Mit sieben Fallstricken in den destruktiven Kampf
Sie kennen das sicher: Es hat mal wieder so richtig gekracht, und im Schlagabtausch folgt ein böses Wort aufs andere.
Höchstwahrscheinlich sind die Streithähne in eine oder mehrere der folgenden Fallen getappt:
- Den Freund zum Feind machen: Bevor der eigentliche Konflikt losgeht, haben Sie Ihr Gegenüber gedanklich abgewertet. Wer einen Widersacher im inneren Monolog entwertet, verschafft sich Distanz und bewahrt sich vor Mitleid. Das macht einen handfesten Streit überhaupt erst möglich. Mit einem Dummkopf lässt sich nicht normal reden, oder?
- Respekt absprechen: Respektlosigkeit ist ein massiver Vorwurf. Wenn Sie die Respektfrage ausklammern, schaffen Sie Raum für eine konstruktive Lösung. Ob sich ein Problem mit dem Respektvorwurf vermischt hat, können Sie leicht herausfinden, indem Sie das Gegenteil des Auslösers für einen Streit betrachten: Das Gegenteil von Zuspätkommen ist nicht Respekt, sondern Pünktlichkeit. Respekt ist allerdings das Gegenteil einer Beleidigung.
- Schuldzuweisungen machen: Wer die Frage nach Täter und Opfer stellt, hat schon verloren. Eine Verletzung resultiert dann meist in einem Vergeltungsschlag: Die in der Opferrolle befindliche Person sieht sich legitimiert, sich mit einem Angriff zu verteidigen. Schließlich ist der Täter selbst schuld, weil er den Streit vom Zaun gebrochen hat, so die Logik. Klar, dass auf Vergeltung immer neue Vergeltung folgt.
- Vorwürfe machen: Mit Vorwürfen urteilen Sie darüber, was richtig oder falsch ist. Wenn Sie das angeprangerte Verhalten verallgemeinern („Immer bist du …“), anstatt in der konkreten Situation zu bleiben, unterstellen Sie dem Angeklagten einen schlechten Charakter und verletzen sein Selbstwertgefühl. Egal ob offener oder versteckter Vorwurf, mit beidem sagen Sie: Du bist nicht okay!
- Beleidigungen austeilen: Mit verbalen Beleidigungen erzeugen Sie psychisches Leid. Damit möchten Sie Ihr Gegenüber zwingen aufzugeben. Doch Sie bewirken das Gegenteil, denn kaum jemand lässt Bosheiten auf sich sitzen, die meisten schlagen mit doppelter Stärke zurück.
- Ratschläge geben: Sprichwörtlich sind auch Ratschläge nichts als Schläge. Wenn Sie in einem Streit auf gleicher Hierarchiestufe gut gemeinte Vorschläge machen, zeigen Sie Überlegenheit und setzen die andere Person herab. Indem Sie bereits zu wissen glauben, was für jemanden gut oder schlecht ist, machen Sie sich zum arroganten Besserwisser.
- Drohgebärden: Wem auf der verbalen Ebene nichts mehr einfällt, der zieht körperliche Waffen. Verachtende Blicke, lautstarkes Gebrüll oder die Faust auf dem Tisch sollen dem Gegner Angst einflößen oder ihn kampfunfähig machen.
Konflikte auf gleicher Ebene
Um Konflikte zwischen Partner und Partnerin oder Kollege und Kollegin erfolgreich zu bewältigen, müssen Sie sich selbst behaupten und zugleich Ihr Gegenüber respektieren. Damit Sie sich bei einer Auseinandersetzung durchsetzen, ohne Ihren Partner als Verlierer hinzustellen, müssen Sie mit Ihrer Argumentation zwei Einsichten beim Gegenüber erzielen: Erstens, dass er ebenfalls einen Nutzen von der Lösung hat, und zweitens, dass Ihre Bedürfnisse Respekt verdienen. Klären Sie zuerst Ihre Ziele: Was möchten Sie erreichen? Komprimieren Sie Ihre Aussagen zu einem primären Ziel.
„Konflikte bieten die Chance für Entwicklungen.“
Nehmen Sie sich dann fünf Minuten Zeit zur Klärung der folgenden Punkte:
- Machen Sie sich Ihre Wünsche klar: Beantworten Sie die Frage, was genau Sie vom Gegenüber möchten. Formulieren Sie Ihre Antwort als konkrete Aufforderung zur Verhaltensänderung. Nennen Sie keine inneren Einsichten („Ich möchte, dass du mich beachtest“), sondern fordern Sie Taten: „Ich wünsche mir, dass du unsere Verabredungen einhältst.“
- Nehmen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse wahr: Werden Sie sich darüber bewusst, dass nicht Ihr Konfliktpartner ein Problem hat, sondern Sie. Jedes unerfüllte Bedürfnis ist ein Problem. Ärger über die Unpünktlichkeit des anderen beispielsweise kann von einem unerfüllten Bedürfnis nach selbstbestimmter Zeiteinteilung verursacht sein. Um Ihre Bedürfnisse aufzuspüren, fragen Sie sich, was Ihnen die geforderte Verhaltensänderung bringt.
- Prüfen Sie Ihr Selbstbewusstsein: Sind Sie sicher, dass Sie voll und ganz zu Ihren Bedürfnissen stehen, auch wenn jemand sie hinterfragt? Bereiten Sie sich mental wie ein Leistungssportler auf das Konfliktgespräch vor. Machen Sie sich klar, dass Ihre Bedürfnisse legitim sind.
- Üben Sie wohlwollende Wertschätzung des Gegenübers: Um sich vor der Respektfalle zu schützen und gedankenlose Vorverurteilung zu vermeiden, überlegen Sie sich anerkennende Gründe für das Verhalten des anderen: Warum hat er oder sie so gehandelt? Finden Sie Motive, die nichts mit Ihnen zu tun haben.
- Bieten Sie dem Konfliktpartner einen Nutzen: Sie möchten eine Lösung erzielen, der alle freiwillig und guten Gewissens zustimmen. Das gelingt nur, wenn Ihr Partner auch einen Nutzen für sich sieht. Welchen Gewinn bieten Sie im Gegenzug für die gewünschte Verhaltensänderung? Wichtig: Vermeiden Sie erpresserische Argumente! Am besten sind die Chancen für eine Zustimmung, wenn der angebotene Nutzen wirklich den Bedürfnissen des Gegenübers entspricht. Sie dürfen ein solches Plus ruhig beim Namen nennen.
„Das Einsichtsgespräch stellt ein zentrales Führungsinstrument dar, mit dessen Hilfe sich ein verantwortliches Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schaffen, erhalten und fördern lässt.“
Nachdem Sie diese Fragen geklärt haben, formulieren Sie fünf Schlüsselbotschaften. Schreiben Sie diese auf ein Blatt Papier, das Sie im Konfliktgespräch verdeckt bei sich tragen. Derart gestärkt können Sie verbale Angriffe besser abwehren und Vergeltungsschläge vermeiden. Damit Sie selbst nicht mit einem Vergeltungsschlag reagieren, bleiben Sie immer ganz bei Ihren Bedürfnissen. Mit Ich-Botschaften vermeiden Sie verletzende Vorwürfe, Ratschläge und Beleidigungen.
Professionell verhandeln
In Konflikten zwischen Partnern der gleichen Hierarchieebene sind die Bedürfnisse und Wünsche der Beteiligten gleichwertig. Um eine einvernehmliche Lösung zu finden, müssen Sie deshalb kompromiss- und verhandlungsbereit sein. Techniken der geschäftlichen Verhandlungsführung helfen Ihnen bei der Lösungsfindung:
- Definieren Sie Ihre Verhandlungsziele: Legen Sie ein realistisches Ziel fest, das Sie unter den gegebenen Bedingungen für erreichbar halten. Definieren Sie zudem ein Maximalziel, das Ihrer optimalen Lösung entspricht. Als untere Grenze bestimmen Sie ein Minimalziel, bei dessen Unterschreitung Sie die Verhandlung abbrechen. Entscheiden Sie, welche Konsequenz Sie bei Erreichen der Schmerzgrenze ziehen wollen.
- Befolgen Sie eine abgestufte Verhandlungsstrategie: Eröffnen Sie die Runde mit dem Maximalziel und halten Sie möglichst lange daran fest, unterstützt von Ihrem zentralen Bedürfnis. Weisen Sie unannehmbare Angebote entschieden zurück. Erst wenn Ihr Gegenspieler droht, die Verhandlung abzubrechen, legen Sie Ihr niedrigeres, realistisches Angebot vor. Wenn Ihr Partner nicht einmal der Minimallösung zustimmt oder sie gar sabotiert, müssen Sie sich entweder mit dem fraglichen Verhalten arrangieren oder Ihre Wünsche konfrontativ mit Druck durchsetzen. Achtung: In letzterem Fall ist der Preis u. U. eine zerstörte Beziehung.
Konflikte mit Vorgesetzten
Oft können Vorgesetzte schlecht mit Kritik umgehen, weil sie diese als Zweifel an ihrer Führungsposition missverstehen. Doch sowohl persönliche als auch sachliche Konflikte können Sie mit einem so genannten Einsichtsgespräch lösen:
- Bei persönlichen Konflikten wie Mobbing oder Ignoranz bereiten Sie sich wie oben beschrieben mit den fünf Fragen der Selbstklärung vor und formulieren ebenfalls zentrale Botschaften und Verhandlungsziele. Tipp: Wenn Ihr Chef Kritik nur schlecht verträgt, signalisieren Sie ihm Ihre Anerkennung seiner Stellung, indem Sie ihn den Gesprächstermin wählen lassen.
- Bei sachlichen Konflikten z. B. über Ziele oder Abläufe verdeutlichen Sie Ihrem Vorgesetzten Ihre Argumente, damit er diese als sinnvoll erkennt. In der Selbstklärung verzichten Sie auf die Fragen zum Selbstbewusstsein und zur Wertschätzung. Stattdessen arbeiten Sie den Nutzen für den Betrieb und für den Vorgesetzten heraus und belegen beides mit Zahlen und harten Fakten. Wenn Ihr Chef eher sachlich orientiert ist, halten Sie Ihr persönliches Bedürfnis aus dem Gespräch heraus. Formulieren Sie Ihre zentralen Botschaften und Verhandlungsziele und wenden Sie eine Taktik an wie bei Konflikten zwischen Gleichberechtigten.
Konflikte mit Mitarbeitern
Kritikfähige Chefs können nicht nur Kritik an der eigenen Person verarbeiten, sondern auch Mitarbeiter wertschätzend kritisieren. Als Vorgesetzter verhandeln Sie nicht auf Augenhöhe, sondern Sie haben einen höheren Status mit großem Spielraum: Sie können bitten, erwarten oder anweisen. Je höher der Status, desto steiler ist die Hierarchie in der Kommunikation und desto mehr Druck können Sie ausüben. Die Kunst liegt darin, der aktuellen Situation angemessen zu handeln:
- Das Einsichtsgespräch ist frei von Druck und immer das erste Mittel der Wahl. Es basiert auf freiwilliger Verhaltensänderung. Motivation und kollegiales Verhalten des Mitarbeiters bleiben idealerweise erhalten. Die wertschätzende Kritik hat dabei einen hohen Stellenwert: Sie gehen davon aus, dass die negative Eigenschaft im Kern eine übertriebene positive Eigenschaft ist (z. B. Dominanz als Ausdruck eines übertriebenen Engagements). Indem Sie den positiven Kern wertschätzen, können Sie respektvolle, nicht verletzende Kritik üben. In der Selbstklärung thematisieren Sie Ihre Wünsche an den Mitarbeiter, die institutionellen Bedürfnisse sowie Ihre persönlichen als Führungskraft und begründen so eine Verhaltensänderung. Erarbeiten Sie den konkreten Nutzen für den Mitarbeiter. Eröffnen Sie das Gespräch mit Fragen zum Hintergrund für das Fehlverhalten. Diese liefern die Basis für die Einsicht des Mitarbeiters. Als Vorgesetzter argumentieren Sie nutzenorientiert, loben Ihr Gegenüber und holen sich die Zustimmung.
- Im Erwartungsgespräch setzen Sie gleich viel Wertschätzung wie Druck ein. Ziel ist es, dem Mitarbeiter Grenzen zu verdeutlichen, ohne ihn zu demotivieren. Beantworten Sie wie beim Einsichtsgespräch die Fragen der Selbstklärung und führen Sie das Erwartungsgespräch im Prinzip genauso, jedoch mit starkem Akzent auf Ihren Erwartungen und den Grenzen, die Sie setzen. Sie können Konsequenzen für weiteres Fehlverhalten andeuten, entweder indirekt durch Ihren Kommunikationsstil oder direkt, indem Sie sagen, dass fortgesetztes Fehlverhalten Folgen nach sich zieht.
- Nutzen Sie das Anweisungsgespräch nur im Notfall als letztes Mittel, um eine Verhaltensänderung zu erzwingen. Dabei üben Sie Druck aus und drohen Konsequenzen an, was u. U. Angst und Gegendruck erzeugt. Sie wollen hier keine Einsicht gewinnen und befragen den Mitarbeiter nicht nach seiner Meinung. Unterlassen Sie Wertschätzung und kommunizieren Sie lediglich Ihre zentralen Botschaften: Anweisung und Androhung von Konsequenzen.