Die Marke muss zum Erlebnis werden
Sie haben es geschafft: Der FC St. Pauli, Mini, Apple oder Unicef sind Supermarken. Sie versuchen erst gar nicht, es allen recht zu machen. Sie stehen für gute Arbeit, sind einzigartig und unverwechselbar. Das erleben die Menschen der jeweiligen Zielgruppe immer wieder. Den Supermarken gehört die Zukunft, für alle anderen wird es schwierig. Längst konkurrieren Marken nicht mehr nur untereinander, d. h. mit ähnlichen Produkten, sondern auch mit allen möglichen Informations- und Unterhaltungsangeboten.
Neue Regeln der Markenführung
Die Regeln der Markenführung haben sich grundlegend geändert:
- Nach der weltweiten Wirtschaftskrise bewerten Menschen Marken neu. Sie wollen nicht nur günstige, sondern nachhaltig produzierte, sinnvolle Produkte.
- Das Internet ist das Leitmedium der Zukunft. Soziale Netzwerke werden immer wichtiger, unsere physische Realität wird mit der virtuellen verschmelzen.
- Das Internet hat die Machtverhältnisse verschoben: Kunden werden mächtiger, Firmen schwächer. Jeder kann sich in Foren oder auf Verbraucherseiten über ein Produkt informieren, bevor er es kauft. Und jeder kann selbst einen Beitrag in einem Forum oder ein Video auf YouTube veröffentlichen. Wenn der Kunde mit einem Produkt nicht zufrieden ist, erfährt es potenziell die ganze Welt; Unternehmen werden zu Qualität gezwungen.
- Das Internet ist für Unternehmen aber auch eine große Chance: Sie können Verbraucher an Kampagnen oder Produktentwicklungen online teilnehmen lassen. Gute Ideen werden damit wichtiger als die Höhe des Werbeetats. Online-Communitys verbreiten Ideen günstiger und weiter als aufwändige Werbekampagnen.
- Je virtueller unsere Welt wird, desto wichtiger werden sinnliche Erfahrungen.
- Was Menschen im Zusammenhang mit Ihrer Marke erleben, muss interessant, nützlich, einzigartig und widerspruchsfrei sein.
Markenwahrnehmungen steuern
Menschen entscheiden sich intuitiv für Marken. So genannte Somatic Markers können die Intuition beeinflussen. Das sind im Gedächtnis gespeicherte Erinnerungen und Assoziationen, die eine Marke auslöst. Diese Markenbotschaften lernen wir nicht bewusst, sondern automatisch, implizit. Wir sehen Werbeplakate und hören Jingles, ganz nebenbei, doch die damit verbundenen Informationen setzen sich im Langzeitgedächtnis fest. Je häufiger wir eine Markenbotschaft hören, desto besser haftet sie. Darüber hinaus spielen Gefühle für unser Markengedächtnis eine wichtige Rolle: Gefühle steuern unsere Aufmerksamkeit, und dadurch sind wir in der Lage, rational zu urteilen.
„Das Thema Vertrauen wird uns über die Wirtschaftskrise hinaus begleiten, denn Vertrauen ist Markenkapital – einer der wichtigsten Faktoren, um Präferenz für Marken und Unternehmen auszulösen und aufzubauen.“
Sprechen Sie mit Ihrer Markenbotschaft die Somatic Markers über alle fünf Sinne an. Lassen Sie die Menschen Ihre Marke also hören, riechen, fühlen, sehen und schmecken. Am besten ist es, mehre Sinne gleichzeitig anzusprechen. Singapore Airlines schreibt seinen Flugbegleiterinnen genau vor, wie sie sich kleiden und verhalten sollen. Sie benutzen z. B. das gleiche Hausparfum, das die Gäste in den vor dem Flug gereichten heißen Handtüchern riechen. Eine gute Kampagne spricht das Markengedächtnis, den Verstand und die Emotionen an. Eine der wichtigsten Emotionen ist Vertrauen. Kunden vertrauen einer Marke, wenn sie deren Leistung positiv erleben, wenn die Qualität stimmt, die Mitarbeiter freundlich und die Firmenchefs ehrlich sind.
Supermarken entwickeln
Eine Supermarke lässt sich in fünf Schritten entwickeln:
- Die Analyse spiegelt die derzeitige Situation: Wie ist die Lage auf dem Markt? Wie nehmen interne und externe Anspruchsgruppen, etwa Kunden, Journalisten, Experten oder Mitarbeiter, die Marke wahr? Finden Sie das mit qualitativer, kreativer Forschung heraus. Am Ende haben Sie Insights entlarvt – versteckte Wahrheiten über ein Produkt. Bei eBay war es die Erkenntnis, dass es am Ende nicht so sehr um das Ersteigerte selbst geht, sondern um den Moment: „Ich habe die Auktion gewonnen.“ Das Online-Auktionshaus nutzt diesen Insight in Werbespots, in denen Menschen dem Ende der Auktion entgegenfiebern.
- Die Strategie legt die Markenziele und die Kernzielgruppe sowie eine ebenso mutige wie erreichbare Vision fest. In Workshops erarbeiten alle an der Markenentwicklung Beteiligten die Marketingstrategie. In Gruppendiskussionen mit einigen Vertretern der Zielgruppe wird getestet, ob sie praxistauglich ist. Die Kernidee beschreibt in einem Satz, was die Marke ausmacht. Bei BMW ist es „Freude am Fahren“.
- In der Umsetzungsphase entwickeln Sie mit internen oder externen Partnern Leitideen dafür, wie die Marketingstrategie ganzheitlich umgesetzt wird.
- In der Phase der Verknüpfung bieten Sie die Markenerlebnisse an, die die Menschen von Ihrer Marke erwarten. Mini z. B. pflegt das Image des kleinen außergewöhnlichen Autos. Der Mythos lebt in vielen Kinofilmen, in denen das Gefährt zu sehen ist.
- Mit einem Kontrollsystem überprüfen Sie ständig die Markenentwicklung und den Return on Investment und bessern nötigenfalls nach.
Menschen erreichen
Ihre Zielgruppe ist mehr als die Summe der konsumierenden Personen. Im Mittelpunkt stehen immer Menschen. Außerhalb des Unternehmens sind das Kunden, Partner, Medien, die kritische Öffentlichkeit, potenzielle Mitarbeiter, künftige Leistungsträger sowie bei einem börsennotierten Unternehmen Aktienkäufer und -verkäufer.
„Die Marke erobert Sport, Bildung und Politik.“
Im Unternehmen sind es Mitarbeiter, Manager und institutionelle Vertreter, etwa Gewerkschafter. Sie alle sehen die Marke zwar unterschiedlich, aber wenn diese ihnen widerspruchsfrei erscheint, kann sie zur Supermarke werden. Wer also mit seinem tollen Service wirbt, sollte dafür sorgen, dass alle Zielgruppen ihn auch entsprechend empfinden.
Die Organisation der Supermarke
Die Supermarkenorganisation ist wie ein Rad aufgebaut. In der Mitte stehen Marke und Unternehmensführung. Nach außen schließen sich die Fachabteilungen an, sodass sich die gesamte Organisation an der Marke ausrichtet. Alle handeln so, dass die Marke intern und extern widerspruchsfrei erlebt wird. Die Markenidee selbst wird zum Unternehmenswert. In komplexen Unternehmen kann es bis zu zwei Jahre dauern, bis die Idee sich in der Organisation durchgesetzt hat. Der Prozess verläuft in den folgenden vier Stufen:
- Die Markenidee muss erst einmal bekannt werden. Das ist Chefsache.
- Danach sorgen Leuchtturmprojekte dafür, dass die neue Idee nicht nur vertraut, sondern auch von allen Mitarbeitern verstanden wird.
- Wenn die Mitarbeiter an der Verwirklichung teilhaben dürfen, stehen sie hinter der Markenidee.
- Am Ende soll die komplette Organisation an einem Strang ziehen. Hierfür werden immer größere Unternehmensteile in Projekte eingebunden.
Die wichtigsten Positionen
Je nach Situation und Ausgangslage müssen Sie in Ihrer Organisation folgende Positionen schaffen, um die Entwicklung einer Supermarke zu erleichtern:
- Der Chief Brand Officer entwickelt als oberster Markenführer die Marke strategisch und sorgt für eine dauernde Wertschöpfung. Er nimmt Menschen für sich ein und schafft im Unternehmen die nötigen Strukturen.
- Das Brand-Board bietet eine Plattform, auf der Ideen gesammelt werden und verschiede Anspruchsgruppen zusammenkommen. Zwar sind viele an dem Prozess beteiligt, aber nur einer führt ihn.
- Der Kundenbeirat hilft dabei, die Markenidee aus der Perspektive der Kunden zu sehen. Seine Mitglieder hören zu, reden mit und bessern nach.
Die Markenarchitektur
Die Markenarchitektur macht die Unternehmenskultur erfahrbar und vermittelt so den Stakeholdern einen Sinn. Sie weist den Mitarbeitern klare Rollen und Aufgaben zu, stiftet Identität und definiert, wie nach innen und außen kommuniziert wird. Man unterscheidet sechs Typen, die zuweilen auch in Mischform vorkommen:
- Monomarken: Es gibt nur eine Marke, ein Produkt und eine Art von Kommunikation, so wie bei Underberg.
- Marke – Line-Extension/Flanker: Eine Marke umfasst mehrere Produktvarianten, wie bei Mini, der z. B. als Diesel oder Cabrio daherkommt.
- Marke – Ranges: Eine Marke pflegt mehrere Produktlinien und kommuniziert diese unterschiedlich. Nivea bietet sanfte Pflege für Haare und Haut, für Männer und Frauen an.
- Dachmarke – Submarke: Mehrere Submarken sind unter einer Dachmarke zu finden. Die Kommunikation vereint sie. Die Supermarke L’Oréal präsentiert verschiedene Produkte so, dass sie sich zu einem Gesamtbild fügen.
- Marke – Endorsement-Brand: Unterschiedliche Marken haben eine gemeinsame Kompetenzmarke sowie ein gemeinsames Kommunikationselement, etwa ein Logo oder eine Devise. Lufthansa hat dies mit dem Beitritt zur Star Alliance verwirklicht. In Deutschland ist es Lufthansa, international Star Alliance.
- Marke – Absender: Eine im Hintergrund stehende Absendermarke unterhält verschiedene Marken, viele Produkte und mehrere Arten der Kommunikation. Henkel macht das mit seinen Produkten.
Messen, managen und maximieren
Markenerlebnisse sind kontrollierbar. Dabei können Ihnen folgende Fragen als Leitfaden dienen:
- Mit welchen Inhalten lösen Sie bei den Kunden Begehren und Präferenz für Ihre Marke aus?
- Mit welchen Signalen lassen sich die Inhalte explizit und implizit vermitteln?
- Über welche Kanäle prägen Sie das Markenerlebnis Ihrer Zielgruppe am besten?
- Wie wirksam ist Ihr Markenerlebnis im Vergleich zu denen der Konkurrenz? Die Markenstärke errechnen Sie mit einer Formel, die Bekanntheit, Sympathie, Vertrauen und Verbundenheit der Kunden berücksichtigt.
- Wie wirken Inhalte, Signale und Kanäle auf das Markenerlebnis? Wie hoch ist der Return on Investment? Um diese Frage zu beantworten, müssen Sie wissen, wie viel ein Markenkontakt kostet. So können Sie auch bewerten, wie effizient einzelne Kanäle sind.