Was ist Reteaming?
Wer etwas verĂ€ndern möchte â sei es eine Gruppe, sei ein Einzelner â, braucht den Willen und die Motivation, durchzuhalÂten und sein Ziel auch bei Schwierigkeiten nicht aus den Augen zu verlieren. Wir sind immer dann besonders motiviert, wenn wir
- eigene, nicht fremde Ziele verfolgen,
- das Ziel fĂŒr uns persönlich wertvoll ist,
- wir zuÂverÂsichtlich sind, dass wir das Ziel auch tatsĂ€chlich erreichen können,
- Fortschritte erkennbar sind,
- auf RĂŒckschlĂ€ge vorbereitet sind.
âMotivation aufzubauen ist der zentrale Aspekt von Reteaming.â
Reteaming ist eine Methode, die eine solche Motivation aufbaut. Es handelt sich um einen Zwölf-Punkte-Plan, der in vielen unÂterÂschiedlichen Situationen, vom TeamÂbuildÂing ĂŒber PersönlichkeitÂsenÂtwickÂlung bis hin zu OrÂganÂiÂsaÂtionÂsenÂtwickÂlung und TrauerÂarÂbeit eingesetzt werden kann. Durch die Fokussierung auf Lösungen statt auf Probleme weckt die Methode Hoffnung, macht opÂtiÂmistisch, regt die KreativitĂ€t an und verbessert die Kooperation. Kurz: Reteaming sorgt fĂŒr genau den lang anhaltenden MoÂtiÂvaÂtionÂssÂchub, der notwendig ist, um Ziele auch tatsĂ€chlich zu erreichen.
âDas Benennen eines Ziels, mit dem man arbeiten möchte, ist der wesentliche Punkt des ReteamÂing-Prozesses.â
Das sind die zwölf Stufen des ReteamÂing-ModÂells:
1. Schritt: Visionen beschreiben
Dieser Schritt ist die Basis des gesamten ReteamÂing-Prozesses, denn ohne Visionen ist es unmöglich, Ziele zu entwickeln. Egal, ob Sie ein EinzelÂcoachÂing durchfĂŒhren, ob Sie die ZusamÂmeÂnarÂbeit in einem Team verbessern oder einem Paar helfen möchten, Eheprobleme zu lösen: Entwerfen Sie mit Ihren Klienten ein möglichst deÂtailÂliertes, buntes und anÂschauliches Bild vom positiven Zustand, den sie erreichen möchten. Leider ist dieser Punkt auch einer der schwierigÂsten: Den meisten Menschen fĂ€llt dazu spontan nĂ€mlich nicht viel ein. Hier helfen nur HartnĂ€ckigkeit, Geduld und die richtige FragetechÂnik. Empfehlenswert sind Fragen nach ZukunÂftsviÂsioÂnen âStellen Sie sich vor, in einem Jahr wĂ€re alles besser: Wie wĂŒrde Ihr Leben dann aussehen?â Ebenfalls bewĂ€hrt ist die Frage nach der Perspektive des auĂenstehenden Beobachters: âStellen Sie sich vor, in einem Jahr wĂ€re alles perfekt. Was wĂŒrde Ihr bester Freund/Ihr Chef etc. wahrnehmen?â Manchem fĂ€llt es auch leichter, Dinge zunĂ€chst in negativer Form zu formulieren (âIch will, dass die ewigen StreÂitÂereien aufhörenâ), um sie dann in einem weiteren Schritt in positive Ziele (âharÂmonisÂches Miteinanderâ) umzuÂforÂmulieren. In Teams entstehen oft unÂterÂschiedliche Visionen. Wenn die Gruppe sich im Laufe der Diskussion nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen kann, ist auch eine WeitÂerÂarÂbeit auf Basis mehrerer Visionen möglich.
2. Schritt: Ziele festlegen
Visionen als GesamtÂbilder sind wichtig, doch erreichbar sind nur konkrete, einzelne Ziele. Im nĂ€chsten Schritt erstellen Sie deshalb mit Ihrem Klienten eine Liste konkreter Ziele, die er erreichen möchte. Von dieser Liste wird anschlieĂend das Wichtigste ausgewĂ€hlt. Meist gelingt das sehr leicht, wenn nicht, wĂ€hlen Sie das Ziel, das den gröĂten positiven Effekt auf die anderen Ziele hat. Möchte der Klient beispielÂsweise studieren, sich mit anderen WisÂsenschaftlern vernetzen und Englisch lernen, ist das Studium zu wĂ€hlen, weil man die anderen Ziele dadurch quasi ânebenherâ realisieren kann. Wichtig ist es, die Ziele positiv zu formulieren, also nicht âdas NĂ€gelkauen beendenâ, sondern âlernen, die NĂ€gel zu pflegenâ. Jedes Ziel erhĂ€lt auĂerdem einen Namen und ein (Bild-)Symbol.
3. Schritt: Helfer suchen
Im nĂ€chsten Schritt mĂŒssen Personen gefunden werden, die das Vorhaben unterstĂŒtzen, sei es ideell oder durch konkrete Hilfen und Tipps. FĂŒhren Sie dem Klienten vor Augen: Nicht nur der UnterstĂŒtzte profitiert, sondern meist auch der Helfer selbst. Helfer bieten nicht nur Ermutigung in schwierigen Phasen. Die Einbindung Dritter verbessert auch den eigenen Ruf, wenn es sich herumÂspricht, dass nun tatsĂ€chlich eine positive VerĂ€nderung eingetreten ist.
4. Schritt: Nutzen finden
SchreckÂliche KonÂseÂquenÂzen, die uns drohen, wenn wir bestimmte Ziele nicht erreichen, wirken nicht motivierend, sondern abÂschreckÂend. Statt dem lerÂnunÂwilliÂgen Kind all die furchtbaren Folgen eines SchuÂlaÂbÂbruchs auszumalen, sollten Sie ihm die VorzĂŒge einer abgeschlosseÂnen Ausbildung aufzeigen. FĂŒhren Sie dem Coachee deshalb die positiven AuswirkunÂgen seines Ziels vor Augen â auf ihn selbst und auf andere. Je mehr VorzĂŒge er an seinem Ziel entdeckt, desto attraktiver wird es und desto stĂ€rker wird seine Motivation.
5. Schritt: Erste Schritte wĂŒrdigen
Fast immer lassen sich bei einem VerĂ€nderungÂsprozess schon die ersten Schritte in die gewĂŒnschte Richtung entdecken. Benennen Sie sie! Das zeigt Ihrem Klienten, dass er nicht am Nullpunkt steht, sondern sich bereits in die richtige Richtung bewegt. Das sorgt fĂŒr den nötigen Schwung, weitere MaĂnahmen anzugehen.
6. Schritt: Weitere Fortschritte imaginieren
Im nĂ€chsten Schritt soll der Klient sich die weiteren Fortschritte auf dem Weg zum Ziel ausmalen. Obacht: Hier geht es nicht um anstrenÂgende und deshalb wenig moÂtivierende Planung einzelner Schritte. Vielmehr soll er anÂschauliche Bilder entwickeln, wie der Fortschritt konkret aussehen wĂŒrde. Also nicht: âWas werden Sie nĂ€chste Woche tun?â, sondern: âStellen Sie sich vor, in einer Woche hĂ€tten sich die Dinge ein wenig in die richtige Richtung bewegt. Was wĂ€re anders?â Um es dem Coachee leichter zu machen, arbeiten Sie, Ă€hnlich wie bei der Entwicklung der Vision, mit verÂschiedeÂnen Techniken: Finden Sie etwa Beispiele fĂŒr die Fortschritte, oder bitten Sie den Klienten, sich vorzustellen, welche VerĂ€nderung Sie sehen wĂŒrden, wenn Sie die neue Situation auf Video sehen wĂŒrden, oder fragen Sie nach Anzeichen fĂŒr einen Fortschritt, die selbst Skeptiker umstimmen wĂŒrden. Manchmal hilft es auch, dem Klienten falsche VorstelÂlunÂgen zu prĂ€sentieren, die er dann korrigieren wird. Der Clou an diesem Vorgehen ist, dass die konkreten nĂ€chsten Schritte durch diese deÂtailÂlierten Bilder quasi von selbst entstehen.
7. Schritt: HerÂausÂforderunÂgen annehmen
NatĂŒrlich ist es fĂŒr Ihren Klienten nicht einfach, sein Ziel zu realisieren â sonst hĂ€tte er es ja schon lĂ€ngst erreicht. FĂŒhren Sie ihm vor Augen, welche Schwierigkeiten und HerÂausÂforderunÂgen ihn auf dem Weg zum Ziel erwarten. Das bewirkt oft einen richtigen MoÂtiÂvaÂtionÂsÂkick â es ist nun mal beÂfriediÂgenÂder, etwas Schwieriges geschafft zu haben als etwas absolut Banales. In Gruppen ist das Benennen von Problemen wichtig, damit Skeptiker ihre Bedenken einbringen können. Dies sorgt dafĂŒr, dass sie VerĂ€nderungen nicht torpedieren. Nachdem Sie allen die HerÂausÂforderung vor Augen gefĂŒhrt haben, machen Sie klar, warum sie zu meistern ist, denn: Schwierig heiĂt nicht unmöglich!
8. Schritt: Optimismus fördern
Wer an sich selbst glaubt, dem fĂ€llt es leichter, bei der Stange zu bleiben. Jeder wird opÂtiÂmistisÂcher, wenn er sich vor Augen fĂŒhrt, wie viele Probleme er in seinem Leben bereits erfolgreich gelöst hat. Ăberlegen Sie gemeinsam mit dem Klienten, welche zusĂ€tzlichen Ressourcen existieren, die beim Erreichen des neuen Ziels helfen könnten â egal ob es sich um BĂŒcher, Websites, Kontakte oder was auch immer handelt. Wenn Sie ein Team coachen, ist es auĂerdem hilfreich, allen die besonderen FĂ€higkeiten der einzelnen Mitglieder vor Augen zu fĂŒhren, um den Optimismus zu fördern.
9. Schritt: Versprechen geben
Jetzt bringen Sie Ihren Klienten dazu, aktiv zu werden. Er soll sich selbst, Dritten oder Ihnen, öffentlich oder geheim, das Versprechen geben, was er bis zum nĂ€chsten Treffen tun wird. Im Hinterkopf muss stets behalten werden, dass es sich um sehr kleine Schritte â Babyschritte â handelt, die auch wirklich umsetzbar sind. Also statt: âIn die Bibliothek gehen und die FachÂlitÂerÂatur zum Thema lesenâ, besser: âHerÂausÂfinden, wo die Bibliothek istâ. Da man Versprechen sich selbst gegenĂŒber leichter bricht, ist es besser, sie anderen Personen abzugeben.
10. Schritt: FortschrittstageÂbuch fĂŒhren
Fortschritte werden oft nicht wirklich bemerkt oder in der Hektik des Alltags schnell vergessen. Sorgen Sie deshalb unbedingt dafĂŒr, dass der Coachee jeden noch so kleinen Fortschritt dokuÂmenÂtiert â egal ob in einem Tagebuch, einer ComÂpuÂtÂerÂdatei oder wie auch immer. Das verschafft nicht nur das GefĂŒhl von Anerkennung, sondern sorgt auch dafĂŒr, dass leichter herÂauszufinden ist, welche AktivitĂ€ten gut funkÂtionÂieren.
11. Schritt: RĂŒckschlĂ€ge vorbereiten
Kaum ein Ziel lĂ€sst sich ohne RĂŒckschlĂ€ge und Probleme erreichen. Umso wichtiger ist es, sich schon im Vorfeld darauf einzustellen, damit man nicht frustriert auf halbem Wege aufgibt. Wenn das Projekt bereits hakt und nicht mehr so recht vorangeht, helfen die folgenden Fragen: 1. Stimmt mein Ziel (noch)? 2. Stimmt die VorgeÂhensweise? 3. Fehlen Ressourcen? 4. Sind Sie zu ungeduldig?
12. Schritt: Erfolg feiern
Ist das Ziel erreicht, ist es an der Zeit, allen zu danken, die geholfen haben, und den Erfolg zu feiern. Das Feiern hilft Ihrem Klienten dabei, seine eigenen Leistungen wahrzunehmen, sorgt dafĂŒr, dass die VerĂ€nderungen nachhaltig sind und sichert die UnterstĂŒtzung fĂŒr neue Projekte. Wenn Sie dabei die Leistung der anderen gebĂŒhrend anerkennen, vermeiden Sie auĂerdem viel Neid und Missgunst.
Reteaming unter speziellen Bedingungen
Manchmal ist die Last der Probleme so groĂ, dass positive AnsĂ€tze nicht gleich funkÂtionÂieren. Doch Problem und Ziel sind zwei Seiten derselben Medaille: Setzen Sie also gegebeÂnenÂfalls bei den Problemen an und formulieren sie diese in einem zweiten Schritt zu positiven Zielen um (Goaling). Bei der GrupÂpeÂnarÂbeit ist es zusĂ€tzlich hilfreich, ein so genanntes Jubelritual einzufĂŒhren. Es trĂ€gt, Ă€hnlich wie das Abklatschen im Sport, dazu bei, Erfolge gebĂŒhrend anzuerkenÂnen. Ăbrigens ist es sogar besser, wenn die GrupÂpenÂmitÂglieder unÂterÂschiedliche Ziele haben â das verhindert Konkurrenz und erleichtert die Kooperation.
âIn den meisten FĂ€llen Ă€hnelt die ReÂgenÂerÂaÂtion einer AchterÂbahÂnÂfahrt, bei der auf einen guten Tag zwei schlechte folgen können, und umgekehrt.â
Bei beruflichem TeamÂcoachÂing ist die VerÂlaufÂskonÂtrolle etwa durch Protokolle per E-Mail ein wichtiger Punkt â sonst gerĂ€t in der AllÂtÂagshekÂtik zu viel in VergessenÂheit. Speziell beim TeamÂbuildÂing nach stressigen UmÂstrukÂturierunÂgen ist der Einstieg ĂŒber das Thema StressÂreakÂtioÂnen in allgemeiner Form empfehlenswert. AnschlieĂend können Sie die Gruppe dabei unterstĂŒtzen, die (stressÂbeÂdÂingten) Probleme in Ziele umzuÂforÂmulieren. Erst danach beginnen Sie mit dem bekannten Zwölf-Punkte-Plan. Auch bei trauÂmaÂtisierten Menschen oder nach schlimmen Erfahrungen wie Unfall, Tod usw. ist die Frage nach einer positiven ZukunÂftsviÂsion zunĂ€chst wenig sinnvoll. Erst wenn quĂ€lende Fragen wie âWas habe ich falsch gemacht?â, oder âWarum gerade ich?â, beantwortet sind, kann der Klient wieder daran glauben, dass ĂŒberhaupt noch eine Zukunft vor ihm liegt. Erst dann kann der ReteamÂing-Prozess beginnen. Ganz wichtig dabei ist, zu akzeptieren, dass die ReÂgenÂerÂaÂtion ihre Zeit braucht und kein linearer Prozess, sondern ein stĂ€ndiges Auf und Ab ist.