Armut betrifft jeden
Weltweit leben Menschen am oder unter dem Existenzminimum. Ob in Afrika oder in den USA, hungrige, hilflose Menschen gehören zum Straßenbild. Wenn das Einkommen unter ein gewisses Niveau fällt, spricht die Weltbank von Armut. Das Minimum für die Deckung der Grundbedürfnisse wird als Armutsgrenze bezeichnet. Armut lässt sich in drei Grade unterteilen:
- Extreme Armut: Es herrscht andauernder Hunger. Es gibt keine medizinische Versorgung, kein sauberes Trinkwasser, keine Ausbildung für Kinder und kein Dach über dem Kopf. Schätzungen gehen von 1,4 Milliarden betroffenen Menschen aus. Wer weniger als 1,25 $ pro Tag verdient, gilt laut Weltbank als extrem arm.
- Gemäßigte Armut: Die Menschen können ihre Grundbedürfnisse nur knapp decken. Lücken bestehen etwa bei der Gesundheitsvorsorge und der Bildung. Betroffen sind 1,6 Milliarden Menschen.
- Relative Armut: Ein Haushalt in dieser Kategorie hat ein Einkommen, das unter dem Durchschnitt liegt. Die Betroffenen haben keinen Zugang zu kulturellen Gütern, Unterhaltung, Erholung oder hochwertiger Gesundheitsvorsorge. Diese Gruppe wird nicht sonderlich wahrgenommen, obwohl 1 Milliarde Menschen dazugehören.
„Armut ist eine beschämende und ungerechte Situation, welche die Menschheit seit jeher bedroht.“
Insgesamt leben also 4 Milliarden Erdbewohner in Armut. Am krassesten ist die Armut in Schwarzafrika sowie in Ost- und Südasien. Mit jeweils 80 % Anteil an der Gesamtbevölkerung ist der Prozentsatz der Armen im afrikanischen Liberia, im Gazastreifen, in Haiti, Simbabwe und im Tschad am höchsten. Die Ursachen sind vielfältig: gesundheitliche Probleme und schädliche Umwelteinflüsse (unfruchtbares Ackerland) können ebenso eine Rolle spielen wie ein aussichtsloses wirtschaftliches Umfeld (Massenarbeitslosigkeit, niedrige Löhne) und fehlende Infrastruktur. Darüber hinaus spielen mangelnder Zugang zu Bildung, soziale Faktoren wie Kriminalität und fehlende Familienplanung mit. Auch Finanzkrisen, hohe Energiepreise, Dürre und sich ändernde Ernährungsgewohnheiten sind Ursachen von Armut.
„Die Kosten der Armut übersteigen bei Weitem die Kosten, welche die Armen selbst tragen. Armut verströmt ihr Gift in die gesamte übrige Menschheit.“
Warum sollten wir uns um die Armen kümmern? Dafür sprechen ebenso altruistische wie egoistische Gründe. Armut hat Verzweiflung und Kriminalität zur Folge. Weil die ausweglose Lage zu Hoffnungslosigkeit führt, sind die Betroffenen offener für politische Demagogie. Konflikte, Gewalt, sogar Kriege lassen sich auf Armut zurückführen. Die gesundheitlichen Probleme aufgrund der Armut belasten die Gesellschaft. Nicht zuletzt steht die illegale Einwanderung damit im Zusammenhang. Wenn wir die Armut bekämpfen, verbessern wir also indirekt auch unsere Lebensumstände.
Die wichtigsten Lösungsansätze
Fachleute haben vier maßgebliche Strategien zur Armutsbekämpfung entwickelt. An erster Stelle steht die wirtschaftliche Wachstumsstrategie: Wächst die Volkswirtschaft, geht die Zahl der Menschen unterhalb der Armutsgrenze zurück. Zweitens versucht man mit der Umweltverteilungsstrategie, das Vermögen von den Reichen zu den Armen zu verschieben. Drittens gibt es die Annahme, dass massive finanzielle Entwicklungshilfe der reichen Nationen dafür sorgen kann, die schwachen Länder zu stärken. Als vierter Lösungsweg gilt die Geburtenkontrolle. Isoliert eingesetzt, führt keine der genannten Strategien zur Lösung der Armutsproblematik. Stattdessen ist eine Vielzahl von Maßnahmen nötig. Sauberes Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen sind die Grundvoraussetzung. Zudem müssen Krankheiten wie Tuberkulose, Malaria oder Aids bekämpft werden. Investitionen in die Landwirtschaft und Infrastruktur sind unabdingbar. Und langfristig ist die Bildung ein entscheidender Faktor.
Social Marketing
Social Marketing ist ein neuerer Ansatz der Entwicklungshilfe. Die Planer von Armutsbekämpfungsprogrammen tun gut daran, sich damit vertraut zu machen, denn es handelt sich um eine Problemlösungsmethode, die bereits verschiedentlich mit Erfolg angewendet wird, z. B. um Rauchern beim Ausstieg zu helfen, um gesunde Ernährung zu fördern oder die sexuelle Übertragung von Krankheiten zu unterbinden. Bei Social Marketing geht es im Kern darum, Verhaltensweisen zum Guten zu beeinflussen. Im Fall von Rauchern gibt es zwei Möglichkeiten, dies zu tun: Zum einen wird verdeutlicht, dass der Verzicht auf Zigaretten positive Folgen für die Gesundheit hat. Zum anderen besteht die Möglichkeit, das unerwünschte Verhalten durch eine Steuerabgabe zu verteuern. Der Aspekt der freiwilligen Verhaltensänderung steht aber beim Social Marketing im Vordergrund.
„Social-Marketing-Initiativen sind nicht nur eine wichtige und häufig fehlende Lösung für Unternehmen, die sich aktiv an der Armutsbekämpfung beteiligen wollen, sondern bringen der Firma auch noch zahlreiche Vorteile.“
Social Marketing hat seit den Anfängen in den 1970er Jahren einiges erreicht. So sind in Fragen wie Familienplanung, Tabak- und Alkoholkonsum, Teenagerschwangerschaft, Aids, Impfungen, Hautkrebs und Analphabetismus beachtliche Erfolge erzielt worden. In den Industrienationen werden mit Social Marketing Probleme wie Übergewicht, Essstörungen, Bewegungsmangel, Alkohol am Steuer, Anschnallpflicht, Waffenbesitz und Energieverschleiß angegangen. Während das kommerzielle Marketing den Menschen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung ein Produkt verkaufen will, geht es beim Social Marketing um die Lösung eines gesellschaftlichen Problems. Zugegebenermaßen ist das oft schwierig umzusetzen, denn es handelt sich vielfach um die Abkehr von einer Sucht.
Segmentierung des Marktes
Soll Social Marketing effektiv sein, müssen Sie den Zielmarkt genau definieren. Die avisierte homogene Gruppe muss schließlich überzeugt werden, ihr Verhalten zu ändern. Marketingfachleute grenzen ihre Zielgruppe etwa nach Alter, Geschlecht, Region, Einkommen, Beruf, Lebensweise und Persönlichkeit ein. Sie segmentieren also nach geografischen, demografischen, psychologischen und verhaltensbezogenen Aspekten. Genau dasselbe ist beim Social Marketing sinnvoll. Es genügt nicht, Mückennetze zu bestellen und nach Afrika zu verschiffen. Vom Lieferanten über den Vertrieb bis hin zum Anwender müssen die Abläufe geplant sein. Dieser Planungsprozess wird als Mikrosegmentierung bezeichnet.
Festlegung der erwünschten Verhaltensweisen
Erst wenn Sie Ihre Zielgruppe identifiziert haben, sollten Sie Aktivitäten definieren. Legen Sie die gewünschten Verhaltensweisen fest. Gilt es z. B., die Analphabetenrate zu senken, müssen auch Mädchen zur Schule gehen dürfen – was in vielen Ländern nicht der Fall ist. Wichtig: Konzentrieren Sie sich auf eine Verhaltensweise. Aber wie ändern sich Verhaltensweisen überhaupt? Dazu gibt es mehrere Theorien:
- Transtheoretisches Modell: Dieses Modell besagt, dass die Menschen während eines Veränderungsprozesses sechs Stadien durchlaufen. Die Theorie kann jedoch im Kern auf vier Phasen reduziert werden: das Abstreiten, das Bewusstwerden, die Handlung und die Aufrechterhaltung der besseren Verhaltensweise.
- Theorie des geplanten Verhaltens: Das Verhalten einer Person geht dieser Theorie zufolge auf ihre Einstellung zurück. Außerdem spielt die subjektiv wahrgenommene Norm eine Rolle. Anders ausgedrückt, können Sie eine Verhaltensänderung nur dann bewirken, wenn die Einstellung einer Person dazu positiv ist und wenn sie davon ausgeht, dass ihr neues Verhalten geschätzt wird.
- Health-Belief-Modell: Sozialpsychologen des amerikanischen Gesundheitsministeriums entwickelten diese Theorie der gesundheitlichen Überzeugung. Psychologische Bedingungen wirken sich darauf aus, wie Menschen sich in gesundheitlicher Hinsicht verhalten. Externe Faktoren wie Ressourcen oder der Einfluss wichtiger Personen werden jedoch nicht berücksichtigt, was aus heutiger Sicht unrealistisch erscheint.
- Theorie der sozialen Normen: Das Verhalten basiert auf falschen Annahmen darüber, wie andere denken oder handeln. Wichtig ist es, die Gruppeneinflüsse, die auf solchen Fehlwahrnehmungen beruhen, zu korrigieren.
- Diffusionstheorie: Diffusion ist die Folge von Innovationen in einem sozialen System über einen bestimmten Zeitraum hinweg. Die Innovatoren sind die Ersten, die ihr Verhalten ändern. Dann treten frühe Nachahmer auf den Plan, es folgt die Mehrheit, bis schließlich die Nachzügler hinzustoßen.
Hindernisse und Konkurrenten
Analysieren Sie die Perspektiven Ihrer Zielgruppe. Betreiben Sie ein „Marketing des Mitempfindens“: Wer seine Zielgruppe versteht, kennt die Hindernisse, die es wegzuräumen gilt. Das können interne Faktoren sein, beispielsweise persönliche Überzeugungen, oder externe Faktoren wie Einschränkungen aufgrund der Infrastruktur oder der Technologie. Von Vorteil ist natürlich eine gute Begründung, warum ein bestimmtes Verhalten geändert werden soll. Der Angesprochene will einen Nutzen haben. Sowohl bei den Hindernissen als auch bei den Vorteilen sollten Sie eine Rangfolge erstellen: Welche Aspekte sind den Menschen besonders wichtig und welche weniger? Außerdem müssen Sie die „Konkurrenz“ unter die Lupe nehmen. Damit ist ein Verhalten gemeint, das die Zielgruppe lieber annimmt als das empfohlene: Dinge, die „schon immer so gemacht“ wurden, oder Organisationen bzw. einflussreiche Personen, die in eine andere Richtung als in die erwünschte argumentieren. Das konkurrierende Verhalten sollte verteuert werden (Beispiel Tabaksteuer), der Nutzen der Konkurrenz und die Kosten des erwünschten Verhaltens hingegen gesenkt.
Strategischer Marketingmix
Im Werkzeugkasten des Marketings befinden sich traditionell die vier Ps: Produkt, Preis, Platzierung und Promotion. Das Produkt können beim Social Marketing Events, Personen, Informationen, Ideen oder Organisationen sein – alles, was geeignet ist, das Problem der Zielgruppe zu lösen bzw. einen Nutzen zu stiften. Hinter dem Preis verbergen sich Kosten, Zeit, Mühen, Energie oder körperliche Unannehmlichkeiten. Die Platzierung definiert, wo und wann die Zielgruppe aufgefordert wird, ein bestimmtes Verhalten anzunehmen. Etwa beim Hausbesuch, bei Veranstaltungen oder per Telefon. Promotion bedeutet, die Botschaft überzeugend zu kommunizieren.
Der Social-Marketing-Plan
Der Marketingplan stellt die zuvor aufgeführten Schritte zusammen. Sie müssen zunächst die nötigen Hintergrundinformationen beschaffen: Was ist der Zweck der Maßnahmen? Wer unterstützt sie? Welche Partner helfen? Wie ist der Vertrieb organisiert? Anschließend müssen Sie das Zielgruppenprofil erstellen: Wie groß ist die Gruppe? Welche demografischen, geografischen und psychologischen Faktoren spielen eine Rolle? Welche Verhaltensweisen wollen Sie erreichen und welche Einstellungsänderung soll eintreten? Wichtig ist auch, die Einflussfaktoren zu analysieren: Wer manipuliert die Entscheidungen der Zielgruppe? Anschließend erfolgt der Griff in den Werkzeugkoffer mit den vier Ps. Kontrollieren Sie den Erfolg Ihrer Kampagne stetig, um notwendige Anpassungen umgehend vornehmen zu können.
Der private Sektor
Nicht nur Staaten und Hilfsorganisationen engagieren sich im Kampf gegen die Armut. Auch viele gewinnorientierte Unternehmen – die Marketingprofis schlechthin – tragen ihren Teil bei und stehen zu ihrer sozialen Verantwortung. Im Gegenzug profitieren sie auch davon: Sie bekommen ein besseres Image, eine höhere Markenloyalität, mehr Produktverkäufe und eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit.