Der Google-Effekt

Buch Der Google-Effekt

Strukturiert denken im digitalen Zeitalter

Südwest,


Rezension

Douglas C. Merrill und James A. Martin machen mehr, als nur über die Datenflut zu klagen, die uns im In­for­ma­tion­szeital­ter täglich überspült – sie sagen, wie sich darin schwimmen lässt. Im amerikanis­chen Rat­ge­ber­stil führen sie entspannt durch ein wenig Wis­senschaft, ein paar Geschichten und Erfahrungen sowie technisches Know-how, ins­beson­dere bezüglich einiger Google-In­stru­mente. Als ehemaliger Google-Mi­tar­beiter ist Merrill immer noch ein (allzu) großer Fan der Firma und propagiert einen ungezwun­genen Umgang mit ihren Produkten. Daran mag man sich ein bisschen stoßen, aber es macht das Buch auch sehr aktuell – und zu einem in­ter­es­san­ten Zeitzeugnis. Getreu Blaise Pascals Ausspruch „Ich hatte keine Zeit für einen kurzen Brief, deshalb schreibe ich einen langen“ verkünden Merrill und Martin, vielleicht ein wenig un­frei­willig, vor allem eine Heilslehre: Habe Mut zum Mehr, verzichte auf ein leeres Mail­post­fach und sprudle einfach los. Sie haben es selbst genauso gemacht – wahrschein­lich hatten sie keine Zeit, ein kürzeres Buch zu schreiben. BooksInShort empfiehlt ihr Werk allen Berufstätigen, die ihre digitale Selb­stor­gan­i­sa­tion verbessern wollen.

Take-aways

  • Die Beschaf­fen­heit unseres Gehirns und gesellschaftliche Kon­ven­tio­nen sabotieren immer wieder unsere Selb­stor­gan­i­sa­tion.
  • Or­gan­isieren Sie Ihr Leben so, dass das Gehirn möglichst wenig belastet wird, und befreien Sie Ihren Kopf von Ballast.
  • Passen Sie die Strukturen, in denen Sie arbeiten, so weit wie möglich Ihren Bedürfnissen an.
  • Mul­ti­task­ing kann die Effizienz verringern.
  • Eine gute Erin­nerung­shilfe ist es, Fakten in Geschichten zu packen und diese zu wiederholen.
  • Sie müssen Ihre Wünsche und Ziele kennen, um Entschei­dun­gen treffen zu können.
  • Suchen Sie lieber, statt die Zeit mit Ordnen zu ver­schwen­den. Moderne Hilfsmittel (Cloud Computing) machen es Ihnen einfach.
  • Lassen Sie Aufgaben mit einem ähnlichen Kontext aufeinander folgen.
  • Binden Sie die Arbeit ins Leben ein, statt nach einer Work-Life-Bal­ance zu suchen.
  • Speichern Sie wichtige Daten digital, statt sie in Papierform abzulegen.
 

Zusammenfassung

Ihr Gehirn ist gegen Sie

Das Erste, was Sie davon abhält, sich selbst zu or­gan­isieren, ist die Beschaf­fen­heit Ihres Gehirns. Es nimmt viel mehr wahr, als Sie meinen. Denken Sie an den „Cock­tail­party-Ef­fekt“, der dafür sorgt, dass Sie in einem vollen Raum mit vielen Nebengeräuschen wahrnehmen können, wie irgendwo jemand Ihren Namen sagt. Darüber hinaus ist das Kurzzeitgedächtnis aber nur in der Lage, fünf bis neun Fakten zu behalten. Kommt ein zusätzlicher dazu, fällt ein anderer heraus.

„Das Gehirn sabotiert Ihre Selb­stor­gan­i­sa­tion, indem es wichtige In­for­ma­tio­nen nicht speichert.“

Wenn Sie nun einen Blick auf Ihre üblichen Auf­gaben­lis­ten werfen, sehen Sie gleich, warum so oft etwas vergessen geht: Es ist zu viel. Befreien Sie also Ihren Kopf und Ihren Alltag von zu vielen Details und Dingen, die Sie sich merken müssen. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Gehirn so wenig wie möglich belastet wird. Alles andere ist Stress.

„Wenn alles um uns herum völlig falsch läuft, ist es kein Wunder, dass sich unser Stress­niveau in stratosphärischen Höhen bewegt. Wir haben nie genug Zeit, alles zu schaffen, was wir unserer Meinung nach noch erledigen müssen.“

Die Dinge, die wichtig sind, können Sie sich mit einem einfachen Mechanismus besser merken und sie so vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis hinüberretten. Er nennt sich Codieren und bedeutet, dass Sie die Fakten in eine Geschichte einbetten. Wenn Sie diese dann mehrmals im Kopf wiederholen, steigern Sie den Effekt.

Die Gesellschaft ist gegen Sie

Zu den Or­gan­i­sa­tions­bar­ri­eren des Gehirns gesellen sich äußere Barrieren: Die Gesellschaft arbeitet mit vielen überholten Strukturen gegen Sie. Die Schulferien z. B. wurden ursprünglich ein­gerichtet, damit die Kinder bei der Ernte helfen konnten. Heute stören sie nur den Ar­beits­fluss unserer Gesellschaft. Und auch die Arbeitstage von neun bis fünf passen längst nicht mehr zu unseren Jobs.

„Bitten Sie Ihren Chef um andere Ar­beit­szeiten, damit Sie nicht immer im Berufsverkehrsstau stehen müssen.“

Deshalb müssen Sie die Strukturen so weit wie möglich Ihren Bedürfnissen anpassen. Dazu gehört u. U., dass Sie einen Teil der Arbeit nach Hause verlegen, um unnötige Arbeitswege oder das Stehen im Stau zu umgehen, oder dass Sie in den Som­mer­fe­rien Spiel­grup­pen or­gan­isieren, in denen die Kinder abwechselnd betreut werden.

Was wollen und können Sie?

Sie müssen sich Klarheit über Ihre Ziele und Wünsche verschaffen, aber auch über Ihre Beschränkungen. Wenn Sie diese Klarheit nicht haben, können Sie nicht planen. Halten Sie Ihre Ziele und Wünsche fest. Darauf aufbauend können Sie Aktionspläne verfassen.

„Wenn man organisiert sein will, sollte alles, was man tut, von den eigenen Zielen herrühren, unter Berück­sich­ti­gung der real vorhandenen Beschränkungen.“

Was Ihre Beschränkungen betrifft, hilft nichts außer Selb­sterken­nt­nis. Schaffen Sie sich ein re­al­is­tis­ches Bild von Ihren Kräften und denen Ihrer Umgebung. Überlegen Sie sich beispiel­sweise, ob Sie als Rennfahrer (oder was auch immer Ihr Traumberuf ist) zu groß (zu klein, zu dick, zu dünn …) sind. Vielleicht sind Sie auch trotz massiven Kaf­feekon­sums zu langsam für Ihren Job. Machen Sie sich das klar, verzichten Sie aber auf Wertungen. Im nächsten Schritt beantworten Sie sich die Frage, ob diese Beschränkungen nur gefühlt oder wirklich sind. Fragen Sie sich auch, was Ihre Gewohn­heiten sind und ob Sie dabei bleiben wollen oder müssen.

Suchen statt ordnen, oder: Cloud Computing

Selb­stor­gan­i­sa­tion müssen Sie für sich lernen und individuell entwickeln. Aber die al­therge­brachten Methoden der Selb­stor­gan­i­sa­tion missachten die Beschaf­fen­heit des Gehirns und Ihre in­di­vidu­ellen Beschränkungen. Genauso wenig nehmen sie Rücksicht auf die Gegeben­heiten des 21. Jahrhun­derts. Es braucht eine neue Definition des Or­gan­isierens, und die fängt mit dem Suchen an. Die Grundlage für jede moderne Or­gan­i­sa­tion ist das Suchen. Statt wie in der Ver­gan­gen­heit wichtige Dokumente in dreifacher Aus­fer­ti­gung zu kopieren und abzulegen, um am Ende dann doch nicht mehr zu wissen, welcher Ordner oder Ak­ten­schrank sie beherbergt, haben wir heute die Möglichkeiten der digitalen Welt. Hier ist die Such­funk­tion die Grundlage, die uns im In­for­ma­tion­szeital­ter hilft, zu überleben.

„Es muss klar sein, dass Sie von A nach B wollen. Aber Sie sollten auch wissen, dass mehrere Straßen dorthin führen.“

Die technischen Fortschritte haben die alten Regeln überholt und bieten eine Alternative. Sie heißt Cloud Computing. Damit können Sie die physischen Grenzen der Ablage überwinden. Cloud Computing ist ein spielerischer Oberbegriff für Dienste und Soft­ware-Tools, die in Echtzeit im Internet Daten speichern. Sprich: Ihr Mail­pro­gramm, Kalender oder Syn­chro­ni­sa­tions­di­enst für Dateien bewahrt Ihre Daten im Internet auf und nicht auf Ihrem Rechner. Von überall auf der Welt können Sie so ohne größeren technischen Aufwand auf das für Sie Wichtige zugreifen. Sie dig­i­tal­isieren also alle wichtigen Daten und rufen sie ab, wenn Sie sie brauchen.

Mit und ohne Papier arbeiten

Wiederum ist es wichtig, dass Sie sich über Ihre Eigenheiten, Vorlieben und Gewohn­heiten klar werden. Denn zu manchen Werkzeugen haben wir fast so etwas wie eine emotionale Bindung. Sehr grundlegend ist z. B. die Frage, welche Beziehung Sie zu Papier, zu Gedrucktem und Geschriebenem haben. Nehmen Sie sich Zeit und notieren Sie, welche Werkzeuge und Methoden Sie verwenden. Sind es Haftnotizen, iPhone-Apps, reale oder virtuelle Eingangskörbe, mit denen Sie Ihr Leben or­gan­isieren? Im zweiten Schritt unterziehen Sie Ihre Or­gan­i­sa­tion­ssys­teme einer Prüfung: Wann und wie werden Sie von ihnen im Stich gelassen?

„Sie sind viel flexibler, wenn Sie Ihre In­for­ma­tio­nen digital ablegen anstatt auf Papier.“

Papier kann ein gutes Hilfsmittel sein, um den Kopf durch Her­auss­chreiben der Gedanken freizubekom­men. Auf Papier Ideen zu sammeln, kann dabei helfen, schwierige Gedankengänge zu struk­turi­eren. Papier in Form eines aus­ge­druck­ten Reiseplans ist auch im Flugzeug sinnvoll, wenn Sie Ihr iPhone aus­geschal­tet haben müssen. Und manchmal kann man auf Papier einfach mehr sehen als am Bildschirm – z. B. Rechtschreibfehler.

„Wann immer es möglich ist, sollten Sie Tools benutzen, die Sie bereits kennen, anstatt Zeit und Geld in neue zu investieren.“

Bei großen In­for­ma­tion­s­men­gen ist Papier jedoch nicht die beste Wahl. Ebenso wenig, wenn Sie noch nicht wissen, wann oder wo Sie bestimmte In­for­ma­tio­nen verwenden werden, wenn Dritte In­for­ma­tio­nen von Ihnen brauchen oder wenn Sie die Umwelt schonen wollen. In all diesen Fällen greifen Sie besser auf digitale Dateien zurück.

„Mit Suchen können wir im In­for­ma­tion­szeital­ter überleben und Erfolg haben. Die Such­funk­tion ist die Grundlage der neuen Or­gan­i­sa­tion­ssys­teme.“

Wichtige Daten sollten Sie mehrfach abspeichern, z. B. auf Ihrem Computer, als Sicherungskopie auf DVD und in der Wolke. Der Grund ist einfach der, dass wir die Lebensdauer von manchen Datenträgern noch nicht kennen. Sollten Sie Ihre Daten im Internet archivieren, nutzen Sie nur einen wirklich namhaften Anbieter. Unbekannte Unternehmen können Ihnen in dieser sich schnell verändernden Branche und in den wirtschaftlich turbulenten Zeiten weniger Sicherheit bieten als große Di­en­stleis­ter.

„Sie sind nicht mit einem Sinn fürs Or­gan­isieren zur Welt gekommen, Sie mussten es erst lernen.“

Manche Menschen erwarteten schon 1975 das papierlose Büro – heute leben wir immer noch in einer Mischwelt. Das wird noch eine ganze Zeit so bleiben, und die Mischung aus Papier- und Dig­i­tal­nutzung ist nicht immer un­kom­pliziert.

Google Mail als Datenbank

Google Mail ist weit mehr als nur ein Mail­pro­gramm und deutlich effektiver als Outlook. Sie können damit Ihre gesamten Daten und Mails sammeln. Selbst SMS und Instant Messages, die Sie über Ihr Google-Konto versenden, werden automatisch gesichert. Scannen Sie wichtige Dateien ein und schicken Sie sie an sich selbst – und schon sind sie archiviert. Tragen Sie gegebe­nen­falls auch eine vertraute Person als zweiten Empfänger ins Cc ein. Dann haben Sie Ihre Daten an mehreren Stellen. Schicken Sie z. B. Ihrem Ehepartner Ihre Reisepläne und setzen Sie sich selbst ins Cc. Der Spe­icher­platz ist fast unbegrenzt und Sie können von überall auf der Welt ohne größere technische Aufwen­dun­gen auf alle Ihre Daten zugreifen.

„Für sehr viele und eher ungeordnete In­for­ma­tio­nen ist Papier nicht Ihr Freund.“

Sollten Sie bislang andere Di­en­stleis­ter genutzt haben oder nicht auf Ihre bisherigen Mailadressen verzichten wollen, ist das kein Problem. Sie können in Ihrem Google Mail die anderen Mailadressen abrufen. Wenn Sie auf „Antworten“ klicken, wird automatisch die ursprüngliche Adresse als Absender eingesetzt. Der Mailempfänger sieht also nicht, dass Sie von Google Mail aus geschrieben haben.

„Binden Sie Arbeit ins Leben ein, anstatt nur zu versuchen, ein Gle­ichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit herzustellen.“

Bei Google Mail gibt es keine Ordner. Stattdessen haben Sie die Möglichkeit, eingehende Mails mit einem oder mehreren Labels zu versehen. Bei einer Suche können Sie einfach ein Label eingeben und erhalten dann alle relevanten Nachrichten. Damit sparen Sie wertvolle Zeit, die Sie sonst mit Ordnen verbracht haben. To-do-Lis­ten lassen sich so übrigens auch sehr gut erstellen. Versehen Sie Mails beispiel­sweise mit dem Label „Zu erledigen“. Wenn Sie dann dieses Label suchen, haben Sie mit den entsprechen­den Mails gleich eine Auf­gaben­liste.

„Betrachten Sie Ihre or­gan­isatorischen Fähigkeiten als Ver­sicherungss­chutz für den Fall des Frontalzusam­men­stoßes.“

Von Vorteil ist, dass eine Mail und die da­rauf­fol­gen­den Antworten in Google Mail zu Kon­ver­sa­tio­nen bzw. Threads gruppiert werden. So sehen Sie sofort den aktuellen Stand der Kom­mu­nika­tion. Und schließlich ist Google Mail auch ein gutes Adressbuch, in dem Sie alle Ihre Kontakte verwalten können. Ihre bisherigen digitalen Datenbanken von Outlook, Yahoo oder anderen Anbietern können Sie problemlos importieren.

Noch mehr in den Wolken arbeiten

Ein weiterer Teil des Cloud Computing, also des Arbeitens mit Daten auf externen Servern, ist Google Kalender. Er trennt nicht private von beruflichen Terminen und funk­tion­iert damit genau so, wie viele von uns heute leben. Sie können mehrere Kalender anlegen, die Sie zu Ihrem persönlichen, nur für Sie sichtbaren zusammenführen. Einzelne Kalender können Sie problemlos für andere, auch Nicht-Google-Nutzer, sichtbar machen und so die Ter­minko­or­di­na­tion vere­in­fachen.

Ein weiterer wichtiger Themenblock im Cloud Computing ist die Zusam­me­nar­beit in Echtzeit. Das passiert z. B. mit Google Text & Tabellen. Jeder mit einem Google-Konto kann hier Dokumente erstellen. Diese Daten lassen sich als Sicherungs­datei auf einem externen Server verstehen und können von ver­schiede­nen Personen bearbeitet werden.

Aber auch die Onlinedaten müssen struk­turi­ert werden. Tun Sie dies mit Stichwörtern und dem Google Reader, einem RSS-Feed-Pro­gramm, das automatisch erfasst, woran Sie in­ter­essiert sind, und es entsprechend ablegt.

Probleme bewältigen

Zum Schluss bleiben noch drei Dinge zu tun, um bestehende Probleme zu reduzieren:

  1. Reduzieren Sie Ablenkungen und Kon­tex­twech­sel. Wenn Sie zwischen ver­schiede­nen Themen hin- und herspringen, kostet das Kraft. Versuchen Sie, diese Sprünge zu reduzieren, und arbeiten Sie nacheinan­der die Dinge ab, die zu einem Thema gehören. Mul­ti­task­ing kann Ihre Effizienz deutlich verringern.
  2. Verbinden Sie Arbeit und Freizeit. Work-Life-Bal­ance ist in der Realität un­err­e­ich­bar. Viele meinen damit, dass sie weniger arbeiten wollen, aber das ist kaum möglich, jedenfalls nicht ohne finanzielle Einbußen. Definieren Sie die Arbeit als Teil Ihres Lebens und verbinden Sie das Privatleben damit – das ist ein re­al­is­tis­ches Ziel. Manchmal muss es eben sein, dass Sie im Urlaub Mails abrufen. Verändern Sie Ihr Denken und kommen Sie so mit sich in Einklang.
  3. Meistern Sie Un­vorherge­se­henes, indem Sie flexibel bleiben. Versuchen Sie zu erahnen, was auf Sie zukommt, ver­schwen­den Sie aber dabei nicht zu viel Zeit. Leben Sie im Jetzt, und wenn eine Krise kommt, hilft es Ihnen, dass Sie organisiert sind.

Über die Autoren

Douglas C. Merrill ist Blogger und Autor. Er hat in Princeton studiert und dort in Psychologie promoviert. Bis 2008 arbeitete er als Chief Information Officer bei Google. Bei der EMI Music Group war er in führender Position für das digitale Business zuständig. James A. Martin ist Autor und Berater für Such­maschi­nenop­ti­mierung und Social Media. Er schreibt u. a. für PC World und The New York Times.