Emotionen in der Wirtschaftspolitik
Sicher werden auch Sie der Aussage zustimmen, dass Sympathien, Abneigung, Interessen und Neid im Wirtschaftssystem neben allen rationalen Argumenten eine bedeutende Rolle spielen. Neid wohnt dem Menschen inne, wird als negativ angesehen und stellt somit ein Tabu dar. Dies ist einer der Gründe, weshalb man den Neid als Motor der Wirtschaft nicht gerne wahrnimmt. Statt sich mit den positiven Auswirkungen des Neids zu befassen, versucht man ihn mit Hilfe der Gleichmachung von Vermögens- und Einkommensunterschieden gänzlich abzuschaffen. Diese Form der Gleichmacherei bezeichnet man als Egalitarismus. Ideen zur völligen Abschaffung des Besitzneides sind jedoch zweifelhaft. Studien über den Neid haben gezeigt, dass er bei steigendem Wohlstand sogar noch zunimmt. Neid richtet sich meist auf das Erreichbare: Nicht die grossen Diskrepanzen rufen den Neid hervor, sondern die kleinen Unterschiede.
Die zwei Gesichter des Neids
Der Neid hat zwei Gesichter. Die weit verbreitete Auffassung, Neid sei etwas gänzlich Negatives, bezieht sich auf seine destruktive Seite. Man möchte, dass es dem Bessergestellten schlechter gehen soll, auch wenn man selbst keinen materiellen Nutzen davon hat. Es geht allein darum, das Gefühl von Unzulänglichkeit zu verlieren. Im Gegensatz dazu ist die konstruktive Seite des Neids mit Bewunderung und Wetteifer verbunden und mit dem Streben, es dem Bessergestellten gleichzutun. Hier kann die Politik ansetzen: Es müssen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass es jedem möglich ist, kraft seiner eigenen Anstrengung aufzusteigen.
Ist Gleichheit utopisch?
Es gibt Güter, die niemals allen Menschen in einer Gesellschaft zur Verfügung stehen können. Dies sind u. a. die so genannten Positionsgüter. Damit sind bestimmte Führungspositionen in der Gesellschaft gemeint, wie das Amt eines Ministers oder die Rolle als Besitzer eines Grossunternehmens. Geht man davon aus, dass materielle Gleichheit möglich ist und alle Grundbedürfnisse der Menschen erfüllt werden können, so wären es schliesslich diese Positionsgüter, auf die der Neid gerichtet würde.
Vorgefertigter Neid
Oft sind es die Medien, die uns den Unterschied zu anderen Gesellschaftsschichten verdeutlichen und bei uns Neid hervorrufen. Man neidet nur, was man kennt. Man beneidet den Freund, den Kollegen oder den Nachbarn. Menschen, die wir nicht kennen, die Dinge besitzen, von denen wir nichts wissen, diesen Menschen können wir nichts neiden. Doch hier greifen die Medien ein und zeigen uns ein scheinbares Abbild von anderen Personen. Uns wird der Prunk ihrer Häuser vor Augen geführt, ihre Yacht und viele andere Luxusartikel, mit denen sich diese Menschen umgeben. Wir erfahren beim Anblick solcher Bilder wenig über die Leistungen dieser Menschen oder ihr soziales Engagement für die Gesellschaft. Unser Neid wird künstlich angestachelt.
Chancengleichheit
Eigentlich sind Sie mit Ihrem Einkommen zufrieden, Sie leiden keinen Mangel und können sich viel leisten. Doch sobald Sie erfahren, dass Ihr Kollege eine Gehaltserhöhung bekommen hat, werden Sie unzufrieden und neiden es ihm. Auch die Politik macht sich unsere Neidanfälligkeit zu Nutze. Neid führt zum Streben nach Gleichheit. Es gibt die These, dass Chancengleichheit nie völlig zu verwirklichen sei. Viele Bestrebungen, die Chancengleichheit zum Ziel haben, gehen auf Kosten von Freiheit und Effizienz. Ob Sie dieser These zustimmen, bleibt Ihnen überlassen, doch es ist kaum abzustreiten, dass jeder Mensch allein dem Wesen nach schon ungleich ist.
„Gleichheit am Anfang kann man im Namen der Gerechtigkeit fordern, Gleichheit am Ende nur im Namen des Neides.“
Um Chancengleichheit zu gewähren, müssten alle Menschen aus dem gleichen äusseren Umfeld kommen. Die milieubedingten Voraussetzungen müssten für alle gleich sein. Doch ist dies überhaupt möglich? Allein schon die geographischen Voraussetzungen sind grundverschieden und lassen sich nicht vereinheitlichen. Ein Kind, das in der Grossstadt geboren wurde, wächst unter anderen Bedingungen auf als ein Kind aus einem Bergdorf.
„Indem der Neid die Leistungsbereitschaft der Tüchtigen reduziert, indem er bei ihnen Schuldgefühle entstehen lässt, schadet der Neid nicht zuletzt denen, die weniger leisten, aber von der Leistung anderer profitieren.“
Vielfach wird auch der Weg zur Chancengleichheit in den Bemühungen um gleiche pädagogische Voraussetzungen gesehen. Doch auch hier ist die Durchführbarkeit fraglich, denn die Qualität von Erziehern und Lehrern ist nicht gleich. Manche vermitteln den Lernstoff besser, andere schlechter. Und auch die Effizienz einer gleichen Erziehung ist fragwürdig. Was soll mit dem kleinen Prozentsatz an Hochbegabten und Unterbegabten geschehen? Ist es sinnvoll, allen die gleiche pädagogische Behandlung angedeihen zu lassen, ohne die Schwachen und Begabten entsprechend ihren Möglichkeiten zu fördern?
Verzicht auf Selbstverwirklichung
Stellen Sie sich die Frage, ob es Sinn macht, die wirtschaftliche Gleichheit der Menschen anzustreben, wo doch der Mensch an sich nicht gleich ist. Wirtschaftliche Gleichheit würde eine Umverteilung aller Güter bedeuten und Zwangsenteignungen mit einschliessen. Ein schwer zu lösendes Problem stellt hierbei die Aufteilung der Produktionsmittel und des öffentlichen Besitzes dar. Ein anderer Ansatz wäre, die Gleichheit der Einkünfte zu fordern. Doch jeder geht anders mit seinem Besitz um. Sie sparen Ihr Geld und haushalten erfolgreich, Ihr Nachbar konsumiert viel und gibt sein Einkommen aus. Nach nur kurzer Zeit käme es so wiederum zu unterschiedlichen Besitzverhältnissen.
„Dem Gruppendruck zur Mittelmässigkeit entgegenzuwirken, dürfte zu den wichtigsten unternehmerischen Führungsaufgaben gehören.“
Bei Miete und Wohnungen haben wir wieder das Problem der Ungleichheit. Angenommen, wir sichern jedem Menschen pauschal 65 m2 Wohnfläche zu, so hätte derjenige, der eine Wohnung in zentraler Lage, nahe seiner Arbeitsstätte ergattert, einen Vorteil vor demjenigen, der mehrere Kilometer Anfahrtsweg hat. Alle Wohnungen wären völlig gleich ausgestattet und glichen einander wie ein Ei dem anderen. Dasselbe gilt für Produkte, denn hier gibt es für ein und dasselbe Produkt unterschiedliche Qualitäten. Eine Lösung wäre die Standardisierung aller Produkte. Aber: Möchten Sie wirklich so leben? Wollen Sie Individualität und Selbstverwirklichung für die totale Gleichheit opfern?
Visionen einer neidlosen Gesellschaft
Feindseliger Neid entspringt oft einem Fehlen von Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Menschen, die glauben, sie könnten ihre Lage nicht aus eigener Kraft verbessern, wünschen dem Bessergestellten den Verlust seiner Vorteile, da dies die einzige Möglichkeit ist, ihr Unterlegenheitsgefühl zu verbessern. Würde jeder Achtung vor dem anderen haben, weil alle die gleichen Grundrechte und eine faire Anfangssituation haben, dann würden Unterschiede in den Besitzverhältnissen die Selbstachtung der Schwächeren nicht verletzen. Bedingung wäre auch, dass die Bessergestellten ihre Vorteile und ihren Besitz nicht prahlerisch zur Schau stellen, um die weniger Begünstigten nicht zu provozieren.
„Was allen gleichermassen nützt, kann nur beschafft werden, wenn die Beiträger irgendwie privilegiert werden.“
Interessant für den anthropologischen Ursprung des Neides ist ein Blick in den Kibbuz. Kleine Kinder, die dort in Gemeinschaftswohnhäusern aufgezogen werden, eignen sich das dort auffindbare Spielzeug an, wollen es nicht hergeben, streiten mit anderen darum und empfinden Neid. Erst wenn sie älter werden und die Ideologie des Kibbuz verinnerlicht haben, sind sie in der Lage, alle Güter gemeinschaftlich zu teilen. Der Eigentumsbegriff scheint somit etwas zu sein, was nicht von der Gesellschaft erzeugt wird, sondern von Natur aus in uns steckt. Das heisst, der neidfreie und der verzichtende Mensch muss immer wieder neu erzogen werden. Natürliche Eigenschaften müssen von aussen unterdrückt werden. Kann eine leistungsfähige Gesellschaft so funktionieren?
Sinn und Unsinn progressiver Steuerpolitik
In der Volkswirtschaft gibt es den Begriff der Wohlfahrtsökonomie. Dabei wird der geringste Neid der grösstmöglichen Menschenzahl angestrebt. Verfechter der Wohlfahrtsökonomie glauben den Neid aufheben zu können, indem die Beneideten unproportional höher besteuert werden. Diese so genannte progressive Steuerpolitik herrscht in vielen Ländern vor. Durch die hohe Besteuerung glaubt man dem Neid beikommen zu können, indem es den wenigen Bessergestellten schlechter geht. Die Position des Neiders kann dabei völlig unangetastet bleiben.
„Es genügt der Hinweis auf die bessere Lage der anderen, die uns beeindruckt. Man ist von ihrem Glück niedergeschlagen und bewertet das, was man selber hat, nicht mehr so hoch.“
Steuern sind zum einen dazu da, egalitäre Gefühle zu befriedigen und damit Neid abzubauen. Sie sollen der sozialen Gerechtigkeit dienen. Zum anderen sind Steuern dazu da, um Geldmittel für den Staat zu beschaffen. Die progressive Steuer kann zu einem Anstieg von Steuerflucht und Steuerhinterziehungen führen. Der Staat baut auf den Neid aller gegen alle, um eine möglichst hohe Steuerehrlichkeit zu erzielen. Wenn es dabei unter den Menschen zu Denunziationen kommt, ist dem Staat das auch recht. In den USA zahlt die Bundesfinanzbehörde bereits seit einigen Jahren Belohnungen an Denunzianten, die Informationen über die eigentlich geheimen Einkommensteuererklärungen ihrer Mitbürger geben können.
„Privateigentum ist die Voraussetzung des Tauschs und komplexerer Mischformen der vertraglich vereinbarten gemeinsamen Eigentumsnutzung, welche die Grundlage des quantitativen und qualitativen Wirtschaftswachstums bilden.“
Das Hauptmotiv einer progressiven Steuerpolitik ist nicht unbedingt bei der Staatsfinanzierung zu suchen. Würde beispielsweise die staatliche Einkommensteuer in Schweden auf 25 % begrenzt, so verlöre das Finanzministerium nur 2 % aller Steuereinnahmen. Die finanzpolitische Bedeutung ist also nicht sehr erheblich. Es scheint allein darum zu gehen, dem Ideal der Gleichheit wenigstens symbolisch einen Schritt näher zu kommen.
Die Kräfte der freien Marktwirtschaft
Auch eine unpopuläre These, die besagt, Steuerprogression könne das marktwirtschaftliche System zerstören, ist es wert, durchdacht zu werden. Der Nutzen grosser Einkommen spielt bei der Finanzierung von technischen Innovationen eine grosse Rolle und ermöglicht erst den wirtschaftlichen Fortschritt. Fast alle uns selbstverständlichen Gebrauchsgegenstände wie Kühlschrank, Telefon und elektrisches Licht waren einst ausschliesslich den Reichen zum Gebrauch vorbehalten, da diese Gegenstände Luxusartikel darstellten. Die Kosten für die Herstellung und für die experimentellen Versuche zur Verbesserung dieser Güter trugen einst die Reichen und genossen ca. 20 Jahre früher diese Güter, bevor sie durch die Massenproduktion billiger und für alle zugänglich wurden. Wären wir bei einer gleichmässigen Verteilung aller Geldmittel jemals so weit fortgeschritten? Stagniert eine stark egalitär ausgerichtete Gesellschaft nicht allzusehr und tritt auf der Stelle?
„Jedem das seine, fordert die Gerechtigkeit, jedem dasselbe, der Neid.“
Auch Neuinvestitionen verringern sich zunehmend durch die starke Besteuerung von Unternehmensgewinnen. Alle wirtschaftlichen Anlagen sind Risiken unterworfen. Je höher das Risiko eines Verlustes, desto höher müssen die Gewinnaussichten sein. Wird nun ein Gewinn eingefahren und der Staat profitiert zu 70 % davon, so werden viele volkswirtschaftlich wünschenswerte Anlagen einfach unrentabel für den Unternehmer. Anreize zu Neuinvestitionen werden gehemmt. Würden Sie in eine gute Idee investieren, die Ihnen die Möglichkeit bietet, für einen relativ geringen Einsatz in zwei Jahren ein Vermögen zu verdienen, wenn Ihnen gleichzeitig klar ist, dass Sie von diesem Vermögen nur einen Bruchteil behalten dürfen?