Im Zeitalter der Supermarken

Buch Im Zeitalter der Supermarken

Neue Paradigmen der Markenführung

mi-Wirtschaftsbuch,


Rezension

Den Supermarken gehört die Welt, sagen Munzinger, Sasserath und Musiol. Die drei Mar­keting­ex­perten schildern eine Zukunft, in der das Internet das Leitmedium ist und die physische Realität mit der virtuellen verschmilzt. Das verändert die Machtverhältnisse: Kunden werden mächtiger, Unternehmen schwächer. Jeder kann sich, bevor er ein Produkt kauft, im Detail darüber informieren, oder er kann seine Meinung kundtun, nachdem er es gekauft hat. Ist der Kunde nicht zufrieden, erfährt es in Sekun­den­schnelle die ganze Welt, zumindest potenziell. Die Autoren erklären ausführlich, wie Marken­er­leb­nisse entwickelt und verbessert werden, die die Kunden zur Markentreue bewegen. Eine präzise Definition des Begriffs „Supermarke“ bleiben die Autoren schuldig, dafür erhält der Leser Checklisten, Anleitungen und Beispiele, um selbst eine Marke zu schaffen, die im Meer der Marken bestehen bleibt. Das geht nicht von heute auf morgen, glaubt BooksInShort, aber das Buch ist ein brauchbarer Aus­gangspunkt. Geeignet für Mar­ket­ing­man­ager genauso wie für Pro­duk­ten­twick­ler und CEOs.

Take-aways

  • Marken konkur­ri­eren in allen Lebens­bere­ichen: Der FC St. Pauli ist ebenso eine Marke wie Unicef oder Mini.
  • Das Internet macht die Welt zum Dorf, in dem jeder alles weiß, und zwingt die Unternehmen zu in­ter­na­tionalem Niveau.
  • Diese Transparenz macht Kunden mächtiger und Unternehmen schwächer.
  • Menschen entscheiden sich nicht bewusst, sondern intuitiv für eine Marke.
  • Supermarken stehen für Qualität, Einzi­gar­tigkeit und Un­ver­wech­sel­barkeit.
  • Sie versuchen nicht, alle möglichen Kunden anzus­prechen, sondern haben sich eine Fangemeinde erarbeitet.
  • Supermarken können ihre Kernidee in einem Satz formulieren (BMW: „Freude am Fahren“).
  • On­line-Com­mu­ni­tys verbreiten Ideen günstiger und weiter als aufwändige Wer­bekam­pag­nen.
  • Menschen müssen wiederholt erleben, wie gut eine Marke ist, damit sie ihr treu bleiben.
  • Entschei­dend sind neben der Pro­duk­tqualität vor allem der Kun­denser­vice und das öffentliche Auftreten der Führungskräfte.
 

Zusammenfassung

Die Marke muss zum Erlebnis werden

Sie haben es geschafft: Der FC St. Pauli, Mini, Apple oder Unicef sind Supermarken. Sie versuchen erst gar nicht, es allen recht zu machen. Sie stehen für gute Arbeit, sind einzigartig und un­ver­wech­sel­bar. Das erleben die Menschen der jeweiligen Zielgruppe immer wieder. Den Supermarken gehört die Zukunft, für alle anderen wird es schwierig. Längst konkur­ri­eren Marken nicht mehr nur un­tere­inan­der, d. h. mit ähnlichen Produkten, sondern auch mit allen möglichen In­for­ma­tions- und Un­ter­hal­tungsange­boten.

Neue Regeln der Markenführung

Die Regeln der Markenführung haben sich grundlegend geändert:

  • Nach der weltweiten Wirtschaft­skrise bewerten Menschen Marken neu. Sie wollen nicht nur günstige, sondern nachhaltig produzierte, sinnvolle Produkte.
  • Das Internet ist das Leitmedium der Zukunft. Soziale Netzwerke werden immer wichtiger, unsere physische Realität wird mit der virtuellen ver­schmelzen.
  • Das Internet hat die Machtverhältnisse verschoben: Kunden werden mächtiger, Firmen schwächer. Jeder kann sich in Foren oder auf Ver­brauch­er­seiten über ein Produkt informieren, bevor er es kauft. Und jeder kann selbst einen Beitrag in einem Forum oder ein Video auf YouTube veröffentlichen. Wenn der Kunde mit einem Produkt nicht zufrieden ist, erfährt es potenziell die ganze Welt; Unternehmen werden zu Qualität gezwungen.
  • Das Internet ist für Unternehmen aber auch eine große Chance: Sie können Verbraucher an Kampagnen oder Pro­duk­ten­twick­lun­gen online teilnehmen lassen. Gute Ideen werden damit wichtiger als die Höhe des Werbeetats. On­line-Com­mu­ni­tys verbreiten Ideen günstiger und weiter als aufwändige Wer­bekam­pag­nen.
  • Je virtueller unsere Welt wird, desto wichtiger werden sinnliche Erfahrungen.
  • Was Menschen im Zusam­men­hang mit Ihrer Marke erleben, muss interessant, nützlich, einzigartig und wider­spruchs­frei sein.

Marken­wahrnehmungen steuern

Menschen entscheiden sich intuitiv für Marken. So genannte Somatic Markers können die Intuition bee­in­flussen. Das sind im Gedächtnis gespe­icherte Erin­nerun­gen und As­sozi­a­tio­nen, die eine Marke auslöst. Diese Marken­botschaften lernen wir nicht bewusst, sondern automatisch, implizit. Wir sehen Wer­be­plakate und hören Jingles, ganz nebenbei, doch die damit verbundenen In­for­ma­tio­nen setzen sich im Langzeitgedächtnis fest. Je häufiger wir eine Marken­botschaft hören, desto besser haftet sie. Darüber hinaus spielen Gefühle für unser Markengedächtnis eine wichtige Rolle: Gefühle steuern unsere Aufmerk­samkeit, und dadurch sind wir in der Lage, rational zu urteilen.

„Das Thema Vertrauen wird uns über die Wirtschaft­skrise hinaus begleiten, denn Vertrauen ist Markenkap­i­tal – einer der wichtigsten Faktoren, um Präferenz für Marken und Unternehmen auszulösen und aufzubauen.“

Sprechen Sie mit Ihrer Marken­botschaft die Somatic Markers über alle fünf Sinne an. Lassen Sie die Menschen Ihre Marke also hören, riechen, fühlen, sehen und schmecken. Am besten ist es, mehre Sinne gle­ichzeitig anzus­prechen. Singapore Airlines schreibt seinen Flug­be­glei­t­erin­nen genau vor, wie sie sich kleiden und verhalten sollen. Sie benutzen z. B. das gleiche Hausparfum, das die Gäste in den vor dem Flug gereichten heißen Handtüchern riechen. Eine gute Kampagne spricht das Markengedächtnis, den Verstand und die Emotionen an. Eine der wichtigsten Emotionen ist Vertrauen. Kunden vertrauen einer Marke, wenn sie deren Leistung positiv erleben, wenn die Qualität stimmt, die Mitarbeiter freundlich und die Firmenchefs ehrlich sind.

Supermarken entwickeln

Eine Supermarke lässt sich in fünf Schritten entwickeln:

  1. Die Analyse spiegelt die derzeitige Situation: Wie ist die Lage auf dem Markt? Wie nehmen interne und externe Anspruchs­grup­pen, etwa Kunden, Jour­nal­is­ten, Experten oder Mitarbeiter, die Marke wahr? Finden Sie das mit qual­i­ta­tiver, kreativer Forschung heraus. Am Ende haben Sie Insights entlarvt – versteckte Wahrheiten über ein Produkt. Bei eBay war es die Erkenntnis, dass es am Ende nicht so sehr um das Ersteigerte selbst geht, sondern um den Moment: „Ich habe die Auktion gewonnen.“ Das On­line-Auk­tion­shaus nutzt diesen Insight in Werbespots, in denen Menschen dem Ende der Auktion ent­ge­gen­fiebern.
  2. Die Strategie legt die Markenziele und die Kernziel­gruppe sowie eine ebenso mutige wie erreichbare Vision fest. In Workshops erarbeiten alle an der Marke­nen­twick­lung Beteiligten die Mar­ket­ingstrate­gie. In Grup­pendiskus­sio­nen mit einigen Vertretern der Zielgruppe wird getestet, ob sie prax­is­tauglich ist. Die Kernidee beschreibt in einem Satz, was die Marke ausmacht. Bei BMW ist es „Freude am Fahren“.
  3. In der Um­set­zungsphase entwickeln Sie mit internen oder externen Partnern Leitideen dafür, wie die Mar­ket­ingstrate­gie ganzheitlich umgesetzt wird.
  4. In der Phase der Verknüpfung bieten Sie die Marken­er­leb­nisse an, die die Menschen von Ihrer Marke erwarten. Mini z. B. pflegt das Image des kleinen außergewöhnlichen Autos. Der Mythos lebt in vielen Kinofilmen, in denen das Gefährt zu sehen ist.
  5. Mit einem Kon­troll­sys­tem überprüfen Sie ständig die Marke­nen­twick­lung und den Return on Investment und bessern nötigenfalls nach.

Menschen erreichen

Ihre Zielgruppe ist mehr als die Summe der kon­sum­ieren­den Personen. Im Mittelpunkt stehen immer Menschen. Außerhalb des Un­ternehmens sind das Kunden, Partner, Medien, die kritische Öffentlichkeit, potenzielle Mitarbeiter, künftige Leistungsträger sowie bei einem börsen­notierten Unternehmen Aktienkäufer und -verkäufer.

„Die Marke erobert Sport, Bildung und Politik.“

Im Unternehmen sind es Mitarbeiter, Manager und in­sti­tu­tionelle Vertreter, etwa Gew­erkschafter. Sie alle sehen die Marke zwar un­ter­schiedlich, aber wenn diese ihnen wider­spruchs­frei erscheint, kann sie zur Supermarke werden. Wer also mit seinem tollen Service wirbt, sollte dafür sorgen, dass alle Zielgruppen ihn auch entsprechend empfinden.

Die Or­gan­i­sa­tion der Supermarke

Die Su­per­markenor­gan­i­sa­tion ist wie ein Rad aufgebaut. In der Mitte stehen Marke und Un­ternehmensführung. Nach außen schließen sich die Fach­abteilun­gen an, sodass sich die gesamte Or­gan­i­sa­tion an der Marke ausrichtet. Alle handeln so, dass die Marke intern und extern wider­spruchs­frei erlebt wird. Die Markenidee selbst wird zum Un­ternehmenswert. In komplexen Unternehmen kann es bis zu zwei Jahre dauern, bis die Idee sich in der Or­gan­i­sa­tion durchge­setzt hat. Der Prozess verläuft in den folgenden vier Stufen:

  1. Die Markenidee muss erst einmal bekannt werden. Das ist Chefsache.
  2. Danach sorgen Leucht­turm­pro­jekte dafür, dass die neue Idee nicht nur vertraut, sondern auch von allen Mi­tar­beit­ern verstanden wird.
  3. Wenn die Mitarbeiter an der Ver­wirk­lichung teilhaben dürfen, stehen sie hinter der Markenidee.
  4. Am Ende soll die komplette Or­gan­i­sa­tion an einem Strang ziehen. Hierfür werden immer größere Un­ternehmen­steile in Projekte eingebunden.

Die wichtigsten Positionen

Je nach Situation und Aus­gangslage müssen Sie in Ihrer Or­gan­i­sa­tion folgende Positionen schaffen, um die Entwicklung einer Supermarke zu erleichtern:

  • Der Chief Brand Officer entwickelt als oberster Markenführer die Marke strategisch und sorgt für eine dauernde Wertschöpfung. Er nimmt Menschen für sich ein und schafft im Unternehmen die nötigen Strukturen.
  • Das Brand-Board bietet eine Plattform, auf der Ideen gesammelt werden und verschiede Anspruchs­grup­pen zusam­menkom­men. Zwar sind viele an dem Prozess beteiligt, aber nur einer führt ihn.
  • Der Kun­den­beirat hilft dabei, die Markenidee aus der Perspektive der Kunden zu sehen. Seine Mitglieder hören zu, reden mit und bessern nach.

Die Marke­nar­chitek­tur

Die Marke­nar­chitek­tur macht die Un­ternehmen­skul­tur erfahrbar und vermittelt so den Stake­hold­ern einen Sinn. Sie weist den Mi­tar­beit­ern klare Rollen und Aufgaben zu, stiftet Identität und definiert, wie nach innen und außen kom­mu­niziert wird. Man un­ter­schei­det sechs Typen, die zuweilen auch in Mischform vorkommen:

  1. Monomarken: Es gibt nur eine Marke, ein Produkt und eine Art von Kom­mu­nika­tion, so wie bei Underberg.
  2. Marke – Line-Ex­ten­sion/Flanker: Eine Marke umfasst mehrere Pro­duk­t­vari­anten, wie bei Mini, der z. B. als Diesel oder Cabrio daherkommt.
  3. Marke – Ranges: Eine Marke pflegt mehrere Pro­duk­tlin­ien und kom­mu­niziert diese un­ter­schiedlich. Nivea bietet sanfte Pflege für Haare und Haut, für Männer und Frauen an.
  4. Dachmarke – Submarke: Mehrere Submarken sind unter einer Dachmarke zu finden. Die Kom­mu­nika­tion vereint sie. Die Supermarke L’Oréal präsentiert ver­schiedene Produkte so, dass sie sich zu einem Gesamtbild fügen.
  5. Marke – En­dorse­ment-Brand: Un­ter­schiedliche Marken haben eine gemeinsame Kom­pe­tenz­marke sowie ein gemeinsames Kom­mu­nika­tion­se­le­ment, etwa ein Logo oder eine Devise. Lufthansa hat dies mit dem Beitritt zur Star Alliance ver­wirk­licht. In Deutschland ist es Lufthansa, in­ter­na­tional Star Alliance.
  6. Marke – Absender: Eine im Hintergrund stehende Ab­sen­der­marke unterhält ver­schiedene Marken, viele Produkte und mehrere Arten der Kom­mu­nika­tion. Henkel macht das mit seinen Produkten.

Messen, managen und maximieren

Marken­er­leb­nisse sind kon­trol­lier­bar. Dabei können Ihnen folgende Fragen als Leitfaden dienen:

  • Mit welchen Inhalten lösen Sie bei den Kunden Begehren und Präferenz für Ihre Marke aus?
  • Mit welchen Signalen lassen sich die Inhalte explizit und implizit vermitteln?
  • Über welche Kanäle prägen Sie das Marken­er­leb­nis Ihrer Zielgruppe am besten?
  • Wie wirksam ist Ihr Marken­er­leb­nis im Vergleich zu denen der Konkurrenz? Die Markenstärke errechnen Sie mit einer Formel, die Bekanntheit, Sympathie, Vertrauen und Ver­bun­den­heit der Kunden berücksichtigt.
  • Wie wirken Inhalte, Signale und Kanäle auf das Marken­er­leb­nis? Wie hoch ist der Return on Investment? Um diese Frage zu beantworten, müssen Sie wissen, wie viel ein Markenkon­takt kostet. So können Sie auch bewerten, wie effizient einzelne Kanäle sind.

Über die Autoren

Uwe Munzinger, Marc Sasserath und Karl Georg Musiol sind in­ter­na­tional erfahrene Marken­ex­perten und arbeiten zusammen in der nach ihnen benannten Musiol Munzinger Sasserath Gesellschaft für um­set­zung­sori­en­tierte Marken­ber­atung.