Business-Wargames
Business-Wargames sind Rollenspiele, die Ihnen helfen, Fragen nach den Methoden der Konkurrenz oder deren Reaktion auf Ihre Strategie zu beantworten. Die Spieler eines Wargames versetzen sich in die Rolle von Dritten, etwa Kunden oder Konkurrenten. Anders als die Spieltheorie berücksichtigen Wargames, dass Menschen keineswegs nur rational handeln, sondern von ihrem Umfeld beeinflusst werden. Jeglicher Erfolg hängt maßgeblich von den Aktionen und Reaktionen der anderen Marktteilnehmer ab. Wargames helfen Ihnen, deren Verhalten besser vorherzusagen. Weil hier Realitätsnähe zählt, sind Computersimulationen fehl am Platz: Diese stoßen schnell an die Grenzen der Wirklichkeit. Zudem sind sie bedeutend teurer als Rollenspiele mit Menschen. Ein Rollenspiel basiert auf freiem Informationsfluss und hilft, Informationslücken aufzudecken. Je mehr Sie über den Markt und dessen Teilnehmer wissen, desto besser sind Sie in der Lage vorherzusehen, was passieren wird. Die wichtigsten Marktteilnehmer sind Ihre Konkurrenten, Ihre Kunden und die Kunden der Konkurrenz sowie Lieferanten und Behörden.
„Strategien, die im luftleeren Raum entwickelt werden, funktionieren auch nur im luftleeren Raum.“
Wichtig für ein erfolgreiches Rollenspiel sind kritikfähige Führungskräfte. Auf CEOs trifft das leider häufig weniger zu als auf Führungskräfte und Mitarbeiter unterer Hierarchieebenen. Für Wargames ist das problematisch: Wenn eine Führungskraft nicht zu ihren Fehlern stehen kann, ist sie nicht bereit, eine im echten Leben entwickelte Strategie zugunsten einer im Rollenspiel hervorgebrachten aufzugeben. Achten Sie auch auf das Timing Ihres Rollenspiels: Nach dem Abschluss muss immer genug Zeit bleiben, dass Sie bestehende Pläne umwerfen können. Sonst ist die Mühe zwecklos.
Märkte betrachten
Die Konkurrenten sind die häufigsten Rollenspielcharaktere. Da sie nicht im luftleeren Raum, sondern im Markt handeln, müssen sie auch in diesem Kontext betrachtet werden. Gemäß dem Wirtschaftstheoretiker Joseph A. Schumpeter befindet sich der Markt in ständiger Bewegung. Ein Gleichgewicht stellt sich niemals ein. Informationen und Erwartungen ändern sich laufend. Nur der Aufmerksame kann sich das Ungleichgewicht zunutze machen. Die Plattenfirmen etwa dachten jahrelang, der Markt befände sich im Gleichgewicht. Doch unter der Oberfläche waren die Kunden unzufrieden darüber, sich stets ganze Alben kaufen zu müssen, wenn sie sich nur für einen Titel interessierten. Unternehmen wie iTunes nutzten die Ignoranz der Plattenfirmen und boten online einzelne Lieder zum Download an – mit bahnbrechendem Erfolg. Überlegen Sie, wie sich Ihre Kunden die künftige Entwicklung des Marktes vorstellen und wünschen. Gemäß dem Wirtschaftswissenschaftler Michael Porter wirken fünf Kräfte auf den Markt ein: die Käufer, die Zulieferer, die Mitbewerber, die Hersteller von Ersatzprodukten und die Rivalität in der Branche. Ein Rollenspiel hilft Ihnen herauszufinden, wer die Marktveränderungen verursacht und welche Kräfte im Erstarken sind.
Gefühle und Wahrnehmungen
Michael Porters Wettbewerbstheorie zufolge gibt es vier Eckpunkte für das Verhalten der Konkurrenz: externe Einflussfaktoren, Vermutungen des Managements, die aktuelle Strategie und das Potenzial. Während es sich bei den letzten beiden um beobachtbare Elemente handelt, sind Einflussfaktoren und Vermutungen nicht ohne Weiteres sichtbar. Das Wertesystem eines Unternehmens, seine historischen Wurzeln oder seine Risikobereitschaft fallen in diesen unsichtbaren Bereich. Porters Vier-Elemente-System wurde später um zwei Elemente aus der Neurowissenschaft erweitert: die kognitive und die affektive Aktivität des Gehirns. Mit anderen Worten: die Wahrnehmung und die Gefühle. Visuelles Erkennen oder das Sprachverständnis sind der kognitiven Seite zuzuordnen. Wenn Erinnerungen bestimmte Gefühle auslösen, handelt es sich um affektive Aktivität. Wer mit den Augen der Konkurrenten sehen und deren nächste Schachzüge erahnen will, muss diese sechs Bezugselemente erforschen und berücksichtigen. Die meisten Unternehmensstrategen versuchen sich zwar in die Lage der Konkurrenz zu versetzen, gehen dann aber nur von dem aus, was sie selbst an deren Stelle tun würden.
Konkurrenten durchschauen
Um das Verhalten eines Konkurrenten vorhersagen zu können, müssen Sie sich drei entscheidende Fragen stellen:
- Fragen Sie sich, ob seine aktuelle Position im Markt ihn zufriedenstellt. Vergleichen Sie dazu seine Ziele mit seiner Leistung und mit den Markttrends.
- Fragen Sie nach dem „roten Tuch“ des Konkurrenten: Welche Ereignisse können heftige spontane Reaktionen hervorrufen? Bringen Sie in Erfahrung, wie sich die Branche entwickelt und welche Bereiche für den Konkurrenten wachstumsentscheidend sind.
- Die dritte Frage zielt auf die blinden Flecke der Konkurrenz. Diese finden Sie, indem Sie das Ungleichgewicht in der Branche identifizieren und die Überzeugungen und Annahmen des Managements in Bezug auf den Markt ermitteln.
„Sich der kognitiven Schwächen, emotionalen Prädispositionen und Voreingenommenheiten bewusst zu sein, ist der erste Schritt, das Verhalten unserer Mitmenschen zu verstehen.“
Viele Menschen halten an eingefahrenen Strategien und alten Vorstellungen fest, obwohl die Marktentwicklung ein Umdenken erfordert. Beispielsweise konnte man sich bei IBM lange nicht vorstellen, dass Computer direkt an Kunden verkauft werden können. Dell belehrte den Computerriesen eines Besseren und entwickelte sich zum Marktführer im PC-Geschäft.
Wann nützen Wargames?
Wargames sind besonders dann nützlich, wenn Sie Marktentwicklungen vorausgreifen, ein neues Produkt einführen, einen neuen Markt betreten, eine Marke neu beleben oder sich gegen Konkurrenzprodukte zur Wehr setzen wollen. Sie sollten sich immer nur auf eine Branche oder Gruppe von Akteuren konzentrieren. Kommt eine weitere ins Spiel, ist ein neues Wargame nötig. Wenn Sie beispielsweise die Marktverhältnisse für ein an IT-Profis gerichtetes Softwareprodukt durchspielen, ist ein anderes Wargame nötig als bei einem Softwareprodukt für Normalverbraucher. Schließlich liegt das Branchenungleichgewicht in den beiden Fällen nicht an derselben Stelle, was zwei verschiedene Strategien erfordert.
„Verwenden Sie gezielt Informationen, um sich in die Rolle einzufühlen. Machen Sie keine Annahmen über das Konkurrenzunternehmen.“
Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Wargames: Landscape-Games und Test-Games. Bei den Landscape-Games analysieren Sie einen Markt. Die Bedeutung dieser Spielvariante ist nicht zu unterschätzen; schließlich bewegen sich Märkte laufend. Wer rechtzeitig von Ungleichgewichten profitieren will, muss Veränderungen frühzeitig erkennen. Mit Test-Games finden Sie heraus, wie Ihre Konkurrenz auf eine neue Strategie oder auf eine Produkteinführung reagieren wird.
Das Team fürs Spiel
Die ideale Teilnehmerzahl für ein Wargame liegt bei zwölf bis 48 Personen. Dabei bilden drei bis acht Spieler ein Team. Mehr als sechs Teams sollte es nicht geben, da jedes Team vor den anderen präsentieren muss, wie es als Konkurrent denkt und welche Strategie es verfolgt. Veranschlagen Sie dafür je 20–25 Minuten. Eines der Teams steht für Ihr eigenes Unternehmen, die anderen für die Konkurrenten. Wenn für Sie nur ein Gegner relevant ist, können Sie auch nur mit zwei Teams spielen. Als Mitspieler laden Sie am besten die folgenden Personen ein: Mitarbeiter, die bereits mit Ihren Konkurrenten zu tun hatten, ehemalige Mitarbeiter des Konkurrenzunternehmens und Personen, die für die Realisierung Ihrer Strategie wichtig sind. Gerade was die Rolle der Konkurrenten anbelangt, sollten Sie sich um ein gut gemischtes Team bemühen, das viele Perspektiven ermöglicht. Setzen Sie es etwa aus Außendienstmitarbeitern, Marketingexperten, Personalverantwortlichen, Finanzanalysten und unbedingt einem Wettbewerbsexperten zusammen. Im Team, das Ihr eigenes Unternehmen spielt, sollte auf keinen Fall jemand mitspielen, der für die derzeitige Strategie verantwortlich ist. Denn diese Person wird kaum daran interessiert sein, nach einem blinden Fleck in der eigenen Arbeit zu suchen.
Welche Konkurrenten?
In vielen Unternehmen werden bei Wargames diejenigen Konkurrenten dargestellt, die den höchsten Marktanteil besitzen. Das ist grundsätzlich richtig, weil die Großen ihre Position behaupten wollen und enorme Reserven mobilisieren werden, wenn Sie ihnen die Position streitig machen wollen. Genauso wichtig sind aber auch kleinere Unternehmen, da diese aus den verschiedensten Gründen, etwa durch Fremdkapital, plötzlich erstarken und zu einer ernsten Gefahr werden können. So hat Microsoft die Gefahr, die von dem anfangs kleinen Mitbewerber Google ausging, unterschätzt. Wenn es in Ihrer Branche mehrere Unternehmen gibt, die die gleiche Strategie verfolgen, können Sie diese als Cluster zusammenfassen. Ein Cluster bilden beispielsweise General Motors, Ford und Toyota, da jedes dieser Unternehmen mit einem breiten Sortiment und relativ tiefen Preisen hohe Umsätze erzielen will. Entweder spielt ein Team eines dieser Unternehmen stellvertretend für alle. Oder es spielt mehrere solcher Unternehmen und entwickelt so ein Mischprofil.
Welche Informationen?
Um ihre Rolle realitätsnah spielen zu können, benötigen die Teams objektive Informationen. Dazu gehören das Alter und der Hintergrund der zu spielenden Menschen, deren Beziehungen zu anderen Personen, die emotionale Verfassung, die Handlungsmotivation, das Selbstbild usw. Holen Sie dazu am besten im Voraus Erkundigungen ein und legen Sie eine Mappe für die Teams an. In diese gehören auch Informationen zur Geschichte des Mitbewerbers, zu seiner Unternehmenskultur, zu Händlerbeziehungen, Marketingmaßnahmen, beauftragten Consultingfirmen usw. Entsprechende Informationen liefern Ihnen Geschäftsberichte, Medienartikel sowie Interviews mit Beobachtern oder Mitarbeitern. Auch detaillierte Brancheninformationen müssen allen Teams zur Verfügung stehen. Gerüchte und Vermutungen haben im Rollenspiel nichts zu suchen.
Beispiel: Markenwiederbelebung
Ein Lebensmittelkonzern führte ein Wargame durch, nachdem seine Marktanteile bei Getränken seit fünf Jahren geschrumpft waren. Dabei wurden vier Teams mit je acht Spielern gebildet. Ein Team stand für das Unternehmen selbst, eines für den Marktführer, eines für ein Unternehmen mit geringeren globalen Marktanteilen, das jedoch Wachstumspotenzial besaß, und eines für ein Unternehmen mit geringen Marktanteilen, bei dem nicht klar war, ob es nicht durch Übernahmen doch gefährlich werden könnte. Das Ganze war ein Test-Game für die Wiederbelebung der Marke. Die erste Runde begann mit einem Wissensaustausch zum Unternehmen und seiner Konkurrenz. Die Teams mussten beantworten, ob ihr Unternehmen mit seiner aktuellen Marktposition zufrieden ist, welches die Joker am Markt sind und wo die blinden Flecke liegen. Außerdem sollten die Teams der Konkurrenzunternehmen vorhersagen, wie sie auf die Wiederbelebung der Marke des Gastgeberunternehmens reagieren würden.
„Es ist äußerst wichtig, ein Wargame mit einer produktiven Zusammenfassung abzuschließen.“
In einer zweiten Runde erarbeiteten alle Spieler Vorschläge, wie der Wiederbelebungsplan des Gastgeberunternehmens verbessert werden konnte. Die wichtigste Erkenntnis war dabei, dass sich das Unternehmen vom Marktführer abheben musste statt ihn anzugreifen, wie es der ursprüngliche Plan vorsah. Außerdem sollte es seinen schwächeren Mitbewerbern Marktanteile wegnehmen. Um kostenmäßig konkurrenzfähig zu bleiben, wurde die Reorganisation von Produktion und Vertrieb empfohlen. Diese und weitere Empfehlungen flossen in die Zusammenfassung des Spiels an dessen Ende ein. Diese ist wichtig, denn dadurch haben die Teilnehmer das Gefühl, ihre wertvolle Zeit für etwas Sinnvolles geopfert zu haben. Außerdem gewährleisten Sie so, dass aus Empfehlungen wirklich Aktionen werden.