Mythos Headhunter
Auf, auf zum fröhlichen Jagen – nach Köpfen: Unternehmen vertrauen bei der Besetzung ihrer offenen Stellen im oberen und mittleren Management zunehmend auf die tatkräftige Hilfe von Experten. Die machen sich auf die Suche nach geeigneten Kandidaten und geben dem Auftraggeber überdies Tipps für die richtige Wahl.
„Es kann jeden treffen. Und wer bislang noch nicht angerufen wurde, der kann durchaus etwas nachhelfen.“
Was in den USA „Headhunter“ (Kopfjäger) genannt wird, heißt bei uns betont neutral „Personalberater“. Tatsächlich arbeiten die Spezialisten mitunter wie verdeckte Ermittler, um die besten Köpfe zu finden. Auch Ihnen kann es eines Tages passieren, dass im Handydisplay „Unbekannter Anrufer“ steht und eine fremde Stimme fragt: „Können Sie frei sprechen?“ Können Sie? Und: Wollen Sie überhaupt? Viele Menschen träumen davon, einen solchen Anruf zu erhalten – auch wenn sie vielleicht nie den Job wechseln würden. Denn von einem Headhunter kontaktiert zu werden, gilt als ungemein prestigeträchtig.
Der Markt
Headhunting war noch vor wenigen Jahrzehnten weitgehend illegal, inzwischen ist es etabliert. Seit 2004 dürfen Headhunter in Deutschland ihre „Opfer“ sogar direkt am Arbeitsplatz kontaktieren. Das tun rund 5000 Personalberater für etwa 2000 Gesellschaften in Deutschland, um rund 70 000 Stellen pro Jahr zu besetzen.
„Erwarten Sie nicht, dass Ihnen der Personalberater die Nummer des Personalverantwortlichen im Unternehmen gibt und Sie dann direkt ein Treffen mit diesem vereinbaren.“
Vom ausgehandelten Jahresgehalt kassiert der Vermittler rund ein Drittel als Honorar. Er „erlegt“ auf diese Weise mittlerweile nicht mehr nur Vorstände, sondern auch Führungskräfte der zweiten und dritten Reihe. Und nicht nur Manager, auch Chefärzte, Ingenieure und selbst Personalberater gehören zu den Zielpersonen. Manche Personalberater suchen bereits Kandidaten für Positionen mit lediglich 50 000 € Jahresgehalt. Es handelt sich also um eine Branche, die Sie auf Ihrem Karriereweg keineswegs übergehen sollten – im Gegenteil: Bauen Sie Beziehungen zu Headhuntern gezielt auf und pflegen Sie sie.
Selbst aktiv werden
Es ist überhaupt nicht ehrenrührig, einen Personalberater auf sich aufmerksam zu machen. Erkundigen Sie sich nach den Beratungsunternehmen, die auf Ihre Branche spezialisiert sind, und bewerben Sie sich. Das geht mit einem kurzen Anschreiben und einem ebenso kurzen Lebenslauf, der nur Ihre wichtigsten beruflichen Stationen und Erfolge auflistet. Legen Sie keine Zeugnisse bei und verwenden Sie auch keine vorformulierten Textbausteine. Sollten Sie eine Zeit lang arbeitslos gewesen sein, kaschieren Sie dies nicht etwa mit einer scheinbaren Selbständigkeit. Akzeptiert dagegen ist die Umschreibung „berufliche Neuorientierung“.
„Drängeln Sie nicht, rufen Sie nicht an, gehen Sie dem Headhunter nicht auf die Nerven.“
Wenn Ihr Profil passt, wird der Personalberater es in seine Datenbank aufnehmen und sich ggf. melden – das kann aber auch ein paar Jahre dauern. Vorher hören Sie u. U. nichts. Belästigen Sie den Headhunter auf keinen Fall mit Anrufen. Wenn alles gut läuft, wird er Sie vielleicht irgendwann zwanglos kennen lernen wollen. Das sollten Sie nutzen, auch wenn vorerst nichts für Sie dabei herausspringt. Spätestens mit Anfang 40 sollte Ihr Profil bei zwei, drei Headhuntern in der Datenbank liegen. Gute und seriöse Personalberatungen erkennen Sie in der Regel an einer Mitgliedschaft beim Branchenverband BDU.
Auch gut: Eigen-PR
Die indirekten Wege, dem Glück auf die Sprünge zu helfen, führen über offene Onlinenetzwerke wie Xing oder LinkedIn und noch besser über geschlossene wie die ManagerLounge, die nur auf Empfehlung neue Mitglieder aufnimmt. Schreiben Sie aber nie „Suche neue Herausforderung“ in Ihr Profil – das könnten nämlich auch Ihr Chef oder ein Kollege lesen. Tätigkeiten wie das Verfassen einschlägiger Fachbücher, das Halten von Vorträgen oder andere öffentliche Darbietungen können dazu führen, dass man auf Sie aufmerksam wird. Und irgendwann klingelt Ihr Telefon.
Kontaktaufnahme
Die Kontaktaufnahme und mögliche darauffolgende Interviews werden nach strengen Regeln durchgeführt, auf die Sie keinerlei Einfluss haben. Aber Sie können sich auf die Fragen des Personalberaters vorbereiten. Viele Führungskräfte verpatzen die Chance auf einen Wechsel, weil sie die Regeln nicht kennen, nach denen ein Personalberater sein Geschäft betreibt. Wichtig: Kein seriöser Personalberater verlangt vom Kandidaten eine Erfolgsprovision für die Vermittlung. Und kein normaler Personalberater wird ohne förmlichen Auftrag tätig – das können sich nur die grauen Eminenzen der Branche leisten, die sich um Hochkarätiges kümmern.
„Machen Sie Ihren Job so gut, dass es anderen auffällt.“
Wenn Sie Zweifel an der Seriosität des Headhunters haben, fragen Sie nach Referenzkunden, die Ihnen ein anständiger Berater immer nennen wird. Personalberater recherchieren zunächst Informationen über die Kandidaten, wobei sie Medien, Unternehmenswebsites sowie Datenbanken, aber auch Direktansprachen als Quellen nutzen. Personalberater leben von ihren Kontakten und wissen, mit wem sie es zu tun haben. Deshalb hat es wenig Sinn, ihnen später beim Interview etwas vormachen zu wollen. Mitunter werden auch ganz konventionell Stellenanzeigen geschaltet.
Passt alles, klingelt es bald wieder
Das erste Telefongespräch mit dem Headhunter dauert nur ein paar Minuten. Es wird vom Personalberater unverbindlich beendet. Passen Sie ins Profil, erfolgt bald ein zweiter Anruf. Im Verlauf dieses Telefonats wird der Headhunter entscheiden, ob es sich lohnt, Sie zu treffen. Sie können auch Fragen stellen, z. B. zu der vakanten Position. Erkundigen Sie sich allerdings noch nicht nach dem Gehalt, sonst erwecken Sie den Eindruck, gierig zu sein. Werden Sie zum Interview eingeladen, sind Sie nie der einzige Kandidat, sondern bestenfalls einer von zehn, eher noch von 20 potenziellen Aspiranten. Mitunter werden Sie gebeten, zuvor einen Onlinetest zu absolvieren. Dieses Assessment dreht sich nie um Allgemeinwissen, sondern zumeist um Ihre persönlichen Stärken und Schwächen. Geben Sie ehrliche Antworten, denn der Test dient vor allem dazu, die Blender und Opportunisten unter den Kandidaten zu entlarven. Waren Sie authentisch, steigen Ihre Chancen, eine Stufe höher zu gelangen: zum Gespräch.
Das Gespräch
Für das Interview sollten Sie sich freinehmen oder notfalls einen Tag am Wochenende opfern. Der Treffpunkt sollte möglichst privat sein, damit nicht in irgendeiner Hotellobby plötzlich ein Kollege vor Ihnen steht. Das Gespräch wird mit Small Talk beginnen und sich später um Ihre Persönlichkeit drehen. Die zu besetzende Stelle spielt gelegentlich nur eine untergeordnete Rolle. Natürlich ist es Ihnen erlaubt, möglichst viel darüber herausfinden zu wollen – allerdings können Sie das zumeist erst am Schluss, wenn man Sie Ihrerseits um Fragen ersucht. Sobald es um Ihren Lebensweg, Ihren Führungsstil und Ihre persönlichen Stärken und Schwächen geht, rechnen Sie mit Fallen: Der Headhunter ist über Sie ja bereits bestens unterrichtet und wird Ihnen schon jetzt relativ rücksichtslos auf den Zahn fühlen. Machen Sie sich auf bohrende Nachfragen, kleine Tricks und auch mal einen schnellen Sprung ins Englische gefasst. Beliebt ist zudem die Kunstpausenfalle: Um das Schweigen des Headhunters zu überbrücken, haben sich schon viele Kandidaten um Kopf und Kragen geredet. Wichtig: Fassen Sie sich kurz! Ihren beruflichen Werdegang beschränken Sie auf zehn Minuten, das kann man trainieren. Aber lernen Sie nichts auswendig, das langweilt jeden Personalberater. Gerne gestellte Fragen, die Sie nicht ins Stottern bringen sollten, sind:
- Was war Ihre größte berufliche Niederlage?
- Was stört Ihre Mitarbeiter an Ihnen?
- Worin unterscheiden Sie sich von Ihren Mitarbeitern?
- Was macht Sie als Chef so gut?
- Wie sieht Ihr Tätigkeitsfeld konkret aus?
- Was würden Sie zuerst tun, wenn Sie den Job hätten?
- Wer würde Ihnen Referenzen ausstellen?
„Sie sollten sich vor dem Gespräch für den Ernstfall zwei oder drei Referenzpersonen überlegt haben, mit denen Sie früher einmal zusammengearbeitet haben und die etwas über Sie erzählen könnten – möglichst viel Gutes.“
Berater stellen mit Vorliebe offene Fragen – das hat für Sie den Vorteil, dass Sie mit Ihrer Antwort dem Gespräch eine Richtung geben können: hin zu Ihrer Schokoladenseite, weg von Problemzonen. Der Nachteil offener Fragen ist, dass Sie evtl. nicht mehr zu reden aufhören, dass Sie u. U. völlig am Thema vorbeigehen oder über Dinge sprechen, die Sie eigentlich gar nicht erzählen wollten. Selbstkontrolle ist unbedingt Trumpf.
Wer würde Sie empfehlen?
Referenzen sind Zeugnissen grundsätzlich vorzuziehen, weil sie authentischer wirken. Außerdem können Zeugnisse leicht frisiert werden. Wichtig beim gesamten Gespräch: Fassen Sie sich kurz, das ist einer verantwortungsbewussten Führungskraft angemessen. Und seien Sie unbedingt ehrlich. Nichts ist so unpopulär und so leicht durchschaubar wie ein selbstverliebter Prahlhans. Waren Sie einmal arbeitslos, sollten Sie das nicht kaschieren: Selbst in konservativ geprägten Branchen hat man heutzutage ein gewisses Maß an Verständnis für Manager, die aufgrund von Umstrukturierungen oder Auswirkungen der Krise kurzzeitig ihre Beschäftigung verloren haben.
„Der Personalberater ist nicht Ihr persönlicher Karriereberater, er ist aber auch nicht die PR-Abteilung seines Auftraggebers. Ihm ist daran gelegen, dass Kandidat und Unternehmen zueinander passen und beide Seiten langfristig mit seiner Empfehlung zufrieden sind.“
Das Gebot der Ehrlichkeit gilt auch für die traditionell letzte Frage des Headhunters: Wie stellen Sie sich Ihr Gehalt vor? 5–10 % dürfen Sie auf Ihr derzeitiges Salär aufschlagen. Aber widerstehen Sie der Versuchung, dem Personalberater ein Traumgehalt als Ausgangsbasis vorzuflunkern. Das fliegt schnell auf, denn er kennt die Gehälter in Ihrer Branche ebenso gut wie Sie.
„Auch die Vertreter des Unternehmens erwarten, dass Sie nicht nur monoton Fragen beantworten, sondern Ihrerseits aktiv werden und Fragen rund um den Wechsel und das Unternehmen stellen.“
Zum Schluss sind wieder Sie am Zug: Fragen Sie den Personalberater, wie die Verhältnisse im Unternehmen sind und was Sie dort erwarten würde. Er kennt sich blendend aus und braucht als Externer auch kein Blatt vor den Mund zu nehmen, wenn Missstände und Probleme zu benennen sind.
Weiter warten
Nach dem Gespräch geschieht erneut erst einmal nichts. Belagern Sie den Headhunter nicht mit neugierigen Anfragen, ob denn schon eine Entscheidung gefallen ist. Gerade bei wichtigen Positionen kann das Auswahlverfahren ein halbes Jahr und länger dauern. Und evtl. sind Sie auch nur ein Lückenbüßer, den man sich einfach mal näher ansehen wollte – das ist aber auch nicht schlecht, denn vielleicht nimmt der Personalberater Sie in seine Kartei auf und Sie hören beim nächsten passenden Job von ihm. Überstehen Sie die Auswahlrunde, wird es ernst: Ihr potenzieller neuer Arbeitgeber wird Sie nun persönlich kennen lernen wollen, und zwar bei einem Ortstermin im Unternehmen.
Treffen am Ort des Geschehens
Auch auf dieses Treffen sollten Sie sich vorbereiten. Da Sie jetzt den potenziellen Arbeitgeber kennen, bringen Sie so viel wie möglich über das Unternehmen, seine Branche, das Marktsegment und wichtige Konkurrenten in Erfahrung. Beim Gespräch wird Ihnen das Management evtl. noch einmal dieselben Fragen stellen, die Sie schon vom Headhunter gehört haben. Weichen Sie bei den Antworten nicht zu sehr von den beim ersten Mal gegebenen ab, denn der Personalberater wird bei dem Ortstermin dabei sein und sehr genau hinhören.
„Ist der Wechsel erfolgreich vonstattengegangen, werden Sie auch in Zukunft noch gelegentlich einen Anruf von ‚Ihrem‘ Headhunter bekommen.“
Diese Kontrolle Ihrer Authentizität wird allerdings die letzte sein, anschließend zieht sich der Personalberater mehr und mehr aus dem Anwerbungsprozess zurück. Aber auch wenn Sie die neue Stelle tatsächlich bekommen, sollten Sie den Kontakt zum Headhunter weiter pflegen. Wer weiß, vielleicht kann er Ihnen mal wieder nützlich sein – und Sie ihm.