Innovativ aus der Krise
Marketing und Vertrieb sind von der Wirtschaftskrise besonders stark betroffen. In vielen Unternehmen sinken die Budgets, während die Erwartungen steigen. Ein Blick auf erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen der gleichen Branche zeigt immer wieder, dass diejenigen das Nachsehen haben, die am meisten kürzen und am wenigsten erneuern. Natürlich gehört in einer schwierigen Situation alles auf den Prüfstand. Aber wenn Sie in der Krise nicht gezielt innovative Marketinginstrumente einsetzen, wird die Konkurrenz bald an Ihnen vorbeiziehen. Grundsätzlich lassen sich drei Krisensituationen unterscheiden:
- Überleben: Ohne radikale Kostensenkungen und Personalabbau droht der Bankrott. Im Marketing betreiben Sie lediglich Schadensbegrenzung.
- Optimierung: Sie senken Kosten, verbessern Prozesse und konzentrieren sich im Marketing auf kurzfristig erzielbare Umsätze.
- Aufbau: Sie sitzen in den Startlöchern und bereiten antizyklisch durch gezielte Investitionen eine hervorragende Position für die Zeit nach der Krise vor.
Auf den Kunden hören
Einer Umfrage unter Marketingmanagern zufolge ist die Rückbesinnung auf den Kunden in der Krise besonders wichtig. Viele Käufer sind extrem vorsichtig geworden. Nehmen Sie sie in ihrem Sparbedürfnis an die Hand und bieten Sie sich mit individuellen Lösungen als Partner an. Natürlich birgt jede Marketinginnovation auch Risiken: Neue Preisstrukturen oder Positionierungen können beim Kunden auf Ablehnung stoßen. Identifizieren und bewerten Sie deshalb die Tragweite geplanter Maßnahmen. Szenarioanalysen helfen, veränderte Rahmenbedingungen zu erfassen und Konsequenzen abzuleiten.
„Marketing ist noch nicht so, wie wir es schon früher hätten betreiben müssen.“
Analysieren Sie Ihr Geschäftsmodell: Orientiert es sich an den Bedürfnissen des Kunden, verspricht es langfristigen Erfolg, geht es nachhaltig mit Ressourcen um und ist es ausgewogen? Jede Krise ist ein Stresstest für bestehende Geschäftsmodelle. Sie können diesen Stresstest auch prophylaktisch durchführen. Analysieren Sie, was passieren würde, wenn sich die Zahlungsmoral der Kunden um 30 % verschlechtern, die Lieferantenbasis um 15 % reduzieren oder die Durchschnittsmarktpreise um 15 % fallen würden. Wenn eines dieser Szenarien Ihnen das Genick bräche, sind Korrekturen am Geschäftsmodell angezeigt. Sie können beispielsweise zusätzliche Serviceleistungen anbieten, um Probleme der Kunden zu lösen; oder Sie können neue Marktschichten ansprechen, abgespeckte Versionen anbieten („No Frills“) oder konstante Einnahmequellen durch langfristige Verträge erschließen („Lock-In-Effekt“).
Neue Technologien pushen
Ingenieure erfinden neue Hightech-Produkte, und die Marketingabteilung bringt sie an den Mann. Was einfach klingt, ist in der Praxis hoch kompliziert, denn die Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Gruppen lässt oft zu wünschen übrig. Allzu oft entwickeln Ingenieure hervorragende Technologien, ohne dass dafür ein Markt definiert wurde. Das Marketing muss aus dieser Sackgasse einen Kreisverkehr machen und aktiv nach Branchen und Kunden mit den passenden Problemen suchen, nach dem Motto „A solution looking for a problem“. Untersuchen Sie die bereits erteilten Patente in Ihrem Feld. Fragen Sie, welches Wertversprechen sich aus der Technologie ableiten lässt und in welchen Kundensegmenten sie einen Vorteil darstellt. Und haben Sie Geduld. Denn viele echte Innovationen sind am mangelnden Durchhaltevermögen ihrer Vermarkter gescheitert.
Die Logik des Marketing
Die Marketinglandschaft ist zerklüftet. Je mehr Ansätze Sie ausprobieren, desto stärker verwässert das Ihre Marketinglogik. Bauen Sie Leuchttürme, besinnen Sie sich auf Ihre wichtigste Logik und stärken Sie diese im Kern. Die folgenden stehen zur Wahl:
- Produktanbieter und Innovatoren: Das Marketing ist produktgetrieben. Die Kunden sind meist Spezialisten, die sich bestens mit den Produkten auskennen.
- Markenmanager: Im Kopf des Kunden sollen positive Emotionen verankert werden – mit zweifelhaftem Erfolg. Werbung, die nur „schön“ ist, verschwendet oft viel Geld.
- Kundenfokussierte und Segmentierer: Das Kundenverhalten wird genau erforscht, um einzelne Segmente gezielt und auf unterschiedliche Weise anzusprechen.
- Customer-Relationship-Manager: CRM-Systeme sammeln große Datenmengen über die Kunden, die in sämtliche Verkaufsprogramme einfließen. Diese Logik funktioniert nur, wenn Sie bereit sind, viel Geld zu investieren und alle Informationssysteme einzubeziehen.
- Kommunikatoren mit E-Marketing und Crossmedia: Der aktive und mobile Kunde wird immer und überall abgeholt, ob durch Werbehinweise auf Benzin-Einfüllstutzen, beim Sport-Event oder beim Internetsurfen.
- Vertriebler: Hauptmerkmal dieser Marketinglogik ist der intensive Kontakt zum Kunden, der maßgeschneiderte Angebote erhält.
Marketing – eine Rechtfertigung
Der Markt ist und bleibt für die meisten Unternehmen der Engpassfaktor schlechthin. Deshalb kommt kaum jemand um intelligentes Marketing herum. Wenn Sie allerdings nur „schöne“ Kampagnen ersinnen und von einem Glamour-Event zum nächsten jetten, werden Sie es schwer haben, die Ausgaben zu rechtfertigen. Stattdessen müssen Sie einen echten Mehrwert für den Kunden und das Unternehmen schaffen, diesen darstellen und kommunizieren. Gutem Marketing gelingt es z. B., angemessen hohe Preise durchzusetzen, indem es Ihr Angebot als hochwertiger im Vergleich zu den Konkurrenzprodukten darstellt.
„Auch in der Zeit nach der Krise wird der Grundsatz gelten: so viel Standardisierung wie möglich, so viel Differenzierung wie nötig.“
Viele verlieren angesichts der Vielfalt an Produkten, Kundengruppen und Kommunikationskanälen den Überblick. Beispielsweise kamen in Deutschland in nur einem Jahr 311 neue Tütensuppen, 1561 Schokoladen und 2505 alkoholfreie Getränke auf den Markt! Manche Unternehmen haben eine schier endlos scheinende Liste von Marktgebieten, Geschäftsstellen, Partnerunternehmen etc. Wie können Sie dieser Komplexität Herr werden? Analysieren Sie zunächst, mit welchen Dimensionen des Marketings (z. B. Kunden, Marktgebiete, Kanäle) Sie es zu tun haben und welche Wechselwirkungen zwischen diesen und dem Unternehmen entstehen. Welche dieser Dimensionen könnte sich als Wachstumsmotor erweisen?
„Heute ist der Kunde in den vielen Schritten vom Gedanken zum Kauf jederzeit bereit abzubrechen. Marketing muss an diesen Zwischenschritten ansetzen und den Kunden begleiten.“
Wenn Sie in bestimmten Marketingbereichen (Branding, CRM, Werbung, Marktforschung usw.) Spezialisten einsetzen, müssen Sie der Gefahr der Zersplitterung entgegenwirken: Verknüpfen Sie die diversen Spezialistenleistungen durch zentrale Strategie-, Planungs- und Budgetprozesse.
Die „Sales Driven Company“
Vertriebler werden heute mit immer neuen Aufgaben und Produktsegmenten überfordert – irgendwann kommen sie unweigerlich an den Punkt, wo sie dem Kunden nicht mehr klar machen können, was die angebotenen Produkte ihm eigentlich nutzen. Investieren Sie in das Know-how Ihrer Verkäufer, verbessern Sie Organisation und Anreizsysteme und passen Sie die Verkaufsziele an die Wirtschaftslage an. Ein ausgebrannter Verkäufer hat keine Chance. Stattdessen sollte er Spielräume erhalten, Initiativen entwickeln können und mehr Zeit für den direkten Kundenkontakt haben. In Krisenzeiten verlangen Kunden Rezessionsrabatte und verschlechtern die Zahlungsbedingungen. Nutzen Sie in solchen Fällen den Wertewandel als Argumentationshilfe: Faire, nachhaltige Geschäftsbeziehungen sind für beide Seiten ein Gewinn. Als echte „Sales Driven Company“ (SDC) können Sie sich wirksam von Ihren Wettbewerbern absetzen und sich für die Zeit nach der Krise fit machen. Integrieren Sie Vertriebsthemen in die Unternehmensstrategie. Verankern Sie den Vertrieb auf der Geschäftsleitungsebene. Und sorgen Sie dafür, dass der Vertrieb eine führende Stellung im Unternehmen einnimmt. Fest steht: Produkte und Dienstleistungen sind in vielen Branchen austauschbar. Der Vertrieb ist es nicht.
Marketing erneuern
Während der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren nutzten manche Unternehmen die Chance des „Jetzt erst recht“: Sie entwickelten Innovationen, die später ganze Märkte umkrempelten. Auch dem Marketing von heute bieten sich zahlreiche Trends, an denen Innovationen ansetzen können:
- Nachhaltiger Konsum ist das Schlüsselwort für die so genannten „LOHAS“ (Lifestyle of Health and Sustainability), die „Creative Class“ und die „Still Made Here“-Vertreter, die Lebensmittel aus der Region bevorzugen.
- Die „Digital Natives“ und die „Generation Feedback“ sind mit den Neuen Medien aufgewachsen und verlangen nach kreativen Marketing-Konzepten.
- Das Web 2.0 bietet unzählige Möglichkeiten, über allgemeine oder fachspezifische Netzwerke Zugang zum Kunden zu finden. Stichworte in diesem Zusammenhang sind „User Generated Content“ und „Interactive Marketing“.
Marketing ist Dialog
Wenn Märkte Gespräche sind, dann ersetzen heute oft Direktmarketing und das Internet die persönliche Begegnung mit dem Kunden. Diese Kanäle werden selten zum Vertrauensaufbau genutzt. Im Gegenteil: Viele Direktmarketer übertreffen einander darin, dem Kunden Wesentliches zu verschweigen. Orientieren Sie sich in der werblichen Ansprache am natürlichen Gespräch: Wir reden gerne über das, was uns bewegt, und zwar mit interessanten Menschen, die etwas ändern können. Das Gespräch sollte ergebnisoffen geführt werden. Sie müssen den Kunden mit Anziehungskraft überzeugen, statt ihn mit Druck zu manipulieren. Nutzen Sie Inbound-Marketing, indem Sie jede Kundeninitiative professionell aufgreifen und nicht nur auf einen raschen Kaufabschluss schielen. Dazu gehören die Beratung vor und die Betreuung nach dem Kauf sowie die Förderung von und die Reaktion auf Feedback. Menschen, die glauben, im Bombenhagel aggressiver Marketingaktionen unterzugehen, schotten sich ab – für Marketingverantwortliche das schlimmste Szenario.
Zählen, was zählt
Kein Zweifel, die Finanzabteilung hat heute in den meisten Unternehmen das Zepter in der Hand. Lernen Sie darum die Sprache der Finanzler und übersetzen Sie die Resultate Ihrer Marketingmaßnahmen in Zahlen. Nur so werden Sie gehört. Allerdings liegen auf diesem Weg viele Fallstricke bereit. Wer beispielsweise nur erfasst, was sich leicht messen lässt, z. B. die Rücklaufquote bei Mailings, der misst am Wesentlichen vorbei. Setzen Sie sich stattdessen differenzierte Ziele wie „X % Umsatzsteigerung beim Großkunden Y erreichen“. Kennzahlen dienen jedoch nur als Hilfsmittel: Nicht alles, was zählt, lässt sich auch zählen! Umgekehrt ist das Wissen über den Marketingerfolg und -misserfolg unverzichtbar, wenn die Budgets festgelegt werden. Zwar gibt es mit „Better Budgeting“ und dem extremeren „Beyond Budgeting“ Ansätze, die die klassische Zuteilung von Budgets von oben nach unten reformieren oder ganz abschaffen wollen. Mitarbeiter sollen in Teams und Netzwerken eigenverantwortlich ihre Budgets festlegen, um situationsspezifisch und marktnah zu handeln. Doch Fakt ist, dass die Festlegung von Marketingbudgets immernoch viel mit Politik und Machtspielen zu tun hat. Umso wichtiger ist es, sich mit belastbaren Zahlen zu wappnen.