Die globale Bedeutung des Energiemanagements
Egal, was der Mensch macht, welche Pläne er in die Tat umsetzt, er braucht Energie. Doch die dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen und Infrastrukturen sind entweder begrenzt, bislang nicht effektiv nutzbar oder sogar noch nicht einmal erschlossen. Energiemanagement ist daher eines der wichtigsten Themen der Zukunft – und zwar nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht. Die Nutzung der bestehenden Energiereserven wirft zahlreiche drängende Fragen auf: Kann die Umweltzerstörung gestoppt werden? Lassen sich Kriege um wichtige Ressourcen vermeiden? Werden die kommenden Generationen in Wohlstand leben können?
„Die Gründe für eine neue industrielle Revolution, für einen breiten Übergang vom Ölzeitalter zu erneuerbaren Energien, sind zwingend.“
Antworten auf diese Fragen lassen sich nur dann entwickeln, wenn weltweit Menschen, Nationen, Unternehmen, Branchen und Fachdisziplinen zusammenarbeiten. Doch genau daran scheitert es oftmals. Noch immer wird zu wenig global und zu viel lokal oder fachspezifisch gedacht. Ein vorausschauendes Energiemanagement erfordert es, dass Ingenieure, Betriebswirte und Politiker an einem Strang ziehen. Erst dann, wenn die technischen Lösungen mit den Wirtschaftlichkeitsrechnungen und den gesetzlichen Rahmenbedingungen in Einklang gebracht worden sind, kann die Energiebereitstellung langfristig gesichert und ein Versorgungsnetzwerk aufgebaut werden, das ökologisch zu verantworten und krisenfest ist.
Die technische Perspektive des Energiemanagements
Um Energieressourcen effektiv zu erschließen und einzusetzen, ist eine einheitliche Quantifizierung der verschiedenen Energiequellen notwendig. Das geeignete Mittel dazu sind Energiebilanzen. In ihnen werden die Energieflüsse im Unternehmen aus technischer Sicht betrachtet. Konkret heißt das, es werden zunächst die Mengen der einzelnen Energieträger wie Öl, Gas, Strom, Solarkraft, Erdwärme oder Benzin erfasst. Dann werden u. a. ihre Wirkung, also ihre Effektivität der Energiebereitstellung für die Produktion, ihre Umweltverträglichkeit etwa in Form des CO2-Ausstoßes oder der Wasserverschmutzung und ihre Nachhaltigkeit berechnet.
„Ohne Datenbasis ist es nicht möglich, Energie zu managen.“
Energiebilanzen können für ein gesamtes Unternehmen, für einzelne Prozesse, für Fertigungsabläufe und sogar für einzelne Produkte erstellt werden. Sie sagen aber nur etwas über den technischen Einsatz von Energiequellen und dessen Folgen aus. Ob diese Prozesse, unabhängig von ihrer technischen Effektivität, auch wirtschaftlich sind, muss anhand des betriebswirtschaftlichen Controllings ermittelt werden.
„Energieeffiziente Immobilien, auf deren Dächern Fotovoltaik- und Solarthermie-Anlagen angebracht sind, in deren Garagen Elektrofahrzeuge stehen, in denen Produktionsanlagen Fernwärmenetze speisen und in deren Untergeschossen Blockheizkraftwerke installiert sind, entwickeln sich zu Knoten im Energienetz.“
Eine der Voraussetzungen für aussagekräftige Energiebilanzen ist eine lückenlose Betriebsdatenerfassung. Das erfordert, dass die Unternehmen ausreichend genau messende Zähler installieren und umfassend Messinstrumente in die Produktionsabläufe einführen. Beispiele dafür sind Funkchips zur Optimierung der Lagerhaltung oder computergesteuerte Rückmeldungen über den Wartungsstand von Maschinen. Entscheidend für die Nutzung dieser Daten sind jedoch das regelmäßige Ablesen der Zählerstände und die Auswertung der Messergebnisse. Einmal mehr wird deutlich, wie wichtig das Zusammenspiel aller beteiligten Personen und Abteilungen für das Energiemanagement ist. Nur wenn die Energieeinkäufer, die Entwickler der technischen Prozesse, die Mitarbeiter an den Maschinen, die Logistikexperten, die Verkäufer, die Controller sowie die Strategieplaner im Management sich gemeinsam für das gleiche Ziel starkmachen, lassen sich Kosten sparen und Gewinne steigern.
Die Vielfalt betrieblicher Energieoptimierung
In Unternehmen sind zahlreiche Bereiche und Funktionen mit der Frage der Energieoptimierung befasst. Oftmals geht es dabei nur um Dienstleistungen wie etwa eine effektive Beleuchtung am Arbeitsplatz. Das so genannte Facility-Management, die Verwaltung der im Unternehmen benötigten Immobilien wie Bürogebäude oder Fabrikhallen, ist daher eines der wichtigsten Gebiete des Energiemanagements. Hier müssen entscheidende Fragen wie die Klimatisierung von Räumen, der Brandschutz, die Versorgung der Arbeitsplätze mit Druckluft, Wasser oder Elektrizität sowie die Bereitstellung von Informationstechnologien aller Art geklärt werden. Aber auch die Anordnung von Förderbändern, die Planung von Rohrsystemen etwa für die Ableitung von Schadstoffen, die Einrichtung von Lagerregalen oder der Einsatz von Fahrzeugen wie Gabelstaplern sind wichtige Punkte für das Managen von Energie.
„Energiebilanzen sind als Teil einer umfassenden Nachhaltigkeitsrechnung oder Corporate-Responsibility-Rating des Unternehmens aufzufassen.“
Vielfältige Ansätze für den bewussten Einsatz von Energie liefert auch die Logistik. Wesentliche Themen sind hierbei der Materialumschlag, die Planung des Fuhrparks und seiner Routen sowie die Zusammenarbeit mit Kunden und Dienstleistern. Weit gefasst, fällt unter den Begriff der Logistik auch die Planung der Dienstreisen von Mitarbeitern und die damit verbundenen Energieaufwendungen.
„Der Wirkungsgrad zeigt auf, wie viel der Inputenergie zur gewünschten, nutzbaren Outputenergie gewandelt wurde, wenn die Anlage zur Energieumwandlung in optimalem Betriebszustand läuft.“
Am Anfang jedes Energiemanagements steht jedoch die Beschaffung der Ressourcen. Welche Energieträger, z. B. Elektrizität, Benzin oder Fernwärme, werden für die Produktion überhaupt benötigt? Wo sollen sie eingekauft werden? Auf welcher Vertragsbasis – z. B. Vollversorgung oder Einkauf an der Börse – soll die Bereitstellung erfolgen? Sind Absicherungen gegen Preisschwankungen möglich? All diese Fragen muss das Management klären, bevor es die Produktionsprozesse in Bezug auf den Energiefluss optimieren kann. Dazu zählen u. a. die Auswahl der Maschinen, die Anordnung der einzelnen Fertigungsstufen und der Aufbau der gesamten Fabrik inkl. der Personalplanung sowie der Festlegung von Verantwortlichkeiten. Weitere wichtige Themen für einen ressourcenschonenden Einsatz von Energie sind die Ausstattung mit geeigneter Informationstechnologie sowie das umfassende Recyceln von Elektronikschrott und anderen Materialabfällen.
Die betriebswirtschaftliche Perspektive
Technisch und ökologisch optimale Entscheidungen bezüglich der Energieversorgung müssen nicht gleichzeitig auch die wirtschaftlich beste Lösung für ein Unternehmen sein. Im Rahmen des Energiemanagements ist der betriebswirtschaftliche Ansatz ebenso wichtig wie das Know-how der Ingenieure. Hier sind die Controller verantwortlich. Ihre Aufgabe ist es, das Management mit den notwendigen finanziellen Daten zu versorgen, damit es seine Energieentscheidungen unter dem Gesichtspunkt der Rentabilität treffen kann. Die Plankennzahlen reichen von der operativen Sichtweise, die maximal ein Jahr umfasst, über die strategische Vorausschau von mehr als fünf Jahren bis zu einer langfristigen, ethisch-normativen Sichtweise.
„Passivhäuser, Wärmepumpen und Strahlungsheizungen sind marktgängige, ausgereifte Technologien, die ihr Einsatzpotenzial bei Weitem noch nicht ausgeschöpft haben.“
Das Handwerkszeug der Controller ist die energiebezogene Kostenrechnung. Sie orientiert sich an den Material- und Lohnaufwendungen für bestimmte Produkte und Orte wie Firmensitze, Werkstätten, Anlagen oder auch Abteilungen. Besondere Bedeutung im Rahmen des Energiemanagements haben umfassende Kostenrechnungsverfahren wie das Life Cycle Costing. Dabei werden sämtliche Kosten, die in allen Lebensphasen einer Investition anfallen können, errechnet und mit entsprechenden Alternativen verglichen. Neben diesen wirtschaftlichen Aspekten hängt eine Investition im Energiemanagement auch von der energetischen Amortisationszeit ab. Darunter wird der Zeitpunkt verstanden, an dem während der Nutzungsdauer einer neuen Anlage die Summe der erzeugten Energie genauso groß ist wie die gesamte benötigte Energie für die Herstellung der Maschine.
„Im Prinzip ist die Energiestrategie Teil der Gesamtstrategie.“
Ein effektives Mittel des Energiemanagements, Kosten zu sparen, ist das Contracting. Dabei bezieht ein Unternehmen seine Energie und alle damit verbundenen Dienstleistungen von einem darauf spezialisierten Anbieter. Diese Art der Energieversorgung bietet vor allem kleineren, finanziell nicht so potenten Firmen große Vorteile, da sie auf intern fehlendes Know-how leichter zugreifen und sich gegen Preisschwankungen günstig absichern können. Allerdings bedeutet eine solche Partnerschaft umfassende rechtliche Bindungen, die Unterwerfung unter nicht beeinflussbare äußere Rahmenbedingungen wie etwa die wirtschaftliche Situation des Contractors sowie den Verzicht auf Flexibilität in der Energieeinsparung.
Integration des Energiemanagements
Damit das Management anhand der Wirtschaftlichkeitsrechnung entscheiden kann, wie das vorhandene Investitionsbudget verwendet werden soll, muss das Energiemanagement Bestandteil der Unternehmensstrategie sein. Ob die Führung sich für eine kurz- oder langfristige Gewinnausrichtung oder eine ethisch orientierte langfristige Strategie entscheidet, hängt einerseits von der Wettbewerbsposition, andererseits von den Stärken und Schwächen des Betriebs ab. Hinzu kommt, dass Szenarien für mögliche Entwicklungen der Energiepreise und -kosten prognostiziert, die eigenen sowie die im Markt angebotenen Technologien bewertet, alle vorhandenen Risiken analysiert und die individuellen ethischen Werte festgelegt werden müssen.
„Die Kostenrechnung baut auf den Energiebilanzen auf; die Informationen über die physikalischen Energieströme werden mit Kosten bewertet und verrechnet.“
Allen technischen und betriebswirtschaftlichen Berechnungen zum Trotz: Seine volle Wirkung erzielt das Energiemanagement erst, wenn es in alle Unternehmensprozesse integriert ist. Die Möglichkeiten, wie die Verantwortung und die Aufgaben in der Firma verteilt werden, sind vielfältig. Es kann eine eigene Abteilung gegründet werden oder man delegiert die Verantwortung an bestehende Bereiche wie Beschaffung oder Produktion. Die Verantwortlichkeiten lassen sich aber auch im Management bündeln oder an externe Dienstleister outsourcen.
„Ethische Normen drücken sich in Unternehmensleitlinien, einer Umweltpolitik und weiteren Dokumenten aus.“
Im Hinblick auf eine umfassende, flexible Zusammenarbeit mit allen Mitarbeitern ist die Einrichtung einer hauseigenen Abteilung Energiemanagement wahrscheinlich die effektivste und kostengünstigste Variante. Nur so lassen sich alle Geschäftsprozesse von der Beschaffung bis zum Absatz laufend auf ihre Energieeffizienz prüfen und transparent kommunizieren. Konflikte, die durch unterschiedliche Ziele der einzelnen Abteilungen entstehen können, lassen sich durch die ständige Präsenz der Energiemanager leichter lösen. Die Prioritäten in der Umsetzung der Energieprojekte können anhand einer ABC-Klassifizierung gemeinsam mit allen Betroffenen erarbeitet werden.
Politische und klimatologische Einflüsse
Da die Erschließung von Energieressourcen ein globales Thema ist, müssen sich die Unternehmen von einer rein betriebsfokussierten Sichtweise verabschieden. Die Ermittlung firmenspezifischer Daten der Energienutzung ist zwar wichtig. Erfolgreiches Energiemanagement berücksichtigt jedoch auch die weltweiten Klimaveränderungen und deren Auswirkungen etwa in Form von politischen Entscheidungen und technologischen Entwicklungen.
„Die klimatischen Veränderungen führen zu wirtschaftlichen und politischen Problemen, zur Frage der Lastenverteilung und der Gerechtigkeit.“
In der Öffentlichkeit ist es derzeit weitgehend unbestritten, dass die Erde eine Phase der Klimaerwärmung durchläuft und die Menschheit einer zunehmenden Verknappung an energetischen Rohstoffen ausgesetzt ist. Beide Aspekte verschärfen – in Kombination mit häufiger auftretenden Naturkatastrophen – das Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich. Denn es sind vor allem die ärmeren Nationen, die von den Veränderungen am heftigsten getroffen werden.
„Die ethische Rechtfertigung eigennützigen Handelns, wonach der Markt wie eine unsichtbare Hand den größten Nutzen für die größte Zahl herbeiführt, wird durch das Auftreten externer Kosten ausgehebelt.“
Von den Auswirkungen betroffen sind jedoch auch die Unternehmen, da sich ihre eigenen Zukunftsaussichten viel ungewisser gestalten. Zudem sind sie gezwungen, unabhängig von der aktuellen Wirtschaftlichkeit auf Energieeinsparungen und den Einsatz umweltschonender Energieträger wie etwa Sonne, Wind oder Biomasse zu setzen. Vor allem aber müssen sich die Unternehmen darauf einstellen, dass die Politik ihnen künftig deutlich mehr Verantwortung für die mit der Produktion verbundenen externen Kosten wie Luftverschmutzung oder Treibhausgase aufbürden wird, da diese bislang in den Preisen nicht berücksichtigt werden.