Oberste Regel: klare Kommunikation
Gerade in Zeiten des Wandels müssen Sie als Unternehmenslenker stets klar und deutlich kommunizieren. Ein Wechsel an der Unternehmensspitze, eine Neuausrichtung oder eine Restrukturierung – all das sind Situationen, mit denen Unternehmen jeder Größe heute öfter konfrontiert sind als noch vor einigen Jahrzehnten. Wenn Sie es verstehen, in solchen Situationen angemessen nach innen und außen zu kommunizieren, steuern Sie souverän durch solche Umbruchphasen. Dabei lässt sich die Unternehmenskommunikation gezielt als Führungsinstrument einsetzen. Sie können damit gerade in Phasen der Veränderung Sicherheit vermitteln und eine Leitlinie vorgeben. Die Unternehmenskommunikation leitet sich von der Strategie und den Zielen des Unternehmens ab und wirkt als Verstärker auf diese zurück.
„Sondersituationen können – und müssen gelegentlich sogar – vom Management gewollt herbeigeführt werden, um einen notwendigen Wandlungsprozess durchzusetzen.“
Für die Mitarbeiter ist es in Zeiten der Krise oder der Neuausrichtung existenziell wichtig, dass sie informiert werden – und zwar noch vor den Medien und unbedingt durch die Vorgesetzten bzw. das Management selbst. Wenn Sie erst die Medien und dann die Mitarbeiter informieren, verspielen Sie alle Chancen auf Rückhalt bei der eigenen Belegschaft, schüren Misstrauen und öffnen Gerüchten Tür und Tor. Wie Unternehmenskommunikation in typischen Umbruchphasen gelingen kann, lässt sich am besten an typischen Beispielen zeigen.
Beispiel Restrukturierung
Bei einer Restrukturierung geht es um strukturelle Veränderungen eines Unternehmens und seiner Prozesse. Nötig ist ein Restrukturierungskonzept, das Potenziale und Handlungsfelder aufzeigt und einen brauchbaren Umsetzungsplan bietet. Dieses Konzept ist die Basis für die interne und externe Kommunikation.
„Im Zuge von Sondersituationen werden Schwachstellen eindrucksvoll offenbart.“
Im Fall des Halbleiterherstellers Infineon hat im Jahr 2009 eine intern wie extern offen geführte Kommunikation zum Wiederaufbau von Vertrauen geführt. Das schon lange in einer zähen Ertragskrise steckende Unternehmen geriet noch stärker ins Schlingern, als seine Tochtergesellschaft Qimonda Insolvenz anmelden musste. Der neue Vorstandschef Peter Bauer, dem von Anfang an kaum Erfolgschancen eingeräumt wurden, entschied sich für eine direkte und offene Kommunikation. Als Erstes informierte er mit einer E-Mail der Geschäftsleitung die Kunden, Geschäftspartner, Lieferanten, Analysten und Anteilseigner über die Inhalte eines Restrukturierungsplans namens „IFX 10+“. Interne Newsletter, Fragenkataloge sowie interne Veranstaltungen sorgten für einen raschen Informationsfluss im Unternehmen. Zeitgleich wurden Informationsschreiben an die Medien und die Finanzwelt herausgegeben.
„In manchen Unternehmen nehmen die Sondersituationen derart überhand, dass sie als Dauerzustand erscheinen.“
Die offene Kommunikationsweise zeigte Wirkung: Die Mitarbeiter äußerten sich nach der überstandenen Krise positiv in direkten Mails an den Vorstandschef und begrüßten die offene Art des Informationsflusses. Ein Erfolgsfaktor war vor allem die ungeschönte und sachliche Art und Weise, mit der die Hintergründe der Unternehmenskrise dargestellt wurden, sowie die Gesprächs- und Zuhörbereitschaft des Managements gegenüber den Belangen der Mitarbeiter.
Beispiel Post Merger Integration
In der Phase nach dem Zusammenschluss zweier Unternehmen kommt es darauf an, die personelle, strukturelle, kulturelle und strategische Integration voranzutreiben. In der kommunikativen Begleitung dieser Phase liegt die eigentliche Erfolgskomponente von Unternehmensfusionen. Im Fall der Pharma-Unternehmen Merck und Serono gelang die Eingliederung von Serono vorbildlich. Die emotionalen Belange der Belegschaft (Unsicherheit, Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes) konnten gut aufgefangen werden. Trotz verschiedener Unternehmenskulturen fand man bald zu einem gemeinsamen Leitbild. Der gesamte Integrationsprozess wurde nach innen sehr transparent gestaltet. Der eigens dafür ins Leben gerufene Newsletter „proIntegration“ setzte die Mitarbeitenden regelmäßig über alle Schritte ins Bild. Mitarbeiterveranstaltungen, die per Video zeitgleich an alle Standorte übertragen wurden, sorgten für punktgenaue Information. Das Motto lautete, das Beste aus beiden Unternehmen zusammenzuführen. Daher setzte man bei allen Abteilungen systematisch Mitarbeiter beider Unternehmen ein. Paritätisch besetzt wurde auch das Integrationsteam, das für alle Prozesse, Strukturen und Posten die jeweils Besten auswählte. Aus der Eingliederung von Serono entstand eine neue Sparte des Unternehmens Merck. Zugleich wechselte man in ein anderes Gebäude, sodass der Neubeginn auch äußerlich sichtbar wurde.
„Wirkungsvolle Vertrauensbildung basiert auf einer ausgeprägten Unternehmenskommunikation.“
Neben regelmäßigen Mitarbeiterveranstaltungen rund um den Integrationsprozess wurden Executive-Management-Board-Lunchs eingeführt. Zu solchen Mittagessen trafen sich nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Mitarbeiter mit einem Mitglied der Spartenleitung, in regelmäßigem Turnus und ohne thematische Vorgaben. Dies diente dem gegenseitigen Kennenlernen der Mitarbeiter und wurde auch nach erfolgreich abgeschlossener Integrationsphase bei Merck Serono weltweit fortgesetzt.
Beispiel Carve-out
Beim Carve-out handelt es sich um die Ausgliederung eines Unternehmensteils. Eine solche Maßnahme ist für die Mitarbeiter oft schwer nachzuvollziehen. Sie werden vom Mutterunternehmen abgeschnitten und wissen zunächst nicht, wie es für sie weitergeht. Ein Carve-out ist typischerweise von langen Phasen der Unsicherheit geprägt, und nur der Beginn – der Entschluss zum Verkauf – ist planbar und kann kommunikativ vorbereitet werden. Über die nächste Phase, die der Verhandlung, muss meist Stillschweigen bewahrt werden. In dieser Phase lässt sich nach außen nur mit Sprachregelungen und Reaktionen auf Falschmeldungen agieren. Während der Übergangsphase, dem „Herausschneiden“, kommt es darauf an, so schnell wie möglich neue Kommunikationsstrukturen und -kanäle zu aktivieren. Gerade für externe Stakeholder wie Lieferanten, Banken, Geschäftspartner oder Aktionäre ist es wichtig, nun wieder Informationen zu erhalten. Es kann z. B. eine „Zukunftsstory“ formuliert und in die Medien sowie nach innen transportiert werden.
„Offene und intensive Kommunikation kann in einer akuten Krise eine Chance sein.“
Im Fall von Nora, einem Hersteller von Bodenbelägen, führte der anfängliche Mangel an interner Kommunikation zu einer spontanen Blockadeaktion im Werk und in der Folge zum Abbruch von Verkaufsverhandlungen. Der Geschäftsführer lernte aus diesem Fehler und krempelte daraufhin das Kommunikationsverhalten des Unternehmens um. Er überwand die feindliche Haltung der Mitarbeiter und konnte ihre Ängste eindämmen, u. a. durch ein handschriftliches Dokument, das die Hintergründe erläuterte, sowie durch seine Gesprächsbereitschaft. Mithilfe kontinuierlicher Information, auch bei kleinen Zwischenschritten, konnte er den Verkaufsprozess wieder in Gang bringen und abschließen – dieses Mal sogar im Konsens mit Betriebsrat und Gewerkschaft.
Beispiel Insolvenz
Auch bei einem Konkurs muss der Informationsfluss an die Mitarbeiter an erster Stelle stehen. Die Kommunikation nach außen wird bei einer Insolvenz stark von den rechtlichen Regelungen zu Mitteilungen und Veröffentlichungen bestimmt. Will das Unternehmen nach der Insolvenz weiter tätig sein und den Regelbetrieb wieder aufnehmen, gilt es, Medien, Geschäftspartnern, Kunden und Banken eingehend zu erläutern, wie es zur Krise kam, wie der Sanierungsplan aussieht und wie es anschließend weitergehen soll. Im Mittelpunkt der Kommunikation nach außen stehen die Leistungen des Insolvenzverwalters sowie die erreichten Ziele.
„Die Mitarbeiter erwarten nicht Endgültigkeit, sondern Offenheit und ein sichtbares Bekenntnis zur Transparenz.“
Im Fall des Briefdienstleisters Pin Group war das Medieninteresse im Jahr 2008 sehr hoch. Die Insolvenz des Unternehmens wurde u. a. von der Entscheidung des deutschen Bundestags für einen Mindestlohn für Briefträger von 10 € pro Stunde ausgelöst. Der Springer-Verlag beendete daraufhin sein Engagement bei Pin. Insolvenzverwalter Bruno Kübler verfolgte von Beginn an eine mit klaren Botschaften agierende Pressearbeit. Es galt die Losung: Kundenverluste weitgehend vermeiden, mögliche Investoren nicht verschrecken, sondern durch realistische Einschätzungen interessieren, das Briefnetz als Ganzes wahren und den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten.
„Kommunikation zur Positionierung oder Repositionierung bedeutet immer eine Konzentration auf einige wesentliche Botschaften.“
Pressekonferenzen, Medienkontakte und die Tatsache, dass sich der Insolvenzverwalter aus emotional geführten Debatten geschickt heraushielt, führten zu einer kontinuierlichen Außeninformation, die weitgehend sachlich blieb. Trotz der Aufdeckung einer Finanzaffäre während der Insolvenzabwicklung blieb der Reputationsverlust gering – wiederum dank des schnellen, transparenten Handelns des Insolvenzverwalters. Schließlich gelang es, wichtige Unternehmensteile an die Holtzbrinck-Gruppe zu verkaufen und so rund die Hälfte der 11 000 Arbeitsplätze zu sichern.
Beispiel Repositionierung
Mit einer Repositionierung ist eine geplante Veränderung der bisherigen Positionierung eines Unternehmens gemeint. Notwendig werden kann eine solche aufgrund veränderter Marktbedingungen, hervorgerufen beispielsweise durch neue Kunden, Wettbewerber, Preiskämpfe oder Globalisierungsbestrebungen. Eine Repositionierung ist immer vorhersehbar, da das Management über sie entscheidet und sie vorantreibt. Und sie erfordert einen hohen Kommunikationsaufwand nach innen wie nach außen. Das Management sollte ein Kommunikationskonzept ausarbeiten, das die Grundfrage klärt, wofür das Unternehmen zukünftig stehen will. Danach sollten alle bisherigen Maßnahmen und Instrumente der Prüfung unterzogen werden, ob sie auch in der neuen Positionierung mit Aussage, Inhalt und Tonalität noch funktionieren. Alle Maßnahmen aus Marketing, Sponsoring, Verkaufsförderung, Werbung und Pressearbeit müssen nahtlos ineinandergreifen und dieselbe Botschaft enthalten. Management und Führungskräfte werden zu Botschaftern der neuen Stoßrichtung und fungieren als Vorbilder.
„Wir brauchen im harten Kampf der globalen Märkte in Europa Unternehmen, die handeln, weil sie treiben wollen, und nicht, weil sie Getriebene sind.“
Ein Beispiel: Manroland, ein Hersteller von Bogen- und Rollenoffsetdrucksystemen. Das Unternehmen gehörte früher zur MAN AG. Mit dem Verkauf wurde es selbstständig, und eine Repositionierung war notwendig. Manroland entwickelte einen neuen Namen und definierte 13 Aktionsfelder für die Repositionierung, u. a. Umfirmierung sowie neue Logos, Beschilderung, Ausweise und Kleidung. Alle Aktionen der 13 Handlungsfelder wurden generalstabsmäßig durchgeplant und zeitgleich umgesetzt. Dieser so genannte Big Bang geschah auf der Drupa, der Leitmesse der Druckindustrie. Sie wurde als Anlass gewählt, weil man sich dort der Aufmerksamkeit der Kunden und der Branche sicher sein konnte. Die Mitarbeiter waren von Beginn an informiert; so gelang es, sie zu Markenbotschaftern zu machen. Manroland konnte durch offene und weltweit zeitgleiche Kommunikation nach innen und außen die Veränderung sichtbar und für alle nachvollziehbar machen und sie erfolgreich in Szene setzen.
Faustregeln für die Kommunikation in Umbruchphasen
In vielen Umbruchphasen entscheidet letztlich die Güte der Unternehmenskommunikation darüber, ob sie erfolgreich gemeistert werden können oder am Ende sogar die Reputation Schaden nimmt. Hier ein paar Faustregeln für alle Arten der Krisenkommunikation:
- Kommunizieren Sie von Beginn an offen und transparent.
- Ihre Mitarbeiter haben ein Recht auf Information.
- Durch authentische Kommunikation machen Sie Betroffene zu Beteiligten.
- Auch wenn es einmal keine Neuigkeiten gibt, ist gerade dies eine interne Meldung wert. So nehmen Sie den Mitarbeitern die Angst davor, Neuigkeiten als Letzte zu erfahren.
- Kommunikation in Umbruchphasen muss genau geplant werden.
- Jede Zielgruppe hat ihre eigenen Befürchtungen und Zweifel. Banker brauchen z. B. andere Informationen als Lieferanten. Bedienen Sie sie mit entsprechend zugeschnittenen Informationen.