Ihr Gehirn ist gegen Sie
Das Erste, was Sie davon abhält, sich selbst zu organisieren, ist die Beschaffenheit Ihres Gehirns. Es nimmt viel mehr wahr, als Sie meinen. Denken Sie an den „Cocktailparty-Effekt“, der dafür sorgt, dass Sie in einem vollen Raum mit vielen Nebengeräuschen wahrnehmen können, wie irgendwo jemand Ihren Namen sagt. Darüber hinaus ist das Kurzzeitgedächtnis aber nur in der Lage, fünf bis neun Fakten zu behalten. Kommt ein zusätzlicher dazu, fällt ein anderer heraus.
„Das Gehirn sabotiert Ihre Selbstorganisation, indem es wichtige Informationen nicht speichert.“
Wenn Sie nun einen Blick auf Ihre üblichen Aufgabenlisten werfen, sehen Sie gleich, warum so oft etwas vergessen geht: Es ist zu viel. Befreien Sie also Ihren Kopf und Ihren Alltag von zu vielen Details und Dingen, die Sie sich merken müssen. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Gehirn so wenig wie möglich belastet wird. Alles andere ist Stress.
„Wenn alles um uns herum völlig falsch läuft, ist es kein Wunder, dass sich unser Stressniveau in stratosphärischen Höhen bewegt. Wir haben nie genug Zeit, alles zu schaffen, was wir unserer Meinung nach noch erledigen müssen.“
Die Dinge, die wichtig sind, können Sie sich mit einem einfachen Mechanismus besser merken und sie so vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis hinüberretten. Er nennt sich Codieren und bedeutet, dass Sie die Fakten in eine Geschichte einbetten. Wenn Sie diese dann mehrmals im Kopf wiederholen, steigern Sie den Effekt.
Die Gesellschaft ist gegen Sie
Zu den Organisationsbarrieren des Gehirns gesellen sich äußere Barrieren: Die Gesellschaft arbeitet mit vielen überholten Strukturen gegen Sie. Die Schulferien z. B. wurden ursprünglich eingerichtet, damit die Kinder bei der Ernte helfen konnten. Heute stören sie nur den Arbeitsfluss unserer Gesellschaft. Und auch die Arbeitstage von neun bis fünf passen längst nicht mehr zu unseren Jobs.
„Bitten Sie Ihren Chef um andere Arbeitszeiten, damit Sie nicht immer im Berufsverkehrsstau stehen müssen.“
Deshalb müssen Sie die Strukturen so weit wie möglich Ihren Bedürfnissen anpassen. Dazu gehört u. U., dass Sie einen Teil der Arbeit nach Hause verlegen, um unnötige Arbeitswege oder das Stehen im Stau zu umgehen, oder dass Sie in den Sommerferien Spielgruppen organisieren, in denen die Kinder abwechselnd betreut werden.
Was wollen und können Sie?
Sie müssen sich Klarheit über Ihre Ziele und Wünsche verschaffen, aber auch über Ihre Beschränkungen. Wenn Sie diese Klarheit nicht haben, können Sie nicht planen. Halten Sie Ihre Ziele und Wünsche fest. Darauf aufbauend können Sie Aktionspläne verfassen.
„Wenn man organisiert sein will, sollte alles, was man tut, von den eigenen Zielen herrühren, unter Berücksichtigung der real vorhandenen Beschränkungen.“
Was Ihre Beschränkungen betrifft, hilft nichts außer Selbsterkenntnis. Schaffen Sie sich ein realistisches Bild von Ihren Kräften und denen Ihrer Umgebung. Überlegen Sie sich beispielsweise, ob Sie als Rennfahrer (oder was auch immer Ihr Traumberuf ist) zu groß (zu klein, zu dick, zu dünn …) sind. Vielleicht sind Sie auch trotz massiven Kaffeekonsums zu langsam für Ihren Job. Machen Sie sich das klar, verzichten Sie aber auf Wertungen. Im nächsten Schritt beantworten Sie sich die Frage, ob diese Beschränkungen nur gefühlt oder wirklich sind. Fragen Sie sich auch, was Ihre Gewohnheiten sind und ob Sie dabei bleiben wollen oder müssen.
Suchen statt ordnen, oder: Cloud Computing
Selbstorganisation müssen Sie für sich lernen und individuell entwickeln. Aber die althergebrachten Methoden der Selbstorganisation missachten die Beschaffenheit des Gehirns und Ihre individuellen Beschränkungen. Genauso wenig nehmen sie Rücksicht auf die Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts. Es braucht eine neue Definition des Organisierens, und die fängt mit dem Suchen an. Die Grundlage für jede moderne Organisation ist das Suchen. Statt wie in der Vergangenheit wichtige Dokumente in dreifacher Ausfertigung zu kopieren und abzulegen, um am Ende dann doch nicht mehr zu wissen, welcher Ordner oder Aktenschrank sie beherbergt, haben wir heute die Möglichkeiten der digitalen Welt. Hier ist die Suchfunktion die Grundlage, die uns im Informationszeitalter hilft, zu überleben.
„Es muss klar sein, dass Sie von A nach B wollen. Aber Sie sollten auch wissen, dass mehrere Straßen dorthin führen.“
Die technischen Fortschritte haben die alten Regeln überholt und bieten eine Alternative. Sie heißt Cloud Computing. Damit können Sie die physischen Grenzen der Ablage überwinden. Cloud Computing ist ein spielerischer Oberbegriff für Dienste und Software-Tools, die in Echtzeit im Internet Daten speichern. Sprich: Ihr Mailprogramm, Kalender oder Synchronisationsdienst für Dateien bewahrt Ihre Daten im Internet auf und nicht auf Ihrem Rechner. Von überall auf der Welt können Sie so ohne größeren technischen Aufwand auf das für Sie Wichtige zugreifen. Sie digitalisieren also alle wichtigen Daten und rufen sie ab, wenn Sie sie brauchen.
Mit und ohne Papier arbeiten
Wiederum ist es wichtig, dass Sie sich über Ihre Eigenheiten, Vorlieben und Gewohnheiten klar werden. Denn zu manchen Werkzeugen haben wir fast so etwas wie eine emotionale Bindung. Sehr grundlegend ist z. B. die Frage, welche Beziehung Sie zu Papier, zu Gedrucktem und Geschriebenem haben. Nehmen Sie sich Zeit und notieren Sie, welche Werkzeuge und Methoden Sie verwenden. Sind es Haftnotizen, iPhone-Apps, reale oder virtuelle Eingangskörbe, mit denen Sie Ihr Leben organisieren? Im zweiten Schritt unterziehen Sie Ihre Organisationssysteme einer Prüfung: Wann und wie werden Sie von ihnen im Stich gelassen?
„Sie sind viel flexibler, wenn Sie Ihre Informationen digital ablegen anstatt auf Papier.“
Papier kann ein gutes Hilfsmittel sein, um den Kopf durch Herausschreiben der Gedanken freizubekommen. Auf Papier Ideen zu sammeln, kann dabei helfen, schwierige Gedankengänge zu strukturieren. Papier in Form eines ausgedruckten Reiseplans ist auch im Flugzeug sinnvoll, wenn Sie Ihr iPhone ausgeschaltet haben müssen. Und manchmal kann man auf Papier einfach mehr sehen als am Bildschirm – z. B. Rechtschreibfehler.
„Wann immer es möglich ist, sollten Sie Tools benutzen, die Sie bereits kennen, anstatt Zeit und Geld in neue zu investieren.“
Bei großen Informationsmengen ist Papier jedoch nicht die beste Wahl. Ebenso wenig, wenn Sie noch nicht wissen, wann oder wo Sie bestimmte Informationen verwenden werden, wenn Dritte Informationen von Ihnen brauchen oder wenn Sie die Umwelt schonen wollen. In all diesen Fällen greifen Sie besser auf digitale Dateien zurück.
„Mit Suchen können wir im Informationszeitalter überleben und Erfolg haben. Die Suchfunktion ist die Grundlage der neuen Organisationssysteme.“
Wichtige Daten sollten Sie mehrfach abspeichern, z. B. auf Ihrem Computer, als Sicherungskopie auf DVD und in der Wolke. Der Grund ist einfach der, dass wir die Lebensdauer von manchen Datenträgern noch nicht kennen. Sollten Sie Ihre Daten im Internet archivieren, nutzen Sie nur einen wirklich namhaften Anbieter. Unbekannte Unternehmen können Ihnen in dieser sich schnell verändernden Branche und in den wirtschaftlich turbulenten Zeiten weniger Sicherheit bieten als große Dienstleister.
„Sie sind nicht mit einem Sinn fürs Organisieren zur Welt gekommen, Sie mussten es erst lernen.“
Manche Menschen erwarteten schon 1975 das papierlose Büro – heute leben wir immer noch in einer Mischwelt. Das wird noch eine ganze Zeit so bleiben, und die Mischung aus Papier- und Digitalnutzung ist nicht immer unkompliziert.
Google Mail als Datenbank
Google Mail ist weit mehr als nur ein Mailprogramm und deutlich effektiver als Outlook. Sie können damit Ihre gesamten Daten und Mails sammeln. Selbst SMS und Instant Messages, die Sie über Ihr Google-Konto versenden, werden automatisch gesichert. Scannen Sie wichtige Dateien ein und schicken Sie sie an sich selbst – und schon sind sie archiviert. Tragen Sie gegebenenfalls auch eine vertraute Person als zweiten Empfänger ins Cc ein. Dann haben Sie Ihre Daten an mehreren Stellen. Schicken Sie z. B. Ihrem Ehepartner Ihre Reisepläne und setzen Sie sich selbst ins Cc. Der Speicherplatz ist fast unbegrenzt und Sie können von überall auf der Welt ohne größere technische Aufwendungen auf alle Ihre Daten zugreifen.
„Für sehr viele und eher ungeordnete Informationen ist Papier nicht Ihr Freund.“
Sollten Sie bislang andere Dienstleister genutzt haben oder nicht auf Ihre bisherigen Mailadressen verzichten wollen, ist das kein Problem. Sie können in Ihrem Google Mail die anderen Mailadressen abrufen. Wenn Sie auf „Antworten“ klicken, wird automatisch die ursprüngliche Adresse als Absender eingesetzt. Der Mailempfänger sieht also nicht, dass Sie von Google Mail aus geschrieben haben.
„Binden Sie Arbeit ins Leben ein, anstatt nur zu versuchen, ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit herzustellen.“
Bei Google Mail gibt es keine Ordner. Stattdessen haben Sie die Möglichkeit, eingehende Mails mit einem oder mehreren Labels zu versehen. Bei einer Suche können Sie einfach ein Label eingeben und erhalten dann alle relevanten Nachrichten. Damit sparen Sie wertvolle Zeit, die Sie sonst mit Ordnen verbracht haben. To-do-Listen lassen sich so übrigens auch sehr gut erstellen. Versehen Sie Mails beispielsweise mit dem Label „Zu erledigen“. Wenn Sie dann dieses Label suchen, haben Sie mit den entsprechenden Mails gleich eine Aufgabenliste.
„Betrachten Sie Ihre organisatorischen Fähigkeiten als Versicherungsschutz für den Fall des Frontalzusammenstoßes.“
Von Vorteil ist, dass eine Mail und die darauffolgenden Antworten in Google Mail zu Konversationen bzw. Threads gruppiert werden. So sehen Sie sofort den aktuellen Stand der Kommunikation. Und schließlich ist Google Mail auch ein gutes Adressbuch, in dem Sie alle Ihre Kontakte verwalten können. Ihre bisherigen digitalen Datenbanken von Outlook, Yahoo oder anderen Anbietern können Sie problemlos importieren.
Noch mehr in den Wolken arbeiten
Ein weiterer Teil des Cloud Computing, also des Arbeitens mit Daten auf externen Servern, ist Google Kalender. Er trennt nicht private von beruflichen Terminen und funktioniert damit genau so, wie viele von uns heute leben. Sie können mehrere Kalender anlegen, die Sie zu Ihrem persönlichen, nur für Sie sichtbaren zusammenführen. Einzelne Kalender können Sie problemlos für andere, auch Nicht-Google-Nutzer, sichtbar machen und so die Terminkoordination vereinfachen.
Ein weiterer wichtiger Themenblock im Cloud Computing ist die Zusammenarbeit in Echtzeit. Das passiert z. B. mit Google Text & Tabellen. Jeder mit einem Google-Konto kann hier Dokumente erstellen. Diese Daten lassen sich als Sicherungsdatei auf einem externen Server verstehen und können von verschiedenen Personen bearbeitet werden.
Aber auch die Onlinedaten müssen strukturiert werden. Tun Sie dies mit Stichwörtern und dem Google Reader, einem RSS-Feed-Programm, das automatisch erfasst, woran Sie interessiert sind, und es entsprechend ablegt.
Probleme bewältigen
Zum Schluss bleiben noch drei Dinge zu tun, um bestehende Probleme zu reduzieren:
- Reduzieren Sie Ablenkungen und Kontextwechsel. Wenn Sie zwischen verschiedenen Themen hin- und herspringen, kostet das Kraft. Versuchen Sie, diese Sprünge zu reduzieren, und arbeiten Sie nacheinander die Dinge ab, die zu einem Thema gehören. Multitasking kann Ihre Effizienz deutlich verringern.
- Verbinden Sie Arbeit und Freizeit. Work-Life-Balance ist in der Realität unerreichbar. Viele meinen damit, dass sie weniger arbeiten wollen, aber das ist kaum möglich, jedenfalls nicht ohne finanzielle Einbußen. Definieren Sie die Arbeit als Teil Ihres Lebens und verbinden Sie das Privatleben damit – das ist ein realistisches Ziel. Manchmal muss es eben sein, dass Sie im Urlaub Mails abrufen. Verändern Sie Ihr Denken und kommen Sie so mit sich in Einklang.
- Meistern Sie Unvorhergesehenes, indem Sie flexibel bleiben. Versuchen Sie zu erahnen, was auf Sie zukommt, verschwenden Sie aber dabei nicht zu viel Zeit. Leben Sie im Jetzt, und wenn eine Krise kommt, hilft es Ihnen, dass Sie organisiert sind.