Professionell sabotieren
Es gibt viele Gründe, ein Projekt zu sabotieren: Vielleicht ist es schlecht für die Firma. Vielleicht ist es schlecht für die eigene Karriere. Die meisten Möchtegern-Saboteure geben sich aber mit halben Sachen zufrieden. Sie motzen hier, kritisieren da, schütten ein wenig Sand ins Getriebe und wundern sich, warum sie das Projekt dennoch nicht zum Scheitern bringen. Die Antwort: Weil sie nicht professionell sabotieren. Dazu müssten sie erst den idealen Ablauf von Projekten verstehen:
- Ein Projektmanager wird beauftragt, ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen – innerhalb eines festgelegten Zeitraums und mit einem ebenso festgelegten Budget.
- Der Projektmanager stellt einen Plan auf, wie er dieses Ziel erreichen will.
- Um zu zeigen, wie gut er unterwegs ist, schickt er regelmäßig Statusberichte an seine Chefs.
- Am Ende ist das Ziel erreicht – innerhalb von Zeit- und Budgetvorgabe.
„Wirklich jedes Projekt hat Gegner.“
Für professionell agierende Saboteure liefern diese vier Schritte (wobei der vierte eh fast nie erreicht wird) exakt die Ansatzpunkte, die es braucht, um ein Projekt ins Straucheln zu bringen.
CRIME
Das professionelle Tool für Projektsaboteure trägt das Akronym CRIME. Das steht für:
- C wie Conspire (Verschwören Sie sich!): Wer sind die Entscheidungsträger? Wer will das Projekt, was soll damit erreicht werden, welchen Wert hat es für die Chefetage? Wer weiß, was hinter einem Projekt steckt, kann sich überlegen, welche Mittel in welcher Phase greifen könnten. Gute Planung ist wichtig, wenn man Erfolg haben will.
- R wie Recruit (Mobilisieren Sie!): Wer den Überblick über die Beteiligten und ihren Einfluss hat, sollte auch wissen, wer von ihnen in welcher Form beeinflussbar ist.
- I wie Infiltrate (Infiltrieren Sie!): Projekte lassen sich am besten von innen sabotieren. Sorgen Sie dafür, ins Team aufgenommen zu werden, und beginnen Sie mit dem Beeinflussen.
- M wie Manipulate (Manipulieren Sie!): Kommunizieren Sie nach innen und außen bewusst kritisch, manipulieren Sie Berichte und Informationen. Nutzen Sie Ihr Wissen über Vorlieben und Abneigungen der Führungskräfte.
- E wie Execute (Führen Sie’s aus!): Reicht das Zusammenspiel der Sabotageakte, um das Projekt zu Fall zu bringen? Sonst noch einmal nachlegen!
Bürokratie ausnutzen
Je besser man die bürokratische Maschinerie eines Projekts verstanden hat, desto leichter ist es, sie lahmzulegen. Denn die ganze Bürokratie dient vor allem dem Zweck, die Oberen durch scheinbar objektive Zahlen und Fakten informiert zu halten. Leider laufen Projekte immer anders als geplant, es geht drunter und drüber, Selbstverständlichkeiten werden hinterfragt, neue Wege werden beschritten, und das kreative Chaos führt zu einem Ziel, das mit der ursprünglichen Vorgabe nur noch bedingt zu tun hat. Kurz gesagt: Projekte entziehen sich der Kontrolle von oben. Was man dort natürlich ausgesprochen ungern sieht.
„Es liegt in der Natur menschlichen Verhaltens, das eigene Interesse über das des Unternehmens zu stellen.“
Hier hakt der Saboteur ein. Zum Beispiel, indem er folgsam den bürokratischen Anweisungen nachkommt und alles genauso macht wie vorgesehen (dafür gibt es oft eine vorgegebene Projektmanagementmethodik). Bis aufs i-Tüpfelchen. Unglaublich, wie das den Prozess verzögert. Und unübertroffen, wie das die Kollegen demotiviert.
„Jeder verfügt über Mittel, um ein Projekt zu sabotieren.“
Wer hierarchisch eine Stufe weiter unten steht, kann die Bürokraten (und alle anderen, die zuhören mögen) mit Interna füttern. Aus diesen geht natürlich hervor, dass Bericht und Wirklichkeit des Projekts auseinanderklaffen. Oder dass es Lücken gibt. Oder was auch immer. Hauptsache, der Samen des Zweifels wird gesät – und dem Projektleiter werden Daumenschrauben angelegt. Effekt: siehe oben.
Sabotieren von ganz oben: der Auftraggeber
Auftraggeber haben es am leichtesten, ein Projekt zu zerstören, denn sie haben die Kontrolle darüber. Sie legen die Inhalte des Auftrags fest – das dauert natürlich – und bestimmen das Team, an dessen Spitze vielleicht ein unfähiger oder überforderter Projektleiter gestellt wird. Je ungenauer der Auftraggeber den Projektinhalt hält, desto leichter kann er schon frühzeitig Unbehagen über die Zwischenergebnisse signalisieren.
„Der Projektsaboteur kennt den Projektmanager, der Projektmanager kennt den Saboteur jedoch nicht.“
Das Budget bietet gleich zwei Angriffspunkte: seine Höhe und seine Verfügbarkeit. Nähert sich das Team trotz des eigentlich zu niedrigen Budgets dem Ziel, müssen ihm rechtzeitig Zusatzaufgaben aufgebürdet werden. Nie verkehrt ist es, unverbindlich Spezialisten aus anderen Abteilungen für das Projekt zuzusagen – wer kann denn ahnen, dass die mit dem Tagesgeschäft mehr als ausgelastet sind?
„Eine strukturierte Sabotage ist am erfolgversprechendsten.“
Der Projektmanager hat Berichte anzufertigen, die der Auftraggeber liest. Wenn der einen Vertrauten im Projektteam hat (sehr empfehlenswert!), wird er um die Diskrepanzen zwischen Realität und Bericht wissen und den Projektleiter entsprechend grillen.
Sabotieren von der Spitze: der Projektleiter
Projektleiter können Projekte problemlos abhaken, indem sie ihre Berichte frisieren. Sie kennen das Projekt am besten und haben einen guten Überblick darüber, was besser weitergetragen wird und was man unter Verschluss halten sollte.
„Die Macht der Bürokraten basiert auf dem dringlichen Bedürfnis des Managements, Ungewissheiten auf ein Minimum zu begrenzen.“
Für den Projektauftrag und den darauf aufbauenden Projektplan gilt wiederum: Je vager oder je starrer die Vorgaben, desto leichter fällt die Sabotage. Entweder durch Stochern im Nebel oder durch regelgerechtes Töten von Kreativität. Spezialisten, die ihren jeweiligen Ansatz grundsätzlich ausdiskutieren müssen, bevor es überhaupt losgehen kann, sind gute Verzögerer. Ideale Ko-Saboteure sind auch die Mitarbeiter, die das bisher gängige Verfahren entwickelt haben und die naturgemäß wenig Interesse haben, ihre geistige Arbeit auf dem Müll zu sehen.
„Geld ist das effektivste Mittel, das Ihnen als sabotierendem Projektmanager zur Verfügung steht.“
Projektleiter müssen regelmäßig Statusberichte nach oben durchgeben. Kein Problem: Anfangs liegt das Projekt recht gut im Plan, allmählich häufen sich die Probleme, was selektiv in den Berichten weitergegeben wird. Das lässt sich langsam zur Eskalation bringen, bis das Projekt mit seinen Problemen komplett aus dem Ruder gelaufen ist. Die Alternative dazu ist, zu einem geeigneten Zeitpunkt das gesamte Grauen berichten und hoffen, dass das Fallbeil fällt. Der überzeugendste Grund: Das Budget läuft aus dem Ruder, trotz intensiver Gegenwehr und Analyse der Problemstellungen (denn Schuld darf nie der Projektmanager tragen). Die Kosten türmen sich, die erwarteten Ziele sind noch in weiter Ferne. Ein verantwortungsvoller Chef hat da nur eine Option: den Stecker ziehen.
Sabotieren von unten: der Anwender
Projekte sollen letztlich den Anwendern zugutekommen. Um deren Ansprüche zu kennen, wäre es sinnvoll, sie in die Prozesse einzubinden. Wenn das nicht passiert, können Anwender sich selbst einbinden, indem sie Interesse zeigen und mit den Projektmitarbeitern reden. Dabei ist für Anwender wichtig, ihre Rolle zu kennen: Sie verstehen nicht immer, was die Spezialisten mit ihren fachtechnischen Begriffen meinen – sonst hätten sie ja früher interveniert.
„Als sabotierender Projektmanager müssen Sie die Kunst beherrschen, sich selbst aus der Schusslinie zu halten.“
Der mitdenkende Anwender unterrichtet das Projektteam davon, dass sich die Anforderungen an die Lösung wandeln und dass die Ziele daher laufend neu justiert werden sollten. Der ideale Zeitpunkt dafür ist die Demonstration einer Testversion. Die taugt natürlich noch nicht viel – also werden die Entwickler zurück an den Computer geschickt.
Sabotieren von innen: der Spezialist
Spezialisten kennen und verstehen die Lösung, um die es im Projekt geht. Dieses Wissen können sie gezielt nutzen, etwa indem sie das Problem aufbauschen und Lösungen vorschlagen, die unmöglich erreicht werden können, die das Budget sprengen oder Nachbesserungen erforderlich machen.
„Verzögerung ist der größte Feind des Projekts.“
Wenn gar nichts anschlagen sollte, lässt sich immer noch die interne Revision einschalten. Sie ist das Herz der Bürokratie und steht allen Projekten skeptisch gegenüber – schließlich wird dort Geld ausgegeben, und niemand weiß so recht, ob sich das Ganze irgendwann auch rechnen wird. Und wenn die Revisoren nichts zu bemängeln haben, dann vielleicht die Sicherheitsabteilung. Bis zum Beispiel die Internetsicherheit geprüft ist, kann es natürlich dauern.
„Grundlage einer erfolgreichen Projektsabotage ist die effektive Manipulation der richtigen Leute im Unternehmen.“
Nicht zuletzt hat der Betriebsrat ein Wörtchen mitzureden. Ihn zu konsultieren ist Pflicht. Kluge Vorstände wissen das und binden den Betriebsrat von Anfang an in Projekte ein, in der Hoffnung, ihn auf ihrer Seite zu wissen. Einige Betriebsräte ziehen ihren Vorteil aus der entstehenden Vertraulichkeit: Sie nutzen das Wissen der Vorstände, um das Projekt zu untergraben. Wenn der Vorstand seine Pläne offiziell bekannt gibt, präsentiert ein guter Betriebsrat zeitgleich seine attraktivere Alternative.
All together now!
Wenn ein einzelner Mensch schon ein ganzes Projekt vom Weg abbringen kann, um wie viel effektiver ist es dann, wenn sich mehrere Personen zusammenschließen! Die Effekte multiplizieren sich. Dafür gilt es natürlich zuerst, Komplizen zu finden. Das gelingt, indem man über den Tellerrand schaut: Jedes Projekt ist eingebunden in die Strategie des Unternehmens. Es gibt Akteure, die diese Strategie unterstützen, und solche, die eine andere Politik bevorzugen würden. Diese anderen gilt es zu identifizieren – im Idealfall sind es brauchbare Strippenzieher im Hintergrund. Die erfolgversprechendste Kombination von Saboteuren ist übrigens die zwischen Spezialist und Projektmanager bzw. zwischen Spezialist und Auftraggeber.
Bis alles zusammenkracht
Ein Projekt kann von jeder Position aus torpediert und versenkt werden. Ansatzpunkt ist die um das Berichtswesen wuchernde Bürokratie. Sie sorgt dafür, dass neben dem wirklichen Projekt ein offiziöses existiert, das in Form von Reports und Statusberichten vorangetrieben wird. Da beide Projektformen nie deckungsgleich sind, können Saboteure die Diskrepanzen wunderbar nutzen, um Zweifel und Misstrauen zu säen.
„Sobald die Organisation von der Unmöglichkeit des Projekts überzeugt ist und ihm den Stecker zieht, bleibt nur eine Schlussfolgerung: Mission erfüllt!“
Wenn der Tag der Wahrheit kommt, muss der Saboteur gut vorgearbeitet haben. Er hat zwei Argumentationslinien zur Auswahl. Warum ist es schwierig bis unmöglich, das angepeilte Ziel zu erreichen? Entweder weil es nicht machbar ist (zu tiefes Budget, technisch unmöglich, gesetzeswidrig), oder weil das angestrebte Ziel das eigentliche Problem nicht lösen wird. Eine Führungskraft, die sich auf ihre Entscheidungsfreude etwas einbildet, wird einen Moment überlegen – und dann das Projekt begraben. Spiel, Satz und Sieg – für den Saboteur.