Marketing und Vertrieb in einer neuen Welt

Buch Marketing und Vertrieb in einer neuen Welt

THEXIS,


Rezension

Beim Stichwort „Marketing“ zieht es manchem die Eingeweide zusammen. Viele fühlen sich von ungebetenen Anrufen dubioser Di­rek­t­mar­keter belästigt, aufgrund der illegalen Weitergabe persönlicher Daten betrogen und durch endlose Werbeblöcke im Fernsehen genervt. Nicht umsonst fragt man sich, wie um alles in der Welt so etwas zum Kaufen anregen soll. Die Autoren nutzen die Krisen­ze­ichen des Jahres 2009 – dramatisch sinkende Umsätze und ebenso fallende Mar­ket­ing­bud­gets –, um eine ähnliche Frage zu stellen: Wie können Unternehmen ihr Marketing erneuern, indem sie die Bedürfnisse der Kunden erfüllen anstatt sie durch Dauerbeschal­lung zu verärgern? In 14 Aufsätzen nähern sie sich dem Thema, indem sie den neuesten Stand ihrer Forschung zu Risiken, In­no­va­tio­nen, Wirkung und Bud­getierung im Marketing vorstellen. Oft bewegen Sie sich dabei auf einem fachlich anspruchsvollen Niveau. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Ve­r­ant­wortlichen in Marketing und Vertrieb, die gute, wis­senschaftlich fundierte Argumente für Veränderungen suchen.

Take-aways

  • Das Marketing steht vor einem Dilemma: Schrumpfende Budgets stehen steigenden Erwartungen gegenüber.
  • Suchen Sie den direkten Kontakt zum Kunden und nehmen Sie seine Sorgen ernst.
  • Beim Absatz neuer High­tech-Pro­dukte müssen Sie aktiv nach den Problemen suchen, die zu Ihren Lösungen passen.
  • Besinnen Sie sich auf Ihre wichtigste Mar­ket­inglogik, d. h. den Schwerpunkt Ihrer Mar­ket­ingstrate­gie, und nutzen Sie diese als Leuchtturm.
  • Marketing muss einen spürbaren Mehrwert schaffen – für den Kunden und fürs Unternehmen.
  • Werten Sie den Vertrieb auf. Durch her­vor­ra­gende Kun­de­nori­en­tierung können Sie sich am besten von den Wet­tbe­wer­bern abheben.
  • Trend­grup­pen wie „LOHAS“, „Still Made Here“ oder „Digital Natives“ verlangen nach innovativen, kreativen Mar­ketingideen.
  • Wer Kunden bedrängt und manipuliert, dem wird die Tür vor der Nase zugeschla­gen.
  • Märkte sind Gespräche. Marketing sollte daher das persönliche Gespräch imitieren.
  • Machen Sie Ihre Mar­ketinger­folge mess- und damit für die Fi­nan­z­abteilung sichtbar.
 

Zusammenfassung

Innovativ aus der Krise

Marketing und Vertrieb sind von der Wirtschaft­skrise besonders stark betroffen. In vielen Unternehmen sinken die Budgets, während die Erwartungen steigen. Ein Blick auf er­fol­gre­iche und weniger er­fol­gre­iche Unternehmen der gleichen Branche zeigt immer wieder, dass diejenigen das Nachsehen haben, die am meisten kürzen und am wenigsten erneuern. Natürlich gehört in einer schwierigen Situation alles auf den Prüfstand. Aber wenn Sie in der Krise nicht gezielt innovative Mar­ketin­gin­stru­mente einsetzen, wird die Konkurrenz bald an Ihnen vor­beiziehen. Grundsätzlich lassen sich drei Krisen­si­t­u­a­tio­nen un­ter­schei­den:

  1. Überleben: Ohne radikale Kostensenkun­gen und Per­son­al­ab­bau droht der Bankrott. Im Marketing betreiben Sie lediglich Schadens­be­gren­zung.
  2. Optimierung: Sie senken Kosten, verbessern Prozesse und konzen­tri­eren sich im Marketing auf kurzfristig erzielbare Umsätze.
  3. Aufbau: Sie sitzen in den Startlöchern und bereiten an­tizyk­lisch durch gezielte In­vesti­tio­nen eine her­vor­ra­gende Position für die Zeit nach der Krise vor.

Auf den Kunden hören

Einer Umfrage unter Mar­ket­ing­man­agern zufolge ist die Rückbesinnung auf den Kunden in der Krise besonders wichtig. Viele Käufer sind extrem vorsichtig geworden. Nehmen Sie sie in ihrem Sparbedürfnis an die Hand und bieten Sie sich mit in­di­vidu­ellen Lösungen als Partner an. Natürlich birgt jede Mar­ketingin­no­va­tion auch Risiken: Neue Preis­struk­turen oder Po­si­tion­ierun­gen können beim Kunden auf Ablehnung stoßen. Iden­ti­fizieren und bewerten Sie deshalb die Tragweite geplanter Maßnahmen. Szenar­io­analy­sen helfen, veränderte Rah­menbe­din­gun­gen zu erfassen und Kon­se­quen­zen abzuleiten.

„Marketing ist noch nicht so, wie wir es schon früher hätten betreiben müssen.“

Analysieren Sie Ihr Geschäftsmodell: Orientiert es sich an den Bedürfnissen des Kunden, verspricht es langfristi­gen Erfolg, geht es nachhaltig mit Ressourcen um und ist es ausgewogen? Jede Krise ist ein Stresstest für bestehende Geschäftsmodelle. Sie können diesen Stresstest auch pro­phy­lak­tisch durchführen. Analysieren Sie, was passieren würde, wenn sich die Zahlungsmoral der Kunden um 30 % ver­schlechtern, die Liefer­an­ten­ba­sis um 15 % reduzieren oder die Durch­schnitts­mark­t­preise um 15 % fallen würden. Wenn eines dieser Szenarien Ihnen das Genick bräche, sind Korrekturen am Geschäftsmodell angezeigt. Sie können beispiel­sweise zusätzliche Ser­viceleis­tun­gen anbieten, um Probleme der Kunden zu lösen; oder Sie können neue Mark­tschichten ansprechen, abgespeckte Versionen anbieten („No Frills“) oder konstante Ein­nah­me­quellen durch langfristige Verträge erschließen („Lock-In-Ef­fekt“).

Neue Tech­nolo­gien pushen

Ingenieure erfinden neue High­tech-Pro­dukte, und die Mar­ketingabteilung bringt sie an den Mann. Was einfach klingt, ist in der Praxis hoch kompliziert, denn die Zusam­me­nar­beit zwischen diesen beiden Gruppen lässt oft zu wünschen übrig. Allzu oft entwickeln Ingenieure her­vor­ra­gende Tech­nolo­gien, ohne dass dafür ein Markt definiert wurde. Das Marketing muss aus dieser Sackgasse einen Kreisverkehr machen und aktiv nach Branchen und Kunden mit den passenden Problemen suchen, nach dem Motto „A solution looking for a problem“. Untersuchen Sie die bereits erteilten Patente in Ihrem Feld. Fragen Sie, welches Wertver­sprechen sich aus der Technologie ableiten lässt und in welchen Kun­denseg­menten sie einen Vorteil darstellt. Und haben Sie Geduld. Denn viele echte In­no­va­tio­nen sind am mangelnden Durch­hal­tev­ermögen ihrer Vermarkter gescheitert.

Die Logik des Marketing

Die Mar­ket­ing­land­schaft ist zerklüftet. Je mehr Ansätze Sie aus­pro­bieren, desto stärker verwässert das Ihre Mar­ket­inglogik. Bauen Sie Leuchttürme, besinnen Sie sich auf Ihre wichtigste Logik und stärken Sie diese im Kern. Die folgenden stehen zur Wahl:

  • Pro­duk­tan­bi­eter und Innovatoren: Das Marketing ist pro­duk­t­getrieben. Die Kunden sind meist Spezial­is­ten, die sich bestens mit den Produkten auskennen.
  • Marken­man­ager: Im Kopf des Kunden sollen positive Emotionen verankert werden – mit zweifel­haftem Erfolg. Werbung, die nur „schön“ ist, ver­schwen­det oft viel Geld.
  • Kun­den­fokussierte und Seg­men­tierer: Das Kun­den­ver­hal­ten wird genau erforscht, um einzelne Segmente gezielt und auf un­ter­schiedliche Weise anzus­prechen.
  • Cus­tomer-Re­la­tion­ship-Man­ager: CRM-Systeme sammeln große Datenmengen über die Kunden, die in sämtliche Verkauf­spro­gramme einfließen. Diese Logik funk­tion­iert nur, wenn Sie bereit sind, viel Geld zu investieren und alle In­for­ma­tion­ssys­teme einzubeziehen.
  • Kom­mu­nika­toren mit E-Marketing und Crossmedia: Der aktive und mobile Kunde wird immer und überall abgeholt, ob durch Wer­be­hin­weise auf Benzin-Einfüllstutzen, beim Sport-Event oder beim In­ter­net­sur­fen.
  • Vertriebler: Haupt­merk­mal dieser Mar­ket­inglogik ist der intensive Kontakt zum Kunden, der maßgeschnei­derte Angebote erhält.

Marketing – eine Recht­fer­ti­gung

Der Markt ist und bleibt für die meisten Unternehmen der En­g­pass­fak­tor schlechthin. Deshalb kommt kaum jemand um in­tel­li­gentes Marketing herum. Wenn Sie allerdings nur „schöne“ Kampagnen ersinnen und von einem Glam­our-Event zum nächsten jetten, werden Sie es schwer haben, die Ausgaben zu recht­fer­ti­gen. Stattdessen müssen Sie einen echten Mehrwert für den Kunden und das Unternehmen schaffen, diesen darstellen und kom­mu­nizieren. Gutem Marketing gelingt es z. B., angemessen hohe Preise durchzuset­zen, indem es Ihr Angebot als hochw­er­tiger im Vergleich zu den Konkur­ren­zpro­duk­ten darstellt.

„Auch in der Zeit nach der Krise wird der Grundsatz gelten: so viel Stan­dar­d­isierung wie möglich, so viel Dif­feren­zierung wie nötig.“

Viele verlieren angesichts der Vielfalt an Produkten, Kun­den­grup­pen und Kom­mu­nika­tion­skanälen den Überblick. Beispiel­sweise kamen in Deutschland in nur einem Jahr 311 neue Tütensuppen, 1561 Schokoladen und 2505 alko­hol­freie Getränke auf den Markt! Manche Unternehmen haben eine schier endlos scheinende Liste von Mark­t­ge­bi­eten, Geschäftsstellen, Part­nerun­ternehmen etc. Wie können Sie dieser Komplexität Herr werden? Analysieren Sie zunächst, mit welchen Dimensionen des Marketings (z. B. Kunden, Mark­t­ge­bi­ete, Kanäle) Sie es zu tun haben und welche Wech­sel­wirkun­gen zwischen diesen und dem Unternehmen entstehen. Welche dieser Dimensionen könnte sich als Wach­s­tumsmo­tor erweisen?

„Heute ist der Kunde in den vielen Schritten vom Gedanken zum Kauf jederzeit bereit abzubrechen. Marketing muss an diesen Zwis­chen­schrit­ten ansetzen und den Kunden begleiten.“

Wenn Sie in bestimmten Mar­ket­ing­bere­ichen (Branding, CRM, Werbung, Mark­t­forschung usw.) Spezial­is­ten einsetzen, müssen Sie der Gefahr der Zer­split­terung ent­ge­gen­wirken: Verknüpfen Sie die diversen Spezial­is­ten­leis­tun­gen durch zentrale Strategie-, Planungs- und Bud­get­prozesse.

Die „Sales Driven Company“

Vertriebler werden heute mit immer neuen Aufgaben und Pro­duk­t­seg­menten überfordert – irgendwann kommen sie un­weiger­lich an den Punkt, wo sie dem Kunden nicht mehr klar machen können, was die angebotenen Produkte ihm eigentlich nutzen. Investieren Sie in das Know-how Ihrer Verkäufer, verbessern Sie Or­gan­i­sa­tion und An­reizsys­teme und passen Sie die Verkauf­sziele an die Wirtschaft­slage an. Ein aus­ge­bran­nter Verkäufer hat keine Chance. Stattdessen sollte er Spielräume erhalten, Initiativen entwickeln können und mehr Zeit für den direkten Kun­denkon­takt haben. In Krisen­zeiten verlangen Kunden Rezes­sion­sra­batte und ver­schlechtern die Zahlungs­be­din­gun­gen. Nutzen Sie in solchen Fällen den Wertewandel als Ar­gu­men­ta­tion­shilfe: Faire, nachhaltige Geschäfts­beziehun­gen sind für beide Seiten ein Gewinn. Als echte „Sales Driven Company“ (SDC) können Sie sich wirksam von Ihren Wet­tbe­wer­bern absetzen und sich für die Zeit nach der Krise fit machen. Integrieren Sie Ver­trieb­s­the­men in die Un­ternehmensstrate­gie. Verankern Sie den Vertrieb auf der Geschäft­sleitungsebene. Und sorgen Sie dafür, dass der Vertrieb eine führende Stellung im Unternehmen einnimmt. Fest steht: Produkte und Di­en­stleis­tun­gen sind in vielen Branchen aus­tauschbar. Der Vertrieb ist es nicht.

Marketing erneuern

Während der Weltwirtschaft­skrise in den 1930er Jahren nutzten manche Unternehmen die Chance des „Jetzt erst recht“: Sie en­twick­el­ten In­no­va­tio­nen, die später ganze Märkte umkrem­pel­ten. Auch dem Marketing von heute bieten sich zahlreiche Trends, an denen In­no­va­tio­nen ansetzen können:

  • Nach­haltiger Konsum ist das Schlüsselwort für die so genannten „LOHAS“ (Lifestyle of Health and Sus­tain­abil­ity), die „Creative Class“ und die „Still Made Here“-Vertreter, die Lebens­mit­tel aus der Region bevorzugen.
  • Die „Digital Natives“ und die „Generation Feedback“ sind mit den Neuen Medien aufgewach­sen und verlangen nach kreativen Mar­ket­ing-Konzepten.
  • Das Web 2.0 bietet unzählige Möglichkeiten, über allgemeine oder fach­spez­i­fis­che Netzwerke Zugang zum Kunden zu finden. Stichworte in diesem Zusam­men­hang sind „User Generated Content“ und „Interactive Marketing“.

Marketing ist Dialog

Wenn Märkte Gespräche sind, dann ersetzen heute oft Di­rek­t­mar­ket­ing und das Internet die persönliche Begegnung mit dem Kunden. Diese Kanäle werden selten zum Ver­trauen­sauf­bau genutzt. Im Gegenteil: Viele Di­rek­t­mar­keter übertreffen einander darin, dem Kunden Wesentliches zu ver­schweigen. Orientieren Sie sich in der werblichen Ansprache am natürlichen Gespräch: Wir reden gerne über das, was uns bewegt, und zwar mit in­ter­es­san­ten Menschen, die etwas ändern können. Das Gespräch sollte ergeb­nisof­fen geführt werden. Sie müssen den Kunden mit Anziehungskraft überzeugen, statt ihn mit Druck zu ma­nip­ulieren. Nutzen Sie In­bound-Mar­ket­ing, indem Sie jede Kun­denini­tia­tive pro­fes­sionell aufgreifen und nicht nur auf einen raschen Ka­u­fab­schluss schielen. Dazu gehören die Beratung vor und die Betreuung nach dem Kauf sowie die Förderung von und die Reaktion auf Feedback. Menschen, die glauben, im Bombenhagel aggressiver Mar­ketingak­tio­nen un­terzuge­hen, schotten sich ab – für Mar­ket­ingver­ant­wortliche das schlimmste Szenario.

Zählen, was zählt

Kein Zweifel, die Fi­nan­z­abteilung hat heute in den meisten Unternehmen das Zepter in der Hand. Lernen Sie darum die Sprache der Finanzler und übersetzen Sie die Resultate Ihrer Marketingmaßnahmen in Zahlen. Nur so werden Sie gehört. Allerdings liegen auf diesem Weg viele Fallstricke bereit. Wer beispiel­sweise nur erfasst, was sich leicht messen lässt, z. B. die Rücklaufquote bei Mailings, der misst am Wesentlichen vorbei. Setzen Sie sich stattdessen dif­feren­zierte Ziele wie „X % Um­satzsteigerung beim Großkunden Y erreichen“. Kennzahlen dienen jedoch nur als Hilfsmittel: Nicht alles, was zählt, lässt sich auch zählen! Umgekehrt ist das Wissen über den Mar­ketinger­folg und -misserfolg un­verzicht­bar, wenn die Budgets festgelegt werden. Zwar gibt es mit „Better Budgeting“ und dem extremeren „Beyond Budgeting“ Ansätze, die die klassische Zuteilung von Budgets von oben nach unten reformieren oder ganz abschaffen wollen. Mitarbeiter sollen in Teams und Netzwerken eigen­ver­ant­wortlich ihre Budgets festlegen, um sit­u­a­tion­sspez­i­fisch und marktnah zu handeln. Doch Fakt ist, dass die Festlegung von Mar­ket­ing­bud­gets immernoch viel mit Politik und Macht­spie­len zu tun hat. Umso wichtiger ist es, sich mit belastbaren Zahlen zu wappnen.

Über die Autoren

Christian Belz, Sven Reinecke, Michael Reinhold, Christian Schmitz, Marcus Schögel und Dirk Zupancic sind als Professoren und Dozenten am Institut für Marketing der Universität St. Gallen tätig. Über Ko­op­er­a­tio­nen und Forschung­spro­jekte fördern sie den kreativen Austausch mit Vertriebs- und Mar­ket­ing­man­agern großer Unternehmen. Belz ist auch Autor des Buches Marketing gegen den Strom.