Die Praxis des Managements
Management als selbstständige Tätigkeit ist bereits rund 200 Jahre alt. Als Begriff und als eigene Disziplin ist es aber ein Kind des 20. Jahrhunderts. Die breite Öffentlichkeit hat das Management als solches erst nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst wahrgenommen. Management gibt es nicht nur in Konzernen, sondern auch im Einmannbetrieb, in einer Arztpraxis oder auf einem Bauernhof. Das Management von großen Organisationen erwuchs daraus, dass Größe auch Komplexität bedeutet. Wenn ein Unternehmen wächst, muss der Eigentümer entweder selbst zum Manager werden oder die beiden Bereiche „Besitz“ und „Management“ trennen und spezialisierte Mitarbeiter einstellen.
„Management ist vielleicht die wichtigste Innovation des 20. Jahrhunderts.“
Sobald ein Unternehmen professionell gemanagt wird, benötigt es spezielle Strukturen, die die Planung und Steuerung der Unternehmensaufgaben ermöglicht. Manager planen, organisieren, integrieren und bewerten die Arbeit der Menschen, die sie führen. Sie sind auch für die Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter verantwortlich und müssen zudem mit ranggleichen Managern interagieren und planen. Was zeichnet Manager aus? Sie sind ergebnisverantwortlich, müssen also für ihren Beitrag und den Beitrag ihrer Mitarbeiter geradestehen. Manager werden also weniger durch ihre Macht als vielmehr durch ihre Funktion definiert. Management ist keine Wissenschaft, sondern pure Praxis: Der Manager ermöglicht es Menschen, gemeinsam Leistungen zu erbringen. Dabei beachtet er die Kultur der Mitarbeiter, setzt gemeinsame Ziele und ermöglicht Weiterbildung und Kommunikation zwischen allen, die am Ergebnis beteiligt sind.
Herausforderungen der Wissensgesellschaft
Unsere Gesellschaft wird gegenwärtig von einem Faktor dominiert: Wissen. Es fließt über Grenzen und Schichten hinweg und steht mit ein wenig Mühe und Bildungsaufwand jedem zur Verfügung. Wissen löst derzeit die Industrieproduktion ab, genau wie die Industrieproduktion einst die manuelle Arbeit in der Landwirtschaft abgelöst hat. Ein neuer Typ Angestellter wird in der Wissensgesellschaft den Industriearbeiter ersetzen: der Wissenstechniker. Er ist hochgradig gebildet und muss theoretische Konzepte umsetzen. Typische Vertreter dieses Arbeitertyps sind Computertechniker, Softwareentwickler oder Fachkräfte, die medizinische Analysen anfertigen. Die Dominanz von Wissen fördert die Integration von Frauen in die Arbeitswelt: Wissensarbeit liegt Männern und Frauen gleichermaßen, da sie meist ohne körperlich schwere Arbeit erledigt werden kann. Eine Gesellschaft, in der prinzipiell jeder alles erreichen kann, hat aber auch eine Schattenseite: den harten, erbarmungslosen Konkurrenzkampf. Beispiele aus Japan zeigen, dass nur diejenigen Kinder Eliteuniversitäten „überleben“, deren Eltern das Geld für eine entsprechende Förderung haben. Überdies sind viele der auf Karriere gedrillten jungen Manager meist schon mit Mitte 40 innerlich ausgebrannt.
Ziel und Zweck von Unternehmen
Es ist nicht der Zweck eines Unternehmens, Profit zu machen. Die Rendite ist nicht der Sinn, sondern die Grundvoraussetzung eines Unternehmens. Einfach gesagt können Unternehmen gar nicht auf Dauer existieren, wenn sie keinen Gewinn erwirtschaften. Das hat aber nichts mit ihrem Zweck zu tun. Dieser liegt allein darin, Kunden zu akquirieren und deren Bedürfnisse zu befriedigen, also Märkte aufzubauen. Viele Kunden können Dinge brauchen, von denen sie noch gar nichts wissen. Niemand hatte je Bedarf für einen Computer, eine elektrische Zahnbürste oder einen Fotokopierer, bis diese Produkte durch Forschung, Innovationen, Ingenieurskunst, Produktion und Marketing verfügbar gemacht wurden. Innovation und Marketing sind die beiden Grundfunktionen jedes Unternehmens. Ziele müssen aber nicht nur fürs Marketing und den Innovationsprozess, sondern z. B. auch für den Ressourceneinsatz und die soziale Verantwortung des Unternehmens gefunden werden. Dabei dürfen sich die Ziele nicht widersprechen.
Die Kunst der strategischen Planung
Unternehmen müssen hier und jetzt Entscheidungen für die Zukunft treffen. Diese strategischen Entscheidungen haben keinen festen Zeitrahmen: Es zählt allein, wie weitreichend sie in der Zukunft sind. Auch Entscheidungen für die nächsten Wochen und Monate können strategisch sein und müssen in eine langfristige Planung eingebettet werden. Genauso muss die langfristige Planung an die kurzfristigen Entscheidungen der Gegenwart angegliedert sein. Der Manager muss sich fortwährend fragen, was das Unternehmen ist, wie es sein wird und wie es sein sollte. Nur wenn er plant, kann er systematisch die richtigen Risiken eingehen. Und nur wenn er einen Plan hat, kann er die richtigen Mitarbeiter zum Handeln bringen. Die schönste Strategie ist wertlos, wenn man ihr keine Taten folgen lässt.
Arbeit produktiv machen
Der Erste, der das Produktivitätsparadigma in die Arbeitswelt brachte, war Frederick W. Taylor am Ende des 19. Jahrhunderts. Seine Tätigkeitsanalyse baute darauf auf, jede manuelle Aktion im Arbeitsprozess in ihre kleinsten Schritte zu zergliedern. Diese einzelnen Schritte wurden dann untersucht und verbessert, sodass jede Verschwendung von Kraft und Zeit im Keim eliminiert werden konnte. Diese „wissenschaftliche Betriebsführung“ oder Rationalisierung brachte zum ersten Mal in der Geschichte der Arbeit größere Produktivitätsschübe mit sich. Dank Taylors Methoden hat sich die Produktivität der manuellen Arbeit innerhalb eines Jahrhunderts verfünfzigfacht. Der Vater der Rationalisierung zog sich den Groll der Handwerker und Gewerkschaften zu, weil er die Arbeit und die Meisterschaft in einem Handwerk entmystifizierte: Für Taylor war es eben einfach nur eine Kette von Handgriffen, nicht mehr und nicht weniger. Henry Ford griff mit seinem Fließband Taylors Erkenntnisse auf, und selbst moderne Produktionslehren wie Kaizen oder Total Quality Management basieren auf dessen Modellen.
„Management ist Praxis und nicht so sehr Wissenschaft.“
Auch moderne Dienstleistungen und die Leistungen der Wissenstechniker lassen sich mit Taylors Modell rationalisieren, sofern sie in einzelne Segmente unterteilt werden können. Bei der industriellen Produktion muss man dem Arbeiter nur sagen, auf welche Art und Weise er etwas machen muss. Beim Wissenstechniker sieht das etwas anders aus, hier geht es um den Zweck der Arbeit. Die eingesetzten Mittel können nicht von außen vorgegeben werden, sie sind das Wissen und die Fähigkeiten, die der Arbeiter über seine Ausbildung erlangt hat und über die er allein verfügt. Ist jedoch der Zweck bestimmt, können auch Vorgaben für Aufgaben, Ziele und Qualität gemacht werden.
Manager müssen soziale Verantwortung zeigen
Der Eid des Hippokrates ist wohl der älteste Verhaltenskodex und eine Formulierung des Arbeitsethos für die damalige Elite der Ärzte: primum non nocere – vor allem nicht wissentlich schädigen. Auch moderne Manager bilden als Führungskräfte in Unternehmen, Banken, Universitäten und Krankenhäusern eine Oberschicht mit großer Verantwortung. Sie dürfen ebenfalls niemandem wissentlich Schaden zufügen, weder ihren Mitarbeitern und Kunden noch der Gesellschaft im Ganzen. Mehr noch: Durch ihre privilegierte Stellung haben sie die besondere Verantwortung, auch gesellschaftliche Missstände zu beheben, sofern es in ihrer Macht steht.
Management als fundamentale Zustandsänderung
Wenn Manager in einem Unternehmen ihre Arbeit aufnehmen, kommt das einer Änderung des Aggregatszustands von Elementen gleich. Wie sich erhitztes Wasser in Wasserdampf verwandelt und dabei seine alte Struktur verliert, so geht es auch einem Unternehmen, wenn es wächst und einer Managementorganisation bedarf. Henry Ford hat das in den 1920er Jahren nicht einsehen wollen und fuhr sein monopolartiges Unternehmen vor die Wand. Was war passiert? Ford dachte, dass er als Unternehmer die Firma mithilfe seiner Assistenten führen könne, ohne professionelle Manager einzustellen und die entsprechenden Strukturen zu schaffen. Seinem Sohn Henry Ford II. gelang es 1944, das angeschlagene Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen – nach dem Vorbild von Alfred P. Sloan jun. Dieser hatte kurz zuvor General Motors aus der Bedeutungslosigkeit geführt und zum Leader in der amerikanischen Autoindustrie gemacht – mithilfe eines Managementteams.
Management durch Zielvorgaben
Management durch Zielvorgaben ist vielleicht die beste Managementmethode. Mehr noch: Es ist eine Managementphilosophie. Nicht der Befehl des Vorgesetzten, sondern die Sache selbst, das zu erreichende Ziel, erfordert bestimmte Maßnahmen. Zielvorgaben geben dem Mitarbeiter Freiheit und fördern gleichzeitig eine starke Selbstkontrolle.
Die Fähigkeiten des Managers
Gute Manager zeichnen sich durch eine ganze Reihe von Fähigkeiten aus. Nicht alle können alles gleich gut, aber jeder sollte die zentralen Managerfähigkeiten zumindest kennen und ansatzweise beherrschen. Dazu gehören:
- Entscheiden: Gute Entscheider wissen, dass sie wenige Entscheidungen fällen sollten, diese aber wirksam sein müssen. Nur diejenigen Entscheidungen, die spürbar etwas ändern und die vor allem auch umgesetzt werden, sind gute Entscheidungen. Für den Entscheidungsprozess muss zunächst das Problem genau definiert und klassifiziert werden. Ersteres erscheint trivial, wird aber oft vergessen. Letzteres dient der Entscheidungsfindung: Handelt es sich um ein wiederkehrendes Problem, kann es mit bewährten Gegenmaßnahmen angegangen werden.
- Personalentscheidungen: Im Militär sagt man, dass jeder Soldat einen Anspruch auf kompetente Befehle hat. Im Unternehmen gilt: Jede Abteilung braucht die passenden Mitarbeiter. Manager, die Personalentscheidungen treffen, haben also eine große Verantwortung, die richtigen Personen einzustellen. Wenn es ihnen nicht gelingt, müssen sie die Schuld nicht beim Bewerber suchen, sondern bei sich selbst. Die einzelnen Schritte: Aufgaben definieren, Kandidaten aufstellen, Stärken vergleichen, Referenzen bei Kollegen und Chefs einholen und schließlich dafür sorgen, dass der neue Mitarbeiter seine Aufgaben auch versteht.
- Kommunikation: Keine leichte Sache, denn Manager und Mitarbeiter haben oft eine ganz unterschiedliche Vorstellung davon, wie etwas getan werden soll. Hier kommt wieder das Management über Zielvorgaben zum Einsatz. Nur mit dieser Technik werden die Mitarbeiter gezwungen, ihre Vorstellungen mit den Wünschen der Manager abzustimmen. Beide Seiten diskutieren sachlich über die Zielerreichung.
Der Manager von morgen
Die Managementstudenten von heute sind die Manager von morgen. Was werden sie anders machen? Zunächst einmal werden sie vieles genauso machen, wie heutige Manager: Sie werden die Verantwortung für die Leistungsfähigkeit ihrer Unternehmen übernehmen, sie werden Arbeit produktiv gestalten und ihre Mitarbeiter fördern und erfolgreich machen.
„Es sind die Manager, die für die Leistungsfähigkeit der Institutionen sorgen.“
Ändern wird sich das Verhältnis zu den Untergebenen: Der Manager der Zukunft wird sich immer wieder in Situationen finden, in denen seine Mitarbeiter mindestens genauso viel Fachwissen und Erfahrung haben, wie er selbst. Er wird keine Kontrolle mehr ausüben können, wie es in der Vergangenheit in klassischen Hierarchien der Fall war. Er wird Mitarbeiter führen müssen, die zwar für das Unternehmen arbeiten, aber keine Angestellten sind. Und er wird es zukünftig noch öfter mit Joint Ventures statt mit direkten Übernahmen zu tun haben und muss daher sein Kommunikationsgeschick weiter ausbauen.