Das kleine Handbuch für den Projektsaboteur

Buch Das kleine Handbuch für den Projektsaboteur

Wiley-VCH,
Erstausgabe:2010


Rezension

Die Idee ist gut: Nur wer weiß, wie der Feind tickt, kann sich angemessen und erfolgreich schützen – und ihn im Idealfall ausschalten. Das kleine Handbuch für den Pro­jek­tsabo­teur ist eine willkommene Abwechslung zu all den Regalmetern zum Thema „Optimales Pro­jek­t­man­age­ment“. Die niederländischen Pro­jek­t­man­ager Kotteman und Gietema sind zu lange im Geschäft, um solchen Ratgebern zu glauben. Sie wissen, auf welchen Widerstand selbst die aus­sicht­sre­ich­sten und be­stor­gan­isierten Projekte stoßen und welche leidige Rolle die Firmenbürokratie dabei spielen kann. Ganz so gut wie die Idee ist die Umsetzung des Büchleins leider nicht. Allzu oft bleiben die Hinweise an der Oberfläche. Man erfährt zwar, aus welcher Richtung Gefahr droht, aber wie sie sich im Ar­beit­sall­tag zeigt, muss man sich selbst ausmalen. Die Fall­beispiele sind hilfreich, aber anonymisiert und oftmals wenig konkret. BooksInShort empfiehlt das Büchlein allen Pro­jek­tleit­ern und Auf­tragge­bern, denen ihre Projekte tatsächlich am Herzen liegen.

Take-aways

  • Projekte scheitern nicht selten daran, dass sie von Saboteuren zum Platzen gebracht werden.
  • Saboteure in­stru­men­tal­isieren den bürokratis­chen Überbau, vor allem das Berichtswe­sen, um Misstrauen und Zweifel zu säen.
  • Manchmal behaupten sie, das Projekt könne das angestrebte Ziel aus fi­nanziellen, technischen oder ju­ris­tis­chen Gründen niemals erreichen.
  • Oder sie sagen, das Ziel werde das eigentliche Problem nicht lösen.
  • Auf­tragge­ber sabotieren Projekte, indem sie den Auftrag möglichst vage formulieren.
  • Pro­jek­t­man­ager sabotieren Projekte, indem sie Budgets und Berichte ma­nip­ulieren.
  • Spezial­is­ten sabotieren Projekte, indem sie an Feinheiten feilen und neue Techniken fordern.
  • Anwender sabotieren Projekte, indem sie durch Nachfragen wieder und wieder Verzögerungen verursachen.
  • Am besten lassen sich Projekte zum Scheitern bringen, wenn mehrere Saboteure zusammen agieren.
  • Die er­fol­gver­sprechend­ste Kombination von Saboteuren ist die zwischen Spezialist und Pro­jek­t­man­ager bzw. zwischen Spezialist und Auf­tragge­ber.
 

Zusammenfassung

Pro­fes­sionell sabotieren

Es gibt viele Gründe, ein Projekt zu sabotieren: Vielleicht ist es schlecht für die Firma. Vielleicht ist es schlecht für die eigene Karriere. Die meisten Möchte­gern-Sabo­teure geben sich aber mit halben Sachen zufrieden. Sie motzen hier, kritisieren da, schütten ein wenig Sand ins Getriebe und wundern sich, warum sie das Projekt dennoch nicht zum Scheitern bringen. Die Antwort: Weil sie nicht pro­fes­sionell sabotieren. Dazu müssten sie erst den idealen Ablauf von Projekten verstehen:

  1. Ein Pro­jek­t­man­ager wird beauftragt, ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen – innerhalb eines fest­gelegten Zeitraums und mit einem ebenso fest­gelegten Budget.
  2. Der Pro­jek­t­man­ager stellt einen Plan auf, wie er dieses Ziel erreichen will.
  3. Um zu zeigen, wie gut er unterwegs ist, schickt er regelmäßig Sta­tus­berichte an seine Chefs.
  4. Am Ende ist das Ziel erreicht – innerhalb von Zeit- und Bud­getvor­gabe.
„Wirklich jedes Projekt hat Gegner.“

Für pro­fes­sionell agierende Saboteure liefern diese vier Schritte (wobei der vierte eh fast nie erreicht wird) exakt die Ansatzpunkte, die es braucht, um ein Projekt ins Straucheln zu bringen.

CRIME

Das pro­fes­sionelle Tool für Pro­jek­tsabo­teure trägt das Akronym CRIME. Das steht für:

  • C wie Conspire (Verschwören Sie sich!): Wer sind die Entschei­dungsträger? Wer will das Projekt, was soll damit erreicht werden, welchen Wert hat es für die Chefetage? Wer weiß, was hinter einem Projekt steckt, kann sich überlegen, welche Mittel in welcher Phase greifen könnten. Gute Planung ist wichtig, wenn man Erfolg haben will.
  • R wie Recruit (Mo­bil­isieren Sie!): Wer den Überblick über die Beteiligten und ihren Einfluss hat, sollte auch wissen, wer von ihnen in welcher Form bee­in­fluss­bar ist.
  • I wie Infiltrate (In­fil­tri­eren Sie!): Projekte lassen sich am besten von innen sabotieren. Sorgen Sie dafür, ins Team aufgenommen zu werden, und beginnen Sie mit dem Bee­in­flussen.
  • M wie Manipulate (Ma­nip­ulieren Sie!): Kom­mu­nizieren Sie nach innen und außen bewusst kritisch, ma­nip­ulieren Sie Berichte und In­for­ma­tio­nen. Nutzen Sie Ihr Wissen über Vorlieben und Abneigungen der Führungskräfte.
  • E wie Execute (Führen Sie’s aus!): Reicht das Zusam­men­spiel der Sab­o­tageakte, um das Projekt zu Fall zu bringen? Sonst noch einmal nachlegen!

Bürokratie ausnutzen

Je besser man die bürokratische Maschinerie eines Projekts verstanden hat, desto leichter ist es, sie lahmzulegen. Denn die ganze Bürokratie dient vor allem dem Zweck, die Oberen durch scheinbar objektive Zahlen und Fakten informiert zu halten. Leider laufen Projekte immer anders als geplant, es geht drunter und drüber, Selbstverständlichkeiten werden hinterfragt, neue Wege werden beschritten, und das kreative Chaos führt zu einem Ziel, das mit der ursprünglichen Vorgabe nur noch bedingt zu tun hat. Kurz gesagt: Projekte entziehen sich der Kontrolle von oben. Was man dort natürlich aus­ge­sprochen ungern sieht.

„Es liegt in der Natur men­schlichen Verhaltens, das eigene Interesse über das des Un­ternehmens zu stellen.“

Hier hakt der Saboteur ein. Zum Beispiel, indem er folgsam den bürokratis­chen Anweisungen nachkommt und alles genauso macht wie vorgesehen (dafür gibt es oft eine vorgegebene Pro­jek­t­man­age­ment­methodik). Bis aufs i-Tüpfelchen. Unglaublich, wie das den Prozess verzögert. Und unübertroffen, wie das die Kollegen demotiviert.

„Jeder verfügt über Mittel, um ein Projekt zu sabotieren.“

Wer hi­er­ar­chisch eine Stufe weiter unten steht, kann die Bürokraten (und alle anderen, die zuhören mögen) mit Interna füttern. Aus diesen geht natürlich hervor, dass Bericht und Wirk­lichkeit des Projekts au­seinan­derk­laf­fen. Oder dass es Lücken gibt. Oder was auch immer. Hauptsache, der Samen des Zweifels wird gesät – und dem Pro­jek­tleiter werden Dau­men­schrauben angelegt. Effekt: siehe oben.

Sabotieren von ganz oben: der Auf­tragge­ber

Auf­tragge­ber haben es am leichtesten, ein Projekt zu zerstören, denn sie haben die Kontrolle darüber. Sie legen die Inhalte des Auftrags fest – das dauert natürlich – und bestimmen das Team, an dessen Spitze vielleicht ein unfähiger oder überforderter Pro­jek­tleiter gestellt wird. Je ungenauer der Auf­tragge­ber den Pro­jek­t­in­halt hält, desto leichter kann er schon frühzeitig Unbehagen über die Zwis­ch­en­ergeb­nisse sig­nal­isieren.

„Der Pro­jek­tsabo­teur kennt den Pro­jek­t­man­ager, der Pro­jek­t­man­ager kennt den Saboteur jedoch nicht.“

Das Budget bietet gleich zwei An­griff­spunkte: seine Höhe und seine Verfügbarkeit. Nähert sich das Team trotz des eigentlich zu niedrigen Budgets dem Ziel, müssen ihm rechtzeitig Zusatza­uf­gaben aufgebürdet werden. Nie verkehrt ist es, un­verbindlich Spezial­is­ten aus anderen Abteilungen für das Projekt zuzusagen – wer kann denn ahnen, dass die mit dem Tagesgeschäft mehr als ausgelastet sind?

„Eine struk­turi­erte Sabotage ist am er­fol­gver­sprechend­sten.“

Der Pro­jek­t­man­ager hat Berichte anzufer­ti­gen, die der Auf­tragge­ber liest. Wenn der einen Vertrauten im Projektteam hat (sehr empfehlenswert!), wird er um die Diskrepanzen zwischen Realität und Bericht wissen und den Pro­jek­tleiter entsprechend grillen.

Sabotieren von der Spitze: der Pro­jek­tleiter

Pro­jek­tleiter können Projekte problemlos abhaken, indem sie ihre Berichte frisieren. Sie kennen das Projekt am besten und haben einen guten Überblick darüber, was besser weit­er­ge­tra­gen wird und was man unter Verschluss halten sollte.

„Die Macht der Bürokraten basiert auf dem dringlichen Bedürfnis des Managements, Ungewis­sheiten auf ein Minimum zu begrenzen.“

Für den Pro­jek­tauf­trag und den darauf aufbauenden Projektplan gilt wiederum: Je vager oder je starrer die Vorgaben, desto leichter fällt die Sabotage. Entweder durch Stochern im Nebel oder durch regel­gerechtes Töten von Kreativität. Spezial­is­ten, die ihren jeweiligen Ansatz grundsätzlich aus­disku­tieren müssen, bevor es überhaupt losgehen kann, sind gute Verzögerer. Ideale Ko-Sabo­teure sind auch die Mitarbeiter, die das bisher gängige Verfahren entwickelt haben und die naturgemäß wenig Interesse haben, ihre geistige Arbeit auf dem Müll zu sehen.

„Geld ist das effektivste Mittel, das Ihnen als sabotieren­dem Pro­jek­t­man­ager zur Verfügung steht.“

Pro­jek­tleiter müssen regelmäßig Sta­tus­berichte nach oben durchgeben. Kein Problem: Anfangs liegt das Projekt recht gut im Plan, allmählich häufen sich die Probleme, was selektiv in den Berichten weit­ergegeben wird. Das lässt sich langsam zur Eskalation bringen, bis das Projekt mit seinen Problemen komplett aus dem Ruder gelaufen ist. Die Alternative dazu ist, zu einem geeigneten Zeitpunkt das gesamte Grauen berichten und hoffen, dass das Fallbeil fällt. Der überzeu­gend­ste Grund: Das Budget läuft aus dem Ruder, trotz intensiver Gegenwehr und Analyse der Prob­lem­stel­lun­gen (denn Schuld darf nie der Pro­jek­t­man­ager tragen). Die Kosten türmen sich, die erwarteten Ziele sind noch in weiter Ferne. Ein ve­r­ant­wor­tungsvoller Chef hat da nur eine Option: den Stecker ziehen.

Sabotieren von unten: der Anwender

Projekte sollen letztlich den Anwendern zugutekom­men. Um deren Ansprüche zu kennen, wäre es sinnvoll, sie in die Prozesse einzubinden. Wenn das nicht passiert, können Anwender sich selbst einbinden, indem sie Interesse zeigen und mit den Pro­jek­t­mi­tar­beit­ern reden. Dabei ist für Anwender wichtig, ihre Rolle zu kennen: Sie verstehen nicht immer, was die Spezial­is­ten mit ihren fachtech­nis­chen Begriffen meinen – sonst hätten sie ja früher in­ter­ve­niert.

„Als sabotieren­der Pro­jek­t­man­ager müssen Sie die Kunst beherrschen, sich selbst aus der Schusslinie zu halten.“

Der mitdenkende Anwender un­ter­richtet das Projektteam davon, dass sich die An­forderun­gen an die Lösung wandeln und dass die Ziele daher laufend neu justiert werden sollten. Der ideale Zeitpunkt dafür ist die Demon­stra­tion einer Testversion. Die taugt natürlich noch nicht viel – also werden die Entwickler zurück an den Computer geschickt.

Sabotieren von innen: der Spezialist

Spezial­is­ten kennen und verstehen die Lösung, um die es im Projekt geht. Dieses Wissen können sie gezielt nutzen, etwa indem sie das Problem aufbauschen und Lösungen vorschlagen, die unmöglich erreicht werden können, die das Budget sprengen oder Nachbesserun­gen er­forder­lich machen.

„Verzögerung ist der größte Feind des Projekts.“

Wenn gar nichts anschlagen sollte, lässt sich immer noch die interne Revision einschalten. Sie ist das Herz der Bürokratie und steht allen Projekten skeptisch gegenüber – schließlich wird dort Geld ausgegeben, und niemand weiß so recht, ob sich das Ganze irgendwann auch rechnen wird. Und wenn die Revisoren nichts zu bemängeln haben, dann vielleicht die Sicher­heitsabteilung. Bis zum Beispiel die In­ter­net­sicher­heit geprüft ist, kann es natürlich dauern.

„Grundlage einer er­fol­gre­ichen Pro­jek­tsab­o­tage ist die effektive Ma­nip­u­la­tion der richtigen Leute im Unternehmen.“

Nicht zuletzt hat der Betriebsrat ein Wörtchen mitzureden. Ihn zu kon­sul­tieren ist Pflicht. Kluge Vorstände wissen das und binden den Betriebsrat von Anfang an in Projekte ein, in der Hoffnung, ihn auf ihrer Seite zu wissen. Einige Betriebsräte ziehen ihren Vorteil aus der entste­hen­den Ver­traulichkeit: Sie nutzen das Wissen der Vorstände, um das Projekt zu untergraben. Wenn der Vorstand seine Pläne offiziell bekannt gibt, präsentiert ein guter Betriebsrat zeitgleich seine at­trak­ti­vere Alternative.

All together now!

Wenn ein einzelner Mensch schon ein ganzes Projekt vom Weg abbringen kann, um wie viel effektiver ist es dann, wenn sich mehrere Personen zusam­men­schließen! Die Effekte mul­ti­plizieren sich. Dafür gilt es natürlich zuerst, Komplizen zu finden. Das gelingt, indem man über den Tellerrand schaut: Jedes Projekt ist eingebunden in die Strategie des Un­ternehmens. Es gibt Akteure, die diese Strategie unterstützen, und solche, die eine andere Politik bevorzugen würden. Diese anderen gilt es zu iden­ti­fizieren – im Idealfall sind es brauchbare Strip­pen­zieher im Hintergrund. Die er­fol­gver­sprechend­ste Kombination von Saboteuren ist übrigens die zwischen Spezialist und Pro­jek­t­man­ager bzw. zwischen Spezialist und Auf­tragge­ber.

Bis alles zusam­menkracht

Ein Projekt kann von jeder Position aus torpediert und versenkt werden. Ansatzpunkt ist die um das Berichtswe­sen wuchernde Bürokratie. Sie sorgt dafür, dass neben dem wirklichen Projekt ein offiziöses existiert, das in Form von Reports und Sta­tus­berichten vo­r­angetrieben wird. Da beide Pro­jek­t­for­men nie deck­ungs­gle­ich sind, können Saboteure die Diskrepanzen wunderbar nutzen, um Zweifel und Misstrauen zu säen.

„Sobald die Or­gan­i­sa­tion von der Unmöglichkeit des Projekts überzeugt ist und ihm den Stecker zieht, bleibt nur eine Schlussfol­gerung: Mission erfüllt!“

Wenn der Tag der Wahrheit kommt, muss der Saboteur gut vorgear­beitet haben. Er hat zwei Ar­gu­men­ta­tion­slin­ien zur Auswahl. Warum ist es schwierig bis unmöglich, das angepeilte Ziel zu erreichen? Entweder weil es nicht machbar ist (zu tiefes Budget, technisch unmöglich, geset­zeswidrig), oder weil das angestrebte Ziel das eigentliche Problem nicht lösen wird. Eine Führungskraft, die sich auf ihre Entschei­dungs­freude etwas einbildet, wird einen Moment überlegen – und dann das Projekt begraben. Spiel, Satz und Sieg – für den Saboteur.

Über die Autoren

Dion Kotteman ist Gen­eraldirek­tor der niederländischen Rechnungsprüfungsbehörde. Er hat als Spezialist für In­for­ma­tion­ssicher­heit gearbeitet und war als Polizeirat bei Interpol und Europol tätig. Jeroen Gietema arbeitet als unabhängiger Berater, Projekt- und Pro­gram­m­man­ager. Zuvor arbeitete er für Un­ternehmens­ber­atun­gen im Bereich In­for­ma­tion­stech­nolo­gie.