Change Management

Buch Change Management

Grundlagen und Erfolgsfaktoren

Springer,


Rezension

Anstehende Veränderungen in Unternehmen können auf erhebliche Widerstände stoßen. Thomas Lauer verwendet denn auch fast ein Drittel seines Buches darauf, festzustellen, woran das liegt. In den meisten Fällen sind es die Mitarbeiter, die Change-Man­age­ment verhindern, blockieren oder zumindest ver­langsamen. Trotzdem tragen sie laut Lauer nicht die Schuld. Vielmehr macht er die Führungskräfte ve­r­ant­wortlich, die weder die Vorge­hensweise noch das Ziel ordentlich vermitteln. Change-Man­ager sind auf dem Weg zum Ziel vor allem Begleiter: Der Wand­lungsim­puls kommt meist von außen, der Weg zur Veränderung muss jedoch pro­fes­sionell bereitet werden. Hierfür liefert Lauer ein überzeu­gen­des Konzept, das die Grundlagen or­gan­isatorischen Wandels erklärt, Er­fol­gs­fak­toren darlegt und das Ganze mit vielen gut gewählten Prax­is­beispie­len würzt. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Führungskräften, die sich einen leicht verständlichen Überblick zum Thema Change-Man­age­ment wünschen.

Take-aways

  • Change-Man­age­ment bedeutet, Veränderung­sprozesse optimal zu gestalten.
  • Wandel kann von außen kommen oder hausgemacht sein.
  • Veränderung­sprozesse scheitern oft, weil die Mitarbeiter die Veränderungen nicht mittragen wollen.
  • Menschen meiden kognitive Dissonanz, d. h. sie wollen unbequeme, aber notwendige Veränderungen nicht wahrhaben.
  • Die Feldtheorie lehrt, dass unterstützende und behindernde Kräfte in ein Gle­ichgewicht gebracht werden müssen, damit der Wandel gelingt.
  • Das Change-Team wird ide­al­er­weise von visionären Führern und re­al­is­tis­chen Planern geleitet.
  • Kom­mu­nika­tion ist der Katalysator der Veränderung.
  • Durch Par­tizipa­tion werden Skeptiker zu Unterstützern.
  • Mi­tar­beit­er­be­fra­gun­gen und Grup­pen­work­shops nehmen die Angst vor der Veränderung.
  • Ohne pro­fes­sionelles Pro­jek­t­man­age­ment verlaufen viele Veränderungen im Sand.
 

Zusammenfassung

Veränderungen sys­tem­a­tisch begleiten

Ein Unternehmen, das sich nicht verändert, stirbt irgendwann, weil es vom Wettbewerb überrollt wird. Früher wurde viel Arbeit in die Strate­giefor­mulierung gesteckt, während man die Umsetzung von Veränderung­sprozessen dagegen als Au­toma­tismus betrachtete: Man ging davon aus, dass die Ziel­er­re­ichung, wenn das Ziel einmal feststand, im Un­ternehmen­sall­tag nur noch reine Formsache war. Dem ist jedoch nicht so. Beim Change-Man­age­ment geht es darum, den Wand­lung­sprozess möglichst optimal zu gestalten. Wandel kann extern ausgelöst oder vom Unternehmen selbst initiiert werden. Extern ausgelöster Wandel ist schon allein deswegen un­ver­mei­dlich, weil sich Unternehmen in einer dynamischen Umwelt befinden: Wirtschaft, Ökologie, soziode­mografis­che Einflüsse, Politik, In­sti­tu­tio­nen und Technologie wirken von außen auf das System Unternehmen ein und zwingen es zu Veränderungen. Der Wandel kann aber auch hausgemacht sein, z. B. wenn ein vormals kleines, übersichtliches Unternehmen wächst. Ein gutes Beispiel ist eBay: Anfangs war der Auk­tion­shaus­pi­onier ein informelles Unternehmen, in dem der Chef gerne mal mit den Angestell­ten eine Runde Softball spielte oder sie ins Kino einlud. Dann wuchs das Unternehmen, und pro­fes­sionelle Manager wurden angeheuert. Die Hemdsärmeligkeit schwand, die Anzugträger zogen ein.

Gründe für ver­schleppte Veränderungen

Obwohl Change-Man­age­ment als Konzept bekannt ist und gemäß einer Studie aus dem Jahr 2008 von über der Hälfte der befragten Manager als wichtig oder sehr wichtig beurteilt wurde, scheitern Veränderung­sprozesse häufig. Beispiel­sweise war bereits 2003 vielen Führungskräften der Loewe AG klar, dass sich das Geschäft langfristig von den Röhren­fernse­hern weg- und zu den Flach­bild­schir­men hinbewegen würde. Die notwendigen Veränderungen fanden aber nicht statt, sodass das Unternehmen in den kommenden Jahren in eine schwere Krise geriet. Warum wurde nicht reagiert? Es gibt ver­schiedene Erklärungsmod­elle:

  • Unternehmen werden von Menschen geleitet. Und Menschen vermeiden gern Gedanken, die sie als kon­flik­tre­ich und span­nungs­ge­laden betrachten – man nennt das kognitive Dissonanz. Stattdessen suchen sie In­for­ma­tio­nen, die sie in ihrer bisherigen Wahrnehmung unterstützen. In­for­ma­tion­squellen, die dissonante In­for­ma­tio­nen aussenden, werden sys­tem­a­tisch aus­ge­blendet oder abgewertet. Erst wenn die ungeliebten In­for­ma­tio­nen klar in der Überzahl sind und nicht mehr ignoriert werden können, setzt meist ein radikales Umdenken ein.
  • Eine starke Un­ternehmen­skul­tur kann ebenfalls den Wandel behindern, weil sich in diesem Fall das ganze Unternehmen gegen Veränderungen sträubt und die Be­trieb­s­blind­heit den Ton angibt.
  • Schließlich können auch wirtschaftliche Ursachen den Wandel bremsen. Beim angeführten Loewe-Beispiel glaubten die Ve­r­ant­wortlichen auch deshalb wider besseres Wissen an die Zukunft der Röhre, weil sie gerade große Summen in neue Pro­duk­tions­bere­iche investiert hatten.
„Wandel zu unterlassen kann teuer werden und nicht selten ex­is­tenzbedro­hende Auswirkun­gen zeitigen.“

Oftmals ist das Gefüge zwischen einem Unternehmen und seiner Umwelt so komplex, dass sich die Führungskräfte einfach scheuen, das fragile Konstrukt an irgendeiner Stelle zu verändern. Viele Veränderung­sprozesse scheitern, weil die Mitarbeiter den Wandel nicht mittragen wollen. In dem Fall gilt es her­auszufinden, welche Gründe dafür ve­r­ant­wortlich sind und was die Entscheider tun können, um den Mi­tar­beit­ern ihre Ängste zu nehmen.

Das Er­fol­gs­fak­toren­mod­ell fürs Change-Man­age­ment

Wie kann man Veränderungen so begleiten, dass sie ein Erfolg werden? Die Feldtheorie des Sozialpsy­cholo­gen Kurt Lewin gibt einen passenden Ansatz vor. Lewin unterschied zwischen Kräften, die den Wandel unterstützen (akzelerierende Kräfte), und solchen, die ihn behindern (re­tardierende Kräfte). Beide Arten müssen in ein Gle­ichgewicht gebracht werden, ansonsten droht Stagnation oder Überforderung der Mitarbeiter. Es gibt mehrere Er­fol­gs­fak­toren, die auf den Wandel Einfluss nehmen.

Er­fol­gs­fak­tor Person

Ein Wandel bedarf starker Charaktere. Wenn eine Mannschaft sich auf einem sinkenden Schiff befindet, braucht sie eine Führungspersönlichkeit, die ihr sagt, was sie tun muss, um schnell noch aus den Planken und dem Segel ein Floß zu bauen.

„Die Notwendigkeit zum Un­ternehmenswan­del kann extern wie intern verursacht sein.“

Personen, die den Wandel vo­rantreiben, nennt man trans­for­ma­torische Führungskräfte. Was sie machen, wird auch als Leadership bezeichnet. Sie motivieren die Mitarbeiter dazu, sich mit auf den Weg zu machen. Solche Menschen sind Visionäre, die nicht als Be­fehlshaber auftreten, sondern die Angestell­ten coachen und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe, kon­struk­tive Kritik und positives Feedback geben.

„Berater bringen externes Wissen ein, sind ide­al­er­weise neutral, besitzen hohe Überzeu­gungskraft und steuern die Projekte routiniert und pro­fes­sionell.“

Sobald sich die Wandlung vollzieht, müssen dann aber auch Leader von anderer Couleur her: transak­tionale Führungskräfte, die behutsam, analysierend und planend den Wandel gestalten und ihn in die richtige Richtung lenken. Beide Führungsstile sollten im Unternehmen vorhanden sein und in einem Change-Man­age­ment-Team Hand in Hand gehen.

Er­fol­gs­fak­tor Vision

Visionen sind keine Utopien. Sie sind re­al­is­tis­che und erreichbare Bilder der Zukunft und beschreiben, wie das Unternehmen einmal aussehen könnte. Im Unterschied zu Un­ternehmensleit­bildern, die eher den Status quo wiedergeben, weisen Visionen eindeutig in die Zukunft. Damit sie wirksam sind, müssen sie ein möglichst konkretes Bild zeichnen und die Mitarbeiter wirklich motivieren. Wenn alle daran glauben, dass es sich lohnt, für eine Veränderung zu arbeiten, sind sie motiviert – und zwar intrinsisch, d. h. von innen heraus. Dadurch verbinden sie ihre Arbeit mit Sinn. Damit Visionen Veränderungen initiieren, müssen sie prägnant und passend für das Unternehmen formuliert werden. Auf keinen Fall sollten sie beliebig aus­tauschbar sein. Sie müssen re­al­is­tis­che Ziele erkennen lassen, die ggf. über Zwis­chen­schritte erreicht werden.

Er­fol­gs­fak­tor Kom­mu­nika­tion

Eine wichtige Rolle im gesamten Veränderung­sprozess spielt die Kom­mu­nika­tion. Sie ist gelebte Führung und damit der Katalysator, der Veränderungen beschle­u­nigt, und schafft Ori­en­tierung und Transparenz. Je persönlicher das Gespräch, desto besser. In großen Unternehmen ist das nor­maler­weise nicht per Be­trieb­sver­samm­lung zu be­w­erk­stel­li­gen, daher sollte man hier auf au­dio­vi­suelle Medien ausweichen, denn diese ermöglichen, dass Mimik und Gestik des Vor­stand­schefs trans­portiert werden. Ein Veränderung­spro­jekt per Massen-E-Mail anzukündigen, sollte tabu sein.

„Das Sensorteam ist eine Gruppe von Un­ternehmen­sangehörigen, die eine Art Hof­nar­ren­funk­tion ausübt.“

Eine kreative Methode, zu Beginn eines Veränderung­sprozesses die Meinungen und Lösungsvorschläge der Mitarbeiter in Erfahrung zu bringen, ist das so genannte World Café: ein größerer Raum mit Kaf­fee­hausat­mo­sphäre, in dem mehrere Tische für jeweils sechs bis acht Personen stehen. Die Mitarbeiter werden in Kle­in­grup­pen aufgeteilt und lösen zusammen mit einem Tis­chmod­er­a­tor ver­schiedene Ar­beit­sauf­gaben, deren Ergebnisse direkt auf die Pa­pier­tis­chdecken geschrieben werden. Nach einer fest­gelegten Zeit wechseln die Mitarbeiter den Platz; der Moderator bleibt jedoch an seinem Tisch. Die neue Tischgruppe erfährt vom Moderator, was die Vorgruppe erarbeitet hat, und bringt neue Impulse ein. Wenn alle Gruppen alle Tische besucht haben, werden die Tischdecken mit den Ergebnissen wie in einer Vernissage ausgestellt und bei Musik und Kaffee allen zugänglich gemacht.

Er­fol­gs­fak­tor Par­tizipa­tion

Par­tizipa­tion bedeutet Teilhabe. Wenn die Mitarbeiter an den Veränderungen beteiligt werden, steigt ihre Unterstützung und Widerstände werden abgebaut. Zudem wird die Wis­sens­ba­sis im gesamten Unternehmen breiter, wenn viele Mitarbeiter direkt in die Veränderungen involviert sind. Diese Ein­beziehung kann schon im Rahmen einer Mi­tar­beit­er­be­fra­gung erfolgen, bei der die Meinungen des Personals zu Veränderungen eingeholt werden. Die Mitarbeiter sollten aber auch in Grup­pen­work­shops aktiv zur Problemlösung motiviert werden.

Er­fol­gs­fak­tor Integration

Bei Un­ternehmen­szusam­men­schlüssen, einem Pa­rade­beispiel für Veränderungen, sind die meisten Probleme vor­pro­gram­miert. Aus zwei Unternehmen ein neues zu machen, ist eine Herkule­sauf­gabe, vor allem wenn sich keine Fraktion be­nachteiligt fühlen soll. Misslingt die Integration beider Belegschaften, drohen Spannungen, die wie Sand im Getriebe wirken. Kulturellen oder nationalen Konflikten kann durch Teambildung (z. B. gemeinsame Aktivitäten) und die Einrichtung von Miniteams (auch Zweierteams) ent­ge­gengewirkt werden. Für die Führungsebene haben sich Dop­pel­spitzen bewährt: Zwar dauern Entschei­dung­sprozesse so wesentlich länger, dafür gleichen sich un­ter­schiedliche Führungsansätze schneller an.

Er­fol­gs­fak­tor Reedukation

Unter Reedukation versteht man alle gezielten Per­son­alen­twick­lungsmaßnahmen, mit denen die Mitarbeiter für die neuen und veränderten Aufgaben im Unternehmen fit gemacht werden sollen. Die Fortbildung zielt dabei sowohl auf mehr Wissen als auch auf mehr Können und eine veränderte Einstellung. Reedukation kann „on the job“ (Jobrotation, Mentoring, Coaching) und „off the job“ (Seminare, Schulungen, E-Learning) erfolgen.

Er­fol­gs­fak­tor Pro­jek­tor­gan­i­sa­tion

Ohne eine funk­tion­ierende Pro­jek­tor­gan­i­sa­tion kann Wandel nicht erfolgreich sein. Change-Man­age­ment wird fast immer in Form von Projekten durchgeführt. Für diese sollten die fähigsten Köpfe im Unternehmen gewonnen werden – und nicht einfach diejenigen, die gerade nichts zu tun haben. Das bedeutet auch, dass den Pro­jek­t­mit­gliedern ausreichend Zeit eingeräumt wird. Projekte, die den normalen operativen Tätigkeiten einfach hinzuad­diert werden, sind zum Scheitern verurteilt. Im Veränderung­sprozess müssen ver­schiedene Teil­pro­jek­t­grup­pen koordiniert werden. Jedes Projekt benötigt neben einem Pro­jek­tleiter und einem Team auch so genannte Pro­jek­tcham­pi­ons: Dabei handelt es sich um Leistungsträger im Unternehmen, die Veränderungen als Erste anwenden und umsetzen. Ide­al­er­weise sind diese allgemein akzeptiert und entfachen somit einen überzeu­gen­den Sogeffekt im Unternehmen.

Er­fol­gs­fak­tor Kon­sul­ta­tion

Fast immer wird für die Steuerung eines Veränderung­sprozesses externes Know-how benötigt. Berater von außen bringen Neutralität und Wissen aus unzähligen anderen Be­ratung­spro­jek­ten ins Unternehmen. Sie können sich zu 100 % ihrer Aufgabe widmen und werden nicht vom Tagesgeschäft abgelenkt, wie es bei Un­ternehmensmi­tar­beit­ern der Fall ist. Oftmals können auch In­house-Be­rater eingesetzt werden, die z. B. bei Konzernen allen Un­ternehmen­steilen zur Verfügung stehen. Größter Vorteil: Sie kennen das Unternehmen besser als Externe. Größter Nachteil: Unabhängigkeit und fremder Input fehlen.

Er­fol­gs­fak­tor Evolution

Change-Man­age­ment läuft umso prob­lem­loser ab, je stärker das Unternehmen von sich aus eine Wand­lungskul­tur entwickelt. Wie kann man die erreichen? Ganz einfach: Veränderungen sollten kon­tinuier­lich ablaufen und entsprechend gefördert werden. Richten Sie „Sensorteams“ ein, die alle Entschei­dun­gen, Tech­nolo­gien und auch das Be­trieb­sklima analysieren und kritisch hin­ter­fra­gen. Diese Leute sollen ohne Rücksicht Schwach­stellen und Tabus aufdecken und mit weit reichender Immunität für ihr Tun aus­ges­tat­tet sein.

Über den Autor

Thomas Lauer ist Professor für Allgemeine Be­trieb­swirtschaft­slehre, Un­ternehmensführung und Personalführung an der Fach­hochschule As­chaf­fen­burg.