Neidökonomie

Buch Neidökonomie

Wirtschaftspolitische Aspekte eines Lasters

NZZ Libro,


Rezension

In diesem Buch setzen sich un­ter­schiedliche Autoren mit dem Thema Neid auseinander. Dabei erfahren Sie völlig neue Denkansätze, Thesen und In­ter­pre­ta­tio­nen zu diesem oft negativ belegten Begriff. Dieses Buch will Ihnen die positiven Seiten des Neids aufzeigen. Die Autoren versuchen, Sie anhand zahlreicher Beispiele zu überzeugen, dass eine neidlose Gesellschaft eine Utopie ist. Nehmen Sie an dieser philosophis­chen Debatte teil und gewinnen Sie neue Einblicke in die Zusammenhänge men­schlicher Emotionen samt ihrer Auswirkun­gen auf Wirtschaft und Politik. Verfechter einer absolut freien Mark­twirtschaft kommen hier ebenso zu Wort wie Befürworter einer überwiegend staatlich gelenkten Fi­nanzpoli­tik. Selbst wenn einige unpopuläre Aspekte in diesem Buch vielleicht Ihre Kritik hervorrufen werden, kann es Ihnen eine völlig neue Sichtweise zum Thema Neid ermöglichen. BooksInShort.​com empfiehlt das Buch daher allen Lesern, die sich für gesellschaft­spoli­tis­che und soziale Ideen in­ter­essieren und Freude am Philoso­phieren haben.

Take-aways

  • Die Chan­cen­gle­ich­heit ist eine Gle­ich­stel­lung beim Start, aber nicht im Ziel.
  • Frucht­brin­gen­der als Gle­ich­macherei ist es, den Neid in Bewunderung umzuwandeln.
  • Verteilungs­fra­gen sollten nicht durch politische Entschei­dun­gen gelöst werden, sondern dem freien Markt überlassen werden.
  • Eine neidlose Gesellschaft ist eine Utopie.
  • Die Neidfähigkeit ist eine notwendige soziale Warngeste.
  • Die Un­zufrieden­heit von Ar­beit­nehmern steigt, wenn sich das Einkommen von anderen Ar­beit­nehmern, mit denen sie sich vergleichen, ansteigt.
  • Gleichen Leistungen müssen gleiche Löhne entsprechen, bedingt durch eine Gle­ich­stel­lung der in­tellek­tuellen Fähigkeiten.
  • Ein Mehr an Gütern bei anderen wird als feindselig betrachtet, auch wenn es Quantität und Qualität der eigenen Güter nicht schmälert.
  • Ohne Neid und Eifersucht gäbe es vermutlich kein Streben nach Gerechtigkeit.
  • Neid resultiert aus einem Mangel an Selb­st­wert­gefühl in Verbindung mit der eigenen Ohnmacht.
 

Zusammenfassung

Emotionen in der Wirtschaft­spoli­tik

Sicher werden auch Sie der Aussage zustimmen, dass Sympathien, Abneigung, Interessen und Neid im Wirtschaftssys­tem neben allen rationalen Argumenten eine bedeutende Rolle spielen. Neid wohnt dem Menschen inne, wird als negativ angesehen und stellt somit ein Tabu dar. Dies ist einer der Gründe, weshalb man den Neid als Motor der Wirtschaft nicht gerne wahrnimmt. Statt sich mit den positiven Auswirkun­gen des Neids zu befassen, versucht man ihn mit Hilfe der Gle­ich­machung von Vermögens- und Einkom­men­su­n­ter­schieden gänzlich abzuschaf­fen. Diese Form der Gle­ich­macherei bezeichnet man als Egal­i­taris­mus. Ideen zur völligen Abschaffung des Be­sitznei­des sind jedoch zweifelhaft. Studien über den Neid haben gezeigt, dass er bei steigendem Wohlstand sogar noch zunimmt. Neid richtet sich meist auf das Erreichbare: Nicht die grossen Diskrepanzen rufen den Neid hervor, sondern die kleinen Un­ter­schiede.

Die zwei Gesichter des Neids

Der Neid hat zwei Gesichter. Die weit verbreitete Auffassung, Neid sei etwas gänzlich Negatives, bezieht sich auf seine destruktive Seite. Man möchte, dass es dem Bessergestell­ten schlechter gehen soll, auch wenn man selbst keinen materiellen Nutzen davon hat. Es geht allein darum, das Gefühl von Unzulänglichkeit zu verlieren. Im Gegensatz dazu ist die kon­struk­tive Seite des Neids mit Bewunderung und Wetteifer verbunden und mit dem Streben, es dem Bessergestell­ten gleichzutun. Hier kann die Politik ansetzen: Es müssen Vo­raus­set­zun­gen dafür geschaffen werden, dass es jedem möglich ist, kraft seiner eigenen Anstrengung aufzusteigen.

Ist Gleichheit utopisch?

Es gibt Güter, die niemals allen Menschen in einer Gesellschaft zur Verfügung stehen können. Dies sind u. a. die so genannten Positionsgüter. Damit sind bestimmte Führungspo­si­tio­nen in der Gesellschaft gemeint, wie das Amt eines Ministers oder die Rolle als Besitzer eines Grossun­ternehmens. Geht man davon aus, dass materielle Gleichheit möglich ist und alle Grundbedürfnisse der Menschen erfüllt werden können, so wären es schliesslich diese Positionsgüter, auf die der Neid gerichtet würde.

Vorge­fer­tigter Neid

Oft sind es die Medien, die uns den Unterschied zu anderen Gesellschaftss­chichten verdeut­lichen und bei uns Neid hervorrufen. Man neidet nur, was man kennt. Man beneidet den Freund, den Kollegen oder den Nachbarn. Menschen, die wir nicht kennen, die Dinge besitzen, von denen wir nichts wissen, diesen Menschen können wir nichts neiden. Doch hier greifen die Medien ein und zeigen uns ein scheinbares Abbild von anderen Personen. Uns wird der Prunk ihrer Häuser vor Augen geführt, ihre Yacht und viele andere Luxu­sar­tikel, mit denen sich diese Menschen umgeben. Wir erfahren beim Anblick solcher Bilder wenig über die Leistungen dieser Menschen oder ihr soziales Engagement für die Gesellschaft. Unser Neid wird künstlich anges­tachelt.

Chan­cen­gle­ich­heit

Eigentlich sind Sie mit Ihrem Einkommen zufrieden, Sie leiden keinen Mangel und können sich viel leisten. Doch sobald Sie erfahren, dass Ihr Kollege eine Gehaltserhöhung bekommen hat, werden Sie unzufrieden und neiden es ihm. Auch die Politik macht sich unsere Neidanfälligkeit zu Nutze. Neid führt zum Streben nach Gleichheit. Es gibt die These, dass Chan­cen­gle­ich­heit nie völlig zu ver­wirk­lichen sei. Viele Be­stre­bun­gen, die Chan­cen­gle­ich­heit zum Ziel haben, gehen auf Kosten von Freiheit und Effizienz. Ob Sie dieser These zustimmen, bleibt Ihnen überlassen, doch es ist kaum abzus­tre­iten, dass jeder Mensch allein dem Wesen nach schon ungleich ist.

„Gleichheit am Anfang kann man im Namen der Gerechtigkeit fordern, Gleichheit am Ende nur im Namen des Neides.“

Um Chan­cen­gle­ich­heit zu gewähren, müssten alle Menschen aus dem gleichen äusseren Umfeld kommen. Die mi­lieube­d­ingten Vo­raus­set­zun­gen müssten für alle gleich sein. Doch ist dies überhaupt möglich? Allein schon die ge­o­graphis­chen Vo­raus­set­zun­gen sind grund­ver­schieden und lassen sich nicht vere­in­heitlichen. Ein Kind, das in der Grossstadt geboren wurde, wächst unter anderen Bedingungen auf als ein Kind aus einem Bergdorf.

„Indem der Neid die Leis­tungs­bere­itschaft der Tüchtigen reduziert, indem er bei ihnen Schuldgefühle entstehen lässt, schadet der Neid nicht zuletzt denen, die weniger leisten, aber von der Leistung anderer profitieren.“

Vielfach wird auch der Weg zur Chan­cen­gle­ich­heit in den Bemühungen um gleiche pädagogische Vo­raus­set­zun­gen gesehen. Doch auch hier ist die Durchführbarkeit fraglich, denn die Qualität von Erziehern und Lehrern ist nicht gleich. Manche vermitteln den Lernstoff besser, andere schlechter. Und auch die Effizienz einer gleichen Erziehung ist fragwürdig. Was soll mit dem kleinen Prozentsatz an Hochbe­gabten und Un­ter­be­gabten geschehen? Ist es sinnvoll, allen die gleiche pädagogische Behandlung angedeihen zu lassen, ohne die Schwachen und Begabten entsprechend ihren Möglichkeiten zu fördern?

Verzicht auf Selb­stver­wirk­lichung

Stellen Sie sich die Frage, ob es Sinn macht, die wirtschaftliche Gleichheit der Menschen anzustreben, wo doch der Mensch an sich nicht gleich ist. Wirtschaftliche Gleichheit würde eine Umverteilung aller Güter bedeuten und Zwangsen­teig­nun­gen mit ein­schliessen. Ein schwer zu lösendes Problem stellt hierbei die Aufteilung der Pro­duk­tion­s­mit­tel und des öffentlichen Besitzes dar. Ein anderer Ansatz wäre, die Gleichheit der Einkünfte zu fordern. Doch jeder geht anders mit seinem Besitz um. Sie sparen Ihr Geld und haushalten erfolgreich, Ihr Nachbar konsumiert viel und gibt sein Einkommen aus. Nach nur kurzer Zeit käme es so wiederum zu un­ter­schiedlichen Besitzverhältnissen.

„Dem Grup­pen­druck zur Mittelmässigkeit ent­ge­gen­zuwirken, dürfte zu den wichtigsten un­ternehmerischen Führungsauf­gaben gehören.“

Bei Miete und Wohnungen haben wir wieder das Problem der Un­gle­ich­heit. Angenommen, wir sichern jedem Menschen pauschal 65 m2 Wohnfläche zu, so hätte derjenige, der eine Wohnung in zentraler Lage, nahe seiner Arbeitsstätte ergattert, einen Vorteil vor demjenigen, der mehrere Kilometer Anfahrtsweg hat. Alle Wohnungen wären völlig gleich aus­ges­tat­tet und glichen einander wie ein Ei dem anderen. Dasselbe gilt für Produkte, denn hier gibt es für ein und dasselbe Produkt un­ter­schiedliche Qualitäten. Eine Lösung wäre die Stan­dar­d­isierung aller Produkte. Aber: Möchten Sie wirklich so leben? Wollen Sie In­di­vid­u­alität und Selb­stver­wirk­lichung für die totale Gleichheit opfern?

Visionen einer neidlosen Gesellschaft

Feind­seliger Neid entspringt oft einem Fehlen von Selb­st­wert­gefühl und Selb­stver­trauen. Menschen, die glauben, sie könnten ihre Lage nicht aus eigener Kraft verbessern, wünschen dem Bessergestell­ten den Verlust seiner Vorteile, da dies die einzige Möglichkeit ist, ihr Un­ter­legen­heits­gefühl zu verbessern. Würde jeder Achtung vor dem anderen haben, weil alle die gleichen Grundrechte und eine faire An­fangssi­t­u­a­tion haben, dann würden Un­ter­schiede in den Besitzverhältnissen die Selb­stach­tung der Schwächeren nicht verletzen. Bedingung wäre auch, dass die Bessergestell­ten ihre Vorteile und ihren Besitz nicht prahlerisch zur Schau stellen, um die weniger Begünstigten nicht zu provozieren.

„Was allen gle­icher­massen nützt, kann nur beschafft werden, wenn die Beiträger irgendwie priv­i­legiert werden.“

Interessant für den an­thro­pol­o­gis­chen Ursprung des Neides ist ein Blick in den Kibbuz. Kleine Kinder, die dort in Gemein­schaftswohnhäusern aufgezogen werden, eignen sich das dort auffindbare Spielzeug an, wollen es nicht hergeben, streiten mit anderen darum und empfinden Neid. Erst wenn sie älter werden und die Ideologie des Kibbuz verin­ner­licht haben, sind sie in der Lage, alle Güter gemein­schaftlich zu teilen. Der Eigen­tums­be­griff scheint somit etwas zu sein, was nicht von der Gesellschaft erzeugt wird, sondern von Natur aus in uns steckt. Das heisst, der neidfreie und der verzich­t­ende Mensch muss immer wieder neu erzogen werden. Natürliche Eigen­schaften müssen von aussen unterdrückt werden. Kann eine leistungsfähige Gesellschaft so funk­tion­ieren?

Sinn und Unsinn pro­gres­siver Steuer­poli­tik

In der Volk­swirtschaft gibt es den Begriff der Wohlfahrtsökonomie. Dabei wird der geringste Neid der grösstmöglichen Men­schen­zahl angestrebt. Verfechter der Wohlfahrtsökonomie glauben den Neid aufheben zu können, indem die Beneideten un­pro­por­tional höher besteuert werden. Diese so genannte progressive Steuer­poli­tik herrscht in vielen Ländern vor. Durch die hohe Besteuerung glaubt man dem Neid beikommen zu können, indem es den wenigen Bessergestell­ten schlechter geht. Die Position des Neiders kann dabei völlig unange­tastet bleiben.

„Es genügt der Hinweis auf die bessere Lage der anderen, die uns beeindruckt. Man ist von ihrem Glück niedergeschla­gen und bewertet das, was man selber hat, nicht mehr so hoch.“

Steuern sind zum einen dazu da, egalitäre Gefühle zu befriedigen und damit Neid abzubauen. Sie sollen der sozialen Gerechtigkeit dienen. Zum anderen sind Steuern dazu da, um Geldmittel für den Staat zu beschaffen. Die progressive Steuer kann zu einem Anstieg von Steuer­flucht und Steuer­hin­terziehun­gen führen. Der Staat baut auf den Neid aller gegen alle, um eine möglichst hohe Steuerehrlichkeit zu erzielen. Wenn es dabei unter den Menschen zu De­nun­zi­a­tio­nen kommt, ist dem Staat das auch recht. In den USA zahlt die Bun­des­fi­nanzbehörde bereits seit einigen Jahren Belohnungen an De­nun­zianten, die In­for­ma­tio­nen über die eigentlich geheimen Einkom­men­steuer­erklärungen ihrer Mitbürger geben können.

„Pri­vateigen­tum ist die Vo­raus­set­zung des Tauschs und komplexerer Mischformen der vertraglich vere­in­barten gemeinsamen Eigen­tum­snutzung, welche die Grundlage des quan­ti­ta­tiven und qual­i­ta­tiven Wirtschaftswach­s­tums bilden.“

Das Hauptmotiv einer pro­gres­siven Steuer­poli­tik ist nicht unbedingt bei der Staats­fi­nanzierung zu suchen. Würde beispiel­sweise die staatliche Einkom­men­steuer in Schweden auf 25 % begrenzt, so verlöre das Fi­nanzmin­is­terium nur 2 % aller Steuere­in­nah­men. Die fi­nanzpoli­tis­che Bedeutung ist also nicht sehr erheblich. Es scheint allein darum zu gehen, dem Ideal der Gleichheit wenigstens symbolisch einen Schritt näher zu kommen.

Die Kräfte der freien Mark­twirtschaft

Auch eine unpopuläre These, die besagt, Steuer­pro­gres­sion könne das mark­twirtschaftliche System zerstören, ist es wert, durchdacht zu werden. Der Nutzen grosser Einkommen spielt bei der Fi­nanzierung von technischen In­no­va­tio­nen eine grosse Rolle und ermöglicht erst den wirtschaftlichen Fortschritt. Fast alle uns selbstverständlichen Ge­brauchs­ge­genstände wie Kühlschrank, Telefon und elek­trisches Licht waren einst auss­chliesslich den Reichen zum Gebrauch vorbehalten, da diese Gegenstände Luxu­sar­tikel darstellten. Die Kosten für die Herstellung und für die ex­per­i­mentellen Versuche zur Verbesserung dieser Güter trugen einst die Reichen und genossen ca. 20 Jahre früher diese Güter, bevor sie durch die Massen­pro­duk­tion billiger und für alle zugänglich wurden. Wären wir bei einer gleichmässigen Verteilung aller Geldmittel jemals so weit fort­geschrit­ten? Stagniert eine stark egalitär aus­gerichtete Gesellschaft nicht allzusehr und tritt auf der Stelle?

„Jedem das seine, fordert die Gerechtigkeit, jedem dasselbe, der Neid.“

Auch Neuin­vesti­tio­nen verringern sich zunehmend durch die starke Besteuerung von Un­ternehmensgewin­nen. Alle wirtschaftlichen Anlagen sind Risiken unterworfen. Je höher das Risiko eines Verlustes, desto höher müssen die Gewin­naus­sichten sein. Wird nun ein Gewinn eingefahren und der Staat profitiert zu 70 % davon, so werden viele volk­swirtschaftlich wünschenswerte Anlagen einfach unrentabel für den Unternehmer. Anreize zu Neuin­vesti­tio­nen werden gehemmt. Würden Sie in eine gute Idee investieren, die Ihnen die Möglichkeit bietet, für einen relativ geringen Einsatz in zwei Jahren ein Vermögen zu verdienen, wenn Ihnen gle­ichzeitig klar ist, dass Sie von diesem Vermögen nur einen Bruchteil behalten dürfen?

Über die Autoren

Robert Nef hat in Zürich und Wien Jura studiert. Seit 1979 leitet er das Liberale Institut in Zürich, einen Think-Tank zur Verbreitung liberaler Ideen. Seit 1994 ist er Redakteur und Mither­aus­ge­ber der Schweizer Monatshefte und betätigt sich im In- und Ausland als Referent und Publizist. Gerhard Schwarz hat an der Universität St. Gallen sowie am American Institute for Economic Research in Great Barrington Wirtschaftswis­senschaften studiert. Er ist Leiter der Wirtschaft­sredak­tion der Neuen Zürcher Zeitung und nimmt an der Universität Zürich einen Lehrauftrag zum Thema Wirtschaft­sor­d­nun­gen wahr. Für seine Arbeit wurde er mit dem Lud­wig-Er­hard-Preis für Wirtschaft­spub­lizis­tik aus­geze­ich­net.