Absicht – entstand.
- Fehler zugeben und Sympathien gewinnen: Wenn Ihnen ein Fehler unterlaufen ist, geben Sie ihn sofort zu! Statt Hohn und Schadenfreude werden Sie Sympathien ernten. Alle wissen: Das hätte auch mir passieren können.
„Feedback ist auch ein Geschenk. Ein Geschenk kann ich annehmen oder auch nicht.“
Vor Fehlern ist niemand gefeit. Auch Untergebene nicht – das nervt die Chefs gewaltig und schlägt sich in entsprechenden Sprüchen nieder. Die Bereitschaft derselben Chefs, für die Fehler ihrer Untergebenen geradezustehen, ist hingegen beschränkt. Das ist wiederum – ein Fehler. Gute Chefs zeichnen sich durch die Souveränität aus, die Verantwortung für Fehler ihrer Mitarbeiter zu übernehmen. Der Mitarbeiter erlebt auf diese Weise, dass sich sein Chef vor ihn stellt. Das stärkt Vertrauen, Motivation und Wir-Gefühl.
Konsequent geblieben
Ein konsequenter Chef sagt, was geht und was nicht. Er lobt, was gut läuft, und sanktioniert, wenn Regeln gebrochen werden. Damit liefert er Orientierung und Verlässlichkeit; nicht zuletzt übrigens auch dadurch, dass er Versprechen einhält. Warum scheuen so viele Führungskräfte dann davor zurück, konsequent erscheinen zu wollen? Weil konsequent wie „hart“ klingt. Aufschlussreich ist der Blick auf das Gegenteil von konsequent: „halbherzig“. Wer halbherzig führt, ist nicht verlässlich, ist ein bellender Hund, der nicht zubeißen mag. Das kriegen Mitarbeiter schnell spitz und sie verhalten sich entsprechend. Wird der erste Kollege für andauerndes Fehlverhalten nicht abgestraft, folgt bald der zweite … und der dritte … Wer immer wieder „Fünfe gerade sein lässt“, sorgt nur dafür, dass die Mitarbeiter ebenso agieren. Dem lässt sich nur ein Riegel vorschieben, indem Sie Fehlverhalten ahnden, und zwar – eben: konsequent. Damit Ihnen das leicht fällt, muss die angedrohte „Strafe“ angemessen sein, denn sonst würden Sie sich vielleicht nicht trauen, sie umzusetzen. Oder Sie setzen sie um – und entsetzen damit die anderen Mitarbeiter.
„Gerade in Krisenzeiten sollte offene Kommunikation das oberste Gebot sein.“
Nörgeln ist eigentlich kein Fehlverhalten, dennoch nerven Nörgler – vor allem, weil sie andere mit herunterziehen und das Betriebsklima vergiften. Was immer die Gründe fürs Nörgeln sind: Offenbar passen Mitarbeiter und Unternehmen nicht zueinander. Wenn der Mitarbeiter das nicht erkennt, muss das Unternehmen aktiv werden – und sich von dieser Person trennen.
„In unserer Gesellschaft scheint kaum Platz für die Ansicht zu sein, dass man aus Fehlern lernen und an Fehlern wachsen kann.“
Andersherum gilt: Es ist Ihre Aufgabe herauszufinden, wo welcher Mitarbeiter am besten eingesetzt werden kann. Nämlich dort, wo seine Begabungen liegen – also das, was über angelernte Fähigkeiten hinausgeht. Um herauszufinden, worin diese Begabungen bestehen, müssen sich Führungskräfte intensiv mit den Mitarbeitern beschäftigen.
Im Auge des Taifuns
Entscheider müssen entscheiden, dafür werden sie bezahlt. Entscheiden können Sie natürlich am besten auf der Grundlage von Fakten. Doch in diesen schnelllebigen Zeiten ist es noch schwieriger als früher, eine als „genügend“ empfundene Anzahl von Informationen überhaupt zusammenzutragen. Darüber können Sie jetzt lamentieren. Oder damit umzugehen lernen, z. B. nach dem Schema: Erst kommen die Fakten, dann die Intuition.
„Mitarbeiter, deren Arbeitsaufgaben hauptsächlich ihren Fertigkeiten entsprechen, sind dort nicht authentisch und zeigen eher eine mittelmäßige Performance, während ihre Fähigkeiten unbemerkt und für das Unternehmen ungenutzt bleiben.“
Wenn genügend Informationen vorliegen, um eine anstehende Entscheidung sachlich einzuordnen, ist es unsinnig, immer noch mehr Informationen aufzuhäufen. Das führt Sie nicht zur Entscheidung, sondern weg von ihr. Viel schlauer ist es, sich mit den Fakten zurückzuziehen, sie zu überdenken und sich anschließend drei Fragen zu stellen:
- Sieht es gut aus? Wie sieht das Bild aus der Vogelperspektive aus, wenn die Entscheidung in eine bestimmte Richtung gefallen ist?
- Hört es sich gut an? Welche Gefühle machen sich breit, wenn ich mir vorstelle, jemandem die Entscheidung mitzuteilen?
- Fühle ich mich wohl dabei? Wenn Sie unerklärliches Bauchweh haben – Finger weg!
„Konsequenzen sollten in einem angemessenen Verhältnis zum Vergehen stehen.“
Nur aus der Reflexion heraus, mit innerer Ruhe – wie aus dem Auge eines Taifuns heraus – können Sie die richtigen Entscheidungen bewusst treffen.