Googles kleines Weißbuch

Buch Googles kleines Weißbuch

Die Managementstrategien der wertvollsten Marke der Welt

FinanzBuch,


Rezension

Google ist mehr als eine Such­mas­chine. Google kon­trol­liert quasi das Internet, fo­tografiert die Welt und stellt Literatur kostenlos zur Verfügung. Mit seinen gi­gan­tis­chen Projekten, in denen Aspekte wie Urhe­ber­recht oder Datenschutz ziemlich unbekümmert behandelt werden, gerät das Unternehmen immer wieder in die Schlagzeilen. Zugleich ist Google ein Meister der Geheimniskrämerei, der seine Projekte gern so lange verschweigt, bis die Öffentlichkeit vor vollendeten Tatsachen steht. Was geschieht eigentlich hinter den Kulissen von Google? Wer sind die Gründer Larry Page und Sergei Brin? Welche Strategie steht hinter ihrem unglaublichen Erfolg? Der Journalist Richard L. Brandt sucht Antworten auf diese Fragen, schildert die Entwicklung des Un­ternehmens und analysiert dessen Denkweise. Auch wenn die deutsche Übersetzung eher unbeholfen ist: Das Buch ist ken­nt­nis­re­ich und informativ – allerdings auch ziemlich unkritisch. BooksInShort empfiehlt es allen Managern, die von Google lernen möchten, und allen Lesern, die einen Blick hinter die Fassade des Giganten werfen wollen.

Take-aways

  • Der In­ter­net­gi­gant Google wurde 1998 von den beiden jungen In­for­matik­ern Larry Page und Sergei Brin gegründet.
  • Beide hatten keinerlei un­ternehmerische Erfahrung und gingen sehr un­kon­ven­tionell vor.
  • Im Gegensatz zu anderen Such­maschi­nen sind die Google-Web­seiten sehr schlicht und übersichtlich gestaltet.
  • Google war der erste Anbieter, der Anzeigen per­son­al­isierte.
  • Das Unternehmen will seine Nutzer nicht täuschen, deshalb sind Anzeigen immer als solche gekennze­ich­net.
  • Google bietet seinen Mi­tar­beit­ern viele Vergünstigungen, erwartet aber auch entsprechen­des Engagement.
  • Die Mitarbeiter können 20 % ihrer Arbeitszeit für eigene Projekte verwenden und Neues entwickeln.
  • Mit der Dig­i­tal­isierung von Büchern verfolgen Page und Brin das Ziel, möglichst alle Literatur über das Internet verfügbar zu machen.
  • Wegen der umfassenden Speicherung von Nutzerdaten ist Google in die Kritik geraten.
  • Auch die Bere­itschaft des Un­ternehmens, in China aktiv zu werden und sich der chi­ne­sis­chen Zensur zu unterwerfen, stieß auf Kritik.
 

Zusammenfassung

Der böse Riese

Google wurde 1998 von Larry Page und Sergei Brin gegründet. Damals hieß die wichtigste Such­mas­chine noch Yahoo, und es gab keinen Grund anzunehmen, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern könnte. Entsprechend sagte man dem Unternehmen Google keine große Zukunft voraus. Inzwischen aber ist Yahoo fast in der Be­deu­tungslosigkeit ver­schwun­den, und Google beherrscht den Markt. Denn im Unterschied zu anderen Anbietern von Such­maschi­nen setzten Page und Brin nicht auf altbewährte Konzepte, sondern en­twick­el­ten völlig neue Lösungen für das Medium Internet – ein Ansatz, der sich als äußerst erfolgreich erwies.

„Larry Page und Sergei Brin haben nicht das Internet erfunden. Doch wenn ir­gend­je­mand die Seele des Chef­bib­lio­thekars der Welt repräsentiert, dann ist es das gescheite Duo aus Larry und Sergei.“

Heute hat Google eine Menge Feinde und gilt vielen sogar als gefährlich. Denn Google sammelt eine Unmenge von Daten über seine Nutzer, bietet um­fan­gre­iche Software an und droht damit ein ähnlicher Monopolist zu werden wie einst Microsoft. Aber Google ist vor allem deshalb so unbeliebt, weil das Unternehmen die Regeln der Branche auf den Kopf gestellt und neue Geschäftsstrate­gien entwickelt hat, die perfekt zum In­ter­net­zeital­ter passen. So etwas stößt un­weiger­lich auf Ablehnung. Dieser Protest ist natürlich zwecklos: Das Internet ist das Medium der Zukunft, und die neuen Möglichkeiten, die es bietet, kann man nicht einfach ignorieren.

Die Menschen hinter dem Unternehmen

Larry Page und Sergei Brin stammen beide aus kämpferisch geprägten Familien. Pages Vorfahren waren Gew­erkschaftsmit­glieder in den USA. Brin wurde 1973 noch im kom­mu­nis­tis­chen Russland geboren. Da sein Vater als Jude in der Sowjetunion unter Re­pres­salien zu leiden hatte und in seiner wis­senschaftlichen Laufbahn behindert wurde, emigrierten die Brins 1978 in die USA. Dort musste die Familie unter beschei­de­nen Bedingungen noch einmal von vorne anfangen.

„Zu sagen, Larry und Sergei trafen den geschäftlichen Nerv ihrer Zeit, wäre die größte Un­tertrei­bung des 21. Jahrhun­derts.“

Beide, Page und Brin, geben sich gern als Weltverbesserer und haben keine Angst davor, völlig neue Wege auszupro­bieren. Auch die Such­mas­chine Google sollte die Welt ein bisschen besser machen, indem sie allen einen einfachen Zugriff auf die gi­gan­tis­chen In­for­ma­tion­s­men­gen des Internets ermöglichte. Page und Brin hatten schon von klein auf mit Informatik bzw. Mathematik zu tun: Larrys Eltern waren In­for­matiker der ersten Stunde, Sergeis Vater ist Professor für Mathematik, und auch der Sohn erwies sich schon früh als math­e­ma­tis­ches Genie. Trotz ihres Erfolgs mit Google gelten Page und Brin als eher exzentrisch und zurückgezogen.

Eine Entwicklung, die keiner will

Die beiden Google-Gründer kamen eher zufällig – durch ihre Dis­ser­ta­tion­spro­jekte – auf das Thema Such­maschi­nen. Eines Tages hatte Page eine geniale Idee, die für Google bestimmend wurde: die Wichtigkeit einer Website danach zu bestimmen, wie viele andere Websites auf sie verlinken. Die Pro­gram­mier­ar­beit für diesen Ansatz war aus­ge­sprochen kompliziert, aber er funk­tion­ierte und führte zu Suchergeb­nis­sen, die besser waren als alles, was man bis dahin kannte. Doch noch war es ein weiter Weg bis zum Un­ternehmen­sriesen Google. Ursprünglich waren Page und Brin fest davon überzeugt, dass eine Such­mas­chine nicht kommerziell betrieben werden sollte. Dann versuchten sie, ihre Entwicklung an einschlägige Unternehmen zu verkaufen, doch niemand zeigte wirkliches Interesse. So freundeten sie sich schließlich mit der Idee an, die Entwicklung selbst zu vermarkten. Der Name Google leitet sich übrigens von Googol ab, der Bezeichnung für die Zahl 10100.

Die Anfänge

Page und Brin starteten ihr Unternehmen bescheiden in einer Wohnung. Unbeirrbar glaubten sie daran, mit der Such­mas­chine Google etwas Wichtiges entwickelt zu haben, auf das die Welt schon lange wartete. Ihr Eifer und Idealismus waren eine wichtige Grundlage für ihren Erfolg, umso mehr, als sie keinerlei un­ternehmerische Erfahrung hatten. Das erwies sich letztlich als Vorteil, denn statt sich an gängige Regeln zu halten, gingen sie eigene Wege – und waren damit erfolgreich. Andere Such­maschi­nen überfrachteten ihre Seiten mit In­for­ma­tio­nen, Werbung und grafischen Elementen. Die gängige Meinung lautete damals, dass man die Nutzer möglichst lange auf der Seite festhalten müsse.

„Googles Erfolg führte unauswe­ich­lich dazu, dass es zu dem um­strit­ten­sten Unternehmen überhaupt wurde.“

Die Gründer von Google wählten aber einen ganz anderen Weg: Von Anfang an war die Google-Start­seite sehr einfach gestaltet und auf das Wesentliche reduziert: das Eingabefeld. Ähnlich schlicht und übersichtlich präsentierten sich die Ergeb­nis­seiten, ja sogar die Wer­beanzeigen. Ein Ansatz, der die ehernen Gesetze der Branche auf den Kopf stellte. Gegen alle un­ternehmerische Vernunft verzichtete Google auch von Anfang an auf teure Wer­bekam­pag­nen und setzte stattdessen auf Mund­pro­pa­ganda. Die frohe Botschaft von der neuen, besseren Such­mas­chine verbreitete sich rasch.

Ein neues Fi­nanzierungsmod­ell

Die beiden Gründer wollten ihren Suchdienst durch Anzeigen­wer­bung finanzieren. Doch anders als die Konkurrenz lehnten sie es ab, die Anzeigen einfach unauffällig unter die Suchergeb­nisse zu mischen. Sie wollten die Nutzer nicht hinters Licht führen, sondern aufrichtig sein. Darüber hinaus hatten sie den ehrgeizigen Plan, dem Nutzer noch mehr zu bieten: Es sollten nur Anzeigen erscheinen, die für den Suchenden auch wirklich interessant waren, die also zu seiner Suchanfrage passten. Das war ein revolutionärer Ansatz, der nicht ganz leicht zu realisieren war. Als das Anzeigengeschäft lief, kamen die Gründer auf die Idee, Anzeigen­platz nicht einfach zu verkaufen, sondern ihn zu versteigern. Das erwies sich nochmals als sehr profitabel. Als die Konkurrenz endlich mit ähnlichen Systemen nachzog, war es für sie schon zu spät – Google hatte bei In­ter­net­nutzern und Anzeigenkun­den gewonnen und hat inzwischen eine Vor­ma­cht­stel­lung errungen, die die Auf­sichts­behörden immer wieder einmal mis­strauisch werden lässt.

Die Fir­menkul­tur

Google ist berühmt für die großzügigen Vergünstigungen, die es seinen Mi­tar­beit­ern gewährt. Verpflegung, Massagen, ärztliche Betreuung – alles ist kostenlos. Doch diese Großzügigkeit kommt nicht von ungefähr. Wer im Betrieb jederzeit umsonst zu essen bekommt, macht kürzere Mit­tagspausen, und wenn der Arzt Bürobesuche macht, spart das ebenfalls Zeit. So können die Mitarbeiter länger im Unternehmen bleiben – und arbeiten. Arbeitstage von bis zu zwölf Stunden, sechs Tage in der Woche, waren und sind keine Seltenheit.

„Die geheimnisvolle Aura, die Google und besonders seine Gründer ständig umgibt, ist ein riesiges Problem, wahrschein­lich das größte, das ein Unternehmen, das stark vom Vertrauen der Nutzer in seine Angebote abhängt, haben kann.“

Erst als 2008 die Wirtschaft­skrise einsetzte, stellte auch Google seine Vergünstigungen auf den Prüfstand. Neue Mitarbeiter wählen die Chefs von Google sehr sorgfältig aus. Sie bevorzugen junge Menschen, am besten solche, die gerade die Universität abgeschlossen haben. Diese Mitarbeiter sind belastbar und noch voller Ideale und somit auch am ehesten bereit, überlange Ar­beit­szeiten zu akzeptieren. Außerdem haben sie in der Regel keine Vergleichsmöglichkeiten, was die Ar­beit­skul­tur anderer Unternehmen betrifft.

Gut oder böse?

Die Gründer von Google haben sich und ihr Unternehmen zu ethischem Verhalten verpflichtet – „Don’t be evil“ lautet einer ihrer Leitsätze. Doch das heißt nicht, dass die Firma zu allen immer nett ist. Vielmehr bedeutet der Grundsatz, dass sie ihre Nutzer nicht täuschen will, z. B. indem sie Anzeigen als Suchergeb­nisse tarnt. Doch in der Öffentlichkeit wurde das Motto als Verpflich­tung zu umfassendem ethisch korrektem Handeln verstanden.

„Google ist eine Ideen­mas­chine.“

Da das Unternehmen häufig daran gemessen wird, gerät es bei fragwürdigen Entschei­dun­gen in die Kritik, z. B. bei dem Entschluss, eine eigene Website in China zu starten und sich damit der chi­ne­sis­chen Zensur zu unterwerfen. Für die Ve­r­ant­wortlichen im Unternehmen war dies keine einfache Entschei­dung, doch China ist ein großer Markt. Let­z­tendlich versuchte man, diesen Schritt auch ethisch zu begründen: Wenn Suchergeb­nisse von der Zensur gesperrt werden, bringt Google auf der Ergeb­nis­seite einen entsprechen­den Hinweis. Auf diese Weise erfahren die Betroffenen wenigstens, dass es Inhalte gibt, auf die sie nicht zugreifen dürfen. Inzwischen ist diese Vorge­hensweise auch für andere Such­maschi­nen in China zum Standard geworden.

Und der Datenschutz?

Google sammelt alle möglichen Daten über seine Nutzer, etwa eingegebene Such­be­griffe oder angeklickte Seiten. Begründet wird das mit Vorteilen für den Nutzer: Anzeigen beispiel­sweise können persönlich auf ihn zugeschnit­ten werden. Eine andere Begründung: Google braucht die Daten, um Angriffe von außen besser abwehren zu können und so auf lange Sicht die Sicherheit des Un­ternehmens zu gewährleisten. Zugleich beteuern die Ve­r­ant­wortlichen bei Google immer wieder, wie sehr ihnen der Datenschutz am Herzen liege. Dennoch ruft die ungehemmte Daten­samm­lung Datenschützer und besorgte Nutzer auf den Plan. Selbst wenn Google mit den Daten ve­r­ant­wor­tungs­be­wusst umgeht, könnten sie von Hackern missbraucht oder von Behörden einge­fordert werden. Auf öffentlichen Druck hin hat Google inzwischen die Auf­be­wahrungs­frist der Nutzerdaten auf neun Monate reduziert. Dem schlechten Image des Un­ternehmens in Sachen Datenschutz hat das bisher allerdings nicht viel genutzt.

Die größte Bibliothek der Welt

Schon zu Universitätszeiten hatten Page und Brin den Traum, alle Bücher der Welt über das Internet öffentlich verfügbar zu machen – ähnlich wie in der Antike versucht wurde, in der Bibliothek von Alexandria alle verfügbaren Schriften jener Zeit zu sammeln und aufzube­wahren. Nachdem Google als Unternehmen etabliert war, begannen Page und Brin mit der Umsetzung ihrer Vision, Bücher zu dig­i­tal­isieren und im Internet bere­itzustellen. Um dieses gigantische Projekt zu ermöglichen, en­twick­el­ten sie Geräte, die Bücher automatisch umblättern und einscannen können. Bei alten Texten war die Publikation im Internet kein Problem, bei neueren dagegen geriet man mit dem Urhe­ber­recht in Konflikt.

„Google streitet grundsätzlich so lange alle Gerüchte ab, bis es ein neues Produkt vorstellt.“

Schließlich handelte Google mit den Verlegern einen Kompromiss aus: Gegen Geldzahlun­gen hat das Unternehmen nun das Recht, alle Bücher zu dig­i­tal­isieren, die im Handel nicht mehr erhältlich sind. Doch auch ganz abgesehen von Googles Projekt untergraben Computer und Internet das bisherige Urhe­ber­recht immer weiter, weil sie es ermöglichen, Texte in kürzester Zeit massenhaft zu kopieren und weltweit zu verschicken. Auf lange Sicht werden sich Autoren und Verleger diesem Wandel anpassen müssen.

Wo sind die Grenzen?

Google sieht den Schwerpunkt seiner Tätigkeit noch immer bei der In­ter­net­suche, obwohl die Realität längst eine ganz andere ist. In­no­va­tio­nen spielen eine große Rolle. Von Anfang an hatten die Mitarbeiter die Möglichkeit, 20 % ihrer Arbeitszeit für eigene Projekte zu reservieren. So konnten sie Neues aus­pro­bieren und innovative Ideen entwickeln. Nach und nach haben diese neuen Ideen Googles Ange­botsspek­trum wesentlich erweitert. Google ist längst keine bloße Such­mas­chine mehr, sondern bietet zahlreiche Dienste an, vom E-Mail-Ver­sand über die Speicherung von Dateien bis hin zu Diensten wie Google Maps und Google Earth.

„Google ist noch immer ein lausiger Lobbyist und tut sich sehr schwer damit, Verbündete zu gewinnen.“

Auch auf den Trend Cloud Computing wird Google wohl aufspringen: die Möglichkeit, Software und Dateien nicht mehr auf dem eigenen PC zu speichern, sondern im Internet zu mieten. So hat man immer aktuelle Software zur Verfügung, spart das Geld für die Anschaffung, und die Dateien sind optimal vor einem Ausfall geschützt. Gewöhnlich lässt Google sich nicht in die Karten schauen und dementiert Gerüchte über neue Anwendungen so lange, bis das Produkt fertig ist. Doch es gibt Hinweise darauf, dass Cloud Computing das nächste große Ziel ist. Dies wäre ein schwerer Schlag gegen den Haup­tkonkur­renten Microsoft. Microsoft hat von Anfang an auf einzelne Computer mit eigener Software gesetzt und tut sich nun schwer damit, seine alten Konzepte aufzugeben.

Über den Autor

Richard L. Brandt studierte Mathematik, Informatik und Biologie und ist als Wis­senschafts- und Wirtschaft­sjour­nal­ist tätig. Lange Zeit war er Tech­nolo­gieko­r­re­spon­dent bei Busi­ness­week. Brandt berät Start-up-Un­ternehmen und ist Autor eines Blogs zu Wirtschaft­s­the­men.