Zielgruppe: Frau

Buch Zielgruppe: Frau

Wie Sie die anspruchsvollsten Konsumenten der Welt erreichen

mi-Wirtschaftsbuch,


Rezension

Die Autoren Silverstein und Sayre stellen in ihrem Buch die Ergebnisse einer umfassenden in­ter­na­tionalen Studie der Boston Consulting Group vor. Ihr zufolge wächst die Bedeutung der Frauen als Verbraucher: Sie sind zu Vorreitern in Bildung und Beruf geworden, verdienen viel Geld – in den USA im Durch­schnitt sogar mehr als die Männer – und sind für den Hauptteil der weltweiten Kon­sumaus­gaben ve­r­ant­wortlich. Unternehmen müssen diese Chance erkennen und Produkte sowie Di­en­stleis­tun­gen auf die Zielgruppe Frau abstimmen. Die Autoren erklären die anspruchsvollen spez­i­fis­chen Bedürfnisse der Frauenwelt und geben Ratschläge, wie Unternehmen diesen gerecht werden können. Zwar wird dem Leser an manchen Stellen der Eindruck vermittelt, die meisten Unternehmen hätten noch gar nicht erkannt, dass es Frauen überhaupt gibt. Dennoch: Der Stu­di­en­re­port rüttelt wach und hilft, Frauen in ihrer Ver­braucher­rolle zu verstehen. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Mar­ket­ingver­ant­wortlichen und Verkäufern.

Take-aways

  • Frauen sind für einen Großteil der weltweiten Kon­sumaus­gaben ve­r­ant­wortlich.
  • Die Bedeutung von Frauen als Konsumenten wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen.
  • Unternehmen, die diese Chance nicht erkennen, werden es künftig am Markt schwer haben.
  • Beruflich er­fol­gre­iche Frauen müssen ver­schiede­nen Rollen gerecht werden, was zu Belastung, Zeitmangel und Un­zufrieden­heit führt.
  • Ver­braucherin­nen bevorzugen Produkte und Di­en­stleis­tun­gen, die ihnen Zeit geben, Arbeit abnehmen und Freiräume schaffen.
  • Die Mehrheit der Konsumgüter erfüllt diese An­forderun­gen derzeit nicht.
  • Der größte Nach­holbe­darf besteht bei Angeboten in den Bereichen Fi­nanz­di­en­stleis­tun­gen und Gesund­heitswe­sen.
  • Die Zielgruppe Frau lässt sich in sechs mar­ket­ingrel­e­vante Archetypen seg­men­tieren.
  • Er­fol­gre­iche Unternehmen erkennen Frauen und ihre Bedürfnisse an, betreiben Mark­t­forschung, reagieren auf die Erken­nt­nisse und bessern ihre Angebote stetig nach.
  • Frauen achten auf Werte: Produkte und Di­en­stleis­tun­gen müssen einen technischen, funk­tionalen und emotionalen Nutzen bieten.
 

Zusammenfassung

Die feminine Wirtschaft

Frauen sind auf dem Vormarsch: Weltweit sind 1 Milliarde Frauen berufstätig – in den nächsten fünf Jahren werden es 200 Millionen mehr sein. Sie er­wirtschaften ein erhebliches Er­werb­seinkom­men: derzeit 12 Billionen Dollar jährlich. In den kommenden Jahren wird dieses Einkommen weltweit um 6 Billionen Dollar wachsen. An Universitäten sind die Hälfte aller Studieren­den Frauen; und das weibliche Geschlecht beginnt auch die männliche Domäne der Topführungspo­si­tio­nen zu erobern. Genauso sind Frauen Kon­sumentschei­der: 64 % aller Kon­sumaus­gaben weltweit werden von Frauen bestimmt oder beeinflusst. Kurzum: Frauen sind ein bedeutender Wirtschafts­fak­tor und eine ebenso bedeutsame wie wachsende Zielgruppe. Unternehmen, die diese Chance verpassen und ihre Angebote nicht den Bedürfnissen ihrer Kundinnen anpassen, verspielen Gewinne und Mark­tan­teile. Bislang haben das allerdings nur sehr wenige Unternehmen erkannt.

Unzufrieden trotz Erfolg

Man könnte meinen, der wachsende Wohlstand habe zu mehr Glück und Zufrieden­heit bei den Frauen geführt. Doch weit gefehlt: Der Erfolg geht mit zunehmender Un­zufrieden­heit einher. Damit es weiter bergauf geht, müssen Frauen ganztags arbeiten. Das wäre kein Problem, wenn sie zusätzlich nicht noch ihre tra­di­tionellen Rollen erfüllen müssten: Sie führen den Haushalt, erziehen die Kinder und sind in den meisten Güterkat­e­gorien für die Kon­sumaus­gaben zuständig. Ihr größtes Problem ist der Zeitmangel: Viele ver­schiedene Aufgaben fallen zur gleichen Zeit an und lassen sich oftmals nur schwer miteinander vereinbaren. Zeit für sich selbst haben Frauen daher kaum. Die Hilfe von ihren Ehemännern und Partnern hält sich in Grenzen – ein Drittel der Männer hilft so gut wie nie im Haushalt. Da die Familie den Frauen wichtig ist, stellen sie ihre eigenen Interessen zurück. Das belastet; Stress, Überforderung, Unaus­geglichen­heit und Un­zufrieden­heit sind die Folgen.

Frauen wollen mehr

Aufgrund der Mehrfach­be­las­tung wollen Frauen Dinge, die mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen – „Leverage“ lautet hier das Zauberwort. Mithilfe von Waren und Di­en­stleis­tun­gen wollen Frauen Zeit sparen und sich Spielräume schaffen. Sie wollen fam­i­lien­taugliche Produkte und suchen gle­ichzeitig nach Glück, persönlicher Erfüllung und Unabhängigkeit. Unternehmen, die sich explizit auf diese Bedürfnisse ausrichten und Lösungen anbieten, werden daher bevorzugt. Frauen suchen „Ermöglicher“: Artikel, die ihnen helfen, den Alltag besser zu or­gan­isieren. Sie in­ter­essieren sich nicht für die Masse an Produkten, sondern dafür, schnellstmöglich ans Ziel zu kommen, sei es bei der Kleidung oder beim Kauf von günstiger, schnell zuzu­bere­i­t­en­der und gle­ichzeitig gesunder Nahrung. Haben Ver­braucherin­nen solch ein Produkt einmal entdeckt, werden sie zu treuen Kundinnen, zu loyalen Markenfans, und erzählen auch ihren Freundinnen davon – weitere Kundinnen werden so gewonnen. Die Mehrheit alle Produkte erfüllt diese An­forderun­gen allerdings nicht. Wer den Frauen jedoch genau das Mehr an Zeit und Verständnis bietet, das sie sich wünschen, wird sich langfristig eine priv­i­legierte Stellung im Markt sichern.

Die sechs Archetypen

Auch wenn Zeitmangel und Überlastung alle Frauen ärgert – die feminine Wirtschaft ist nicht homogen. Daher ist eine Seg­men­tierung sinnvoll. Eine Studie der Boston Consulting Group hat sechs Archetypen von Frauen iden­ti­fiziert. Die Grenzen sind nicht immer trennscharf; eine Frau kann durchaus mehreren Archetypen gle­ichzeitig angehören und durchläuft zudem während ihres Lebens mehrere. Die Haupt­seg­mente un­ter­schei­den sich hin­sichtlich ihres Alters, des Einkommens und der Lebensphase:

  1. Fast Tracker: Frauen auf der Überholspur streben nach Höchstleis­tung und sind erfolgreich; sie gehören mindestens der oberen Mit­telschicht an. Sie sind hochge­bildet und arbeiten viel. Ob leis­tung­sori­en­tierte Kar­ri­ere­frau oder autonome Einzelkämpferin – Fast Tracker haben Geld und zahlen gern einen Aufpreis für Dinge, die ihre Bedürfnisse befriedigen sowie ihre Stärke und ihren Erfolg demon­stri­eren.
  2. Re­la­tion­ship-Fo­cused: Diese Frauen sind gebildet, sehnen sich aber vor allem nach einem glücklichen Fam­i­lien­leben. Sie unternehmen viel mit anderen Menschen und blicken äußerst op­ti­mistisch in die Zukunft. Da sie noch keine Beziehung und keine Kinder haben, haben sie im Gegensatz zu den Vertreterin­nen anderer Segmente eins: Zeit. Sie reisen viel und kaufen Dinge mit Erin­nerungswert, aber auch vor langfristi­gen An­schaf­fun­gen schrecken sie nicht zurück.
  3. Pressure Cooker: Frauen in der Fam­i­lien­phase kennen Zeitmangel und Auf­gaben­druck nur zu gut. Die er­fol­gre­ichen Multitasker unter ihnen meistern die ver­schiede­nen Rollen mit Bravour; sie empfinden das Verhältnis von Beruf und Privatleben als ausgewogen, werden vom Partner unterstützt und fühlen sich selb­st­bes­timmt. Frauen des Un­ter­sege­ments „Struggling for Stability“ leiden hingegen unter der Belastung. Sie sind gestresst, ihr Geld ist knapp, vom Partner können sie wenig Hilfe erwarten und ihre Un­zufrieden­heit ist immens. Pressure Cooker suchen Produkte, die Zeit schenken, Entspannung ermöglichen und Sicherheit bieten.
  4. Fulfilled Empty Nester: Die Frauen dieses Segments sind 55 Jahre und älter, ihre Kinder sind bereits flügge. Meist verheiratet, konzen­tri­eren sie sich nun stärker auf sich und ihre Part­ner­schaft. Arbeit steht nicht oder nicht mehr an erster Stelle, was ihnen viel Freizeit verschafft. Eine Sorge haben sie allerdings: Sie möchten würdevoll und ohne Geldsorgen altern. Sie legen Wert auf Qualität und suchen auch Neues: bessere Lebens­mit­tel, bessere Weine, gute Reisen.
  5. Managing on Her Own: Alle­in­ste­hende Frauen sind auf sich gestellt – ob älter und geschieden oder jung und un­ver­heiratet. Ihre Selbstständigkeit ist ihnen wichtiger als Liebe; einen Haushalt zu führen fällt ihnen schwer. Oft haben sie nicht viele soziale Kontakte. Ihre finanzielle Situation könnte zwar besser sein, doch entscheiden sie immerhin allein, wofür sie ihr Geld ausgeben. In Produkten suchen sie Be­quem­lichkeit. Sie wollen sich angenehm beschäftigen sowie und Leute kennen lernen.
  6. Making Ends Meet: Frauen am Ex­is­tenzmin­i­mum haben weder Zeit noch Geld, z. B. für Schönheit­spflege und Sport. Sie sind unglücklich, un­zure­ichend gebildet und arbeiten überwiegend in un­ter­bezahlten Jobs. Meist sind sie sogar überschuldet; an Sparen ist nicht zu denken. Gesund­heitliche Probleme wie Übergewicht treten häufig auf; viele von ihnen haben Schick­salss­chläge erlebt. Sie wollen Respekt und billige Produkte.

In vier Schritten zum Erfolg

Wer Frauen als Kunden gewinnen will, muss sie direkt ansprechen und dabei die genannten Segmente beachten. Wer von „dem Markt“ redet, hat schon verloren. Besser ist es zu fragen: Was wollen Gabriele, Monika und Birgit? Wobei jeder Name für eine Musterkundin mit konkreten Eigen­schaften steht. Um Frauen wirklich zu verstehen, sollten Unternehmen vier Schritte beherzigen:

  1. Anerkennen: Frauen wollen Produkte und Di­en­stleis­tun­gen, die ihnen mehr Zeit und Be­quem­lichkeit verschaffen, die werthaltig und gesund sind sowie ökologische und gesellschaftliche Ve­r­ant­wor­tung erkennen lassen. Es ist darum wichtig zu erkennen, warum Frauen zufrieden sind oder nicht und welche Rolle diverse Produkte in ihrem Leben spielen. Erkennen Sie die Chance, die Ihr Unternehmen in diesem Bereich hat.
  2. Mark­t­forschung: Lernen Sie, wie Frauen konsumieren und wie sie Ihre Produkte nutzen. Studieren Sie ihre Gewohn­heiten; beobachten Sie, wie viel Zeit die Angehörigen der einzelnen Segmente für Kauf, Nutzung und Entsorgung aufwenden müssen. Forschung hilft, sich in die Kundinnen hineinzu­ver­set­zen und sie zu verstehen.
  3. Reagieren: Nutzen Sie die In­for­ma­tio­nen aus der Mark­t­forschung und entwickeln Sie be­darf­s­gerechte Produkte ohne Schnickschnack, die aber einen hohen Nutzen haben und mit emotionalen Werten aufgeladen sind. Maßgeschnei­derte Angebote sind besser als Massenware. Ihr Marken­ver­sprechen muss Programm sein und darf nicht der Angst vor mutigen In­vesti­tio­nen zum Opfer fallen. Als ungenügend bewertete Pro­duk­teigen­schaften müssen unbedingt beseitigt werden.
  4. Nachbessern: Verbessern Sie Ihre Produkte fortlaufend – kon­tinuier­liche Mark­t­forschung ist dafür unabdingbar. Nur so können Sie sich neuen An­forderun­gen und Bedürfnissen Ihrer Kundinnen anpassen. Bleiben Sie zusammen mit den Frauen in Bewegung und bauen Sie nachhaltige Kun­den­beziehun­gen auf. Bringen Sie den Frauen mit Ihrem Produkt Erfolg.

Frauen achten auf Werte

Um passgenaue Produkte und Di­en­stleis­tun­gen zu entwickeln, müssen Unternehmen verstehen, worauf Frauen bei Kauf und Konsum achten. Sie bewerten Produkte aus drei ver­schiede­nen Per­spek­tiven: aus einer technischen, einer funk­tionalen und einer emotionalen. Zunächst ist es wichtig, dass das Produkt technisch fehlerfrei funk­tion­iert. Technische Verbesserun­gen sind auch innovativ – das ist eine her­vor­ra­gende Ver­mark­tungs­grund­lage. Die Technik muss jedoch unbedingt funktional und kein Selbstzweck sein. Sie muss einen Nutzen vermitteln: bessere Funk­tion­sweise, Be­di­enungs­fre­undlichkeit, Zeit­erspar­nis. Am Ende muss das Ganze emotional verpackt werden – das überzeugt jedoch nur, wenn das Produkt technisch und funktional hochwertig ist. Alles andere empfinden Ver­braucherin­nen als Verrat. Wenn der wahrgenommene Wert den Verkauf­spreis übersteigt, wird Ihr Produkt oder Ihre Di­en­stleis­tung ein Kassen­schlager.

Ein gutes Beispiel: Banana Republic

Ein Unternehmen, das die vorgestell­ten Ratschläge beherzigt hat, ist Banana Republic. Es hat anerkannt, dass Frauen Kleidung wollen, die körperliche Vorzüge un­ter­stre­icht und Prob­lem­zo­nen überspielt, Tragekom­fort und Be­we­gungs­frei­heit bietet, ihrer Persönlichkeit entspricht und zu jeder Gelegenheit passt – sowohl zur Arbeit im Büro als auch zu einem Treffen mit Freundinnen nach Feierabend. Frauen vertrauen Marken, die genau das bieten. Aus diesem Grund hat Banana Republic mithilfe von Mark­t­forschung eine Anzahl von Stan­dard­pass­for­men für Hosen entwickelt. Dabei un­ter­schei­det das Unternehmen ver­schiedene Figurtypen, weiterhin die Tätigkeiten, die Frauen beim Tragen der Hosen ausführen, sowie ver­schiedene Stoffe und Nähte der einzelnen Pro­duk­tlin­ien. Doch auch die Wertvorstel­lun­gen der Frauen hat das Banana Republic erfragt und kann so den besten Preis für die Hosen festlegen. Auf Kun­de­nan­forderun­gen reagiert das Mode­un­ternehmen, indem es ständig neue Farben, Stile und Kom­bi­na­tio­nen entwickelt – die auf die Figurtypen abges­timmten Stan­dard­pass­for­men bleiben jedoch immer die gleichen. So findet jede Frau bei Banana Republic modisch aktuelle Kleidung und kann sich gle­ichzeitig darauf verlassen, dass die Hose auch passt. Ein schneller Griff in das Regal der präferierten Passform oder ein Klick im Onlineshop genügen. Fazit: Banana Republic ist erfolgreich, weil das Unternehmen seine Kundinnen verstanden hat.

Wo die größten Chancen liegen

Es gibt einige Mark­t­seg­mente, mit denen Frauen allgemein sehr unzufrieden sind. Fi­nanz­di­en­stleis­tun­gen und das Gesund­heitswe­sen stehen hier an erster Stelle. Aber auch in den Kategorien Lebens­mit­tel, auswärts essen, Reisen, Autos, Un­ter­hal­tungse­lek­tronik und Einrichtung werden die Bedürfnisse von Frauen noch nicht optimal befriedigt. Für die Unternehmen dieser Branchen bedeutet das, dass sie ein ungeheures Potenzial unausgeschöpft lassen. Für sie ist es daher mehr als ratsam, die oben genannten vier Schritte zu befolgen und mit der Zielgruppe Frau erfolgreich zu werden.

Über die Autoren

Michael J. Silverstein arbeitet seit 1980 bei der Boston Consulting Group. Er ist Mitglied des BCG Executive Committee und beschäftigt sich dort mit Ver­braucherbedürfnissen und -zufrieden­heit. Kate Sayre leitet die interne Prax­is­gruppe Konsumgüter bei BCG und ist Expertin für Ver­braucher­forschung.