Fünffach höhere Ressourcenproduktivität
In den letzten 100 Jahren ist das Leben für die Menschen in den westlichen Ländern immer angenehmer geworden. Auslöser dieser Entwicklung war die industrielle Revolution. Die Bevölkerung wuchs rasant und machte sich fast das gesamte bewohnbare Land zunutze.
„Entweder lernt die Menschheit, nachhaltig mit der Erde umzugehen, oder die Umwelt schlägt zurück und lässt das Menschengeschlecht zugrunde gehen.“
Der Fortschrittsoptimismus ist aber inzwischen einer weit verbreiteten Besorgnis darüber gewichen, wie lange unser Planet den Ressourcenhunger und die damit einhergehende Umweltverschmutzung noch aushält. Zwar wurden und werden bereits Anstrengungen unternommen, die Umweltprobleme in den Griff zu bekommen und einzudämmen, jedoch nicht in ausreichendem Maß. Was fehlt, ist ein ganzheitlicher Ansatz. Dafür müssen die Menschen zwei Wege gehen: zum einen Umweltbelastungen und Ressourcenverbrauch durch neue Technologien verringern und zum anderen genügsamer leben. Experten halten eine fünffache Erhöhung der Ressourcenproduktivität für möglich.
„Das Heizen und Kühlen von Räumen macht rund um den Globus einen Großteil des Energieverbrauchs von Wohnhäusern aus.“
Einsparmöglichkeiten einzelner Branchen
- Bauindustrie: Wohnhäuser waren 2006 für 27,5 % des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich. Hier muss der Rotstift in Sachen Verbrauch angesetzt werden. Gleichzeitig gilt es, erneuerbare Energien zu verwenden. Schließlich können diese nur dann als ernst zu nehmende Alternative zu fossilen Rohstoffen ins Auge gefasst werden, wenn der Energieverbrauch um 60–80 % sinkt. Mit dem so genannten Passivhaus, das auf eine aktive Heizung und Kühlung verzichtet, lässt sich der Energieverbrauch mindestens um den Faktor Fünf verringern. Sogar Faktor Zehn soll möglich sein, wenn passive Solarenergienutzung, Superdämmung, superverglaste Fenster und Wärmerückgewinnung dazukommen. Auch bei Nichtpassivhäusern lässt sich mit vernünftigem Verhalten und neuen Technologien Energie sparen. Doppelglasige Fenster, spezielle Wand- und Deckenisolierungen und Betonbodenplatten mit Randdämmung können den Verbrauch um 70 % senken.
- Stahl- und Zementindustrie: Diese Branche verbraucht besonders viel Energie und ist zugleich für einen großen Teil der Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. In der Stahlbranche liegt der Anteil an den weltweiten Emissionen bei 7 %, beim Zement sind es 5–8 %. Einsparpotenzial bietet neben neuer Technik auch das Recycling von Altmetall. Um in der Stahlbranche Energieeinsparungen um den Faktor Fünf zu erreichen, sollten Produzenten u. a. vom Konverter-Hochofen auf den elektrischen Lichtbogenofen umsteigen. Dieser verbraucht ein Zehntel der Energie, ein Achtel des Wassers und weniger als ein Vierzigstel anderer Stoffe pro Tonne Stahl. Mit wachsender Schrottmenge steigt das Einsparpotenzial des Elektrostahls noch weiter. Der amerikanische Stahlproduzent Nucor hat 2008 rund 80 % seines Stahls aus Schrott recycelt, die Energieintensität seit 2003 um 17 % verringert und mit Elektrostahl im Vergleich zum Hochofenstahl fast den Faktor Fünf in Sachen Energieeinsparung erreicht. In der Zementproduktion sehen Experten Einsparmöglichkeiten vor allem in der Verwendung von Geopolymeren, bei denen gut 80 % weniger Energie aufgewendet werden muss.
- Landwirtschaft: Aufgrund wachsender Bevölkerungszahlen und des vermehrten Wohlstands hat die Landwirtschaft längst industrielle Züge angenommen. Allein die Tierhaltung sorgt für einen höheren Ausstoß von Kohlendioxid als der Transportsektor. In Asien werden 80 % der Energie in der Landwirtschaft verbraucht. Wie eine klima- und umweltfreundliche Landwirtschaft gestaltet werden kann, zeigt China. Das Land versorgt sich weitgehend selbst und spart damit unsinnige Transportwege rund um den Erdball. Angebaut wird vor allem Gemüse, und das auf einer relativ kleinen Fläche mit geringem Energieeinsatz. Allerdings arbeiten hier auch bedeutend mehr Menschen in der Landwirtschaft als andernorts. Während weltweit durchschnittlich 82 Personen auf 100 Hektar Land arbeiten, sind es in China 300 – in den USA sind es nur zwei. Maschinen kommen kaum zum Einsatz. Der große Hunger nach Düngemitteln wird in Form von Stalldünger durch die Landwirtschaft selbst gestillt. Weitere Maßnahmen für eine klimafreundliche Landwirtschaft wären ein verstärkter Einsatz von erneuerbaren Energien, aber auch deren Produktion durch die Bauern: Schließlich können sie die Energie, die sie mit Windparks auf ihren Feldern erzeugen, auch selbst nutzen. Der immens große Wasserbedarf kann durch Brauch- und Regenwassernutzung, Tröpfchenbewässerung oder bedarfsgerechte Bewässerung gesenkt werden.
- Verkehr: Dieser Sektor hat einen Anteil von 23 % am weltweiten Energieverbrauch. Zwei Drittel davon gehen auf das Konto des Personenverkehrs, ein Drittel verantwortet der Güterverkehr. Die hier verbrauchte Energie stammt zu 96 % aus Erdöl. Der Energiehunger dieses Sektors entwickelt sich ungebremst. Experten gehen davon aus, dass sich der private Pkw-Besitz bis 2030 verdoppeln wird. Für eine fünffache Energieeffizienz im Vergleich zu heute müssen die folgenden drei Wege eingeschlagen werden:
- Verbesserung der Energieeffizienz aller Verkehrsmittel, z. B. durch windschnittige Fahrzeugformen,
- Umstieg auf energieeffizientere Verkehrsmittel, wie öffentlicher Nah- und Fernverkehr sowie Fahrrad,
- klimafreundliche Treibstoffe, beispielsweise aus der Kombination von erneuerbarer Energie und Brennstoffzellen.
Gesetzliche Vorgaben
Neben neuer Technik und bewusstem Handeln erfordert nachhaltiges Wachstum auch die richtigen Rahmenbedingungen. Gesetze können Energieeffizienz zwar in gewissem Maß verordnen, ein Faktor Fünf ließ sich bisher damit allerdings nicht erzielen. Schweden machte mit seiner Baunorm 1975 einen ersten Schritt in Richtung Energieeffizienz von Gebäuden. Dabei wurde der maximale Wärmeverlust über Außenwände, Dach, Boden und Fenster festgelegt. Besonders nachahmenswert ist Japans Top-Runner-Programm, 1999 ergänzend zum Energieeinspargesetz eingeführt: Der Staat kürte einen so genannten Top-Runner in Sachen Energieeffizienz und erklärte dessen Leistung zum landesweiten Standard. Innerhalb von vier bis acht Jahren mussten alle Hersteller diesen Standard mit ihren Produkten erreichen. Hinsichtlich der Schadstoffkontrolle konnte die Gesetzgebung gute Dienste leisten, beispielsweise mit durch Richtlinien festgelegte Umweltstandards auf EU-Ebene. Der Ressourcenverbrauch konnte so bislang aber nicht gebremst werden.
Ökonomische Instrumente
Ökonomische Instrumente können mehr bewirken als Gesetze. Dazu gehören zunächst freiwillige Verpflichtungen und Umweltmanagementsysteme. Erstere gibt es seit den 1970er Jahren. Um den Staat von der Festlegung von Emissionsgrenzwerten abzubringen, boten die Firmen damals diese freiwilligen Selbstbeschränkungen an. Auch wenn viele Unternehmen damit vor allem ihren Ruf in der Öffentlichkeit verbessern wollten, entwickelte sich ein größeres Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutz. Umweltmanagementsysteme haben Firmen, die die damit verbundenen Kosten tragen konnten, zu ökologischerem Verhalten und mehr Transparenz geführt. Aber auch hier konnte ein Faktor Fünf nicht erreicht werden. Daneben existieren noch zahlreiche weitere ökonomische Instrumente, etwa handelbare Emissionslizenzen, Schadstoffabgaben oder Umweltsubventionen. Den Abgaben und Subventionen haftet der Beigeschmack staatlicher Eingriffe an. Ein typisches Beispiel für die Lizenzen ist der Handel mit Treibhausgasemissionen auf Grundlage des Kyoto-Protokolls.
Der Rebound-Effekt
Leider haben Effizienzverbesserungen in der Vergangenheit nicht zu einem geringeren Ressourcenverbrauch geführt. Stattdessen wurde der Effizienzgewinn in neues Wachstum investiert, was den Energieverbrauch wieder ankurbelte. Dieses Phänomen wird Rebound-Effekt genannt. Ein Beispiel sind die Auswirkungen des zweiten Ölpreisschocks von 1978. Weil das Öl immens teuer wurde, setzten die Menschen wieder vermehrt auf Kohle- und Kernenergie. Zudem verbesserten ordnungspolitische Maßnahmen, wie die schwedischen Gebäudestandards oder die US-amerikanischen CAFE-Standards (Corporate Average Fuel Economy), die Energieeffizienz. Weil weniger Öl verbraucht wurde, ging dessen Preis ab 1982 zurück. In der Folge kauften vor allem die Amerikaner wieder größere, Benzin schluckende Autos und bauten vermehrt Häuser auf dem Land, da Fahrten in die Stadt ja nicht mehr viel kosteten.
„Staaten und internationale Organisationen können sich sehr wohl ohne Gesichtsverlust mit den global operierenden NGOs zusammentun und die Formulierung, Vereinbarung und Durchsetzung globaler Regeln gemeinsam verfolgen.“
Auch wenn bisweilen das Gegenteil behauptet wird: Die Preise für natürliche Ressourcen sind seit zwei Jahrhunderten immer weiter gesunken. Dennoch darf man nicht die Augen davor verschließen, dass gerade wichtige Ressourcen wie Öl knapp sind. Wenn diese Verknappung spürbar wird, könnten die Preise explodieren; auch Kriege um Ressourcen sind denkbar. In gewissem Maß haben steigende Preise aber durchaus den positiven Effekt, dass sie den Verbrauch drosseln.
„Fast ganz untergegangen ist die uralte kulturelle Einsicht in die Möglichkeit von viel Glück mit wenig Verbrauch von Waren.“
Um dies zu erreichen, empfiehlt sich eine nationale Energiesteuer, die an international festgelegte Reduktionsverpflichtungen in Verbrauch und Emission gekoppelt ist. Das heißt: Wenn ein Land die Verpflichtungen durch steigende nationale Preise einhalten kann, muss es nichts zahlen. Wenn es die Verpflichtungen nicht einhält, muss es Emissionslizenzen auf dem internationalen Markt kaufen und umgekehrt. Um Wirtschaft und Bevölkerung nicht zusätzlich zu belasten, können mit den Einnahmen aus der Energiesteuer andere Steuern gesenkt werden.
Mehr Staat, weniger Markt
Nachdem der Staat jahrelang verteufelt wurde, weil er den Markt verzerren und damit den Wohlstand bremsen würde, sind diese Stimmen nach der Finanzkrise 2008 leiser geworden. Dennoch brauchen wir nicht mehr Bürokratie und auch keinen Weltstaat, wohl aber internationale Regeln, nach denen die Staaten handeln. Dazu eignen sich existierende Organisationen wie die Welthandelsorganisation (WTO) oder die Internationale Arbeitsorganisation (ILO). Bislang hat sich die WTO zu stark für den Freihandel zulasten von nationalen Umweltnormen eingesetzt. Das muss sich ändern. Eine tragende Rolle für die Förderung nachhaltiger Entwicklung könnten die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) spielen. Staaten und internationale Organisationen sollten mit ihnen bei der Entwicklung und Durchsetzung klimafreundlicher Regeln zusammenarbeiten. Die NGOs könnten dabei als eine Art Kontrollinstanz fungieren.
Glücklich mit weniger
Energie- und Ressourceneffizienz führen nur dann zu nachhaltigem Wachstum, wenn die Menschen genügsamer leben. Dafür müssen sie nicht einmal auf ihre Lebensqualität verzichten. Schließlich steigern gefahrene Autokilometer von Berufspendlern nicht das Wohlbefinden, wohl aber den Umsatz mit Benzin. Näher an den Arbeitsplatz zu ziehen, würde die Lebensqualität deutlich erhöhen und die Umwelt weniger belasten. Genauso führt der Verzicht auf Eiswürfel in einem Getränk auch nicht zu einem geringeren Wohlbefinden, hilft aber, Energie zu sparen. Ganz zu schweigen von einem bewussten und sparsamen Fleischverzehr, denn gerade Rinder verursachen große Mengen an Treibhausgasen. Mit solchen Maßnahmen würde das Bruttoinlandsprodukt, das in der Regel die fragwürdige Basis für Wachstumsberechnungen bildet, zwar sinken, der Wohlstand aber keineswegs.