Gewinnen gegen die Größten

Buch Gewinnen gegen die Größten

Erfolgsformeln krisengeschützter Unternehmen

Gabler,


Rezension

Strate­gie­ex­perte Andrej Vizjak erläutert, wie Unternehmen im Konzen­tra­tionsprozess ihrer jeweiligen Branche wachsen können, und stellt dazu vier Gewin­ner­pro­file vor. Die klingen nicht schlecht: Welches Unternehmen wäre nicht gern ein „Industry Shark“ oder ein „In­ter­na­tional Champion“? Wer aber hofft, im Buch klar formulierte Tipps für den Sieg im Wettbewerb zu finden, wird enttäuscht. Der zahlen­lastige Text macht es dem Leser nicht leicht, handfeste Hinweise zu finden, wie ein Unternehmen tatsächlich gegen die Größten gewinnen kann. In erster Linie lernt man, welche Ausmaße, Or­gan­i­sa­tions­for­men oder Wach­s­tum­srich­tun­gen die vier Gewin­ner­typen haben. Am Ende sind die Profile bekannt, doch wie man dorthin kommt, bleibt unklar. Was das Buch dennoch interessant macht, sind die Un­ternehmens­beispiele; sie bringen Leben in das Zahlen-Fak­ten-Gerüst. BooksInShort empfiehlt es Wirtschaftswis­senschaftlern und strategisch denkenden Führungskräften.

Take-aways

  • Wer sich im Wettbewerb behaupten will, braucht Größe. Die entsteht heute weniger durch Wachstum als durch Akqui­si­tio­nen.
  • Der Prozess der In­dus­triekonzen­tra­tion gliedert sich in vier Phasen: Öffnung, Kumulation, Fokus sowie Balance und Alliance.
  • In einer sich konzen­tri­eren­den Industrie gilt für alle: wachsen oder verlieren.
  • Es gibt vier Typen von Gewin­nerun­ternehmen: Industry Sharks, Local Specialists, Regional Heros und In­ter­na­tional Champions.
  • Das enorme Wachstum der Industry Sharks ist auf den globalen Markt aus­gerichtet.
  • Ihre dezentrale Or­gan­i­sa­tion kann sie vor Un­flex­i­bilität bewahren.
  • Der Local Specialist wächst in regionalen Pro­duk­t­nis­chen und übernimmt dort die Führerschaft.
  • Seine ideale Or­gan­i­sa­tions­form sind zentral or­gan­isierte Funk­tion­sein­heiten in Lin­ien­struk­tur.
  • Der Regional Hero konzen­tri­ert sich auf regionale Nischen und di­ver­si­fiziert dort seine Produkte.
  • Der In­ter­na­tional Champion erzielt ein Um­satzwach­s­tum von rund 20 % im Jahr. Von seinen Mit­be­wer­bern dif­feren­ziert er sich meist durch Innovation.
 

Zusammenfassung

Globale In­dus­triekonzen­tra­tion

Organisches Wachstum genügt heute nicht mehr, wenn man sich im Wettbewerb behaupten und Krisen überstehen will. Nur durch Akqui­si­tio­nen erreichen Unternehmen die entschei­dende Größe, die sie immun macht.

Die 500 größten Unternehmen haben sich in der letzten und in vo­r­ange­gan­genen Krisen als stabiler erwiesen als kleinere Firmen. Mergers and Ac­qui­si­tions liegen im Trend: Der Wert solcher Transak­tio­nen war allein im Jahr 2007 so hoch wie der in den 80ern und in der ersten Hälfte der 90er. Durch Un­ternehmenskäufe konzen­tri­eren sich in vielen Industrien erhebliche Teile der Umsätze auf wenige große Unternehmen. Der Konzen­tra­tions­grad wird durch den CR3-Faktor abgebildet. Er sagt aus, wie hoch der Anteil der drei größten Unternehmen am weltweiten Umsatz der Industrie ist. Den höchsten Wert besitzt derzeit die Hal­blei­t­erindus­trie mit einem CR3 von 60 %.

Vier Phasen

Die meisten Konzen­tra­tionsprozesse ähneln sich und lassen sich in vier Phasen gliedern:

  1. In der Öff­nungsphase liegt der CR3 bei unter 20 %. Eine neue Industrie wird durch Un­ternehmens­ab­spal­tun­gen zunächst verbreitert. Erste Akqui­si­tio­nen sind zu beobachten.
  2. In der Ku­mu­la­tion­sphase steigt die Konzen­tra­tion auf bis zu 40 %. Pre­mi­umpreise für neue Produkte lassen sich nicht mehr erzielen. Kosten­ef­fizienz rückt in den Vordergrund. Unternehmen schließen sich zusammen und profitieren von Skalen­ef­fek­ten.
  3. In der Fokusphase wird ein CR3 von bis zu 70 % erreicht. Die Grenzen zwischen den Wet­tbe­wer­bern lösen sich auf. Namhafte Un­ternehmen­szusam­men­schlüsse lassen Industrieführer entstehen.
  4. Die letzte Phase ist die Bal­ance-und-Al­liance-Phase. Die In­dus­triekonzen­tra­tion steigt auf bis zu 80 %. Drei Un­ternehmen­sriesen kon­trol­lieren die Industrie. Aus Mangel an bezahlbaren Übernah­mekan­di­daten finden kaum noch Akqui­si­tio­nen statt. Stattdessen entstehen vereinzelt Ko­op­er­a­tio­nen und Allianzen. Nur zwei Arten von Unternehmen können in dieser Phase neben den globalen Industrieführern überleben: kleine lokale Akteure und globale Nischenführer. Diese Phase hat zurzeit allerdings noch keine Industrie erreicht.

Erfolgreich wachsen

Ob Industrie- oder Nischenführer, in einer sich konzen­tri­eren­den Industrie gilt: wachsen oder verlieren. Dabei gibt es sechs Er­fol­gs­fak­toren:

  1. Bestimmen Sie Ihr Größenprofil. Kleinere In­dus­triev­er­fol­ger besitzen beispiel­sweise weniger als 10 Milliarden Dollar Mark­tkap­i­tal­isierung, sind aber nicht unter den drei umsatzstärksten Unternehmen. Kleinere Industrieführer gehören dagegen zu den drei Um­satzriesen, weisen aber ebenfalls eine geringere Mark­tkap­i­tal­isierung als 10 Milliarden Dollar auf.
  2. Für eine re­al­is­tis­che Prognose der eigenen Position gegenüber den Industrieführern bestimmen Sie das Gewinn- und Um­satzwach­s­tum Ihres Un­ternehmens. Ein kleiner In­dus­triev­er­fol­ger etwa sollte in der Öff­nungsphase das Ziel eines moderaten Um­satzwach­s­tums verfolgen.
  3. Überprüfen Sie Ihre Wach­s­tum­srich­tung: in regionale oder in­ter­na­tionale Pro­duk­t­nis­chen, in den regionalen oder in den globalen Markt?
  4. Überlegen Sie dann, mit welchen einzi­gar­ti­gen Wachstumsfähigkeiten Sie wachsen wollen. Besitzen Sie besondere produkt- oder besondere mark­t­be­zo­gene Fähigkeiten bzw. Größenvorteile?
  5. Bestimmen Sie danach Ihren Wach­s­tum­sp­fad: organisches Wachstum, Akqui­si­tio­nen oder Ko­op­er­a­tio­nen?
  6. Überlegen Sie zum Schluss, welche Or­gan­i­sa­tions­form Ihre Wach­s­tum­sziele und -möglichkeiten am besten trägt.
„Obwohl die 500 größten Unternehmen der Welt seit Ende 2007 einen ver­gle­ich­bar hohen Wertverlust erlitten haben, sind sie krisengeschützter als kleinere.“

In Industrien, die Konzen­tra­tionsprozesse durchlaufen, haben sich vier Gewin­ner­pro­file her­auskristallisiert: Industry Shark, Local Specialist, Regional Hero und In­ter­na­tional Champion.

Industry Shark

Industry Sharks zeichnen sich durch ihre Größe aus und er­wirtschaften mehr als 20 Milliarden Dollar Umsatz. Sie sind große Industrieführer oder zumindest große In­dus­triev­er­fol­ger. Neben ihrer Größe sind auch ihre Wach­s­tum­sraten enorm: Bei Unternehmen mit mehr als 50 Milliarden Dollar Umsatz lag das Um­satzwach­s­tum zwischen 2000 und 2008 im Schnitt bei 11,8 %. Dabei richten diese Unternehmen ihr Wachstum auf den globalen Markt aus und sind zunehmend auch in Sektoren außerhalb ihrer anges­tammten Industrie tätig. So bedient beispiel­sweise der Elek­tron­ikriese General Electric auch die Me­di­en­branche und ist dort ebenfalls Industrieführer. Beim Wachstum profitiert der Industry Shark von größenbedingten Skalen­ef­fek­ten. Wichtigster Wach­s­tumsmo­tor ist aber seine Akqui­si­tion­skraft, die überwiegend in Megamerger, also riesige Un­ternehmenskäufe fließt. In den vergangenen zehn Jahren lag das Transak­tionsvol­u­men pro Merger bei durch­schnit­tlich 9,2 Milliarden Dollar.

„Sowohl für Industrieführer als auch für Nischenführer gilt: Grow or go!“

Weil große Unternehmen häufig unflexibel sind und viel Zeit für Entschei­dun­gen benötigen, hat sich die dezen­tral­isierte Or­gan­i­sa­tion etabliert. General Electric etwa ist in zahlreiche kleine autonome Einheiten aufgegliedert. Zudem wurden Man­age­mentebe­nen gestrichen und damit flache Hierarchien geschaffen. Die Deutsche Telekom ist ebenfalls ein typischer Industry Shark. Seit 2008 wächst der Umsatz jährlich um ca. 11 %. Mit 86 Milliarden Dollar Jahre­sum­satz liegt das Unternehmen auf Platz vier seiner Industrie. Damit ist es noch kein großer Industrieführer und muss sich behaupten, um nicht von AT&T, Vodafone oder Verizon übernommen zu werden. Das Wachstum des Un­ternehmens richtet sich auf den globalen Markt, wobei das Unternehmen von seiner Größe profitiert. Wie General Electric ist die Deutsche Telekom in dezen­tral­isierte Einheiten organisiert.

Local Specialist

Weil der Local Specialist für die Industrieführerschaft zu klein ist, kann er nur wachsen, indem er durch Fusion Teil eines künftigen Führers wird oder indem er als kleiner In­dus­triev­er­fol­ger ausgewählte Nischen bedient. Sein Jahre­sum­satz ist geringer als 1 Milliarde Dollar. Das Wachstum richtet sich auf regionale Pro­duk­t­nis­chen, in denen der Local Specialist die führende Rolle übernimmt. Der Wettbewerb in solchen regionalen Nischen ist jedoch hart. Mitunter erschweren Rechtsvorschriften den Marktzugang. Die zunehmende Glob­al­isierung lässt regionale Vorlieben immer stärker in den Hintergrund rücken. Doch beispiel­sweise im Bier- oder im Kaffeemarkt schätzen die Verbraucher nach wie vor lokale Produkte und Marken. Der wichtigste Er­fol­gs­fak­tor im Wachstum des Local Specialist ist seine Fähigkeit, Angebote auf lokale Bedürfnisse zuzuschnei­den.

„Einzi­gar­tige Fähigkeiten stellen ein Syn­ergiepoten­zial dar, das Unternehmen für ihre In­ter­na­tion­al­isierung und Pro­duk­t­di­ver­si­fika­tion nutzen können.“

Obwohl 86 % der Local Specialists organisch wachsen, ist externes Wachstum für sie unumgänglich, vor allem bei starker In­dus­triekonzen­tra­tion. Neben Akqui­si­tio­nen kooperieren diese Unternehmen, um ihre regionalen Nischen zu schützen. Die begrenzte Komplexität dieser Firmen lässt sich am besten in zentral or­gan­isierten Funk­tion­sein­heiten mit Lin­ien­struk­tur steuern. Ein typischer Local Specialist ist der südosteuropäische Schweinezüchter Farme Ihan, der 2009 von seinen 40 Millionen Umsatz 90 % auf dem slowenis­chen Markt erzielt hat. In seiner regionalen Pro­duk­t­nis­che hält das Unternehmen einen Marktanteil von 45 %. Durch organisches Wachstum und ausgewählte Akqui­si­tio­nen konnte das Unternehmen seine Pro­duk­t­palette erweitern. Der regionale Fokus ermöglicht Farme Ihan, den Geschmack der Verbraucher vor Ort zu kennen und zu treffen. Betont wird auch die slowenische Herkunft der Schweine.

Regional Hero

Besonders häufig ist der Regional Hero in der Umsatzgrößenklasse von 1–20 Milliarden Dollar zu finden. Im Rahmen der regionalen Nische, die in der Regel durch das Heimatland und angrenzende Regionen bestimmt wird, di­ver­si­fiziert er seine Produkte. Den Hauptwet­tbe­werb­svorteil zieht der Regional Hero aus seiner ausgeprägten Mark­t­be­zo­gen­heit: Durch Branding, Ziel­grup­pen­mar­ket­ing, aber auch mit Kontakten zu wichtigen lokalen Kunden schützt er sich vor dem Mark­tein­tritt großer Unternehmen. Ein Großteil der Regional Heros wächst organisch. Mit dem Fortschre­iten des Konzen­tra­tionsprozesses sind aber auch verstärkt Übernahmen und Ko­op­er­a­tio­nen zu beobachten. Regional Heros setzen typ­is­cher­weise auf eine funktionale Or­gan­i­sa­tion­sstruk­tur. Sämtliche Vertriebs- und Mar­ketingak­tivitäten konzen­tri­eren sich in einem Funk­tion­al­bere­ich. Wenn im Zuge wachsender Pro­duk­t­di­ver­si­fizierung die An­forderun­gen an die Or­gan­i­sa­tion komplexer werden, gehen viele Unternehmen zur dezentralen Or­gan­i­sa­tion über.

„Aufgrund der bereits stark fort­geschrit­te­nen Konzen­tra­tion der meisten Industrien gehen wir davon aus, dass ein Unternehmen, das heute weniger als 20 Milliarden Dollar Umsatz erreicht, zu klein für einen Industry Shark ist.“

Ein typisches Beispiel für einen Regional Hero ist Metro. Mit einem Wertverlust von 35 % während der Wirtschaft­skrise steht das Unternehmen noch immer besser da als sein Wet­tbe­wer­ber Carrefour. Mit 94,5 Milliarden Dollar Umsatz war Metro im Jahr 2008 ein großer Industrieführer. Das durch­schnit­tliche Um­satzwach­s­tum belief sich zwischen 2000 und 2008 auf 10 % pro Jahr, wobei regionale Nischen angestrebt wurden. Zwei Drittel des Umsatzes wurden 2008 in Deutschland und Osteuropa erzielt.

In­ter­na­tional Champion

Der In­ter­na­tional Champion ist ebenfalls häufig in der Größenklasse von 1–20 Milliarden Dollar Jahre­sum­satz anzutreffen. Das Um­satzwach­s­tum liegt im Schnitt bei 21 %, das Gewin­nwach­s­tum bei 28 %. Diese Un­ternehmensgruppe hat sich in in­ter­na­tionalen Pro­duk­t­nis­chen etabliert. Die Produkte heben sich durch besonderes Design, hohe Qualität oder innovative Technik hervor, wobei Innovation die größte Rolle spielt. Diese Dif­feren­zierungs­fak­toren recht­fer­ti­gen in der Regel höhere Preise.

„Der Wet­tbe­werb­svorteil des Regional Hero liegt in seinen einzi­gar­ti­gen mark­t­be­zo­ge­nen Fähigkeiten, die er auf Basis seiner Mark­t­syn­ergien in der Heima­tre­gion realisiert.“

Pro­duk­t­nis­chen beginnen meist in einer Region und werden dann auf in­ter­na­tionales Terrain ausgeweitet. Wachsen die Unternehmen in der frühen Phase des Konzen­tra­tionsprozesses noch organisch, gehen sie mit zunehmender Konzen­tra­tion zum externen Wachstum über. 35 % der bei einer Studie analysierten Unternehmen wuchsen durch Übernahmen, und 10 % hatten bereits Megamerger durchgeführt. Am Anfang setzen viele In­ter­na­tional Champions auf eine funktionale Or­gan­i­sa­tion­sstruk­tur, bei der Einkauf, Forschung und Entwicklung sowie die Produktion in einem Funk­tions­bere­ich zen­tral­isiert werden. Mit zunehmender In­ter­na­tion­al­isierung werden jedoch dezentrale Einheiten geschaffen.

„Der In­ter­na­tional Champion hat bereits eine kritische Größe erreicht, die ihm Synergien – ins­beson­dere auf der Pro­duk­t­seite – ermöglicht.“

Der südosteuropäische Haushalts­gerätehersteller Gorenje begann ursprünglich als Regional Hero in seiner Heima­tre­gion und entwickelte sich dann durch eine Ausweitung auf das in­ter­na­tionale Geschäft zum In­ter­na­tional Champion. Mit einem Gesam­tum­satz von 1,8 Milliarden Dollar zählt das Unternehmen zu den kleineren In­dus­triev­er­fol­gern. Die Wirtschaft­skrise konnte das Wachstum nicht bremsen: Während der globale Haushalts­gerätemarkt in den letzten zehn Jahren nur um 1,4 % gewachsen ist, erreichte Gorenje 10 %.

„Eine gemeinsame einzi­gar­tige pro­duk­t­be­zo­gene Fähigkeit von In­ter­na­tional Champions quer durch die In­dus­triesek­toren liegt in ihrer In­no­va­tionsfähigkeit.“

Einen Großteil seines Umsatzes erzielt das Unternehmen außerhalb Südosteuropas, und zwar mit in­ter­na­tionalen Pro­duk­t­nis­chen wie derjenigen für freis­te­hende Kochgeräte. Mit seinen einzi­gar­ti­gen pro­duk­t­be­zo­ge­nen Fähigkeiten hat das Unternehmen bereits in­ter­na­tionale Preise gewonnen. Weil organisches Wachstum für das Unternehmen nicht ausreicht, werden auch Mitbewerber akquiriert.

Über den Autor

Andrej Vizjak ist Experte für strate­gis­che Un­ternehmensführung und arbeitet als Hon­o­rarpro­fes­sor an der Katholis­chen Universität Eichstätt-In­gol­stadt. Bis 2000 war er Executive Vice President bei einem großen in­ter­na­tionalen Me­di­enun­ternehmen. Danach führte er zehn Jahre lang eine in­ter­na­tionale Un­ternehmens­ber­atung.