Cultural Intelligence

Buch Cultural Intelligence

Die Erfolgsformel für Wachstum in einer multipolaren Wirtschaftswelt

Gabler,


Rezension

Da wir es in der glob­al­isierten Wirtschaft zunehmend mit Akteuren aus anderen Kul­turkreisen zu tun haben, ist es nötig, sich mit deren Eigenarten au­seinan­derzuset­zen, so die Autorin Hanne Seel­mann-Holz­mann. Es greift zu kurz und führt zu Misserfolg, wenn wir mit unseren im Abendland bewährten Methoden und Konzepten auf andere Kulturen losgehen. Vielmehr müssen wir unsere Auf­fas­sun­gen entgegen dem geschichtlich und religiös gewachsenen Ab­so­lutheit­sanspruch rel­a­tivieren und die Wurzeln fremden Denkens und Handelns sowie anderer Werte anerkennen und re­spek­tieren. Sehr dif­feren­ziert sen­si­bil­isiert die Autorin den Leser für die Traditionen anderer Kulturen und geht dabei sowohl in die Tiefe wie auch in die Breite. Sie belässt es nicht bei oberflächlichen Ver­hal­tensregeln, sondern liefert Hin­ter­grund­wis­sen, das einem manch exotisch anmutende Ver­hal­tensweise verständlicher macht. Als Asienex­per­tin legt die Autorin den Schwerpunkt auf den größten Erdteil, die Method­olo­gie lässt sich aber ebenso auf die Kulturen anderer Regionen übertragen. BooksInShort empfiehlt das Buch, das trotz seiner wis­senschaftlichen Rückgriffe die praktische An­wend­barkeit nie aus den Augen verliert, allen Un­ternehmern und Mi­tar­beit­ern, die Kontakte zu an­der­skul­turellen Geschäftspartnern halten.

Take-aways

  • Die globale Wirtschafts­macht verlagert sich von Westen nach Osten.
  • Westliche Geschäft­sprak­tiken lassen sich nicht ohne Weiteres auf asiatische Länder übertragen.
  • Lassen Sie sich von der Metapher des globalen Dorfes nicht täuschen: Kulturelle Un­ter­schiede sind Realität.
  • Erkennen Sie diese Un­ter­schiede und nutzen Sie sie für Ihren Geschäftserfolg.
  • Werden Sie sich auch Ihrer eigenen sozialen Prägungen bewusst, um sie zu rel­a­tivieren.
  • Befassen Sie sich mit den Hintergründen kul­tur­spez­i­fis­cher Werte – Sie brauchen vertieftes Wissen statt bloßer Dos and Don’ts.
  • Entwerfen Sie Ihre Verkauf­sstrate­gien auf der Grundlage der kulturellen Eigenheiten.
  • Wählen Sie für Entsendun­gen ins Ausland nur Mitarbeiter aus, die sich charak­ter­lich dafür eignen.
  • Coachingmaßnahmen und Kom­mu­nika­tions­for­men orientieren sich oft einseitig am Weltbild des westlichen Individuums.
  • Das Marketing muss die landes- und re­li­gion­sspez­i­fis­chen Bedeutungen von Worten, Farben und Symbolen kennen.
 

Zusammenfassung

Die neue Her­aus­forderung

Die ökonomische Überlegen­heit der USA schwindet. Die globale Wirtschafts­macht verlagert sich nach Osten. Trotz der jüngsten Krise haben Staaten wie Russland, Brasilien, Indien und China Wachstum zu verzeichnen. Auch die Bedeutung afrikanis­cher und weiterer südamerikanis­cher Staaten nimmt zu. Diese neuen Akteure sind durch folgende Eigen­schaften charak­ter­isiert:

  1. Ihr Vorgehen fußt auf einer Kultur, die vollkommen anders ist als die westliche.
  2. Die Staatssys­teme sind meist autoritär aus­gerichtet.
  3. Oft treten sie sehr selb­st­be­wusst und kritisch auf.
  4. Die Schwellenländer schließen sich zu neuen Allianzen zusammen und lassen sich dabei gerne von der Weltmacht China unterstützen.
„Werkzeuge, die bisher gute Dienste leisteten, können in einem an­der­skul­turellen Zusam­men­hang stumpf werden.“

Unsere westlichen Geschäftsmodelle und -praktiken auf den Osten und Süden zu übertragen, kann aufgrund der un­ter­schiedlichen kulturellen Wurzeln nur misslingen. Wenn Sie davon ausgehen, dass die Gesetzmäßigkeiten der Ökonomie, des Handels und der Kom­mu­nika­tion weltweit ähnlichen Strukturen unterliegen, ist das eine Fehleinschätzung, die Ihrem Erfolg im Weg steht.

Das Märchen vom globalen Dorf

Der Begriff „globales Dorf“ stammt ursprünglich aus der Me­di­en­the­o­rie. Später wurde er auf das Internet bezogen und inzwischen verwendet man ihn auch im Zusam­men­hang mit der Wirtschaft, die weltweit zusammenwächst. Das Wort „Dorf“ assoziiert man mit Überschaubarkeit, Nähe und Ver­trautheit. Damit wird der Blick für die tatsächlichen kulturellen Un­ter­schiede verstellt. Die meisten Menschen erleben diese Annäherung und die Weltof­fen­heit nämlich nicht selber, sondern erhalten In­for­ma­tio­nen über fremde Länder nur durch die Vermittlung anderer. Die Glob­al­isierung hat zwar zur Folge, dass sich die Konsum- und Denkge­wohn­heiten gewisser Schichten angleichen, es wäre aber fatal, diesen Umstand zu ve­r­all­ge­mein­ern. Die global agierenden Entschei­dungsträger mögen sich einander anpassen, doch das gilt das nicht für die darun­ter­liegen­den Ebenen. Lassen Sie sich also nicht von Äußer­lichkeiten täuschen. Geschäftsleute ziehen weltweit vielleicht ähnliche Mäntel und Anzüge an, aber manche von ihnen tragen darunter noch ihre tra­di­tionelle Kleidung – ein Symbol für ihre eigene Kultur, die sich von anderen fundamental un­ter­schei­den kann.

Was ist kulturelle Intelligenz?

Erkennen Sie die Un­ter­schiede zwischen den Kulturen und nutzen Sie die Potenziale, die in ihren Eigenheiten stecken. In­ter­pretieren Sie Ver­hal­tensweisen oder Umstände, die Sie in anderen Kulturen beobachten, nicht einfach mit der Sprache, die Sie von Ihrer eigenen kennen. Der Bericht von Afrikanern, die in Deutschland Garten­zw­erge für ein Abbild von Ver­stor­be­nen hielten und daher glaubten, dass die Deutschen Ahnenkult betrieben, ve­r­an­schaulicht die Gefahr der Fehleinschätzung. Un­ter­schei­den Sie zudem, ob die Ver­hal­tensweisen Ihrer Gesprächspartner persönlicher oder kultureller Natur sind. Ist Ihr Gegenüber beispiel­sweise zurückhaltend, könnte das sowohl mit seinem Charakter als auch mit der gesellschaftlichen Situation zusammenhängen. Kulturelle Intelligenz umfasst dreierlei: erstens das the­o­retis­che Wissen um die ver­schiede­nen kulturellen Codes, zweitens die in­terkul­turelle Kompetenz, d. h. die praktische Fähigkeit, sich in andere Kulturen und Denkweisen hineinzu­ver­set­zen, und drittens die Nutzung der kulturellen Vielfalt im Unternehmen.

Kulturelle Codes und in­terkul­turelle Kompetenz

Wenn Sie über die Hintergründe von kul­tur­spez­i­fis­chen Werten Bescheid wissen, können Sie viel eleganter und selb­st­sicherer handeln, als wenn Sie nur die Dos and Don’ts auswendig lernen. Es ist außerdem hilfreich, die Selbstverständlichkeiten Ihrer eigenen Kultur zu hin­ter­fra­gen, um zu erkennen, wie relativ sie sind. Verwenden Sie die Codes anderer Kulturen und ihre Hintergründe als Grundlage für Entschei­dun­gen, Hand­lungsstrate­gien und Mar­ket­ingkonzepte in den jeweiligen Ländern. Passen Sie Ihre Ziele und Konzepte der an­der­skul­turellen Logik an. Berücksichtigen Sie neben der kognitiven auch die emotionale Ebene.

„Die Weltökonomie ist multipolar geworden. Neue Spieler demon­stri­eren neues Selb­st­be­wusst­sein.“

Folgende Qualitäten machen in­terkul­turelle Kompetenz aus: Einfühlungsvermögen, Aufgeschlossen­heit, Geduld, Gelassen­heit, allgemeine Toleranz, Frus­tra­tions- und Ambiguitätstoleranz sowie die Fähigkeit zum Per­spek­tiven­wech­sel. Ambiguitätstoleranz bedeutet, dass Sie kulturell bedingte Widersprüche, Mehrdeutigkeiten und Un­klarheiten aushalten können, ohne sie vorschnell zu bewerten und zu klas­si­fizieren oder auf eine Lösung zu drängen. All diese Fähigkeiten sind u. a. für eine wirksame Motivation der Mitarbeiter von Bedeutung. Während Sie etwa in Europa mit höherem Einkommen oder Status des Einzelnen werben können, ist in China der Wohlstand und das Ansehen der ganzen Familie wichtig.

„Unsere Begriffe, Denk- und Hand­lungsmuster entsprechen noch längst nicht den globalen Maßstäben unserer Realität. Die technische Glob­al­isierung kann geistig nicht eingelöst werden.“

Mitarbeiter, die Sie ins Ausland entsenden, sollten Sie entsprechend schulen, vor allem aber müssen Sie die richtigen Personen auswählen. Intolerante und unflexible Mitarbeiter sind hier fehl am Platz. Ins­beson­dere für das Asiengeschäft ungeeignet sind überdies sowohl äußerst tem­pera­mentvolle als auch sehr in­tro­vertierte Charaktere. Empfehlenswert ist ein Coaching im Gastland. Kehren die Mitarbeiter in ihr Heimatland zurück, sollten Sie ihre Erfahrungen erfassen und auswerten, sodass diese in zukünftige Vor­bere­itun­gen einfließen können. Die Rückkehrer brauchen u. U. Rein­te­gra­tionshil­fen, weil sich ihr Gesicht­skreis erweitert hat und die heimischen Gepflo­gen­heiten ihnen ein Stück weit fremd geworden sind.

Kulturelle Vielfalt

Kulturelle Vielfalt im Unternehmen bezieht sich nicht nur auf die nationale oder ethnische Herkunft der Mitarbeiter, sondern umfasst auch Aspekte wie Geschlecht, sexuelle Ori­en­tierung, Religion und Alter. Die Anerkennung und Nutzung all dieser Potenziale stellt einen Wet­tbe­werb­svorteil dar. In Deutschland bereiten immer mehr Unternehmen ein eigenständiges Marketing für die türkische Bevölkerung im Land vor. Es versteht sich von selbst, dass an dessen Entwicklung sowie an der Kun­den­be­treu­ung Mitarbeiter der gleichen ethnischen Herkunft beteiligt sind.

„In Zukunft werden immer mehr Deu­tungsmuster miteinander konkur­ri­eren.“

Die Frage ist, ob ein in­terkul­turell ori­en­tiertes Unternehmen tatsächlich offen ist und ein Miteinander anstrebt oder ob die Hinwendung zu anderen Kulturen nicht unter der Vorherrschaft der alten Werte und des alten Rahmens geschieht. Coachingmaßnahmen beruhen meist un­hin­ter­fragt auf der Vorstellung des westlichen Individuums, das eigen­ver­ant­wortlich handelt und seine Haltung freiheraus mitteilt. Das kann bereits ein Problem sein. So sind Asiaten eher grup­penori­en­tiert, äußern sich weniger direkt und richten sich gern nach hi­er­ar­chis­chen Ordnungen. Deutsche arbeiten sehr sa­chori­en­tiert, während in anderen Ländern die Beziehungspflege und die Kon­ver­sa­tion über den Tätigkeits­bere­ich hinausgeht. Europäer nutzen das Gespräch, um sich selbst darzustellen, Asiaten dagegen sehen das Zuhören als wertvollere Kom­mu­nika­tion­squalität.

„Eine wichtige Aufgabe rationalen Denkens wird es sein, auszuwählen, welche Werte in welchem Zusam­men­hang die optimale Lösung bieten.“

Auch die Bedeutung von Begriffen kann von Land zu Land un­ter­schiedliche Nuancen aufweisen. Ebenso un­ter­schei­det sich die Art der In­for­ma­tionsver­mit­tlung von Kultur zu Kultur. Während Vertreter der westlichen Welt meist ohne Umschweife auf den Punkt kommen, kreist der Asiate eine An­gele­gen­heit langsam ein. Selbst das jeweils vorherrschende Schrift­sys­tem hat Einfluss auf den Charakter der Menschen. Im Gegensatz zur abstrakten und laut­ma­lerischen Buch­staben­schrift bestehen die Schriften asiatischer Sprachen aus Bildern. Daher nehmen Asiaten In­for­ma­tio­nen besser auf, wenn sie durch Bilder, Grafiken, Filme oder eine bilder­re­iche Sprache ve­r­an­schaulicht werden. Zweifellos führt auch die nonverbale Kom­mu­nika­tion zwischen un­ter­schiedlichen Kulturen zu Missverständnissen: Sie ärgern sich wahrschein­lich, wenn Ihnen ein Miss­geschick widerfährt und der Asiate dabei auch noch lacht. Er wiederum fühlt sich abgelehnt, wenn Europäer ernst drein­blicken, was er als grimmig oder böse in­ter­pretiert.

Fit­ness-Check für Ihre kulturelle Intelligenz

Prüfen Sie, ob die einzelnen Bereiche Ihres Un­ternehmens den Her­aus­forderun­gen der in­ter­na­tionalen Beziehungen standhalten:

  • Corporate Identity: Sie beruht meist auf den Werte­grund­la­gen des Mut­ter­lan­des. Lässt sie sich mod­i­fizieren oder erweitern, indem sie die Per­spek­tiven anderer Kulturen mit berücksichtigt?
  • Einkauf und Beschaffung: Denken Sie bei der Auswahl der Lieferanten an die ethischen und ökologischen Ansprüche der Absatzmärkte. Qual­i­fizieren Sie die Lieferanten für die Standards der Abnehmer.
  • Verkauf und Vertrieb: In China gilt der Kunde als Gott. Entsprechend selb­st­sicher und fordernd verhält er sich. Im Westen verlaufen Geschäftskontakte sachlich und funktional, in Asien sind persönliche Beziehungen, deren Aufbau zeit­in­ten­siv sein mag, der Schlüssel zum Erfolg.
  • Per­son­alpoli­tik: Wählen Sie für fremde Märkte Mitarbeiter mit besonderen Qual­i­fika­tio­nen und Charak­tereigen­schaften aus. Geld ist in Asien nicht die einzige Mo­ti­va­tion­sspritze, auch ein gutes Be­trieb­sklima zählt. Asiatische Angestellte arbeiten und planen außerdem gerne nach Anleitung.
  • Produktion im In- und Ausland: Meist haben die Mitarbeiter der inländischen Produktion keinen un­mit­tel­baren Kontakt zu den Kunden im Ausland. Daher sollten sie hin­sichtlich der Kundenbedürfnisse und -ansprüche in ausländischen Märkten sen­si­bil­isiert werden.
  • Pro­duk­ten­twick­lung: Passen Sie Ihre Produkte den Kon­sumge­wohn­heiten und Werten des be­tr­e­f­fenden Landes an. Da Deutschland ein gutes Image als High­tech-Land mit gehobener Bildung hat, lassen sich sinnvolle Produkte durchaus hochpreisig absetzen. Bedienen Sie aber auch das in Asien außeror­dentlich beliebte untere und mittlere Preis­seg­ment.
  • Marketing und Werbung: Die grafische Gestaltung ist in der Werbung oft wichtiger als der Text. Beachten Sie, dass Farben in fremden Kulturen mitunter andere Bedeutungen haben als zu Hause. Während die Farbe Weiß hierzulande mit Reinheit assoziiert wird, steht sie in Asien für Tod und Trauer. Un­ter­schiedliche Bewertungen gibt es auch bei Symbolen. Das Schwein gilt im Islam und im Judentum als unrein, in China dagegen als Glücksbringer. Markennamen lassen sich nicht immer problemlos in andere Sprachen übertragen. Sie können dort lächerlich klingen, negative As­sozi­a­tio­nen auslösen oder gar ein Schimpfwort sein. Asiaten betrachten Wer­beanzeigen anders als Europäer: Während Letztere sich am Hauptobjekt orientieren und den Hintergrund und die Nebe­naspekte weniger beachten, nehmen Asiaten Bilder und Grafiken ganzheitlich wahr. Sich vom Design her an Feng-Shui-Grund­la­gen zu orientieren, kann nicht verkehrt sein. Wer­be­botschaften müssen den kulturellen Rahmen und die gesellschaftlichen Werte berücksichtigen. Während im Westen die Werte In­di­vid­u­alität und Freiheit hoch im Kurs stehen, sind die Asiaten grup­pen­ver­bun­dener. Für sie kann Freiheit sogar einen negativen Beigeschmack haben, weil in diesem Begriff die Bedeutung mitschwingt, sich sozialen Verpflich­tun­gen zu entziehen.

Über die Autorin

Hanne Seel­mann-Holz­mann ist promovierte Soziologin und Wirtschaftswis­senschaft­lerin. Sie ist Inhaberin eines Be­ratung­sun­ternehmens in Nürnberg sowie Sem­i­narlei­t­erin und Referentin. Sie verfasste auch das Buch Global Players brauchen Kul­turkom­pe­tenz.