Von der Schublade ins Hirn

Buch Von der Schublade ins Hirn

Checklisten für wirkungsvolles Management

NZZ Libro,


Rezension

Benedikt Weibel hat einen weiten Weg als Manager hinter sich. Er war u. a. 13 Jahre lang Chef der Schweiz­erischen Bun­des­bah­nen (SBB) – und damit immer wieder einem ganzen Land Rechen­schaft schuldig. In seinem Buch bringt er nun die wesentlichen Erken­nt­nisse aus dieser nicht immer einfachen Zeit auf den Punkt. Seine wichtigste Botschaft: Die besten Ziele und Pläne nützen nichts, wenn sie in irgendeiner Schublade verstauben. Wer wirklich Erfolg haben will, muss sein Man­age­men­twissen in die Praxis umsetzen. Knapp und verständlich erklärt Weibel die Haup­tauf­gaben eines Managers, fasst sie in Checklisten zusammen und illustriert sie mit zahlreichen Beispielen aus seiner eigenen Tätigkeit. Dabei führt er so manche schöne Man­age­ment­the­o­rie ad absurdum und stellt ihr sein Prax­iswis­sen entgegen. BooksInShort empfiehlt diesen elementaren, handfesten Ratgeber allen Führungskräften, die keine akademis­chen Belehrungen wollen, sondern Tipps aus erster Hand.

Take-aways

  • Ein Unternehmen ist dann erfolgreich, wenn es sich klar po­si­tion­iert und sein Image pflegt.
  • Prüfen Sie vor jeder wichtigen Entschei­dung die Hand­lungsalter­na­tiven.
  • Stecken Sie sich un­ternehmensin­tern hohe Ziele – und nach außen bescheidene.
  • Bleiben Sie wachsam, auch wenn es dem Unternehmen gut geht; erarbeiten Sie vorab Lösungen für mögliche Probleme.
  • Beschränken Sie Um­struk­turierun­gen auf das Nötigste, denn sie sind immer belastend.
  • Warten Sie mit der Krisenkom­mu­nika­tion nicht, bis Sie von der Öffentlichkeit dazu gedrängt werden.
  • Reagieren Sie auf Angriffe immer sachlich und geben Sie Ver­fehlun­gen zu.
  • Gehen Sie bei Ver­hand­lun­gen auf die Gegenseite zu und streben Sie Kompromisse an.
  • Versuchen Sie nicht, sich als perfekt darzustellen – umso mehr wird man sich auf Fehler stürzen.
  • Achten Sie als Manager auf Ihren Körper. Sie brauchen in Ihrer Freizeit nicht auch noch Höchstleis­tun­gen zu erbringen.
 

Zusammenfassung

Wofür steht Ihr Unternehmen?

Ein er­fol­gre­iches Unternehmen legt Wert auf eine klare Po­si­tion­ierung. Es stellt klar, wo es sich im Vergleich zur Konkurrenz im Markt ansiedelt. Möchten Sie der billigste Anbieter sein oder stehen Sie für Luxus? Wollen Sie Trends setzen oder verkörpern Sie Traditionen? Po­si­tion­ieren Sie sich eindeutig und pflegen Sie Ihr Image, alles andere endet im Misserfolg. Die Firma Volkswagen etwa stand jahrzehn­te­lang für preisgünstige und verlässliche Autos und versuchte dann, mit dem Phaeton einen Luxuswagen zu produzieren. Das Experiment misslang gründlich. Wichtig für die Po­si­tion­ierung sind die Werte, die Ihr Unternehmen vertritt. Widerstehen Sie der Versuchung, lange Listen mit abstrakten Modewörtern wie „Innovation“, „Nach­haltigkeit“ oder „Fairness“ aufzustellen – sie enden meist in der Schublade. Beschränken Sie sich stattdessen auf einige wenige Werte, die Sie wirklich mit Leben füllen wollen.

Strategien und Moden

Die Strategie des Un­ternehmens gibt vor, was Sie tun werden, um Ihre Ziele zu erreichen. Auch Strategien sind Moden unterworfen. So galt es in den 70er und 80er Jahren als Königsweg, ein Unternehmen möglichst breit aufzustellen. Firmen kauften andere Unternehmen auf, die mit ihrem eigentlichen Geschäftsfeld kaum etwas zu tun hatten. Besonders erfolgreich war diese Strategie nicht – und einige Jahre später begann der große Ausverkauf. Nun wurde die Konzen­tra­tion auf das Kerngeschäft als Strategie der Zukunft ausgerufen; das Zauberwort hieß Outsourcing. Doch auch das ist nicht immer einfach: So hatten die SBB nach der Auslagerung des IT-Bereichs mit enormen or­gan­isatorischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Der neue Partner musste mühsam eingear­beitet werden und wurde bald darauf verkauft. Nach Ablauf des Vertrags mussten die SBB die Leistungen neu auss­chreiben, und ein anderes Unternehmen setzte sich durch. Letztlich war das Outsourcing keine Vere­in­fachung, sondern ein risiko­r­e­iches und kräftezehren­des Unterfangen.

Wie erstellt man eine Strategie?

Wenn Sie die Strategie Ihres Un­ternehmens erarbeiten, lassen Sie sich nicht von einer gerade vorherrschen­den Mode verführen. Handeln Sie überlegt und zielo­ri­en­tiert. Analysieren Sie Ihre aktuelle Lage und versuchen Sie abzuschätzen, wie sich der Markt weit­er­en­twick­eln wird. Das ist immer eine heikle Sache, denn niemand kann wirklich wissen, was die Zukunft bringt. So hatten die SBB 1984 eine Studie in Auftrag gegeben, wie die Züge der Zukunft aussehen sollten. Die Experten empfahlen Telefone und Bürowagen in den Zügen. Keiner konnte damals ahnen, dass nur wenige Jahre später Handy und Laptop zum Alltag gehören sollten. Hätten die SBB damals die vorgeschla­ge­nen Wagen bauen lassen, wäre das eine gigantische Fehlin­vesti­tion gewesen. Erstellen Sie eine SWOT-Analyse: Wo liegen Ihre Stärken und Schwächen, wo die Möglichkeiten und Gefahren für Ihr Unternehmen? Orientieren Sie sich an Ihrer Po­si­tion­ierung und Ihren Zielen und legen Sie dann die Strategie fest: Was wollen Sie wo, wann, womit und mit wem unternehmen? Überprüfen Sie diesen Strate­gieen­twurf: Wurde die Lage korrekt analysiert? Ist der Entwurf logisch konsistent? Stehen die Kernkom­pe­ten­zen im Mittelpunkt? Wo könnte es Probleme bei der Umsetzung geben? Wo sind Veränderungen notwendig und wie sollen sie kom­mu­niziert werden? Um­struk­turierun­gen sind für ein Unternehmen eine große Belastung, beschränken Sie sich hier auf das absolut Notwendige.

Entschei­dun­gen treffen

Am Anfang eines Entschei­dung­sprozesses steht nor­maler­weise ein Problem. Versuchen Sie, dieses so präzise wie möglich zu definieren und es auf seine wesentlichen Elemente zu reduzieren. Was wirkt wie zusammen? Sind Muster erkennbar? Beschaffen Sie sich die notwendigen Daten und arbeiten Sie mit anderen zusammen, etwa mittels Brain­storm­ing. Erarbeiten Sie mehrere Handlungsmöglichkeiten und wählen Sie dann die beste aus. Für die Bewertung von Handlungsmöglichkeiten kommen viele ver­schiedene Verfahren infrage, beispiel­sweise die Vergabe von Punkten. Doch solche scheinbar exakten Modelle sind nicht so sicher, wie es vielleicht scheint. Letztlich ist jede Bewertung subjektiv, und schon eine kleine Veränderung der Gewichtung kann ein völlig neues Ergebnis her­vor­brin­gen. Wenn Sie die Lage und die möglichen Kon­se­quen­zen analysiert haben, treffen Sie Ihre Entschei­dung. Bei wichtigen Entschei­dun­gen sollten Sie den gesamten Prozess doku­men­tieren. Akzeptieren Sie, dass es perfekte Entschei­dun­gen nicht gibt und mögliche Kon­se­quen­zen oft in keiner Weise abzusehen sind. Wie im Jahr 1989, als sich Ungarn entschloss, die Gren­zan­la­gen abzubauen, weil sie marode waren und es keine Möglichkeit gab, sie zu sanieren. Eine Entschei­dung mit ungeahnten Folgen – sie führte wenige Monate später zum Fall der Mauer.

Ziele setzen

Ein Unternehmen muss Probleme lösen und Abläufe optimieren – so wird es laufend besser. Diese Prozesse sind ein Regelkreis: Man setzt Ziele und überprüft nach einiger Zeit, ob sie erreicht wurden. Falls nicht, müssen Sie die Ursachen analysieren und notwendige Korrekturen vornehmen. Dann beginnt der Kreislauf von vorn. Un­ternehmensin­tern können Sie hohe Ziele setzen, das steigert die Motivation. Aber denken Sie daran: Nicht alles ist machbar, auch wenn das gern so propagiert wird. An zu ehrgeizigen Zielen ist schon mancher gescheitert. Nennen Sie darum in der Öffentlichkeit immer nur bescheidene Ziele. Übertreffen Sie diese, ist der Imagegewinn umso größer. Umgekehrt wird man es als Versagen auslegen, wenn Sie hohe Ziele nicht erreichen. Wenn es Schwierigkeiten bei der Umsetzung gibt, forschen Sie nach den Ursachen. Gehen Sie dabei möglichst detailliert vor und analysieren Sie, wo genau das Problem steckt. Dann können Sie gezielt an einer Verbesserung arbeiten. Beziehen Sie immer auch die Mitarbeiter vor Ort ein, sie wissen am besten, wo die konkreten Schwierigkeiten liegen.

Risiken eruieren

Gegen Katas­tro­phen und Krisen ist niemand gefeit. Sie können noch so detailliert planen, die Realität wird Sie immer wieder überraschen. Warten Sie nicht, bis eine Katastrophe eingetreten ist, sondern sorgen Sie für ein vernünftiges Risiko­man­age­ment. Definieren Sie mögliche Risikofelder und überlegen Sie, was passieren könnte. Seien Sie dabei ruhig kreativ, durchdenken Sie auch un­wahrschein­liche Szenarien und erstellen Sie eine Worst-Case-Analyse. Dann gehen Sie an mögliche Lösungen. Was können Sie tun, um diese Risiken zu vermeiden? Lassen sich die Risiken streuen oder mit Ver­sicherun­gen abdecken? Gibt es einen Notfallplan? Ein gutes Risiko­man­age­ment ist auch dann wichtig, wenn es dem Unternehmen gut geht und alles perfekt zu laufen scheint. Die Erfahrung zeigt, dass Unternehmen gerade in diesen Situationen gern le­ichtsin­nig werden, riskante Geschäfte tätigen und sich unversehens in einer handfesten Krise wiederfinden. Behalten Sie daher Ihr Risiko­man­age­ment immer im Blick.

Managen in der Krise

Auch mit dem besten Risiko­man­age­ment kann es geschehen, dass Sie plötzlich mitten in einer Krise stecken. So wie die SBB, als am 22. Juni 2005 plötzlich im gesamten Netz der Strom ausfiel – zum ersten Mal in der Geschichte des Un­ternehmens. Benedikt Weibel war an diesem Tag selbst mit der Bahn unterwegs und saß wie viele andere Reisende in einer kleinen Bahnstation fest. Er beschloss, sich nicht mit dem Auto abholen zu lassen, sondern gemeinsam mit den anderen Reisenden auf die Ersatzbusse zu warten – eine Entschei­dung, die ihm später in der Öffentlichkeit positiv angerechnet wurde. Er­fol­gre­iches Krisen­man­age­ment heißt, so schnell wie möglich den Nor­malzu­s­tand wieder­herzustellen. Daran arbeitet der Krisenstab, der aus einem Chef, seinen Stel­lvertretern und einigen Mi­tar­beit­ern besteht. Wichtig ist auch die Kom­mu­nika­tion. Eine hohe Führungskraft, am besten der CEO selbst, muss sich der Öffentlichkeit stellen. Reagieren Sie rasch und angemessen, warten Sie nicht, bis die Öffentlichkeit Sie dazu drängt. Halten Sie sich in solchen Situationen möglichst an die Fakten und lassen Sie sich nicht zu In­ter­pre­ta­tio­nen verleiten. Drücken Sie Bedauern aus und machen Sie klar, dass gehandelt wird, aber lassen Sie sich nicht in Panik zu sinnlosen Aktionen hinreißen. Sorgen Sie anschließend dafür, dass die Krise aufgear­beitet wird, damit sie sich nicht wiederholt.

Im Kontakt mit anderen

Or­gan­isieren Sie Sitzungen so effizient wie möglich. Es gibt nichts Schlimmeres als Be­sprechun­gen, die kein Ende finden und keine greifbaren Ergebnisse bringen. Halten Sie den Kreis der Teilnehmer klein. Legen Sie vorher eine Tage­sor­d­nung fest; in der Regel sollte auch ein Protokoll geführt werden. Als Führungskraft sind Sie für den Ablauf der Sitzung ve­r­ant­wortlich. Sorgen Sie dafür, dass es keine unnötigen Verzögerungen gibt, und fassen Sie am Ende die wesentlichen Punkte zusammen. Treffen Sie sich regelmäßig mit den Mi­tar­beit­ern, die Ihnen direkt unterstellt sind. Bewährt haben sich häufige kurze Sitzungen, etwa einmal pro Woche. Interne Kom­mu­nika­tion soll der sachlichen Information der Mitarbeiter dienen. Ins­beson­dere bei Veränderungen müssen die Mitarbeiter als Erste ins Bild gesetzt werden. Sonst brodelt die Gerüchteküche und ruiniert das Be­trieb­sklima. Wenn Sie verhandeln müssen, etwa mit Gew­erkschaften, gehen Sie sorgfältig vor. Erarbeiten Sie im Vorfeld eine Strategie und streben Sie Kompromisse an. Versetzen Sie sich in die Lage der Gegenpartei und achten Sie darauf, dass auch sie das Ergebnis als Erfolg verbuchen kann. Setzen Sie die Gegenseite niemals unter Druck, es sei denn, Sie wissen genau, dass Sie in der stärkeren Position sind oder dass Sie mit diesem Partner nie wieder etwas zu tun haben werden.

Kom­mu­nika­tion nach außen

Für die externe Kom­mu­nika­tion gilt: Reagieren Sie nicht erst, wenn ein Ereignis eingetrof­fen ist, sondern legen Sie rechtzeitig Strategien und Zuständigkeiten fest. Vermeiden Sie Fachjargon und abstrakte Begriffe, achten Sie auf eine klare, verständliche Sprache, nur dann kommt die Botschaft beim Publikum an. Denken Sie daran: Das Wichtigste ist nicht die Kom­mu­nika­tion, sondern gute Arbeit. Wenn Sie diese leisten, ist gute Kom­mu­nika­tion gar nicht so schwer. Sorgen Sie dafür, dass Jour­nal­is­ten angemessen mit In­for­ma­tio­nen versorgt werden und Ansprech­part­ner haben. Ein Unternehmen und seine Führungskräfte stehen immer im Visier der Medien. Eine beliebte Jour­nal­is­ten­strate­gie ist es, eine provokante Geschichte zu veröffentlichen und dann auf die Reaktion zu warten. Wenn Sie angegriffen werden, gibt es nur eines: Reagieren Sie rasch, angemessen und vor allem sachlich, auch wenn es schwerfällt. Falls die Vorwürfe zutreffen, geben Sie es offen zu. Versuchen Sie nicht, eine Geschichte totzuschweigen, das schadet nur Ihrem Ansehen. Reagieren Sie nicht beleidigt, denn dann wird das Thema erst richtig interessant. Legen Sie sich generell im Umgang mit den Medien ein dickes Fell zu und reagieren Sie nicht auf jede Provokation. Versuchen Sie nicht, sich immer als perfekt darzustellen – umso mehr wird man sich auf jeden kleinen Fehler von Ihnen stürzen.

Gutes Selb­st­man­age­ment

Manager und Spitzen­sportler haben eines gemeinsam: Sie müssen Höchstleis­tun­gen erbringen. Sportler wissen, dass sie gut für sich selbst sorgen müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen. Manager gehen mit ihrer Gesundheit dagegen häufig sehr un­ver­ant­wortlich um. Es bringt Ihnen nichts, wenn Sie sich alles abverlangen und damit Ihre Gesundheit ruinieren. Achten Sie deswegen genau auf die Warnzeichen Ihres Körpers. Wenn Sie spüren, dass Ihr Körper rebelliert, nehmen Sie sich einen halben Tag frei und gehen Sie spazieren. Das kostet deutlich weniger Zeit, als wenn Sie tatsächlich krank werden. Lassen Sie sich nicht von den An­forderun­gen des Alltags mitreißen, sondern reservieren Sie sich feste Zeiten in denen Sie bestimmte Aufgaben erledigen. Bewahren Sie sich Ihre Freude an der Arbeit und Ihre Neugierde, dann können Sie auch Belastungen besser ertragen. Achten Sie auf eine gesunde Ernährung und auf Ausgleich in der Freizeit. Verzichten Sie darauf, auch in Ihrer Freizeit noch Spitzen­leis­tun­gen erbringen zu wollen, wie etwa im Sport. Sonst geht der Er­hol­ungswert verloren.

Über den Autor

Benedikt Weibel, Ökonom und diplomierter Bergführer, war von 1993 bis zu seiner Pen­sion­ierung 2006 Chef der Schweiz­erischen Bun­des­bah­nen (SBB). Als Delegierter des Bundesrats war er für die Or­gan­i­sa­tion der Fußballeu­ropameis­ter­schaft 2008 mitver­ant­wortlich. Seit 2006 ist Weibel Dozent für Praktisches Management an der Universität Bern.