Die neue Rolle des HR
Die Zeiten, in denen die Personalabteilung vor allem das Personal zu verwalten hatte, sind vorbei. Heute wird Personalern mehr abverlangt, das HR wird zunehmend eingebunden in die strategischen Ziele des Unternehmens, es ist Mittler zwischen Arbeitgeber und -nehmer, sollen Arbeitszeitmodelle gestalten und interne Veränderungsprojekte vorantreiben. Das erfordert ein verändertes Rollenverständnis.
„HR ist die mit Abstand breiteste und interdisziplinärste Funktion in Unternehmen.“
Wer zu einem neuen Selbstverständnis aufbrechen will, muss seine Rolle erst finden. Einige grundlegende Fragen stellen sich: Wie lassen sich Prozesse und Strukturen sinnvoll verändern? Wie können Personaler bei strategischen Fragestellungen wertvollen Input geben? Welche Qualifikationen brauchen sie dafür?
Gründe für die HR-Optimierung
Die Gründe, die eigene Personalverwaltung zu optimieren, sind vielschichtiger Natur. Vielleicht haben Behörden oder Berater bei einer Überprüfung festgestellt, dass einiges im Argen liegt. Der Anstoß kann aber auch von innen kommen, etwa wenn Mitarbeiter sich über komplizierte Abrechnungsprozesse von Reisespesen beklagen. Oder wenn die Geschäftsführung neue, kostensparende Strukturen schaffen möchte, z. B. indem sie bestimmte Bereiche wie die Lohnbuchhaltung oder die Administration der Dienstreisen outsourct.
„Rolle und Funktion des HR-Managements sind im rasanten Wandel.“
Wenn über das schiere Verwalten hinaus gedacht und gehandelt werden soll, eignen sich HR-Manager eigentlich ideal, schließlich ist ihr Gegenstandsbereich, die Mitarbeiter, ein wichtiges Kapital des Arbeitgebers. Daran knüpfen viele Aufgabenstellungen an: Wie muss eine Personalentwicklung aussehen, mit der das Unternehmen für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet ist? Welche neuen Mitarbeiter brauchen wir? Wie finden und wie halten wir sie? Das sind strategische Fragestellungen. Wer sie aufgeworfen hat, sollte die Antworten darauf mit den vorgegebenen großen strategischen Linien des Unternehmens abgleichen.
HR-Neuorganisation
Diverse Studien bestätigen, dass nur jeder zehnte Geschäftsführer die Arbeit seiner Personalabteilung als strategisch relevant ansieht. Ebenso frappierend: Die mangelnde Wertschätzung scheint bei den Betroffenen nicht anzukommen. Mehr als drei Viertel der Personalverantwortlichen sehen sich als wichtige Partner der Geschäftsführung. Damit Selbst- und Fremdwahrnehmung nicht länger auseinanderklaffen, bietet es sich an, die Personalabteilung zu professionalisieren. Eine praktische Möglichkeit besteht darin, einen HR-Business-Partner zu schaffen: Er ist ein Ansprechpartner für andere Führungskräfte, wenn es um personalrelevante Themen geht, und verfügt über strategisches Verständnis, sodass er sowohl beratend als auch handelnd tätig sein kann.
„Die Disziplin Personal ist mehr als die Verwaltung und Entwicklung von Menschen.“
Neu eingerichtete „Centers of Excellence“, in denen Prozesse optimiert und hinterfragt werden, können für ein besseres Image der Personalabteilung und für ein steigendes Selbstbewusstsein von deren Mitarbeitern sorgen. Wenn bestimmte Prozesse überprüft, bei Bedarf überarbeitet und verbindlich standardisiert werden und wenn zudem das Verwalten weitgehend elektronisch abgewickelt wird, vermittelt das nach außen: Hier öffnen sich Freiräume, hier gibt es Potenzial. Dafür muss die Qualität der HR-Daten allerdings stimmen. Nur wer verlässliche und belastbare Zahlen liefert und das eigene Wirken auf diese Weise überprüfbar macht, wird ernst genommen. Sinnvoll ist daher der Aufbau eines internen Kontrollsystems, das für die korrekte Datenerhebung (etwa für Gehalt und Arbeitszeiten) einsteht.
In zehn Schritten zum Optimum
Um sich in strategischer Hinsicht auf Augenhöhe mit der Geschäftsführung zu etablieren, bietet sich für den HR-Bereich ein Vorgehen in zehn Schritten an:
- Unternehmensstrategie verstehen: Jede HR-Strategie ist notwendigerweise Teil der unternehmensweiten Strategie. Betriebswirtschaftliches Verständnis dafür, wie sich das Unternehmen in den Märkten bewegt und wie es zukünftig agieren will, ist absolut notwendig, um die Geschäftsleitung sinnvoll zu unterstützen. Ein Beispiel: Zielt die Firmenstrategie auf Kundennähe, werden andere Mitarbeiter gebraucht, als wenn Forschungsaktivitäten gefördert werden sollen. Nur wenn die Personalabteilung die Absichten der Geschäftsführung kennt, kann sie sie sinnvoll begleiten.
- HR-Strategie definieren: Wer verstanden hat, was das Unternehmen antreibt, kann seine Strategie daraufhin abstimmen. Für die Personalabteilung heißt das etwa, Richtlinien zu erstellen , die darüber Auskunft geben, über welche Qualifikationen neue Mitarbeiter verfügen sollten, wie und woher sie rekrutiert werden. Wichtig ist, sich nicht zu verzetteln, sondern den Fokus auf den Strategieschwerpunkt der Geschäftsleitung zu legen.
- Leistungskennzahlen entwickeln: Um sich und anderen zu beweisen, dass die Anstrengungen Früchte tragen, ist es essenziell, Erfolge mit Zahlen belegen zu können. Leider gibt es keine international verbindlichen Kennzahlen. Eine Möglichkeit ist, die Produktivität der eigenen Mitarbeiter zu messen und sie derjenigen anderer Firmen aus der gleichen Branche gegenüberzustellen. Hier muss für jedes Unternehmen individuell beurteilt werden, welche Werte sinnvoll und aussagekräftig sind. Kennzahlen sollten Sie automatisiert über IT-Tools erheben, damit nicht unnötig Arbeitskraft gebunden wird.
„HR kämpft mit mangelnder Wertschätzung und Positionierungsproblemen.“
Diese ersten Schritte legen die Grundlage für eine Entwicklung zum strategischen HR-Management, da drei zentrale Fragen aufgeworfen werden: Was will das Unternehmen? Was können die Personaler dazu beitragen? Und: Tragen sie tatsächlich etwas dazu bei? Die nächsten Schritte sollen die HR-Serviceangebote ausrichten:
- HR-Kunden segmentieren: Nicht alle Kundengruppen (Mitarbeiter, Führungskräfte, Bewerber, Pensionisten) sind für den Erfolg des Unternehmens von gleicher Bedeutung, also werden sie auch nicht gleich behandelt. Je wichtiger und schwerer zu ersetzen Mitglieder einer bestimmten Kundengruppe sind, desto mehr Wertschätzung ziehen sie auf sich.
- HR-Investitionen priorisieren: Nicht alles Wünschenswerte ist auch umsetzbar, die Energie sollte also fokussiert werden. Je weniger sich Personaler mit Standards und Routinen beschäftigen müssen, desto mehr Zeit haben sie für wichtige Ziele: die Produktivität der HR und des Unternehmens insgesamt erhöhen, neue Ideen generieren und vorantreiben, strategische Firmenziele unterstützen. So wird Wert erzeugt.
- HR-Services entwickeln: Die Standards haben viele Personalabteilungen drauf. Aber bei den Themen Führungskräfteentwicklung, Talentmanagement, laufendes Training der Mitarbeiter und Aufbau einer Hochleistungskultur schwächeln die meisten. Hier gilt es, entsprechende Programme anzubieten und Vernetzungen aufzubauen.
„Der HR-Business-Partner ist die beste Antwort der Personalabteilung an diejenigen Führungskräfte, die HR als administrativ und prozessgetrieben wahrnehmen.“
In den letzten Schritten geht es darum, die Wertschöpfung zu steigern:
- HR-Servicemodell etablieren: Nicht alle Leistungen müssen „inhouse“ erbracht werden. Es ist oft sinnvoll, gewisse Aufgaben auszulagern. Welche das sind, muss jedes Unternehmen für sich entscheiden. Es ist zwar aufwändig, diese Hybridmodelle aus externer und interner Leistungserstellung aufzubauen und ständig zu optimieren, gleichwohl sind sie deutlich leistungsstärker als rein interne oder rein externe Lösungen.
- Aufbauen: Wer strategisch handeln will, braucht Mitarbeiter, die strategisch denken wollen und können. Hier müssen die Angestellten nachgeschult oder aber durch neue Kräfte ersetzt werden. Eine Alternative besteht darin, einen strategischen Bereich vom Standard-HR-Bereich abzutrennen; in dem Fall muss nur ein Teil der Mitarbeiter für die neuen strategischen Aufgaben fit gemacht werden.
- HR-Services laufend verbessern: Aufbauend auf dem neuen Verständnis der HR-Abteilung müssen Prozesse überdacht und überarbeitet werden. Dies ist eine Daueraufgabe.
- Wertbeitrag der HR-Services kommunizieren: Die Personalabteilung tauscht sich ständig mit der Geschäftsleitung aus, wird über relevante Entscheidungen informiert und berichtet ihrerseits von Erfolgen und Schwierigkeiten bei der Umsetzung der HR-Strategie, unterstützt von aussagekräftigen Zahlen.
Was HR-Mitarbeiter heute können müssen
Wenn die Mitarbeiter ein entscheidender Faktor für den Unternehmenserfolg sind, gilt das naturgemäß auch für die Mitarbeiter der Personalabteilung. Diese haben – historisch gewachsen – oft einen juristischen oder verwaltungstechnischen Hintergrund. Das reicht heute nicht mehr. Oft führen mangelndes betriebswirtschaftliches Wissen und fehlendes strategisches Verständnis dazu, dass Personaler von anderen Führungskräften nicht als ihresgleichen anerkannt werden. Mit diesem Image kann man sich abfinden und sich darin einrichten – oder man kann dagegen ankämpfen. Bevor Sie allerdings damit loslegen, stellen Sie sich die Frage: Wo will ich eigentlich hin? HR-Profis sehen sich über funktionale fachliche Belange hinaus als:
- Mitentscheider in unternehmerischen Strategiefragen,
- Sinnstifter für die Jobs der Mitarbeiter,
- Treiber des Wandels,
- Wetterstation für das Betriebsklima und
- Experten für Strukturen, die Kommunikation ermöglichen.
„Erst wenn HR verlässliche Daten liefern kann, wird ein Hineinwachsen in die Rolle des strategischen Begleiters überhaupt möglich.“
Alle diese Aufgaben führen weg vom technischen Verwalten und hin zu den Menschen und ihren Bedürfnissen. Unverzichtbar ist also fundiertes Wissen über Menschen und Organisationen. Ein entsprechendes Steuern und Managen kann gelernt werden – je angstfreier man an die Sache herangeht, desto besser. Das zusätzliche Wissen stärkt nicht nur die Kompetenz der Personaler, sondern zugleich ihr Selbstvertrauen.
Outsourcing
Das Outsourcing der Lohnbuchhaltung sorgt für steigende Professionalität bei sinkenden Kosten – und ist daher oft der Auftakt zur Auslagerung weiterer HR-Aufgaben, etwa der Abwesenheitsverwaltung (Urlaub usw.), für die es längst webbasierte Softwarelösungen gibt, die leicht anzuwenden sind und Fehler durch manuelles Erfassen und Übertragen gar nicht erst entstehen lassen. Auch bei der Aufnahme und Berechnung der Reisekosten (samt Erfassen und Erstatten der Spesen) sowie der Verwaltung von Mehr- und Überstunden helfen entsprechende Softwarelösungen. Einen Schritt weiter geht das Auslagern von Personalinformationssystemen. Dazu gehören die Wartung der Personaldaten, Stellenpläne, Mitarbeitergespräche, Fort- und Weiterbildung sowie die Aufstellung des Personalbudgets. Sogar die Berechnung der HR-Kennzahlen kann einem externen Dienstleister übertragen werden. In Großbritannien z. B. ist es gang und gäbe, die Vorauswahl von Bewerbern spezialisierten Dienstleistern zu überlassen. Dieser Trend hat es bisher nicht über den Ärmelkanal geschafft.
„Eine effektive Leistungserbringung des HR-Bereichs erfordert HR-Mitarbeiter mit den richtigen Kenntnissen und Fähigkeiten.“
Nur wenn Personaler selbstbewusst nach innen und nach außen vertreten können, wer sie sind und wofür sie stehen, werden sie als gleichberechtigt akzeptiert. Das passiert nicht von allein – dafür müssen sie etwas tun: Erwartungen nicht bedienen, sondern sie wecken und gestalten.