Das emotionale Unternehmen

Buch Das emotionale Unternehmen

Mental starke Oganisationen entwickeln. Emotionale Viren aufspüren und behandeln

Gabler,


Rezension

Angesichts der zahlreichen be­trieb­swirtschaftlichen Theorien übersieht man gern die größte Selbstverständlichkeit: Das Fundament eines jeden Un­ternehmens besteht aus Menschen. Und diese reagieren nun mal nicht wie Computer oder Maschinen, sondern unterliegen Gefühlen wie Ärger, Frustration oder Begeis­terung. Jochen Peter Breuer und Pierre Frot gehen noch einen Schritt weiter und behaupten: Or­gan­i­sa­tio­nen als Ganzes reagieren genau wie einzelne Menschen emotional. Im Zentrum des Buches stehen so genannte emotionale Viren, eine Metapher, die für meist schädliche gefühlsmäßige Haltungen innerhalb von Or­gan­i­sa­tio­nen steht. Breuer und Frot legen dar, wie diese speziellen Krankheit­ser­reger sich verbreiten, wie man sie aufspürt, sie behandelt und ihnen vorbeugt. Dabei greifen sie sowohl auf ihre eigenen langjährigen Erfahrungen als Berater als auch auf wis­senschaftliche Un­ter­suchun­gen zurück. Aufge­lock­ert wird die Lektüre durch den kon­tinuier­lichen Wechsel zwischen Erklärungen, Hin­ter­grund­wis­sen und Prax­is­beispie­len. BooksInShort empfiehlt dieses ansprechend aufgemachte Handbuch Führungskräften und Beratern, die lernen möchten, wie sie sys­tem­a­tisch und pro­fes­sionell mit Grup­pen­emo­tio­nen umgehen.

Take-aways

  • Die Wirkung von Emotionen im Unternehmen wird stark unterschätzt.
  • Gute wie schlechte Gefühle können ansteckend sein – wie Viren.
  • Negative Emotionen kreisen meist um die Themen Macht, Werte und Ängste.
  • Metaphern bestimmen unser Denken und Handeln. Über sie können Sie Emotionen direkt ansprechen.
  • Spüren Sie emotionale Viren möglichst im Frühstadium auf.
  • Erfassen Sie mittels spezieller Ratings die Emotionen Ihrer Mitarbeiter.
  • Machen Sie Ihr Unternehmen mental stark und wider­standsfähig, indem Sie vo­rauss­chauend handeln und emotionale Viren the­ma­tisieren.
  • Manche Viren hängen zusammen und müssen deshalb gemeinsam bekämpft werden.
  • Fördern Sie die kollektive Intelligenz in Ihrem Unternehmen.
  • Das Bewusstsein für Emotionen wird in Zukunft weiter wachsen.
 

Zusammenfassung

Emotionen – der unterschätzte Faktor

Das hohe Ansehen des Verstandes und die gle­ichzeit­ige Geringschätzung der Gefühle haben eine lange Tradition: Philosophen von Seneca bis Kant haben die Vernunft als diejenige Eigenschaft des Menschen angesehen, die ihn über die Lei­den­schaften erhebt. In der Justiz wird Sach­lichkeit zum Ideal erhoben. Und aufgrund der geschichtlichen Ereignisse im 20. Jahrhundert haben sich vor allem die Deutschen eine „Nie wieder“-Haltung in Bezug auf emotionale Bee­in­flus­sung auferlegt. Daher trainiert das Erziehungssys­tem vorwiegend das rationale und logische Denken. Gefühle werden allenfalls im Pri­vat­bere­ich ausgelebt. Da die klassische Be­trieb­swirtschaft­slehre Or­gan­i­sa­tio­nen auf ihr rationales Funk­tion­ieren sowie ihre Effizienz und Effektivität reduziert, ist es nicht ver­wun­der­lich, dass sich auch Manager im Umgang mit Emotionen schwertun.

„Unternehmen und Or­gan­i­sa­tio­nen haben, genau wie der einzelne Mensch, eine emotionale und eine mentale Dimension, deren Zustand über Erfolg oder Misserfolg von Fusionen und Change-Ini­tia­tiven entscheidet.“

Doch nicht die bloße Wahrnehmung der Realität, sondern vor allem die Emotion, die wir dabei empfinden, regt uns zum Handeln an. Schlechte Gefühle können Stress hervorrufen und unser Handeln blockieren. Werden Emotionen unterdrückt, so stauen sie sich an. Es kann zur plötzlichen Entladung kommen oder auch zu einer schle­ichen­den, zunehmenden Lust­losigkeit. Beide En­twick­lun­gen treten nicht nur bei einzelnen Personen auf, sondern aufgrund enger Ver­net­zun­gen auch in Gruppen.

Die emotionalen Viren

Emotionen sind ansteckend – wie Viren. Dies bestätigt die Entdeckung der so genannten Spiegel­neu­rone im men­schlichen Hirn, die das Einfühlen in andere Menschen erleichtern. Prob­lema­tisch im Unternehmen sind die negativen emotionalen Viren. Sie beziehen sich am häufigsten auf folgende Prob­lem­bere­iche:

  1. Machtkon­flikte: Diese treten überall da auf, wo ver­schiedene Interessen und Einflüsse aufeinan­der­prallen, besonders natürlich bei Un­ternehmensfu­sio­nen. Sie können sich subtil oder aggressiv äußern. Oft hilft die Anregung zu einem Per­spek­tiven­wech­sel, eine stärkere persönliche Vernetzung oder eine Angleichung des An­reizsys­tems.
  2. Wertekon­flikte: Nicht nur, wenn wie bei Fusionen mehrere Kulturen aufeinan­dertr­e­f­fen, sondern auch, wenn beispiel­sweise staatliche Unternehmen pri­vatisiert werden, kommt es zur Kollision un­ter­schiedlicher Wertvorstel­lun­gen. Eine Wertean­gle­ichung ist ein sehr langsamer Prozess. Zunächst geht es um Wahrnehmung und Be­wusst­machung der ver­schiede­nen Ansichten und Normen.
  3. Ängste und Un­sicher­heit: Sie treten vor allem bei Veränderung­sprozessen auf und führen meist zu einer un­ter­schwelli­gen Ablehnung der geplanten Um­struk­turierun­gen sowie zu einer Lähmung des Engagements. Bieten Sie solchen emotionalen Au­seinan­der­set­zun­gen Raum, statt sich nur auf die zu lösenden Sachfragen zu beschränken.
„Im­ma­terielle Werte wie Leben­squalität, Spaß und persönliches Wachstum wurden bis zur Jahrtausendwende als reine Privatsache betrachtet.“

Wie bei Viren im men­schlichen Organismus können wir bei den emotionalen Viren drei Arten un­ter­schei­den: Die Viren sind entweder nur latent vorhanden, ohne dass die Krankheit aus­ge­brochen ist, sie sind in geringem Maße vorhanden oder sie haben sich bereits stark aus­ge­bre­itet. Je krisenanfälliger ein Unternehmen ist, desto schwerer tut es sich mit negativen Viren. Sie lassen sich kaum mit rationalen Mitteln angehen. Einige Methoden hingegen bewirken bei den betroffenen Mi­tar­beit­ern meist ein Gefühl der Er­le­ichterung oder eine positive Stimmung und regen zur weiteren Kom­mu­nika­tion an:

  • Malen: Lassen Sie in Workshops das Erleben der Zusam­me­nar­beit, der Konflikte und der Visionen von Ihren Mi­tar­beit­ern bildlich darstellen.
  • Humor: Mit Humor lassen sich Konflikte entschärfen und sogar tabuisierte Themen ansprechen. Setzen Sie diese Medizin aber einfühlsam ein.
  • Theater: Hier lassen sich auf dis­tanzierte und spielerische Weise Vorurteile, Konflikte und Prozesse the­ma­tisieren und wider­spiegeln.
  • Symbole: Sie wirken schnell und ersetzen viele Worte.

Metaphern als Sprache der Emotionen

Metaphern eignen sich besonders gut dazu, Emotionen anzus­prechen und zu bee­in­flussen. Sie prägen ohnehin unser Denken, unsere Realitätswahrnehmung und unsere daraus folgenden Handlungen. So macht es etwa einen gewaltigen Unterschied, ob Sie eine Or­gan­i­sa­tion als technisches und rationales Gefüge, als komplexes System nach der Chaos­the­o­rie oder als emotionalen Organismus beschreiben. Daher ist es sinnvoll, bildhaft zu kom­mu­nizieren. Diese Maßnahme verhindert Ab­wehrmech­a­nis­men und ermöglicht es, komplexe Zusammenhänge einfach und eingängig darzustellen.

Spüren Sie emotionale Viren auf und behandeln Sie sie

Fokussieren Sie Ihre Beobach­tun­gen im Unternehmen nicht auf Einzelper­so­nen, sondern auf ganze Gruppen. Befragen Sie aber dennoch regelmäßig einzelne Mitarbeiter zu deren Wahrnehmungen. Nachteil: Die Fragen sind oft geschlossen und sie sprechen vornehmlich den Verstand an. Empfehlenswerter ist deshalb die Arbeit mit dem so genannten Men­talmerger-Barom­e­ter: Auf einer matrixähnlichen Tabelle, die von oben nach unten und von links nach rechts diverse Be­w­er­tungsab­stu­fun­gen zulässt, soll jeder Mitarbeiter seine Einschätzung einer bestimmten Situation durch einen Punkt markieren, z. B. auf einem Flipchart oder auch anonym auf einem Zettel. Kom­men­tieren Sie die so zustande gekommenen Aussagen nicht und versuchen Sie auch nicht, sie zu entkräften, denn sie drücken ein emotionales Befinden aus und keinen Sachverhalt. Bitten Sie die Teilnehmer nun, drei bis fünf Gründe für ihre Bewertung zu nennen. Regen Sie sie dazu an, sich für ihre Wahrnehmung eine meta­phern­hafte Überschrift, die einer Schlagzeile aus einer Boule­vardzeitung ähneln darf, auszudenken.

„Emotionen sind der eigentliche Antrieb unseres Handelns.“

Vertiefen Sie die so gewonnenen Erken­nt­nisse durch Einzelin­ter­views. Fragen Sie nicht nur negative Aspekte und entsprechende Lösungsvorschläge ab, sondern ebenso Er­fol­gs­geschichten, um die Aufmerk­samkeit auch auf Positives zu lenken. Struk­turi­eren Sie die Ergebnisse nach Themen. Formulieren Sie Grun­daus­sagen und finden Sie tr­e­ff­sichere Bilder, um die emotionalen Empfind­un­gen zu vi­su­al­isieren. Es gibt zwei Varianten, wie Sie die Ergebnisse vermitteln können: In einer Pow­er­point-Präsentation zeigen Sie jeden emotionalen Virus zunächst als Vi­su­al­isierung, dann benennen Sie seine Ursachen und enden mit Aussagen oder Geschichten, die für ihn typisch sind. Oder aber Sie beziehen die Teilnehmer stärker mit ein, indem Sie sie in Gruppen aufteilen und ihnen nur die bildhafte Darstellung des Virus zeigen. Lassen Sie dann die einzelnen Gruppen selbst debattieren und resümieren.

„Negative Emotionen verursachen Stress und Frustration, die wiederum kon­trapro­duk­tives Ar­beitsver­hal­ten auslösen.“

Pri­or­isieren Sie anschließend die Viren und erörtern Sie Maßnahmen, um die negativen Viren zu entkräften und die positiven zu stärken. Oft hängen die ver­schiede­nen Viren zusammen, sodass es sinnvoll ist, einen Projektplan zu entwickeln, der aufzeigt, wie sie gemeinsam zu behandeln sind. Setzen Sie die gewonnenen Erken­nt­nisse möglichst rasch um, damit die positiven Er­wartung­shal­tun­gen der Mitarbeiter nicht in Frustration umschlagen.

Das mental starke Unternehmen

Behandeln Sie emotionale Viren in Or­gan­i­sa­tio­nen genauso wie negative Ein­stel­lun­gen bei Einzel­men­schen. Halten Sie sich immer wieder vor Augen, dass Emotionen zwar immateriell, aber dennoch real sind. Der Schlüssel zur er­fol­gre­ichen Therapie liegt im vo­rauss­chauen­den Handeln. Warten Sie nicht auf eine Krise, sondern beobachten Sie ständig die Stimmungen, the­ma­tisieren Sie belastende Viren und greifen Sie bereits im Frühstadium ein.

„Das Emotionale lässt sich nicht mit rationalen Mitteln erfassen und behandeln. Das limbische System muss ange­sprochen werden.“

Regen Sie Ihre Mitarbeiter zur Eigen­ver­ant­wor­tung an. Dadurch lernen sie, nicht Opfer, sondern Gestalter ihrer Umgebung zu sein. Das Top­man­age­ment darf sich in dieser Hinsicht nicht isolieren, sondern muss sich als Teil des gesamten Un­ternehmens betrachten. Es muss die kon­struk­tiven Werte vorleben und unterstützen. Meist spiegeln sich die Werte, Glaubens­grundsätze und Ver­hal­tensweisen, die in den Chefetagen vorherrschen, im ganzen Unternehmen wider.

„Frühwarn­sys­teme für kollektive Emotionen werden aus unserer Sicht in den nächsten Jahren genauso selbstverständlich werden wie es heute ‚Mar­ket­ingradare‘ und die Kennzahlen der fi­nanziellen Entwicklung sind.“

Gehen Sie Prob­lem­knoten­punkte gezielt an. Da un­ter­schiedliche Prob­lem­felder sowie die zugrunde liegenden Viren in der Regel miteinander vernetzt sind, lassen sich nach der Behandlung wichtiger Viren andere noch vorhandene Viren viel leichter handhaben. Begegnen Sie der Komplexität von Prob­lem­feldern bewusst mit vere­in­fachen­den Aussagen, auch um die betroffenen Schlüsselper­so­nen, die Sie in den Prozess einbeziehen sollten, nicht noch zusätzlich zu belasten.

Fördern Sie die kollektive Intelligenz in Ihrem Unternehmen

Schaffen Sie eine Ver­trauens­ba­sis und unterstützen Sie die Vernetzung Ihrer Mitarbeiter. Dadurch entstehen Sin­nge­mein­schaften und vertiefte Beziehungen. Die Intelligenz von Gruppen übersteigt die Summe der Intelligenz ihrer Mitglieder. Sie bildet sich in der Gruppe und ist effektiv auch nur in der Gruppe abruf- und nutzbar. Beispiele aus der Tierwelt kennt die Wis­senschaft zuhauf: Eine einzelne Biene vergisst den Futterplatz, den sie entdeckt hat, zwar nach wenigen Tagen, er bleibt aber im Kollek­tivgedächtnis des Bienenvolks gespeichert.

„Die Behandlung der emotionalen Viren eines Un­ternehmens hat eine befreiende und leis­tungssteigernde Wirkung, der sich auch skeptische Entschei­dungsträger nicht verschließen können.“

Viele Situationen sind heutzutage so vielschichtig, dass sie nur noch mit kollektiver Intelligenz gehandhabt werden können. Moderne Kom­mu­nika­tion­stech­nolo­gien wie das Internet sind der Ausbildung kollektiver Intelligenz dienlich. Ein wichtiges Er­fol­gskri­terium der kollektiven Intelligenz besteht in einer angemesse­nen Vielfalt der Teilnehmer: Ist die Gruppe sehr homogen, ist ihr Kreativitätspotenzial eingeschränkt. Ist die Vielfalt dagegen zu groß, wird das Kon­flik­trisiko erhöht und die Schaffung eines Grundverständnisses verhindert.

Per­spek­tiven

Die Anerkennung von Emotionen und emotionalen Viren im Unternehmen wird aus folgenden Gründen zunehmen:

  • Die Mitarbeiter, vor allem Führungskräfte, sehen sich immer weniger nur als Leistungsträger. Sie wollen sich vielmehr auch persönlich entwickeln und wünschen sich ein Klima, in dem sie sich wohlfühlen.
  • Infolge materieller Krisen sehen sich viele Unternehmen gezwungen, sich mit der im­ma­teriellen Realität, wozu Emotionen gehören, au­seinan­derzuset­zen.
  • Die komplexer werdenden Aufgaben und Sit­u­a­tion­szusam­menhänge in Unternehmen und Gesellschaft erfordern mentale Stärke und kollektive Intelligenz.
  • Die Wis­senschaft beschreibt immer dif­feren­zierter die ein­flussre­iche Rolle der Gefühle, gerade in der Entschei­dungs­find­ung.
  • Be­ratungs­ge­sellschaften beginnen ebenfalls, sich für dieses Thema zu öffnen. Eine Studie von McKinsey belegt, dass er­fol­gre­iche Unternehmen negative Emotionen besser handhaben und kon­struk­tive Emotionen fördern und verbreiten.

Über die Autoren

Jochen Peter Breuer gründete das Be­ratung­sun­ternehmen JPB Consulting in Paris und ist Geschäftsführer von human esteem to business enhancement (he2be) in Lausanne. Pierre Frot studierte Informatik und arbeitet als Un­ternehmens­ber­ater und Coach und repräsentiert he2be in München.