Ich weiß, was ich will!

Buch Ich weiß, was ich will!

Faire Selbstbehauptung in privaten und beruflichen Konflikten

Kösel,


Rezension

Der Titel klingt egoistisch: Es geht um mich, und die anderen sollen sich gefälligst anpassen. Wer eine Anleitung zur er­fol­gre­ichen Rück­sicht­slosigkeit erwartet, liegt allerdings falsch. Die Kon­flik­t­ex­perten Rhode und Meis zeigen vielmehr, wie man andere geschickt überzeugen kann. Der Schwerpunkt ihres Ratgebers, der mit alltäglichen Beispielen gespickt ist, liegt in der fairen Durch­set­zung der eigenen Wünsche und Bedürfnisse – mit der Betonung auf „fair“. Hat man das Prinzip der ein­vernehm­lichen Lösungs­find­ung erst mal verstanden, lässt es sich auf private und berufliche Konflikte ver­schieden­ster Art anwenden. Die Autoren sind langjährige Kom­mu­nika­tions- und Konfliktlösungstrainer mit akademis­chem Hintergrund: Ihr Gesprächsmodell fußt auf Marshall B. Rosenbergs gewalt­freier Kom­mu­nika­tion und integriert die wertschätzende Kritik der Kom­mu­nika­tionspäpste Friedemann und Schulz von Thun. Egal ob Ehepartner, Mitarbeiter oder Vorge­set­zter: BooksInShort legt das Buch allen ans Herz, die un­ter­schiedliche Interessen friedlich unter einen Hut bringen möchten.

Take-aways

  • Wenn Sie die eigenen Wünsche und Bedürfnisse kennen und eine gute Strategie haben, können Sie andere Menschen auf natürliche Weise für Ihre Ziele gewinnen.
  • Um Ihre Ziele durchzuset­zen, müssen Sie Ihrem Gegenüber zeigen, was es davon hat.
  • Vorwürfe und Schuldzuweisun­gen verhindern einen kon­struk­tiven Konflikt.
  • Denken Sie nicht in Täter- und Opferrollen. Das führt nur zu Vergel­tungsak­tio­nen.
  • Machen Sie keine ve­r­all­ge­mein­ern­den Vorwürfe. Bleiben Sie bei der konkreten Situation.
  • Kon­struk­tive Lösungen erzielen Sie durch Selb­st­be­fra­gung, klare Nutzen- und Bedürfnis­ar­gu­men­ta­tion sowie geschickte Ver­hand­lungstak­tik.
  • Beginnen Sie immer mit dem so genannten Ein­sichts­ge­spräch: Analysieren Sie Bedürfnisse und Wünsche, ohne Druck auszuüben.
  • Stellen Sie im Umgang mit Vorge­set­zten die Interessen des Un­ternehmens in den Vordergrund.
  • Kritik an Mi­tar­beit­ern ist oft verletzend. Stellen Sie negative Eigen­schaften als übertriebene positive Eigen­schaften dar (Dominanz = übertriebenes Engagement).
  • Ein An­weisungs­ge­spräch sollte immer das letzte Mittel sein.
 

Zusammenfassung

Mit sieben Fall­stricken in den de­struk­tiven Kampf

Sie kennen das sicher: Es hat mal wieder so richtig gekracht, und im Schlagab­tausch folgt ein böses Wort aufs andere.

Höchst­wahrschein­lich sind die Streithähne in eine oder mehrere der folgenden Fallen getappt:

  1. Den Freund zum Feind machen: Bevor der eigentliche Konflikt losgeht, haben Sie Ihr Gegenüber gedanklich abgewertet. Wer einen Widersacher im inneren Monolog entwertet, verschafft sich Distanz und bewahrt sich vor Mitleid. Das macht einen handfesten Streit überhaupt erst möglich. Mit einem Dummkopf lässt sich nicht normal reden, oder?
  2. Respekt absprechen: Re­spek­t­losigkeit ist ein massiver Vorwurf. Wenn Sie die Re­spek­t­frage ausklammern, schaffen Sie Raum für eine kon­struk­tive Lösung. Ob sich ein Problem mit dem Re­spek­tvor­wurf vermischt hat, können Sie leicht her­aus­finden, indem Sie das Gegenteil des Auslösers für einen Streit betrachten: Das Gegenteil von Zuspätkommen ist nicht Respekt, sondern Pünktlichkeit. Respekt ist allerdings das Gegenteil einer Beleidigung.
  3. Schuldzuweisun­gen machen: Wer die Frage nach Täter und Opfer stellt, hat schon verloren. Eine Verletzung resultiert dann meist in einem Vergel­tungss­chlag: Die in der Opferrolle befindliche Person sieht sich legitimiert, sich mit einem Angriff zu verteidigen. Schließlich ist der Täter selbst schuld, weil er den Streit vom Zaun gebrochen hat, so die Logik. Klar, dass auf Vergeltung immer neue Vergeltung folgt.
  4. Vorwürfe machen: Mit Vorwürfen urteilen Sie darüber, was richtig oder falsch ist. Wenn Sie das angeprangerte Verhalten ve­r­all­ge­mein­ern („Immer bist du …“), anstatt in der konkreten Situation zu bleiben, un­ter­stellen Sie dem Angeklagten einen schlechten Charakter und verletzen sein Selb­st­wert­gefühl. Egal ob offener oder versteckter Vorwurf, mit beidem sagen Sie: Du bist nicht okay!
  5. Belei­di­gun­gen austeilen: Mit verbalen Belei­di­gun­gen erzeugen Sie psychisches Leid. Damit möchten Sie Ihr Gegenüber zwingen aufzugeben. Doch Sie bewirken das Gegenteil, denn kaum jemand lässt Bosheiten auf sich sitzen, die meisten schlagen mit doppelter Stärke zurück.
  6. Ratschläge geben: Sprichwörtlich sind auch Ratschläge nichts als Schläge. Wenn Sie in einem Streit auf gleicher Hi­er­ar­chi­estufe gut gemeinte Vorschläge machen, zeigen Sie Überlegen­heit und setzen die andere Person herab. Indem Sie bereits zu wissen glauben, was für jemanden gut oder schlecht ist, machen Sie sich zum arroganten Besser­wisser.
  7. Drohgebärden: Wem auf der verbalen Ebene nichts mehr einfällt, der zieht körperliche Waffen. Verachtende Blicke, lautstarkes Gebrüll oder die Faust auf dem Tisch sollen dem Gegner Angst einflößen oder ihn kampfunfähig machen.

Konflikte auf gleicher Ebene

Um Konflikte zwischen Partner und Partnerin oder Kollege und Kollegin erfolgreich zu bewältigen, müssen Sie sich selbst behaupten und zugleich Ihr Gegenüber re­spek­tieren. Damit Sie sich bei einer Au­seinan­der­set­zung durchsetzen, ohne Ihren Partner als Verlierer hinzustellen, müssen Sie mit Ihrer Ar­gu­men­ta­tion zwei Einsichten beim Gegenüber erzielen: Erstens, dass er ebenfalls einen Nutzen von der Lösung hat, und zweitens, dass Ihre Bedürfnisse Respekt verdienen. Klären Sie zuerst Ihre Ziele: Was möchten Sie erreichen? Kom­prim­ieren Sie Ihre Aussagen zu einem primären Ziel.

„Konflikte bieten die Chance für En­twick­lun­gen.“

Nehmen Sie sich dann fünf Minuten Zeit zur Klärung der folgenden Punkte:

  1. Machen Sie sich Ihre Wünsche klar: Beantworten Sie die Frage, was genau Sie vom Gegenüber möchten. Formulieren Sie Ihre Antwort als konkrete Auf­forderung zur Verhaltensänderung. Nennen Sie keine inneren Einsichten („Ich möchte, dass du mich beachtest“), sondern fordern Sie Taten: „Ich wünsche mir, dass du unsere Ve­rabre­dun­gen einhältst.“
  2. Nehmen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse wahr: Werden Sie sich darüber bewusst, dass nicht Ihr Kon­flik­t­part­ner ein Problem hat, sondern Sie. Jedes unerfüllte Bedürfnis ist ein Problem. Ärger über die Unpünktlichkeit des anderen beispiel­sweise kann von einem unerfüllten Bedürfnis nach selb­st­bes­timmter Zeit­ein­teilung verursacht sein. Um Ihre Bedürfnisse aufzuspüren, fragen Sie sich, was Ihnen die geforderte Verhaltensänderung bringt.
  3. Prüfen Sie Ihr Selb­st­be­wusst­sein: Sind Sie sicher, dass Sie voll und ganz zu Ihren Bedürfnissen stehen, auch wenn jemand sie hinterfragt? Bereiten Sie sich mental wie ein Leis­tungss­portler auf das Kon­flik­t­ge­spräch vor. Machen Sie sich klar, dass Ihre Bedürfnisse legitim sind.
  4. Üben Sie wohlwol­lende Wertschätzung des Gegenübers: Um sich vor der Re­spek­t­falle zu schützen und gedanken­lose Vorverurteilung zu vermeiden, überlegen Sie sich an­erken­nende Gründe für das Verhalten des anderen: Warum hat er oder sie so gehandelt? Finden Sie Motive, die nichts mit Ihnen zu tun haben.
  5. Bieten Sie dem Kon­flik­t­part­ner einen Nutzen: Sie möchten eine Lösung erzielen, der alle freiwillig und guten Gewissens zustimmen. Das gelingt nur, wenn Ihr Partner auch einen Nutzen für sich sieht. Welchen Gewinn bieten Sie im Gegenzug für die gewünschte Verhaltensänderung? Wichtig: Vermeiden Sie er­presserische Argumente! Am besten sind die Chancen für eine Zustimmung, wenn der angebotene Nutzen wirklich den Bedürfnissen des Gegenübers entspricht. Sie dürfen ein solches Plus ruhig beim Namen nennen.
„Das Ein­sichts­ge­spräch stellt ein zentrales Führungsin­stru­ment dar, mit dessen Hilfe sich ein ve­r­ant­wortliches Engagement der Mi­tar­bei­t­erin­nen und Mitarbeiter schaffen, erhalten und fördern lässt.“

Nachdem Sie diese Fragen geklärt haben, formulieren Sie fünf Schlüssel­botschaften. Schreiben Sie diese auf ein Blatt Papier, das Sie im Kon­flik­t­ge­spräch verdeckt bei sich tragen. Derart gestärkt können Sie verbale Angriffe besser abwehren und Vergel­tungss­chläge vermeiden. Damit Sie selbst nicht mit einem Vergel­tungss­chlag reagieren, bleiben Sie immer ganz bei Ihren Bedürfnissen. Mit Ich-Botschaften vermeiden Sie verletzende Vorwürfe, Ratschläge und Belei­di­gun­gen.

Pro­fes­sionell verhandeln

In Konflikten zwischen Partnern der gleichen Hi­er­ar­chieebene sind die Bedürfnisse und Wünsche der Beteiligten gle­ich­w­er­tig. Um eine ein­vernehm­liche Lösung zu finden, müssen Sie deshalb kompromiss- und ver­hand­lungs­bereit sein. Techniken der geschäftlichen Ver­hand­lungsführung helfen Ihnen bei der Lösungs­find­ung:

  • Definieren Sie Ihre Ver­hand­lungsziele: Legen Sie ein re­al­is­tis­ches Ziel fest, das Sie unter den gegebenen Bedingungen für erreichbar halten. Definieren Sie zudem ein Maximalziel, das Ihrer optimalen Lösung entspricht. Als untere Grenze bestimmen Sie ein Minimalziel, bei dessen Un­ter­schre­itung Sie die Verhandlung abbrechen. Entscheiden Sie, welche Konsequenz Sie bei Erreichen der Schmerz­grenze ziehen wollen.
  • Befolgen Sie eine abgestufte Ver­hand­lungsstrate­gie: Eröffnen Sie die Runde mit dem Maximalziel und halten Sie möglichst lange daran fest, unterstützt von Ihrem zentralen Bedürfnis. Weisen Sie unan­nehm­bare Angebote entschieden zurück. Erst wenn Ihr Gegen­spieler droht, die Verhandlung abzubrechen, legen Sie Ihr niedrigeres, re­al­is­tis­ches Angebot vor. Wenn Ihr Partner nicht einmal der Minimallösung zustimmt oder sie gar sabotiert, müssen Sie sich entweder mit dem fraglichen Verhalten arrangieren oder Ihre Wünsche kon­fronta­tiv mit Druck durchsetzen. Achtung: In letzterem Fall ist der Preis u. U. eine zerstörte Beziehung.

Konflikte mit Vorge­set­zten

Oft können Vorgesetzte schlecht mit Kritik umgehen, weil sie diese als Zweifel an ihrer Führungspo­si­tion missver­ste­hen. Doch sowohl persönliche als auch sachliche Konflikte können Sie mit einem so genannten Ein­sichts­ge­spräch lösen:

  • Bei persönlichen Konflikten wie Mobbing oder Ignoranz bereiten Sie sich wie oben beschrieben mit den fünf Fragen der Selbstklärung vor und formulieren ebenfalls zentrale Botschaften und Ver­hand­lungsziele. Tipp: Wenn Ihr Chef Kritik nur schlecht verträgt, sig­nal­isieren Sie ihm Ihre Anerkennung seiner Stellung, indem Sie ihn den Gesprächstermin wählen lassen.
  • Bei sachlichen Konflikten z. B. über Ziele oder Abläufe verdeut­lichen Sie Ihrem Vorge­set­zten Ihre Argumente, damit er diese als sinnvoll erkennt. In der Selbstklärung verzichten Sie auf die Fragen zum Selb­st­be­wusst­sein und zur Wertschätzung. Stattdessen arbeiten Sie den Nutzen für den Betrieb und für den Vorge­set­zten heraus und belegen beides mit Zahlen und harten Fakten. Wenn Ihr Chef eher sachlich orientiert ist, halten Sie Ihr persönliches Bedürfnis aus dem Gespräch heraus. Formulieren Sie Ihre zentralen Botschaften und Ver­hand­lungsziele und wenden Sie eine Taktik an wie bei Konflikten zwischen Gle­ich­berechtigten.

Konflikte mit Mi­tar­beit­ern

Kritikfähige Chefs können nicht nur Kritik an der eigenen Person verarbeiten, sondern auch Mitarbeiter wertschätzend kritisieren. Als Vorge­set­zter verhandeln Sie nicht auf Augenhöhe, sondern Sie haben einen höheren Status mit großem Spielraum: Sie können bitten, erwarten oder anweisen. Je höher der Status, desto steiler ist die Hierarchie in der Kom­mu­nika­tion und desto mehr Druck können Sie ausüben. Die Kunst liegt darin, der aktuellen Situation angemessen zu handeln:

  • Das Ein­sichts­ge­spräch ist frei von Druck und immer das erste Mittel der Wahl. Es basiert auf frei­williger Verhaltensänderung. Motivation und kollegiales Verhalten des Mi­tar­beit­ers bleiben ide­al­er­weise erhalten. Die wertschätzende Kritik hat dabei einen hohen Stellenwert: Sie gehen davon aus, dass die negative Eigenschaft im Kern eine übertriebene positive Eigenschaft ist (z. B. Dominanz als Ausdruck eines übertriebe­nen Engagements). Indem Sie den positiven Kern wertschätzen, können Sie re­spek­tvolle, nicht verletzende Kritik üben. In der Selbstklärung the­ma­tisieren Sie Ihre Wünsche an den Mitarbeiter, die in­sti­tu­tionellen Bedürfnisse sowie Ihre persönlichen als Führungskraft und begründen so eine Verhaltensänderung. Erarbeiten Sie den konkreten Nutzen für den Mitarbeiter. Eröffnen Sie das Gespräch mit Fragen zum Hintergrund für das Fehlver­hal­ten. Diese liefern die Basis für die Einsicht des Mi­tar­beit­ers. Als Vorge­set­zter ar­gu­men­tieren Sie nutzenori­en­tiert, loben Ihr Gegenüber und holen sich die Zustimmung.
  • Im Er­wartungs­ge­spräch setzen Sie gleich viel Wertschätzung wie Druck ein. Ziel ist es, dem Mitarbeiter Grenzen zu verdeut­lichen, ohne ihn zu de­mo­tivieren. Beantworten Sie wie beim Ein­sichts­ge­spräch die Fragen der Selbstklärung und führen Sie das Er­wartungs­ge­spräch im Prinzip genauso, jedoch mit starkem Akzent auf Ihren Erwartungen und den Grenzen, die Sie setzen. Sie können Kon­se­quen­zen für weiteres Fehlver­hal­ten andeuten, entweder indirekt durch Ihren Kom­mu­nika­tion­sstil oder direkt, indem Sie sagen, dass fort­ge­set­ztes Fehlver­hal­ten Folgen nach sich zieht.
  • Nutzen Sie das An­weisungs­ge­spräch nur im Notfall als letztes Mittel, um eine Verhaltensänderung zu erzwingen. Dabei üben Sie Druck aus und drohen Kon­se­quen­zen an, was u. U. Angst und Gegendruck erzeugt. Sie wollen hier keine Einsicht gewinnen und befragen den Mitarbeiter nicht nach seiner Meinung. Unterlassen Sie Wertschätzung und kom­mu­nizieren Sie lediglich Ihre zentralen Botschaften: Anweisung und Androhung von Kon­se­quen­zen.

Über die Autoren

Rudi Rhode ist Sozial­wis­senschaftler und freiberu­flicher Trainer für Kom­mu­nika­tion, Konflikt und Körpersprache. Dr. Mona Sabine Meis ist Professorin für Kunst- und Kulturpädagogik an der Hochschule Niederrhein.