Nein!

Buch Nein!

Die ultimative Verhandlungstechnik für jedermann

Börsenmedien,


Rezension

Warum meinen so viele Amerikaner, wie Mark­tschreier auftreten zu müssen, um gehört zu werden? So laut, dass sie ihre eigenen, möglicher­weise klugen Gedanken übertönen? Auch Jim Camp markiert den dicken Max, der die Regeln der Ver­hand­lungsführung auf den Kopf stellt und alles anders sieht als alle anderen – nämlich richtig. Das nervt ein wenig. Vor allem deshalb, weil Camp inhaltlich absolut überzeugt, wenn er sagt, dass ein Nein am Ver­hand­lungstisch taktisch klug sein kann. Dass es von der anderen Seite ausgenutzt wird, wenn man sich bedürftig zeigt. Dass ein Nein die Ver­hand­lun­gen nicht beendet, sondern zu neuen Ansätzen führt. Und dass es ungemein befreiend ist, selbst Nein sagen zu dürfen und nicht jedem Abschluss hin­ter­her­hecheln zu müssen. Camps Buch ist eine sinnvolle, nachvol­lziehbare und praxisnahe Anleitung zu mehr Souveränität beim Verhandeln. Fragt sich nur, wie viele Chefs ihre Leute auf diesem Weg unterstützen und nicht mit Leis­tungszie­len knebeln. Deshalb empfiehlt BooksInShort die Lektüre nicht nur allen Verhandlern, sondern vor allem auch ihren Vorge­set­zten.

Take-aways

  • Bei Ver­hand­lun­gen dürfen beide Seiten Nein sagen.
  • Wer der anderen Seite das Recht zum Neinsagen einräumt, sig­nal­isiert Souveränität.
  • Wer selbst nicht Nein sagen kann, will oder darf, offenbart Bedürftigkeit.
  • Jede Form von Bedürftigkeit wird von der Gegenseite ausgenutzt.
  • Im Verkauf gilt: Je verzweifel­ter Sie etwas anpreisen, desto ablehnender reagiert der potenzielle Käufer.
  • Bedürftigkeiten speisen sich oft aus Emotionen. Gefühle haben in Ver­hand­lun­gen nichts verloren.
  • Hören Sie der Gegenseite aufmerksam zu, statt selbst zu reden. Dann offenbaren sich Ihnen die Bedürftigkeiten Ihres Ver­hand­lungspart­ners.
  • Wenn gute Verhandler reden, dann vor allem um Fragen zu stellen.
  • Gehen Sie mit konkreten Zielen in jede Ver­hand­lungsrunde und vereinbaren Sie zum Schluss, wie es weitergeht.
  • Kein Ver­hand­lungsab­schluss ist es wert, dafür die eigenen Positionen und Ziele zu opfern.
 

Zusammenfassung

Ein Nein sig­nal­isiert Souveränität

Was ist eine Au­seinan­der­set­zung? Streit, sagen manche, Zoff und Ärger. Wer so denkt, lässt sich in Au­seinan­der­set­zun­gen oft von seinen Gefühlen lenken. Dabei geht es doch um Austausch, um das Darstellen und Vermitteln der eigenen Position und das Verstehen anderer Positionen. Auf dieser Basis lässt sich verhandeln, ganz rational. Die Gefühle sind da, sicherlich, aber sie sollten weder den Ton noch den Verlauf der Verhandlung bestimmen – vor allem nicht das Ergebnis. Ver­hand­lun­gen sind Au­seinan­der­set­zun­gen. Wer das erkannt hat, verhandelt viel entspannter, nimmt selbst eine Position ein und versucht her­auszufinden, wo die andere Seite Position bezieht. Das ist besser, als voller Emphase aneinander vorbei zu reden. Und sich scheinbar konstruktiv auf Kompromisse einzulassen, die keiner Seite wirklich nützen.

„Nein ist das Wort der Wahl.“

Mit einem Nein sig­nal­isieren Sie erst einmal Souveränität – und vermitteln der anderen Seite die Chance, ebenfalls souverän zu agieren. Sie darf nämlich auch Nein sagen. Dann wissen alle Beteiligten, woran sie sind, und haben eine Basis, auf der sie verhandeln können. Wer sich zu einem Nein nicht durchringen kann, wer sich ein Nein offenbar nicht leisten kann, gibt hingegen mangelnde Souveränität zu erkennen, und die wird im Geschäfts- wie im Privatleben ausgenutzt. Wittert die Gegenseite Bedürftigkeit, neigt sie dazu, diese un­ter­stellte Schwäche auszunutzen. Gute Verhandler schaffen erst Bedürftigkeit, um dann zuzuschla­gen. Wenn die andere Seite meint, etwas zu brauchen, dann ist sie verwundbar. Umgekehrt greift das Muster genauso: Auf Verkäufer, die mit erkennbarer Bedürftigkeit etwas verkaufen wollen, reagieren potenzielle Käufer instinktiv ablehnend. Je verzweifel­ter der Verkäufer anpreist, desto steifer wird die Vertei­di­gung­shal­tung.

Schweigen ist Gold

Es geht also darum, Bedürftigkeit nach Möglichkeit zu vermeiden, oder sie zumindest zu tarnen. Je mehr man redet, desto leichter fliegt die Tarnung auf. Deshalb: Sagen Sie so wenig wie möglich.

„Ein Nein befreit und schützt Sie.“

Die Zurückhaltung hat einen weiteren Vorteil: Sie können zuhören. Machen Sie sich Notizen, das zwingt Sie zu Aufmerk­samkeit, und Sie können später auf das Geschriebene zurückgreifen. Beim Zuhören entwickeln Sie ein Gespür für Tonfälle, für das Ungesagte hinter dem Schwall an Worten. Das hilft, um Motive und eventuelle Bedürftigkeiten der anderen Seite zu entdecken – und darauf zu reagieren.

„Ein höfliches Neinsagen beleidigt niemanden.“

Eine verbreitete Bedürftigkeit besteht darin, gemocht werden zu wollen. Ein Nein wird persönlich genommen. Davon müssen Sie sich freimachen. Kein Ver­hand­lungspart­ner kann einen Menschen zurückweisen – diese Macht besitzt er nicht. Es sei denn, sie wird ihm ohne Not eingeräumt. Die andere Seite kriegt sofort spitz, wenn Sie einen Be­liebtheitswet­tbe­werb gewinnen wollen, und sie wird entsprechend agieren. Ähnliches gilt, wenn jemand als besonders klug, besonders informiert oder besonders wichtig erscheinen will: Wer erkannt hat, wie diese Menschen ticken, kann sie ma­nip­ulieren und in­stru­men­tal­isieren.

„Ich brauche diesen Geschäftsab­schluss nicht“

Die Gegen­strate­gie geht so: „Ich brauche diesen Geschäftsab­schluss nicht.“ Wer das verin­ner­licht hat, hält seine Emotionen auf Abstand und konzen­tri­ert sich auf das, worum es geht: ums Geschäft. Sagen Sie sich: Wenn’s nichts wird mit diesem Abschluss, geht das Leben weiter – egal wie sehr der Chef toben wird und wie wichtig dieser Kunde und dieser Vertrag angeblich sind.

„Um Ihre Ziele zu erreichen, müssen Sie immer nur Nein sagen.“

Wenn eine Bedürftigkeit vorliegt und schlecht we­gar­gu­men­tiert werden kann: Heraus damit! So schwingt sie nicht im Verborgenen mit und kann nicht in­stru­men­tal­isiert werden, sondern beide Seiten wissen jetzt darum – und müssen sie entweder offen the­ma­tisieren oder bewusst ignorieren. Der Versuch, mithilfe der erkannten Bedürftigkeit den anderen zu ma­nip­ulieren, ist nicht nur schwieriger umzusetzen – er wirkt schlichtweg armselig.

„Die meisten Verhandler bleiben Gefangene ihrer eigenen Emotionen.“

Es kann durchaus vorteilhaft sein, wenn der Ver­hand­lungspart­ner sich überlegen fühlt. Das baut Vertrauen auf, während das Gefühl von Un­ter­legen­heit für Unwohlsein und Misstrauen sorgt. Je sicherer sich die Gegenseite wähnt, umso positiver wird sie auf Ihre Vorschläge reagieren. Deshalb der Tipp: bloß nicht perfekt erscheinen! Zeigen Sie ruhig kleine Schwächen.

Nein ist nicht das Ende

Die Nein-Strate­gie erfordert ein radikales Umdenken: Es geht nicht darum, unbedingt zum Abschluss zu kommen, sondern im Gegenteil darum, sich um die eigenen Handlungen, das eigene Verhalten zu kümmern. Wer daran arbeitet und so allmählich zum souveränen Ver­hand­lungsführer heranreift, der wird auch genügend Verträge abschließen – und wesentlich bessere als bedürftige Verhandler, die vorgegebe­nen (also kaum jemals er­re­ich­baren) Quoten nachjagen. Noch mal: Das Nein ist nicht das Ende der Ver­hand­lun­gen. Es sig­nal­isiert nur, dass die Beteiligten auf diesem Weg nicht weiter kommen und einen neuen finden müssen. Diese Aufgabe – die sich erst durch ein Nein eröffnet – lohnt ihren Einsatz.

„Das Verhalten ist entschei­dend – vergessen Sie die Ergebnisse.“

Das übliche Nein in Ver­hand­lun­gen ist in Wahrheit ein Vielleicht. Das hilft überhaupt nicht weiter. Ein Vielleicht gibt keinerlei Hinweise darauf, was die Gegenseite stört und wie alle Beteiligten zueinander finden könnten. Es hält bloß hin, und verschließt damit Möglichkeiten. Eine ähnliche Wirkung hat übrigens das Ja, das vor allem Zeit schinden soll – der Effekt ist derselbe.

„Eine Verhandlung ist nichts weiter als ein Versuch, der abgebrochen werden darf.“

Neue Wege zu erschließen fällt am einfachsten, wenn man weiß, was der Gegenseite wichtig ist, wo ihre Ziele liegen. Ohne Verständnis und Empathie geht das nicht. Die andere Seite muss die spez­i­fis­chen Vorteile des Angebots erkennen können; es muss speziell auf sie zugeschnit­ten sein. Alles andere ist grob fahrlässig. Das eigene Angebot sozusagen „mit anderen Augen“ zu sehen, sorgt zudem dafür, sich über eigene Ziele – die von Verhandlung zu Verhandlung differieren können – klarer zu werden. Wer genaue Vorstel­lun­gen sowohl von den eigenen Zielen als auch von den Bedürfnissen des Ver­hand­lungspart­ners hat, kann der anderen Seite dabei helfen, sich diese Bedürfnisse endlich zu vergegenwärtigen. Dort das Problem, hier die Lösung. Es zeichnet gute Ver­hand­lungsführer aus, dass sie diese Vorstellung und die damit verbundenen Vorteile bildhaft wachzurufen können.

Erst fragen, dann zuhören

Wie bringt man den Ver­hand­lungspart­ner dazu, sich über seine Bedürfnisse klar zu werden? Durch Fragen. Es gibt nichts Besseres, um das Vorstel­lungsvermögen zu beflügeln. Grundsätzlich haben Fragen den Vorteil, dass sich die andere Seite nicht zugetextet fühlt. Stattdessen wird erkennbar auf ihre Meinung, ihre Wünsche und Vorstel­lun­gen eingegangen. Das verlagert die Verhandlung generell auf die andere Seite – und dort gehört sie hin. Wer die Probleme der anderen Seite nicht kennt, kann sein Angebot nicht darauf zuschneiden.

„Ein Vielleicht versetzt jeder Verhandlung den Todesstoß.“

Gute Fragen regen zum Nachdenken an und rufen darüber hinaus eine bestimmte Vorstel­lungswelt wach. Weil sie mit den bekannten W-Wörtern (wer, was, wann, wo, warum, wie) beginnen, sind sie nie mit einem kurzen Ja, Nein oder Vielleicht zu beantworten. Gute Fragen sind offene Fragen. Und gute Fragen sind kurz und verständlich. Außerdem sollten Sie im Ver­hand­lungs­ge­spräch auf Folgendes achten:

  • Wichtige Punkte sollten mindestens dreimal ange­sprochen werden, um dann als festgezurrt gelten zu können.
  • Je sachlicher die Diskussion, desto besser. Selbst wenn das Pendel in die positive Richtung ausschlägt – später wird es sich wieder in die andere Richtung bewegen.
  • Formale Präsentationen sind immer verzichtbar, denn wichtig ist nie die eigene Sicht, sondern die des Kunden.
„Fragen sind ein guter Weg, um schrit­tweise her­auszufinden, was wirklich mit der Gegenseite los ist.“

Fragen Sie sich: Wer ist eigentlich der Kunde? Wer vertritt das Unternehmen? Wer trifft die Entschei­dun­gen? Nichts ist nerviger als Runde um Runde mit Partnern zu verhandeln, die nicht entschei­dungs­befugt sind. Das verzögert nicht nur, mitunter kann es die gesamte Verhandlung zum Erliegen bringen. Wirken Sie in jeder Ver­hand­lungsrunde, in der keine Entscheider mit am Tisch sitzen, darauf hin, bei der Fol­ge­sitzung die nächsthöhere Instanz mit einzubinden. Das ist nicht immer leicht, denn überall in Unternehmen sitzen Blockierer, die den Entschei­dern den Alltagskram abnehmen sollen (und damit ihr Ego füttern). Die beste Möglichkeit: den Entscheider erreichen und sich von oben an den Blockierer verweisen lassen. Dann weiß der: Der Boss weiß von den Ver­hand­lun­gen und kann von der Gegenseite bei Bedarf wieder eingebunden werden. Blockieren ist so kaum noch möglich.

Die Tage­sor­d­nungspunkte 1–5

Jede Verhandlung sollte, um nicht im Mei­n­ungs­geplänkel zu versanden, eine mit der Gegenseite abgestimmte Tage­sor­d­nung haben, die folgendermaßen aussieht:

  1. Probleme: Gemeint sind nicht nur echte Probleme, sondern alles, was eine Seite dafür hält und was geklärt werden muss. Meistens kreisen sie um die Komplexe „Wer entscheidet?“, „Was sind unsere Ziele in dieser Verhandlung?“ und „Wie stellen wir uns die künftige Zusam­me­nar­beit mit diesem Partner vor?“
  2. Eigener Ballast: Alles, was an Erfahrungen in eine Verhandlung hereingeschleppt wird – oft, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wenn die damit verbundenen Emotionen the­ma­tisiert worden sind, verliert sich einen Großteil ihrer Macht.
  3. Ballast der Gegenseite: Das ist der Punkt, wo Annahmen the­ma­tisiert werden. So erhält die Gegenseite die Gelegenheit, zutreffende von un­zutr­e­f­fenden Annahmen zu trennen. Natürlich ist das heikel. Aber ohne Ballast gehen die Ver­hand­lun­gen fixer voran.
  4. Das Anliegen: Wer sich für eine Ver­hand­lungsrunde kein konkretes Ziel setzt, verplempert Zeit und Energie – und die der anderen.
  5. Was geschieht als Nächstes? Keine Runde wird abgeschlossen ohne konkrete Vere­in­barung, wann es wie weitergehen soll. „Wir melden uns“ taugt nichts.
„Als Verhandler müssen Sie sich in der Welt der Gegenseite auskennen, weil Ihr Ver­hand­lungspart­ner dort seine Entschei­dun­gen trifft.“

Die ersten drei Punkte können, wenn sie geklärt sind, von der Tage­sor­d­nung gestrichen werden. Punkt 4 und Punkt 5 niemals.

Um ziel­gerichtet vorzugehen, muss der Ver­hand­lungsführer eine Checkliste mit sämtlichen wichtigen Punkten bere­it­stellen und direkt nach der Runde ein Protokoll aufsetzen, um festzuhal­ten, was her­aus­gekom­men ist – für die Checkliste der nächsten Runde. Der Aufwand lohnt sich. Falls Sie Zweifel haben: Probieren Sie es aus!

Über den Autor

Jim Camp arbeitet seit mehr als zwei Jahrzehnten als selbstständiger Ver­hand­lungstrainer. Der frühere Berufspilot verhandelt aktiv für Unternehmen auf der ganzen Welt.