Die Mitarbeiter als Kapital
Die Sichtweise auf die Mitarbeiter in Unternehmen hat sich im Lauf der Geschichte kontinuierlich verändert. Oft wurden sie einfach als Kosten- oder Produktionsfaktor gesehen. In den 90er Jahren kam der Human-Resources-Ansatz auf, bei dem man die Mitarbeiter als eine der Unternehmensressourcen betrachtete. Diesem Ansatz ist es aber nicht gelungen, die strategische Bedeutung der Mitarbeiter für den Unternehmenserfolg im Denken des Managements zu verankern.
„Arbeitsbeziehungen sind typische Austauschbeziehungen. Die Mitarbeiter investieren ihr Humankapital in ein Unternehmen und erhalten dafür eine ,Verzinsung‘.“
Abgesehen davon sind die Mitarbeiter auch weniger eine verbrauchbare Ressource als vielmehr eine Form des Kapitals, das dem Unternehmen zur Verfügung steht. Sie bilden das Human Capital (HC), das sie dem Unternehmen gegen entsprechende Vergütung – in Form von Gehalt und weiteren Nebenleistungen – für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellen. Im Bereich der Finanzwelt nennt man so etwas „Verzinsung“. Diese Perspektive führt zu einem weiteren wichtigen Aspekt: Die Mitarbeiter, als Humankapital betrachtet, sollten ebenso wie etwa Finanzmittel strategisch eingesetzt werden, wenn aus ihrem Beitrag ein echter Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen erwachsen soll. Diese strategische Ausrichtung verlangt nach einem systematischen Human-Capital-Management (HCM).
„Wir versuchen, ein Human-Capital-Verständnis zu entwickeln, das HCM als Teil der Unternehmensführung begreift.“
Das Personalmanagement erfährt dadurch eine deutlich neue Ausrichtung. In Form von Human-Capital-Management ist es ein direkter strategischer Partner der Geschäftsleitung und wird in die Strategieentwicklung eingebunden. Zudem beinhaltet das HCM neue Aufgaben.
Drei Sichtweisen der Mitarbeiter
Es gibt drei Perspektiven, unter denen die Mitarbeiter betrachtet werden können:
- Als Lieferanten von Arbeitsleistung und Kostenfaktor erbringen die Mitarbeiter eine Leistung, die auf dem Arbeitsmarkt eingekauft (oder aber durch Automatisierung ersetzt) werden kann. Die Kosten, die dabei verursacht werden, gilt es möglichst niedrig zu halten. Dieser Sicht entspricht im HCM das strategische Handlungsfeld Performance-Management.
- Als Wertschöpfungspotenzial betrachtet erbringen die Mitarbeiter eine Leistung, die nicht problemlos vom Arbeitsmarkt bezogen werden kann, sondern im Unternehmen gezielt entwickelt werden muss. Das entsprechende Handlungsfeld ist Competence-Management.
- Als Anspruchsgruppe sind die Mitarbeiter sozusagen Investoren, die ihr eigenes Humankapital ins Unternehmen einbringen. Diese Sichtweise kommt vor allem dann zum Tragen, wenn die Mitarbeiter die Wahl zwischen verschiedenen Arbeitgebern haben und fürs Unternehmen gewonnen werden müssen. Hier kommt das HC-Marketing ins Spiel.
Die Leistungsbereiche des HCM
Ursprünglich war das Personalmanagement vor allem mit administrativen Aufgaben betraut. In den letzten Jahren wurde sein Bereich um mehrere Funktionen erweitert. Aus der Personalabteilung wurde das HR-Management, das zunehmend den Unternehmenserfolg mit beeinflusste. Doch auch die Human Resources gehen in ihrer Funktion nicht darüber hinaus, die Geschäftsleitung zu unterstützen.
„Aufgabe des HCM ist es, sicherzustellen, dass aus individuellen Fähigkeiten und Wissen wettbewerbsentscheidende Unternehmenskompetenzen entstehen.“
Das Human-Capital-Management vereint vielfältigere Aufgaben und wird damit Bestandteil der Unternehmensführung: Es unterstützt eine Strategie nicht nur, sondern ermöglicht sie u. U. erst, etwa indem HCM bei der Positionierung des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt oder beim Management der Kompetenzen mitredet. Natürlich gehört die traditionelle Personalverwaltung auch zum HCM. Wenn es aber seine Aufgabe als Teil der Unternehmensstrategie erfüllen soll, kommt noch eine Reihe weiterer Leistungsbereiche hinzu: HC-Strategieentwicklung, HC-Systementwicklung, HC-Beratung und HC-Controlling.
HC-Strategieentwicklung
Insbesondere in diesem Bereich ist das HCM strategischer Partner der Geschäftsleitung. Es muss die gesamthafte Situation des Unternehmens verstehen und analysiert, welchen Zustand das Unternehmen auf seinen Märkten vorfindet und was der HC-Bereich zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen kann.
„Excellence im Markt ist größtenteils das Ergebnis sorgfältiger Personalbeschaffung und -erhaltung. Beides ist Gegenstand des HC-Marketings.“
Führen Sie zu diesem Zweck eine Umweltanalyse durch: Erbringt das Unternehmen eine hochwertige Leistung für die Kunden, müssen Sie das Wertschöpfungspotenzial der Mitarbeiter fördern und erhalten. Bieten Sie dagegen kostengünstige Produkte und Dienstleistungen an, muss eine möglichst effiziente Leistungserbringung im Vordergrund stehen. Herrscht auf dem Markt ein Arbeitskräftemangel vor, gilt es, die bestmöglichen Mitarbeiter zu gewinnen. Erwartet der Finanzmarkt die Umsetzung eines vielversprechenden Businessplans, sind erneut die Wertschöpfungspotenziale der Mitarbeiter ein kritischer Faktor. Bei einem Sanierungsfall müssen Sie die Kostenstruktur im Bereich der Mitarbeiter verbessern. Hat das Unternehmen auf dem Beschaffungs- und Technologiemarkt einen Kostennachteil gegenüber größeren Konkurrenten, müssen Sie ebenfalls Wege finden, die Kosten bei den Mitarbeitern zu senken. Wenn das Unternehmen vor allem von der Entwicklung neuer Technologien und Innovationen abhängig ist, müssen Sie die Kompetenzen der Mitarbeiter erhöhen.
„Durch die Auswahl der richtigen Mitarbeiter, insbesondere in Managementpositionen, kann ein großer Teil des Unternehmenserfolgs erklärt werden.“
Nach der Umweltanalyse untersuchen Sie, wie die interne Leistungsfähigkeit aussieht. Dabei geht es um individuelle Kompetenzen der Mitarbeiter, ihre Motivation und ihre Verhaltensweisen, aber auch darum, ob die Prozesse und Strukturen im Unternehmen den Angestellten die bestmöglichen Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung bieten.
„Oft findet sich der Fall, dass die Mitarbeiter trotz ausreichender oder guter Fähigkeiten ihre Ziele nicht erreichen, nicht weil sie nicht wollen, sondern weil sie nicht dürfen.“
Basierend auf der externen und internen Analyse entwickeln Sie eine maßgeschneiderte Human-Capital-Strategie. Die Leitung des HC-Bereichs fungiert dabei als strategischer Partner der Unternehmensführung.
HC-Systementwicklung
Dieser Leistungsbereich wird meist in einem Competence-Center mit entsprechenden Spezialisten zusammengefasst. Bei der Entwicklung der HC-Systeme, die die Umsetzung der HC-Strategie unterstützen sollen, erliegen viele Verantwortliche der Versuchung, sich im Rahmen eines Best-Practice-Ansatzes an anderen Unternehmen zu orientieren. Das bringt aber den Nachtteil mit sich, dass keine Systeme entwickelt werden, die über das Beste, was bereits existiert, hinausgehen. Und damit wird auch kein Wettbewerbsvorteil geschaffen. Eine bessere Herangehensweise ist der Best-Fit-Ansatz, also die Entwicklung von Systemen, die optimal an die externe und interne Situation des Unternehmens angepasst sind. Die HC-Systeme im Einzelnen:
- Mittels HC-Marketing versuchen Sie, das Image des Unternehmens (im Sinne eines Employer Brand) auf dem Markt systematisch zu verbessern und es für potenzielle Mitarbeiter attraktiv zu machen. Auch die Pflege der Beziehungen zu den Mitarbeitern sowie zu Mitarbeitervertretungen wie Betriebsräten oder Gewerkschaften gehört zum Aufgabenbereich. Zudem ermittelt dieses System den jeweiligen Personalbedarf und sucht nach Möglichkeiten, neue Mitarbeiter möglichst effektiv und kostengünstig zu rekrutieren.
- Beim Competence-Management geht es darum, die Unternehmenskompetenzen zu planen und zu steuern. Ihr vorrangiges Ziel muss die Erhöhung der Gesamtkompetenz des Unternehmens sein. Die Grundlage dafür liegt in den individuellen Kompetenzen der Mitarbeiter. Deren Effektivität erhöhen Sie durch Team- und Organisationsentwicklung sowie durch Wissensmanagement. Das Competence-Management ist für die Kompetenzbedarfsplanung zuständig und muss sicherstellen, dass die Kompetenzen, die für die Erreichung der strategischen Ziele notwendig sind, zur Verfügung stehen. Mithilfe von Wissensmanagement sorgen Sie für den Erwerb des erforderlichen Wissens. Dabei gilt es vor allem, zukünftige Wissensengpässe zu vermeiden.
- Ziel des Performance-Managements ist es, den Anteil, den die Mitarbeiter zur Gesamtleistung des Unternehmens beitragen, zu optimieren. Diese Leistungssteuerung zielt zwar auf die individuellen Mitarbeiter, Sie müssen aber auch für entsprechende leistungsfördernde Rahmenbedingungen sorgen. Das heißt etwa, dass Sie die notwendigen Ressourcen bereitstellen und die Mitarbeiter unterstützen. Vor allem aber müssen Sie ihnen die Freiräume geben, die sie brauchen, um ihre Kompetenzen voll einbringen zu können. Die Unternehmens- und Führungskultur spielt hierfür eine zentrale Rolle.
- Beim Compensation-Management geht es darum, bestehenden und potenziellen Mitarbeitern ein möglichst attraktives Paket an Gegenleistungen dafür zu bieten, dass sie sich dem Unternehmen als Humankapital für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellen. Dazu gehören neben einem Grundgehalt oft auch Bonuszahlungen und Nebenleistungen. Ein gut durchdachtes Entlohnungssystem kann wesentlich zur positiven Positionierung des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt beitragen und die Mitarbeiter zu hohen Leistungen motivieren. Daneben kann es auch der Verhaltenssteuerung dienen: Wenn Verkäufer z. B. nur über eine Kommission entlohnt werden, neigen sie eher dazu, sich dem Kunden gegenüber aufdringlich oder sogar unehrlich zu verhalten.
HC-Beratung
Die HC-Beratung steht dem Gesamtunternehmen oder einzelnen Geschäftsbereichen bei der Lösung von Problemen zur Verfügung, die den HC-Bereich tangieren. Die Beratungsprojekte sind fallbezogen und zeitlich begrenzt: Man arbeitet zusammen, bis eine Lösung gefunden ist. Eine qualitativ hochwertige Beratung wird meist nur von erfahrenen HCM-Fachleuten durchgeführt. Richtig gehandhabt sollte die Beratung aber nicht nur als gelegentliche Feuerwehr funktionieren: Es sollte ein Vertrauensverhältnis zu den internen Kunden aufgebaut werden, sodass das Know-how der Berater öfter abgefragt wird und sie dadurch einen höheren Beitrag zum Unternehmensergebnis leisten können.
HC-Controlling
Beim HC-Controlling geht es darum, die Aktivitäten des HCM transparent zu machen und zu überprüfen, dass sie zur Erreichung der Unternehmensziele beitragen und die Wettbewerbsposition stärken. Gleichzeitig gilt es, Wettbewerbsnachteile zu identifizieren und potenzielle Risiken für das Unternehmen rechtzeitig zu erkennen. In diesem Sinne spielt das HC-Controlling eine strategische Rolle. Wichtig ist dabei, dass Sie die erfolgsentscheidenden Kennzahlen ermitteln. Das Endziel ist, sicherzustellen, dass das HCM dem Unternehmen tatsächlich Wettbewerbsvorteile verschafft.