Social Marketing für eine bessere Welt

Buch Social Marketing für eine bessere Welt

Praxishandbuch für Politik, Unternehmen und Institutionen

mi-Wirtschaftsbuch,
Auch erhältlich auf: Englisch


Rezension

Mit Marketing die Welt verbessern? Der Gedanke klingt zunächst mal befremdlich. Doch tatsächlich hoffen Philip Kotler und Nancy R. Lee, die Armut rund um den Globus mit Social Marketing bekämpfen zu können. Die Autoren setzen das kom­merzielle Marketing, dessen Ziel die Gewin­n­max­imierung ist, in abge­wan­del­ter Form ein: Ihnen geht es um den sozialen Gewinn. Sie zeigen auf, mit welchen Ver­hal­tensweisen die Armen sich selbst helfen können – und wie man sie dazu animiert. Ob es um die Malariabekämpfung in Afrika oder die Aidsprävention in New York geht, anhand vieler Prax­is­beispiele erläutern Kotler und Lee, auf welche Hindernisse die öffentliche Hand, Stiftungen und Unternehmen stoßen können. Da ist etwa der Fall der Hol­ly­wood-Schaus­pielerin Sharon Stone, die Geld für Mückennetze in Tansania spendete, worauf diese zu Hochzeit­sklei­dern um­funk­tion­iert wurden. BooksInShort empfiehlt das Buch allen NPOs sowie Un­ternehmern, die es besser machen wollen.

Take-aways

  • Weltweit leben 4 Milliarden Menschen in Armut.
  • Die Ursachen: gesund­heitliche Probleme, schädliche Umwelteinflüsse, schwaches wirtschaftliches Umfeld, fehlende In­fra­struk­tur und mangelnde Bildung.
  • Ebenso vielfältig müssen die Maßnahmen sein; ein Ansatz reicht nicht aus, um die Armut erfolgreich zu bekämpfen.
  • Social Marketing wird seit den 70er Jahren erfolgreich eingesetzt.
  • Probleme wie Tabak- und Alko­holkon­sum, Aids, Hautkrebs und Anal­pha­betismus werden damit bekämpft.
  • Seg­men­tieren Sie den anvisierten Markt nach Alter, Region, Einkommen, Beruf, Lebensweise usw. Ziel ist es, eine homogene Gruppe anzus­prechen.
  • Definieren Sie die erwünschte Ver­hal­tensweise und konzen­tri­eren Sie sich auf einen Aspekt.
  • Die ange­sproch­ene Zielgruppe will von ihrer Verhaltensänderung einen Nutzen haben.
  • Erstellen Sie einen Mar­ket­ing­mix mit den vier Ps (Produkt, Preis, Platzierung, Promotion).
  • Erarbeiten Sie einen strate­gis­chen Hand­lungs­plan, der die umzuset­zen­den Maßnahmen detailliert beschreibt.
 

Zusammenfassung

Armut betrifft jeden

Weltweit leben Menschen am oder unter dem Ex­is­tenzmin­i­mum. Ob in Afrika oder in den USA, hungrige, hilflose Menschen gehören zum Straßenbild. Wenn das Einkommen unter ein gewisses Niveau fällt, spricht die Weltbank von Armut. Das Minimum für die Deckung der Grundbedürfnisse wird als Ar­mutsgrenze bezeichnet. Armut lässt sich in drei Grade unterteilen:

  1. Extreme Armut: Es herrscht andauernder Hunger. Es gibt keine medi­zinis­che Versorgung, kein sauberes Trinkwasser, keine Ausbildung für Kinder und kein Dach über dem Kopf. Schätzungen gehen von 1,4 Milliarden betroffenen Menschen aus. Wer weniger als 1,25 $ pro Tag verdient, gilt laut Weltbank als extrem arm.
  2. Gemäßigte Armut: Die Menschen können ihre Grundbedürfnisse nur knapp decken. Lücken bestehen etwa bei der Gesund­heitsvor­sorge und der Bildung. Betroffen sind 1,6 Milliarden Menschen.
  3. Relative Armut: Ein Haushalt in dieser Kategorie hat ein Einkommen, das unter dem Durch­schnitt liegt. Die Betroffenen haben keinen Zugang zu kulturellen Gütern, Un­ter­hal­tung, Erholung oder hochw­er­tiger Gesund­heitsvor­sorge. Diese Gruppe wird nicht sonderlich wahrgenom­men, obwohl 1 Milliarde Menschen dazugehören.
„Armut ist eine beschämende und ungerechte Situation, welche die Menschheit seit jeher bedroht.“

Insgesamt leben also 4 Milliarden Erdbewohner in Armut. Am krassesten ist die Armut in Schwarzafrika sowie in Ost- und Südasien. Mit jeweils 80 % Anteil an der Gesamtbevölkerung ist der Prozentsatz der Armen im afrikanis­chen Liberia, im Gaza­s­treifen, in Haiti, Simbabwe und im Tschad am höchsten. Die Ursachen sind vielfältig: gesund­heitliche Probleme und schädliche Umwelteinflüsse (un­frucht­bares Ackerland) können ebenso eine Rolle spielen wie ein aus­sicht­sloses wirtschaftliches Umfeld (Masse­nar­beit­slosigkeit, niedrige Löhne) und fehlende In­fra­struk­tur. Darüber hinaus spielen mangelnder Zugang zu Bildung, soziale Faktoren wie Kriminalität und fehlende Fam­i­lien­pla­nung mit. Auch Fi­nanzkrisen, hohe En­ergiepreise, Dürre und sich ändernde Ernährungs­ge­wohn­heiten sind Ursachen von Armut.

„Die Kosten der Armut übersteigen bei Weitem die Kosten, welche die Armen selbst tragen. Armut verströmt ihr Gift in die gesamte übrige Menschheit.“

Warum sollten wir uns um die Armen kümmern? Dafür sprechen ebenso al­tru­is­tis­che wie egoistische Gründe. Armut hat Verzwei­flung und Kriminalität zur Folge. Weil die ausweglose Lage zu Hoff­nungslosigkeit führt, sind die Betroffenen offener für politische Demagogie. Konflikte, Gewalt, sogar Kriege lassen sich auf Armut zurückführen. Die gesund­heitlichen Probleme aufgrund der Armut belasten die Gesellschaft. Nicht zuletzt steht die illegale Ein­wan­derung damit im Zusam­men­hang. Wenn wir die Armut bekämpfen, verbessern wir also indirekt auch unsere Lebensumstände.

Die wichtigsten Lösungsansätze

Fachleute haben vier maßgebliche Strategien zur Armutsbekämpfung entwickelt. An erster Stelle steht die wirtschaftliche Wach­s­tumsstrate­gie: Wächst die Volk­swirtschaft, geht die Zahl der Menschen unterhalb der Ar­mutsgrenze zurück. Zweitens versucht man mit der Umweltverteilungsstrate­gie, das Vermögen von den Reichen zu den Armen zu verschieben. Drittens gibt es die Annahme, dass massive finanzielle En­twick­lung­shilfe der reichen Nationen dafür sorgen kann, die schwachen Länder zu stärken. Als vierter Lösungsweg gilt die Geburtenkon­trolle. Isoliert eingesetzt, führt keine der genannten Strategien zur Lösung der Ar­mut­sprob­lematik. Stattdessen ist eine Vielzahl von Maßnahmen nötig. Sauberes Trinkwasser und sanitäre Ein­rich­tun­gen sind die Grund­vo­raus­set­zung. Zudem müssen Krankheiten wie Tuberkulose, Malaria oder Aids bekämpft werden. In­vesti­tio­nen in die Land­wirtschaft und In­fra­struk­tur sind unabdingbar. Und langfristig ist die Bildung ein entschei­den­der Faktor.

Social Marketing

Social Marketing ist ein neuerer Ansatz der En­twick­lung­shilfe. Die Planer von Armutsbekämp­fung­spro­gram­men tun gut daran, sich damit vertraut zu machen, denn es handelt sich um eine Problemlösungsmeth­ode, die bereits ver­schiedentlich mit Erfolg angewendet wird, z. B. um Rauchern beim Ausstieg zu helfen, um gesunde Ernährung zu fördern oder die sexuelle Übertragung von Krankheiten zu unterbinden. Bei Social Marketing geht es im Kern darum, Ver­hal­tensweisen zum Guten zu bee­in­flussen. Im Fall von Rauchern gibt es zwei Möglichkeiten, dies zu tun: Zum einen wird verdeut­licht, dass der Verzicht auf Zigaretten positive Folgen für die Gesundheit hat. Zum anderen besteht die Möglichkeit, das unerwünschte Verhalten durch eine Steuer­ab­gabe zu verteuern. Der Aspekt der frei­willi­gen Verhaltensänderung steht aber beim Social Marketing im Vordergrund.

„So­cial-Mar­ket­ing-Ini­tia­tiven sind nicht nur eine wichtige und häufig fehlende Lösung für Unternehmen, die sich aktiv an der Armutsbekämpfung beteiligen wollen, sondern bringen der Firma auch noch zahlreiche Vorteile.“

Social Marketing hat seit den Anfängen in den 1970er Jahren einiges erreicht. So sind in Fragen wie Fam­i­lien­pla­nung, Tabak- und Alko­holkon­sum, Teenager­schwanger­schaft, Aids, Impfungen, Hautkrebs und Anal­pha­betismus beachtliche Erfolge erzielt worden. In den In­dus­trien­atio­nen werden mit Social Marketing Probleme wie Übergewicht, Essstörungen, Be­we­gungs­man­gel, Alkohol am Steuer, An­schnallpflicht, Waf­fenbe­sitz und En­ergiev­er­schleiß angegangen. Während das kom­merzielle Marketing den Menschen mit dem Ziel der Gewin­n­max­imierung ein Produkt verkaufen will, geht es beim Social Marketing um die Lösung eines gesellschaftlichen Problems. Zugegeben­ermaßen ist das oft schwierig umzusetzen, denn es handelt sich vielfach um die Abkehr von einer Sucht.

Seg­men­tierung des Marktes

Soll Social Marketing effektiv sein, müssen Sie den Zielmarkt genau definieren. Die avisierte homogene Gruppe muss schließlich überzeugt werden, ihr Verhalten zu ändern. Mar­ket­ing­fach­leute grenzen ihre Zielgruppe etwa nach Alter, Geschlecht, Region, Einkommen, Beruf, Lebensweise und Persönlichkeit ein. Sie seg­men­tieren also nach ge­ografis­chen, de­mografis­chen, psy­chol­o­gis­chen und ver­hal­tens­be­zo­ge­nen Aspekten. Genau dasselbe ist beim Social Marketing sinnvoll. Es genügt nicht, Mückennetze zu bestellen und nach Afrika zu verschiffen. Vom Lieferanten über den Vertrieb bis hin zum Anwender müssen die Abläufe geplant sein. Dieser Pla­nung­sprozess wird als Mikroseg­men­tierung bezeichnet.

Festlegung der erwünschten Ver­hal­tensweisen

Erst wenn Sie Ihre Zielgruppe iden­ti­fiziert haben, sollten Sie Aktivitäten definieren. Legen Sie die gewünschten Ver­hal­tensweisen fest. Gilt es z. B., die Anal­pha­beten­rate zu senken, müssen auch Mädchen zur Schule gehen dürfen – was in vielen Ländern nicht der Fall ist. Wichtig: Konzen­tri­eren Sie sich auf eine Ver­hal­tensweise. Aber wie ändern sich Ver­hal­tensweisen überhaupt? Dazu gibt es mehrere Theorien:

  • Trans­the­o­retis­ches Modell: Dieses Modell besagt, dass die Menschen während eines Veränderung­sprozesses sechs Stadien durchlaufen. Die Theorie kann jedoch im Kern auf vier Phasen reduziert werden: das Abstreiten, das Be­wusst­wer­den, die Handlung und die Aufrechter­hal­tung der besseren Ver­hal­tensweise.
  • Theorie des geplanten Verhaltens: Das Verhalten einer Person geht dieser Theorie zufolge auf ihre Einstellung zurück. Außerdem spielt die subjektiv wahrgenommene Norm eine Rolle. Anders ausgedrückt, können Sie eine Verhaltensänderung nur dann bewirken, wenn die Einstellung einer Person dazu positiv ist und wenn sie davon ausgeht, dass ihr neues Verhalten geschätzt wird.
  • Health-Be­lief-Mod­ell: Sozialpsy­cholo­gen des amerikanis­chen Gesund­heitsmin­is­teri­ums en­twick­el­ten diese Theorie der gesund­heitlichen Überzeugung. Psy­chol­o­gis­che Bedingungen wirken sich darauf aus, wie Menschen sich in gesund­heitlicher Hinsicht verhalten. Externe Faktoren wie Ressourcen oder der Einfluss wichtiger Personen werden jedoch nicht berücksichtigt, was aus heutiger Sicht un­re­al­is­tisch erscheint.
  • Theorie der sozialen Normen: Das Verhalten basiert auf falschen Annahmen darüber, wie andere denken oder handeln. Wichtig ist es, die Grup­pene­inflüsse, die auf solchen Fehlwahrnehmungen beruhen, zu korrigieren.
  • Dif­fu­sion­s­the­o­rie: Diffusion ist die Folge von In­no­va­tio­nen in einem sozialen System über einen bestimmten Zeitraum hinweg. Die Innovatoren sind die Ersten, die ihr Verhalten ändern. Dann treten frühe Nachahmer auf den Plan, es folgt die Mehrheit, bis schließlich die Nachzügler hinzustoßen.

Hindernisse und Konkur­renten

Analysieren Sie die Per­spek­tiven Ihrer Zielgruppe. Betreiben Sie ein „Marketing des Mitempfind­ens“: Wer seine Zielgruppe versteht, kennt die Hindernisse, die es wegzuräumen gilt. Das können interne Faktoren sein, beispiel­sweise persönliche Überzeu­gun­gen, oder externe Faktoren wie Einschränkungen aufgrund der In­fra­struk­tur oder der Technologie. Von Vorteil ist natürlich eine gute Begründung, warum ein bestimmtes Verhalten geändert werden soll. Der Ange­sproch­ene will einen Nutzen haben. Sowohl bei den Hin­dernissen als auch bei den Vorteilen sollten Sie eine Rangfolge erstellen: Welche Aspekte sind den Menschen besonders wichtig und welche weniger? Außerdem müssen Sie die „Konkurrenz“ unter die Lupe nehmen. Damit ist ein Verhalten gemeint, das die Zielgruppe lieber annimmt als das empfohlene: Dinge, die „schon immer so gemacht“ wurden, oder Or­gan­i­sa­tio­nen bzw. ein­flussre­iche Personen, die in eine andere Richtung als in die erwünschte ar­gu­men­tieren. Das konkur­ri­erende Verhalten sollte verteuert werden (Beispiel Tabaksteuer), der Nutzen der Konkurrenz und die Kosten des erwünschten Verhaltens hingegen gesenkt.

Strate­gis­cher Mar­ket­ing­mix

Im Werkzeugkas­ten des Marketings befinden sich tra­di­tionell die vier Ps: Produkt, Preis, Platzierung und Promotion. Das Produkt können beim Social Marketing Events, Personen, In­for­ma­tio­nen, Ideen oder Or­gan­i­sa­tio­nen sein – alles, was geeignet ist, das Problem der Zielgruppe zu lösen bzw. einen Nutzen zu stiften. Hinter dem Preis verbergen sich Kosten, Zeit, Mühen, Energie oder körperliche Unan­nehm­lichkeiten. Die Platzierung definiert, wo und wann die Zielgruppe aufge­fordert wird, ein bestimmtes Verhalten anzunehmen. Etwa beim Hausbesuch, bei Ve­r­anstal­tun­gen oder per Telefon. Promotion bedeutet, die Botschaft überzeugend zu kom­mu­nizieren.

Der So­cial-Mar­ket­ing-Plan

Der Mar­ket­ing­plan stellt die zuvor aufgeführten Schritte zusammen. Sie müssen zunächst die nötigen Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen beschaffen: Was ist der Zweck der Maßnahmen? Wer unterstützt sie? Welche Partner helfen? Wie ist der Vertrieb organisiert? Anschließend müssen Sie das Ziel­grup­pen­pro­fil erstellen: Wie groß ist die Gruppe? Welche de­mografis­chen, ge­ografis­chen und psy­chol­o­gis­chen Faktoren spielen eine Rolle? Welche Ver­hal­tensweisen wollen Sie erreichen und welche Ein­stel­lungsänderung soll eintreten? Wichtig ist auch, die Ein­flussfak­toren zu analysieren: Wer manipuliert die Entschei­dun­gen der Zielgruppe? Anschließend erfolgt der Griff in den Werkzeugkof­fer mit den vier Ps. Kon­trol­lieren Sie den Erfolg Ihrer Kampagne stetig, um notwendige Anpassungen umgehend vornehmen zu können.

Der private Sektor

Nicht nur Staaten und Hil­f­sor­gan­i­sa­tio­nen engagieren sich im Kampf gegen die Armut. Auch viele gewin­nori­en­tierte Unternehmen – die Mar­ket­ing­profis schlechthin – tragen ihren Teil bei und stehen zu ihrer sozialen Ve­r­ant­wor­tung. Im Gegenzug profitieren sie auch davon: Sie bekommen ein besseres Image, eine höhere Marken­loy­alität, mehr Produktverkäufe und eine höhere Mi­tar­beit­erzufrieden­heit.

Über die Autoren

Philip Kotler lehrt an der Kellogg School of Management der North­west­ern University in­ter­na­tionales Marketing. Er ist einer der bekan­ntesten Mar­keting­ex­perten weltweit und Besitzer von zwölf Ehren­dok­tor­titeln. Zu seinen bekan­ntesten Stan­dard­w­erken zählt Marketing Management. Nancy R. Lee hat 25 Jahre praktische Mar­ketinger­fahrung in der Pri­vatwirtschaft, im gemeinnützigen und öffentlichen Sektor. Sie ist Hil­fs­dozentin an der University of Washington und der Seattle University sowie Geschäftsführerin von Social Marketing Services Inc.