Ideenfindung, Problemlösen, Innovation

Buch Ideenfindung, Problemlösen, Innovation

Das Entwickeln und Optimieren von Produkten, Systemen und Strategien

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Rezension

Wer wünscht sich das nicht: eine Denkan­leitung, mit deren Hilfe sich knifflige Probleme lösen und gle­ichzeitig originelle und innovative Ideen finden lassen. Genau das verspricht Physiker Michael Müller in seinem Buch. Seine „Prometik“ – kurz für „problemlösende Methoden der Technik“ – besteht im Kern aus 25 Denkfiguren, die eine kognitive und kreative Vorge­hensweise bei der Suche nach Lösungen ermöglichen sollen. Müller fokussiert auf den tech­nisch-natur­wis­senschaftlichen An­wen­dungs­bere­ich, wobei er die ver­schiede­nen Denkfiguren mit einer großen Anzahl von Prax­is­beispie­len illustriert. Diese In­no­va­tio­nen sind freilich nicht durch Anwendung der Prometik-Meth­ode entstanden; der Autor illustriert an ihnen lediglich, dass sein Ansatz genauso gut oder sogar effektiver zum gleichen Ziel geführt hätte. BooksInShort empfiehlt das Buch allen Ingenieuren, Technikern, Natur­wis­senschaftlern und anderen Problemlösern, die sich einen Einblick in die Prometik-Meth­ode verschaffen wollen.

Take-aways

  • Der Aus­gangspunkt für Innovation und Problemlösung ist immer ein präzise gefasstes Ziel.
  • Die Qualität Ihrer Ziele ist entschei­den­der als der Aufwand, den sie für die Lösungs­find­ung betreiben.
  • Der Prometik-Ansatz basiert auf 25 Denkfiguren, die beim Problemlösen helfen.
  • Die Prinzipien der Prometik sind Finalität, Vollständigkeit und Denkökonomie.
  • Finalität bedeutet: Zwecke definieren und sie verfolgen.
  • Vollständigkeit erreichen Sie, indem Sie die Differenz zwischen dem bereits Re­al­isierten und dem theoretisch Re­al­isier­baren betrachten.
  • Denkökonomie strebt nach Minimierung des geistigen Aufwands und besteht im Prinzip aus Ab­strahieren oder Konkretisieren von Sachver­hal­ten.
  • Systeme sind auf das Wesentliche reduzierte Modelle der Wirk­lichkeit. Sie helfen Ziele zu definieren und zu konkretisieren.
  • Probleme lassen sich Prob­lemk­lassen zuordnen. Anhand dieser Zuordnung wird die entsprechende Denkfigur ermittelt.
  • Die Prometik-Meth­ode stammt aus dem natur­wis­senschaftlich-tech­nis­chen Bereich. Sie hilft aber generell beim Optimieren von Strukturen und Systemen.
 

Zusammenfassung

Präzise Ziel gewinnen

Am Anfang aller In­no­va­tions­bemühungen stehen präzise, produktive Ziele. Diese definieren Sie, indem Sie Wünsche präzisieren, indem Sie für bekannte Objekte neue Ver­wen­dungszwecke suchen oder indem Sie Schwach­stellen in einem System aufspüren.

Beim Formulieren von Zielen behalten Sie Fakten, Vorhersagen und Absichten im Fokus. Beziehen Sie in Ihre Überlegung alle wichtigen Elemente mit ein: Für eine er­fol­gre­iche Problemlösung müssen Sie zahlreiche Kategorien – Ziele, Bedingungen, Be­w­er­tungskri­te­rien, Mittel, Folgen sowie die Zuordnung von Mitteln und Folgen – sorgfältig erfassen.

Die Prinzipien der Prometik

Die drei Prinzipien der Prometik sind Finalität, Vollständigkeit und Denkökonomie:

  • Finalität heißt Zwecke zu definieren und sie zu verfolgen.
  • Das Prinzip Vollständigkeit unterstellt ein theoretisch vollständiges Set für jede Kategorie eines Systems. Bei bestehenden Lösungen oder Systemen ist eine bestimmte Menge an Möglichkeiten bereits berücksichtigt worden. Die Betrachtung der Differenz zwischen dem bereits Re­al­isierten und der the­o­retis­chen Annahme des Re­al­isier­baren ist der entschei­dende Schritt zum Erreichen der Vollständigkeit.
  • Die Ökonomie des Denkens strebt nach Minimierung des geistigen Aufwands. Denkökonomie besteht im Prinzip aus Ab­strahieren und Konkretisieren von Sachver­hal­ten. Der Ab­strak­tion­sprozess ist eine Kompression einer Menge von Objekten auf einige Begriffe. Das Gegenstück dazu, die Konkretisierung, besteht in der „Entfaltung weniger Begriffe zu einer Fülle von Objekten“.

System und Zielfindung

Wollen Sie eine variable Größe in einem bestehenden Zusam­men­hang ändern, betrachten Sie das Ganze als System. Jede variable Größe ist in un­ter­schiedlichem Maße von anderen abhängig. Als System bezeichnen wir das Modell der Wirk­lichkeit, welches diese Beziehungen abbildet.

„Beim Problemlösen geht es darum, neue Beziehungen herzustellen, die vorher nicht bestanden. Das ist eine gänzlich andere Aufgabe als die, sich an Beziehungen zu erinnern.“

Um zu einem sinnvollen Modell zu gelangen, übernehmen Sie nur das Wichtigste. Nebensächlichkeiten sollten nicht Teil des Modells sein. Sie müssen beurteilen, was wichtig und was unwichtig ist. Wenn es zu dieser Entschei­dung kommt, bedienen Sie sich der „leitenden Gedanken“.

Von denen gibt es drei Klassen, die sich nach ihrer Wirkungsrich­tung un­ter­schei­den: Sie können sich a) auf das System selbst, b) auf einzelne Elemente oder c) auf andere Systeme beziehen.

„Die Ökonomie des Denkens scheint der Ökonomie der Natur verwandt zu sein.“

Beispiele für leitende Gedanken sind das Bestreben einer bi­ol­o­gis­chen Art, sich selbst zu erhalten, die Selb­s­theilungsfähigkeit des men­schlichen Körpers oder die Aufgabe der En­ergiev­er­sorgung, die ein Generator erfüllt.

Für die Zielfindung ist eine systemische Betrachtung zweckmäßig, denn das System fasst als Modell alle Fakten übersichtlich zusammen. Systeme dienen folglich dazu, Ziele präzise zu definieren und zu konkretisieren. Leitende Gedanken hingegen sind „Superziele“, die Ihnen bei der Ableitung ver­schieden­ster Ziele helfen können.

„Systeme helfen, Ziele zu präzisieren und zu konkretisieren.“

Denkfiguren der Prometik

  1. Ziel realisieren: Präzisieren Sie in einem ersten Schritt das Ziel. Wünsche, Schwach­stellen in bestehenden Systemen oder auch alternative Ver­wen­dungsmöglichkeiten können dabei hilfreich sein. Über eine Auswahl von Such­be­grif­fen umreißen Sie das Feld der Suche. Achten Sie dabei darauf, zu einer vollständigen Vorauswahl zu gelangen. Den Such­be­grif­fen ordnen Sie dann Mittel zu, die für die Erreichung des Ziels notwendig sind. Anhand vorab fest­gelegter Be­w­er­tungs­be­griffe können Sie die poten­ziellen Lösungen beurteilen und sich für eine entscheiden.
  2. Mitwirkende an Zielen beteiligen: Es gibt immer sachlich gebotene, „objektive Pro­duk­tziele“, die ein Team oder eine Or­gan­i­sa­tion zu erbringen hat. Daneben existieren in­di­vidu­elle, „subjektive Prozessziele“ der Handelnden. Diese sind z.B. das Streben nach Anerkennung, Geld oder Harmonie. Für den Erfolg sollten beide Zielarten in Einklang gebracht werden.
  3. Neue Anwendungen für bestehende Systeme: Innovative Lösungen können auch aus neuen Ver­wen­dungszwecken bereits bestehender Systeme entstehen. Entweder das gesamte System, einzelne Teile davon oder auch nur bestimmte Eigen­schaften liefern dazu den Ansatzpunkt.
  4. Bewerten: Das Bewerten von Systemen, Vorstel­lun­gen, Handlungen oder Personen ist immer auch eine kreative Leistung. Nicht selten ist die Beurteilung einer Idee die Vo­raus­set­zung für deren Durch­set­zung. In einfachen Fällen bewerten Sie etwa über ein Auss­chlussver­fahren oder einfaches Pri­or­isieren. Bei steigendem Schwierigkeits­grad oder großer Komplexität helfen beispiel­sweise eine Op­tion­sta­belle oder auch das Ma­trixver­fahren.
  5. Kritische Variablen finden: Die Veränderung der so genannten kritischen Variablen eines Systems bringt den größten Vorteil. Analysieren Sie gründlich das Gesamt­sys­tem und wenn nötig die einzelnen Teilsysteme. Achten Sie auf Defizite und Zielkon­flikte. Pri­or­isieren und präzisieren Sie die Mängel und ergründen Sie die Abhängigkeiten der einzelnen Variablen.
  6. Kritische Variablen verbessern: Die Suche nach dem Konflikt zwischen ver­schiede­nen An­forderun­gen an ein System liefert häufig den Schlüssel für Verbesserungsmöglichkeiten. Die kritischen Variablen sind der Schlüssel zur Lösung.
  7. Widersprüche formulieren: Erst nach dem Formulieren von Widersprüchen zeigt sich, ob sie unlösbar, temporär unlösbar, per Kompromiss bzw. durch kreative Methoden lösbar oder aber auch nur scheinbar sind.
  8. Pointieren: Eine mehrmalige Betrachtung von Ursachen und Mitteln aus un­ter­schiedlichen Blick­winkeln hilft, eine Variable zu finden, deren Veränderung das Problem löst oder es positiv beeinflusst.
  9. Meta­mor­pho­sen durchführen: Nachdem Sie die kritischen Variablen erkannt haben, lässt sich das System durch ziel­gerichtete Veränderung produktiv verändern. Die drei El­e­men­tar­op­er­a­tio­nen der Meta­mor­phose sind das Hinzufügen, Unterteilen oder Wegnehmen.
  10. Mul­ti­funk­tion­alität einführen: Wenn der Aufwand für eine Lösung zu hoch erscheint, versuchen Sie ihn durch Mul­ti­funk­tion­alität zu senken; suchen Sie also nach weiteren Funktionen, die Ihre Lösung übernehmen kann.
  11. Spezial­isieren: In Umkehrung zur Mul­ti­funk­tion­alität isolieren Sie zwei Funktionen, die sich gegenseitig behindern, und optimieren sie einzeln. Das gelingt allerdings nur, wenn beide Funktionen nicht zu stark verzahnt sind.
  12. Guten­berg-Meth­ode: Wie bei der Erfindung des Buchdrucks, welcher der Vervielfältigung von Bibeln diente, isolieren Sie Teil­prozesse, optimieren diese und stan­dar­d­isieren sie.
  13. Wirkprinzip variieren: Schon kleine Veränderungen des Wirkprinzips, also des entschei­den­den Prinzips eines Systems, können ein Problem lösen. Dafür formulieren Sie das Wirkprinzip mit seinem Ziel und seinen Mitteln, iden­ti­fizieren das Problem und versuchen durch Variationen oder das Vertauschen von Ziel und Mittel die Aufgabe zu lösen.
  14. Panora­mameth­ode: Beschreiben Sie in einem ersten Schritt das System mit seinem Widerspruch. Entwickeln Sie daraus ein abstraktes Modell. Aus diesem leiten Sie wiederum ein konkretisiertes System ohne den Widerspruch des ursprünglichen Systems ab. Als letzten Schritt konkretisieren Sie die Mittel, die zum Erreichen des Zieles notwendig sind.
  15. Planung vorwärts: Benennen Sie das Wirkprinzip und legen Sie zwischen Aus­gangslage und Endziel markante Punkte als Teilziele fest. Erkennen Sie kritische Variablen sowie solche, die davon abhängig sind. Vervollständigen Sie die einzelnen Pla­nungspunkte durch Benennen der dazugehörigen Mittel.
  16. Planung rückwärts: Mit dieser Denkfigur können Sie Engpässe, die vor dem Erreichen des Ziels liegen, beseitigen. Iden­ti­fizieren Sie den Engpass, ordnen Sie dessen Bewältigung Mittel zu und bewegen sie sich im Denkprozess rückwärts bis zum Aus­gangspunkt.
  17. Negation: Bei dieser Methode schließen Sie alles Unerwünschte aus. Dazu erstellen Sie einen Kri­te­rienkat­a­log mit allen nicht gewünschten Parametern. Dann machen Sie sich auf die Suche nach Al­ter­na­tiven.
  18. Kombination: Es gibt zwei kombinative Optionen. Bei der expansiven werden große Mengen mit wenigen Grun­dele­menten dargestellt (z. B. Wörter werden aus Buchstaben gebildet). In der reduktiven Variante verhält es sich umgekehrt: Eine gegebene Menge wird mit einem Minimum an Elementen dargestellt (z. B. Abbildung men­schlicher Laute durch Buchstaben).
  19. Kon­trol­liertes Erweitern: Beschreiben Sie in einem ersten Schritt das System, seine Teile, die Beziehung zwischen ihnen und die Eigen­schaften der Teile sowie der Beziehungen. Finden Sie neue Kom­bi­na­tio­nen. Während des Konkretisierens reduzieren Sie die Anzahl der Kom­bi­na­tio­nen.
  20. Analogien finden: Analogien finden Sie durch Abstraktion eines Wirkprinzips und seine Übertragung auf andere An­wen­dungs­bere­iche. Ein typisches An­wen­dungs­ge­biet ist die Bionik: Phänomene aus der Natur bilden die Grundlage in­ge­nieurtech­nis­cher Lösungen.
  21. Effizienzen finden und steigern: Finden Sie im ersten Schritt heraus, welche Aufwandsgröße (kritische Variable) die größte Wirkung auf die gewünschte Ertragsgröße hat. Ermitteln Sie im Folgenden die beiden Extremwerte für minimalen Aufwand und maximales Ergebnis. Fokussieren Sie auf die entschei­den­den Parameter, um die Effizienz des Systems zu verbessern.
  22. Partielle Konkretisierung: Bei dieser Methode finden Sie zuerst die kritische Variable. Konkretisieren Sie den Plan so weit, dass Sie den Wert für die kritische Variable ermitteln können. Anhand dieses Wertes beurteilen Sie dann die Grundidee. Unterziehen Sie alle kritischen Variablen der gleichen Prozedur.
  23. Partielle Umkehrung: Diese Methode kommt dann zum Einsatz, wenn eine Zielgröße nicht verändert werden kann, ohne dass sich auch andere Größen unerwünscht verändern. In diesem Fall sollte sich die Suche darauf konzen­tri­eren, kom­pen­sierende Größen festzustellen, diese zu variieren und zum Schluss eine auszuwählen und zu konkretisieren.
  24. Zen­tral­isieren: Ein System ist zen­tral­isiert, wenn seine Elemente mit einem Zen­tralele­ment verbunden sind. Als Zen­tral­isieren bezeichnet man einen Vorgang, bei dem diese Verbindung verstärkt wird. Zen­tral­isierung erscheint sinnvoll, wenn die Einzelleis­tun­gen kosten­in­ten­siv, einheitlich und stark nachgefragt sind. Gle­ichzeitig sollte der Transport effektiv und preiswert organisiert werden können.
  25. Dezen­tral­isieren: Bei einen dezen­tral­isierten System gibt es zwischen dem Zentrum und den Elementen nur einen auf das Minimum reduzierten Austausch. Dezen­tral­isierung erreicht man dadurch, dass die einzelnen Elemente un­tere­inan­der verbunden sind, über eine größere Autonomie verfügen oder durch eine Hi­er­ar­chieebene vom Zentrum getrennt sind.

Zum Gebrauch der Prometik-Denk­fig­uren

Beim Arbeiten mit diesen Denkfiguren sind immer die Prinzipien der Denkökonomie, Vollständigkeit und Finalität zu beachten. Behalten Sie diese Prinzipien im Hinterkopf, wenn Sie mithilfe einer Denkfigur eine Lösung suchen.

„Leitende Gedanken sind Superziele, die der Generierung diverser Ziele dienen können.“

Grundsätzlich helfen Denkfiguren immer beim Lösen von Problemen. Allerdings können ver­schiedene Ansätze zum Ziel führen. Insofern gibt es keinen verbindlich vorgeschriebe­nen Ansatzpunkt. Um ein Problem zu iden­ti­fizieren, kann man es einer Prob­lemk­lasse zuordnen. Anhand dieser Zuordnung lässt sich dann die entsprechende Denkfigur ermitteln, die den Problemlöser befähigt, eine Lösung zu finden.

Über den Autor

Michael Müller ist diplomierter Physiker und hat zum Thema Problemlösen in der Physik promoviert. Als Entwickler der Prometik-Meth­ode arbeitet er beratend und gibt Seminare.