berühren – begreifen – kaufen

Buch berühren – begreifen – kaufen

Haptisches Verkaufen in der Vertriebspraxis

mi-Wirtschaftsbuch,
Erstausgabe:2004


Rezension

Haptik bezeichnet die Lehre vom men­schlichen Tastsinn. Was man im wörtlichen wie im übertragenen Sinn „be-greifen“ kann, lässt sich leichter an den Mann bringen. Haptisches Verkaufen beginnt schon bei der Körperhaltung und beim Handschlag und reicht bis zu Duftkom­po­si­tio­nen im Spülmittel. Autor Karl Werner Schmitz ist ein Pionier auf diesem Gebiet – obwohl oder gerade weil er aus der Finanz- und Ver­sicherungs­ber­atung kommt und naturgemäß mit wenig greifbaren Produkten zu tun hatte. Schmitz zeigt, wie der Verkauf­ser­folg mithilfe haptischer Methoden auch bei abstrakten Produkten ein­drucksvoll gesteigert werden kann, und hat dafür einige geeignete Werkzeuge mit entwickelt. Der Fokus seines Buches liegt demzufolge stark auf seinem Er­fahrungs­bere­ich. Das Thema Haptik in der Warenwelt wird zwar auch gestreift, kommt aber ein bisschen zu kurz. BooksInShort empfiehlt das Buch Ver­trieblern und natürlich Fi­nanzber­atern als umfassende Einführung zu diesem vernachlässigten Thema.

Take-aways

  • Wenn Ihr Kunde versteht, dass er Ihr Produkt braucht, können Sie es viel leichter verkaufen.
  • Begreifen und „be-greifen“ haben viel mehr miteinander zu tun, als man gemeinhin denkt.
  • Was man begriffen hat, bleibt im Langzeitgedächtnis gespeichert und wird als richtig empfunden.
  • Haptisches Verkaufen umfasst ein weites Spektrum, das von der Körpersprache bis zu den Gerüchen reicht.
  • Ein er­fol­gre­iches Kundengespräch beginnt mit einem positiven ersten Eindruck.
  • Fesseln Sie den Kunden mit W-Fragen und in­ter­es­san­ten hy­po­thetis­chen Fragen; überreichen Sie drei­di­men­sion­ales An­schau­ungs­ma­te­r­ial.
  • Auch eine bildhafte Sprache mit an­schaulichen Re­dewen­dun­gen gehört zum haptischen Verkaufen.
  • Im Waren­verkauf gewinnen Mit­mach-Ak­tio­nen, speziell gestaltete Pro­duk­to­berflächen und angenehm duftende In­haltsstoffe zunehmend an Bedeutung.
  • Haptische Methoden erleichtern Mi­tar­beit­er­train­ing und -führung – so etwa das Gemein­schaft­ser­leb­nis Sur­vival­train­ing.
  • Selbst bei abstrakten und komplexen Produkten, wie etwa aus dem Fi­nanzbere­ich, unterstützen haptische Verkauf­shil­fen nachhaltig das Be­ratungs­ge­spräch.
 

Zusammenfassung

Begreifen und „be-greifen“

Im Verkauf bedient man sich tra­di­tioneller­weise au­dio­vi­sueller Methoden: Hören und Sehen werden adressiert. Wir hören eingängige Werbesongs in Radio und Fernsehen, lesen knackige Slogans und griffige Texte. Im Verkaufsvor­trag eines Fi­nanzber­aters werden Erklärungen zwar nach Möglichkeit in an­schauliche Bilder und Diagramme umgesetzt. Aber letztlich bleibt es so, wie es auch in Lehrbüchern und Vorlesungen funk­tion­iert: Die Botschaften richten sich überwiegend an die linke Gehirnhälfte, den Sitz des Verstandes. Auf diese Weise sollen wir nach wie vor das Gros der Information begreifen. Die rechte Gehirnhälfte, in der Gefühl, Intuition und Spontaneität lokalisiert sind, wird immer noch vernachlässigt. Langsam setzt sich aber die Erkenntnis durch, dass viele Ver­hal­tensweisen und Entschei­dun­gen intuitiv, aus dem Bauch heraus geschehen.

„Wer ungewöhnliche Ergebnisse erzielen will, muss bereit sein, ungewöhnliche Methoden einzusetzen.“

Wesentlich­stes Organ für die Bee­in­flus­sung dieses Bereichs ist der Tastsinn; auch der Geruchs- und der Geschmackssinn spielen eine wichtige Rolle. Folglich sind die Hände sowie die Unterlippe und die Zunge von großer Bedeutung für die Wahrnehmungen im Gehirn: 70–90 % von dem, was wir mit diesen Sinnen erfasst haben, behalten wir. Die gut gemeinte Mahnung an ein Kleinkind, Herdplatte oder Bügeleisen nicht anzufassen, richtet sich an seinen Verstand. Aber die nachhaltige Überzeugung, dass das wirklich gefährlich ist, gewinnt es meist erst aus der schmerzhaften Erfahrung des Berührens. Wenn Sie bereit sind, Bedeutung und Tragweite des haptischen Anteils an unserer Er­leb­niswelt zu akzeptieren, eröffnen sich neue, ungewohnte Möglichkeiten des Verhaltens und der Wis­sensver­mit­tlung – und von Verkauf­sar­gu­menten.

Kom­mu­nika­tion und Verhalten emo­tion­al­isieren

Hirn­forscher gehen heute so weit zu sagen: „Alles, was keine Emotionen auslöst, ist für das Gehirn wertlos.“ Für die Übertragung einer Information in das Langzeitgedächtnis bedarf es eines Erlebnisses oder Ereignisses, denn der Mensch ist bewegungs- und er­leb­nisori­en­tiert. Bewegungen und Erlebnisse sind neben dem Tasten wesentliche Elemente der Haptik. Im Alltag zeigt sich das in dem bekannten System von Belohnung (Süßigkeit, Anerkennung) und Strafe (Klaps, Missachtung).

„Wenn Sie davon ausgehen, dass Ihr Kunde begreift, was er braucht, dann ist Verkaufen gleich Wissens- bzw. In­for­ma­tionsver­mit­tlung.“

Der haptische Aspekt gilt in hohem Maß auch für Kaufentschei­dun­gen. Gefühlte In­for­ma­tio­nen sind subjektiv immer wahr. Diese Erkenntnis gilt nicht nur für die Verpackung einer Ware und deren geschickte Präsentation, die zu dem berühmten Impulskauf führen. Wenn Sie einen Kunden oder Mitarbeiter mit haptischen Methoden packen können, kommen Sie schneller und direkter mit ihm ins Gespräch und an Ihr Ziel. Es beginnt mit dem ersten haptisch wahrnehm­baren Faktor, der Körpersprache.

Der erste Eindruck ist immer der bleibende

Die erste starke, hoffentlich positive Emotion, die Sie bei einem Kunden auslösen können, ist mit der Wahrnehmung Ihrer Person verbunden. Sie sollten Kompetenz und Sympathie, Offenheit und Anteilnahme ausstrahlen. Der Kunde kauft immer auch den Verkäufer. Machen Sie ihm die Begegnung mit Ihnen also angenehm. Das gilt übrigens auch für Ihren Umgang mit Mi­tar­beit­ern und Kollegen.

  • Achten Sie schon bei der Begrüßung auf Ihre Körpersprache: Halten Sie den Au­genkon­takt, vor allem zum linken Auge, dem Gefühlsauge. Wahren Sie außerdem die richtige Distanz – dies ist eine Frage des Fin­ger­spitzengefühls.
  • Achten Sie auf die Sitzordnung: Begleiten Sie Ihren Kunden oder Gesprächspartner einladend zu einem Be­sprechungstisch und setzen Sie sich übereck oder nebeneinan­der – aber nicht gegenüber, und schon gar nicht so, dass Sie hinter einem Schreibtisch thronen. Den anderen durch leichte Berührung zu leiten, schafft Vertrauen. Öffnen Sie ver­schlossene Menschen, indem Sie ihnen etwas überreichen: einen Schreib­block oder einen Kugelschreiber für Notizen, eine Vis­itenkarte, Kaffee oder Wasser, das Sie ihm einschenken, Plätzchen oder Obst. Alle diese Gesten sind bewegungs- oder er­leb­nisori­en­tiert.
  • Eine angenehme Umgebung ist ebenfalls wichtig: Gestalten Sie Ihr Büro, Ihren Be­sprechungs- oder Verkauf­s­raum nicht grau in grau und kalt, sondern so, dass sich der Kunde wohlfühlt. Blumen, Pflanzen, farbige Bilder, Teppiche oder besondere Möbel sprechen alle Sinne an.
  • Beachten Sie auch die Körpersprache Ihres Gegenübers: Nimmt ein Gesprächspartner z. B. ein Schreibgerät zur Hand, ist er aktiv und eher bereit, auf Ihre Vorschläge einzugehen; legt er es weg, ist er passiv. Dann sollten Sie ihn mit einem neuen Reiz aktivieren.

Haptische Gesprächsführung

Was will und braucht der Kunde? So lautet die Grundfrage jedes Verkauf­s­ge­sprächs. Am Anfang steht die Be­darf­ser­mit­tlung. Dazu verwenden Sie die klassischen W-Fragen. Beim haptischen Gespräch machen Sie darüber hinaus vom bereits erwähnten Schreib­block Gebrauch und animieren den Gesprächspartner, sich auch Notizen zu machen. Ein niedergeschriebenes Argument wiegt mehr als drei nur gehörte, vor allem wenn es, wie etwa im Fi­nanzbere­ich, um komplexe, erklärungsbedürftige Produkte geht. Halten Sie einen Taschen­rech­ner bereit und verfahren Sie damit ähnlich, indem Sie den Gesprächspartner wohldurch­dachte Rechen­beispiele selbst eingeben und durchführen lassen.

„Auch das Riechen und Schmecken sind körperliche Wahrnehmungen und haben darum sehr viel mehr mit Haptik zu tun, als bisher angenommen.“

Überreichen Sie weitere Unterlagen wie Flyer, Prospekte oder – was besonders glaubwürdig ist – Zeitungsauss­chnitte und lassen Sie den Kunden diese selbst halten und ggf. au­seinan­der­fal­ten. So unterstützen Sie seine aktive Bewegung. Das beginnt schon bei der Vis­itenkarte aus hochw­er­tigem Material und mit Prägedruck. Bringen Sie ferner haptische Verkauf­shil­fen zum Einsatz. Das sind drei­di­men­sion­ale Gegenstände wie beispiel­sweise der „Vor­sorge­baum“, ein einfaches Puzzle, das sich zu einem Baum zusam­men­stecken lässt und das Al­tersvor­sorgesys­tem ve­r­an­schaulicht. Touch­screens sind ein neuer Trend, den Sie ebenfalls nutzen sollten.

„Die Information muss besonders sein, besonders intensiv und besonders ein­drucksvoll, die Information muss einen Er­re­gungswert haben.“

Bereits die W-Fragen veranlassen den Kunden, etwas über sich mitzuteilen. Er wird aktiv. Haken Sie immer nach, sobald er Interesse äußert. Sie können in einem solchen Fall z. B. mit hy­po­thetis­chen Fragen und Annahmen weit­er­fahren („Nehmen wir an, dass …“, „Gesetzt den Fall …“). Dadurch regen Sie die Fantasie des Kunden an, setzen seine Gedanken in Bewegung und bringen ihn unauffällig zur aktiven Mitarbeit. Lassen Sie den Kunden erleben, welchen Genuss und welche Vorteile er durch den Kauf Ihres Produktes haben wird. Bedienen Sie sich einer bildhaften, an­schaulichen Sprache mit treffenden Re­dewen­dun­gen und Vergleichen wie den folgenden:

  • Alles unter einen Hut bringen.
  • Auf Herz und Nieren prüfen.
  • Auf Sand gebaut.
  • Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied.
  • Doppelt genäht hält besser.
  • Das ist der Mercedes unter unseren Vor­sorge­mod­ellen.

Haptisches Marketing

Alles, was den Kunden zum Mitmachen einlädt, was er anfassen kann und was seine Sinne reizt, fällt unter haptisches Marketing. Das beinhaltet die Besich­ti­gung einer Fer­ti­gungsstraße in einem Autowerk ebenso wie das feierlich inszenierte Abholen eines Neuwagens oder der Kochkurs in einem No­bel­restau­rant. Die mit Re­lief­schriftzug gestaltete Veltins-Flasche oder die Nivea-Dose gehören ebenso dazu wie ergonomisch gestaltete Griffe, Beleuch­tungsef­fekte usw.

„Lieber ein Gedanke auf dem Papier als drei im Kopf.“

Eine besondere Form der haptischen Pro­duk­t­gestal­tung besteht im Einsatz von Duftstoffen in Reinigungs- und Nahrungsmit­teln. Mit dem Duft röstfrischen Kaffees wird gern geworben, weil er so viele positive As­sozi­a­tio­nen weckt. Beinahe überflüssig zu sagen, dass Sie als Verkäufer schlechte (Körper-)Gerüche vermeiden sollten, einschließlich Tabak und übermäßigem Deo. Die Nase ist auf elementare Weise mit dem Gehirn verbunden. Die Redensart „Den kann ich nicht riechen“ kommt nicht von ungefähr.

Haptische Verkauf­shil­fen

Besonders schwierig und nicht auf den ersten Blick haptisch zu verkaufen sind die Produkte der Finanz- und Ver­sicherungs­branche. Hier könnten Sie im Gespräch mit einem noch relativ jungen Kunden einen einfachen Zollstock mit 100 Zentimetern verwenden, um anschaulich zu machen, wie viele Ruh­e­s­tand­s­jahre vor ihm liegen, die er während seiner Er­werb­s­jahre absichern muss. Mit beschrifteten Domi­nos­teinen können Sie zeigen, was passiert, wenn eine Grund­sicherung, wie etwa die Berufsunfähigkeitsver­sicherung, fehlt.

„Je bildhafter der Verkäufer spricht, umso schneller wird der Kunde überzeugt, weil die In­for­ma­tio­nen über die rechte Gehirnhälfte direkt ins Langzeitgedächtnis des Kunden gelangen und dort als richtig erkannt werden.“

Speziell für die umfassende Fi­nanzber­atung entwickelt wurde der „Häppi“. Das ist eine stilisierte menschliche Gestalt ähnlich der Mensch-ärg­ere-dich-nicht-Figur, allerdings ist ihre Standfläche nicht gerade, sondern leicht gewölbt, sodass die Figur umfällt, wenn sie nicht gestützt wird. Ein System von zusam­men­steck­baren Klötzchen gibt ihr den notwendigen Halt. Je mehr Klötzchen, sprich: je mehr Ver­sicherungs- und Sparverträge, desto mehr Halt hat der Häppi. Das ist eine er­fol­gre­iche Variante haptischen Verkaufens in der Ver­trieb­spraxis.

Haptisches Mi­tar­beit­er­train­ing

Learning by Doing wie in der handw­erk­lichen Lehrlingsaus­bil­dung ist unter haptischen Gesicht­spunk­ten die beste Lernmethode. Autofahren zu lernen etwa würde sehr lange dauern, wenn man es nur mit Textbuch, Vortrag und Bildern begreifbar machen wollte. Die für die Wis­sensver­mit­tlung manchmal aber doch benötigten Unterlagen lassen sich als praktische Lernkarten optimieren. Auf der Vorderseite könnte z. B. die Frage stehen, was in einer bestimmten Gesprächssi­t­u­a­tion zu tun sei, und auf der Rückseite die Antwort; der Trainee wird angeregt, erst selbst nach der Lösung zu suchen, ehe er die Karte wendet. So lernt man wortwörtlich „im Han­dum­drehen“. Auch Rol­len­spiele auf Seminaren und interaktive Com­puter-Lern­pro­gramme sind eine Form des haptischen Lernens.

„In dem Moment, in dem Sie irgendeinen Gegenstand auf den Tisch stellen, schaut der Kunde un­weiger­lich hin und reagiert spontan mit Neugier.“

Wenn es darum geht, gegen­seit­iges Vertrauen zu entwickeln, nützen Firmen und andere Or­gan­i­sa­tio­nen Outdoor- und Sur­vival­train­ings, um ggf. persönliche Vorurteile zwischen Mi­tar­beit­ern abzubauen und das Gemein­schafts­gefühl zu wecken: Wir sitzen alle im gleichen Boot und sind aufeinander angewiesen.

„Der Mensch ist so veranlagt, dass allein das Anfassen einen Be­sitzwun­sch bei ihm auslöst.“

Für das Mi­tar­beit­erge­spräch gelten dieselben Grundregeln wie für das haptische Kundengespräch: Achten Sie auf Ihre Körpersprache, eine angenehme Umgebung, die Atmosphäre usw. Auch hier lassen sich haptische Gesprächshilfen einsetzen, wie etwa eine Zielpyra­mide, die der Mitarbeiter selbst zusam­mensetzt oder zusam­men­steckt, damit ihm das Zusam­men­spiel der einzelnen Teile und sein eigener Beitrag zum Erreichen des Un­ternehmen­sziels deutlich werden.

Über den Autor

Karl Werner Schmitz sammelte Erfahrung als Makler für Ver­sicherun­gen und Fi­nanz­di­en­stleis­tun­gen und arbeitet heute als Un­ternehmens­ber­ater, Trainer und Coach für die Fi­nanzbranche, mittelständische Unternehmen ver­schiedener Bereiche und Verbände. Er entwickelte eine ganze Reihe haptischer Verkauf­shil­fen, die teilweise patentiert sind.